In der mittelalterlichen Feudalgesellschaft gehörte die heutige Region Baden-Württemberg zum „Heiligen Römischen Reich deutscher Nation“, welches von 962 bis zu seiner Auflösung 1806 existierte. Der Name des Reiches entstand durch das Interesse der herrschenden Fürsten, Bischöfe, Könige und Kaiser, das antike Römische Imperium fortzusetzen und ihre Herrschaft als „gottgewollt“ und „heilig“ darzustellen und zu legitimieren. Seit ca. 1300 hatte in diesem ersten deutschen Reich die Pest zu einem Massensterben und zu einem Rückgang der Bevölkerung um nahezu ein Drittel geführt (von 12 Millionen Einwohner im Jahr 1347 auf 8,5 Millionen in 1357).1 Adel und Kirche sagten der nicht auf Fortpflanzung gerichteten Sexualität so wie der sexuellen Freizügigkeit, wie sie sich z. B. in einer entsprechenden Badehauskultur entwickelt hatte,
den radikalen Kampf an.2 Insbesondere wurde jetzt die in der Bibel für „Sodomiten“ bestimmte Todesstrafe durch Verbrennen auf dem Scheiterhaufen konsequent durchgeführt (siehe: „Wenn ein Mann bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben.“ 3. Buch Mose, Leviticus 20,13). Nicht besser erging es als „Hexen“ beschuldigten Hebammen. Wenn sie z. B. Verhütungs- und Abtreibungswissen weitergaben, riskierten sie dafür ihr Leben3.

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Das Heilige Römische Reich deutscher Nation um 1000

 

Artikel 116 der „Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V“
Ca. 200 Jahre später, 1532, wurde die Todesstrafe für homosexuelle Frauen und Männer im ersten allgemeinen deutschen Strafgesetzbuch, in der „Constitutio Criminalis Carolina“, gesetzlich festgeschrieben. Im deutschen Sprachgebrauch heißt sie auch „Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V“. Damit kam das Vorgehen gegenüber Beschuldigten zum Ausdruck: peinlich befragt, abgeleitet von Pein bzw. Schmerz, weist daraufhin, dass Folter als Mittel zum Erzielen von Geständnissen vorgesehen war.4 Der einschlägige Artikel 116 lautete: Wenn „mann mit mann, weib mit weib, vnkeusch treiben, die haben auch das leben verwürckt, vnd man soll sie der gemeynen gewonheyt nach mit dem fewer vom leben zum todt richten.“5
Doch auch andere Tötungsarten kamen zur Anwendung. In einer württembergischen Chronik des Jahres 1660 heißt es, dass dem „Urheber“ einer „unflätige(n) Sodomiterey […] erstlich die rechte Hand: hernach den Kopf abgehawen/folgends der Cörper zu Pulver und Asche verbrannt: zween seiner Gesellen aber, deswegen zu Cantstatt auch enthaubtet“ wurden.6

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1 Siehe: http://www.heiliges-römisches-reich.de/, zuletzt gesehen am 7.7.2016

2 Siehe Ottmar Lattdorf: „Wer verfolgte die Hebammen-Hexen?“, Kapitel „Das Badehaus und andere unzüchtige Sitten des leibeigenen Volkes“, S. 15 siehe http://www.berndsenf.de/pdf/HexenHebammenVerfolgung.pdf, zuletzt gesehen am 10.7.2016.

3 Siehe den Beitrag „Hebammen als Opfer der Hexenverfolgung“, http://www.hexenbad.com/info-hexenhebammen.htm, http://www.berndsenf.de/pdf/HexenHebammenVerfolgung.pdf sowie http://www.lto.de/recht/feuilleton/f/rechtsgeschichte-hexenprozess-scheiterhaufen-witchcraft-act/, zuletzt gesehen am 3.7.2016.

4 Siehe „Die Constitutio Criminalis Carolina (CCC) – das erste deutsche Strafgesetz – Verfahren und Rechtsgrundlage“ http://www.kreuzzug.de/hexenverfolgung/erste-deutsche-strafgesetz-verfahren.php, zuletzt gesehen am 11.7.2016 sowie Christian Schäfer: „Widernatürliche Unzucht“ (§§ 175, 175a, 175b, 182 a.F. StGB), Berlin 2006, S. 21.

5 Zitiert nach http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PeinlicheGerichtsordnungKarlsV.htm, zuletzt gesehen am 11.7.2016.

6 Der Sodomiten-Prozeß 1659 – zitiert nach „Materialien – Entdeckungsreise in die schwule Geschichte Stuttgarts“, Die Grünen, KV Stuttgart, S. 2.