* 19.10.1906 Tettnang

KZ Ravensbrück

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Der am 19. Oktober 1906 in Tettnang geborene und zuletzt dort in der Schulstraße 6 wohnhafte ledige Maler Otto Schorer war vom Amtsgericht Tettnang bereits am 28. Juni 1929 wegen eines Vergehens i. S. d. § 175 StGB mit einer Geldstrafe bestraft worden. Am 9. Juni 1936 wurde er von der Strafkammer in Ravensburg erneut wegen „eines Verbrechens i. S. d. § 175 a StGB und wegen Vergehen i. S. d. § 175 StGB“ zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Diese Strafe hatte er in der Zeit vom 1. Oktober 1936 bis 1. Juni 1937 in Ulm abgesessen (Staatsarchiv Ludwigsburg, Ober- und Mittelbehörden, Justizministerium, E 356 g_Bü 5766, Personalakte Schorer).
Ca. 1 ½ Jahre später, am 29. November 1938, hat ihn das Landgericht Ravensburg erneut wegen begangener und versuchter Verbrechen i. S. d. § 175a StGB, wegen acht Vergehen i. S. d. § 175 StGB zu zwei Jahren und sechs Monaten sowie zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von drei Jahren und zur Tragung der Kosten des Verfahrens verurteilt. Laut Gutachten des Oberarztes Dr. Götz von der Heilanstalt Weissenau sei Schorer nicht erblich ungünstig belastet. Er habe „eine für seinen Stand ausreichende Allgemeinbildung“, „sein körperlicher und seelischer Zustand“ biete „keine Abweichungen vom gesunden Durchschnitt“. Auch im Urteil heißt es, dass Schorer in der Hauptverhandlung einen gesunden Eindruck gemacht habe. Er sei „klar und besonnen“ aufgetreten und hätte sich „von seinem Standpunkt aus gesehen nicht ungeschickt“ verteidigt. Im Urteil wird weiter ausgeführt: „In seiner Willensseite ist der Angeklagte wohl von seinem entarteten Trieb beeinträchtigt. Der Angeklagte ist nämlich einseitig gleichgeschlechtlich veranlagt. […] Der Angeklagte […] behauptete […], gleichgeschlechtlich sei er nicht veranlagt, in den Jahren 1929 – 34 habe er 3 Mal mit Mädchen verkehrt. Wenn sich ihm auch die letzte Behauptung nicht widerlegen liess, so ergaben doch seine eigene Ausführungen mindestens so viel, dass er, obwohl schon 32 Jahre alt, noch nie mit einem Mädchen ein tiefergehendes und länger andauerndes Verhältnis gehabt hat. Dass dieser Sachverhalt nicht etwa in einer Schwäche seines Geschlechtstriebs, sondern nur in dessen entarteter Richtung seine Ursache hat, ergibt sich aus seinen gehäuften gleichgeschlechtlichen Verfehlungen.“ (Staatsarchiv Ludwigsburg, Ober- und Mittelbehörden, Justizministerium, E 356 d V_Bü 2321)

Schorer kam in das Zuchthaus Ludwigsburg. Dessen Vorstand schrieb ca. 2 Monate nach dem Urteil am 1. Februar 1939 an den Oberstaatsanwalt in Ravensburg: „Auf Grund Erlasses des Herrn Generalstaatsanwaltes in Stuttgart vom 6. Januar 1939 Nr. 4431a – 244/1 wurde der Gefangene Otto Schorer von Tettnang heute in das Strafgefangenlager II, Aschendorfermoor a. d. Ems versetzt.“ Demnach musste Schorer den größten Teil seiner Haftzeit im Emslandlager in den Jahren 1939 und 1940 verbringen.

Kurz vor dem gerichtlich festgesetztem Strafende schrieb der Vorstand des Zuchthauses Ludwigsburg am 11. Dezember 1940 an die Staatliche Kriminalpolizei – Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart mit dem Betreff Polizeiliche Vorbeugungshaft: „Der Gefangene Otto Schorer […] verbüsst hier bis zum 9.2.41 eine Zuchthausstrafe wegen Sittlichkeits-Verbrechen. Nach seiner Entlassung weiss er noch nicht wohin er sich begeben will. Schorer hat sich hier geordnet geführt. Er ist willig und fleissig. Die Straftaten zeigen, dass er ein gemeingefährlich veranlagter Mensch ist. Dieser Seuche muss mit Nachdruck entgegengetreten werden. Ich halte polizeiliche Vorbeugungshaft für geboten.“

Die Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart antwortete hierauf am 19. Dezember 1940, dass Schorer „nach Beendigung seiner Strafe nicht auf freien Fuß zu setzen, sondern durch Sammeltransport in das Gefängnis der Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart, Büchsenstraße 27, zur Prüfung der pol. Vorbeugungshaft zu überstellen“ sei. So wurde er am 24. März 1941 vom Landjäger Tettnang in das KZ Flossenbürg eingeliefert, wo er die Häftlingsnummer 694 erhielt. Nach ca. 1 ¼ Jahren wurde er am 18. Juli 1942 in das KZ Ravensbrück überstellt. Schorer hat die NS-Diktatur nicht überlebt. Todesursachen und das Todesdatum sind nicht bekannt.

(Wir danken Rainer Hoffschildt für Informationen aus seinem Projekt „Namen und Gesichter“, dem ITS Bad Arolsen und dem Staatsarchiv Ludwigsburg)

© Text und Recherche bzw. Anmerkungen zu überlieferten Dokumenten: Werner Biggel / Ralf Bogen


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Lichtbild des Gefangenen Otto Schorer sowie Schriftwechsel des Vorstands des Zuchthauses Ludwigsburg und der Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart betreff „Prüfung der pol. Vorbeugungshaft“ (Staatsarchiv Ludwigsburg, E 356g Bü 2321, E356dV Bü 5766)

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Effektenkartei aus dem KZ Flossenbürg (1.1.8.3, Doc-ID 10997148, ITS Digital Archive / Bad Arolsen)


pin3d428b  Der Pin auf der Gedenkkarte zeigt Tettnang, Schulstraße 6


Täterorte in Baden-Württemberg:
Amtsgericht Tettnang
Landgericht Ravensburg
Heilanstalt Weissenau
Zuchthaus Ludwigsburg
Staatsanwaltschaft Ravensburg
KZ einweisende Dienststelle: Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart

Weitere Täterorte:
Strafgefangenlager II
Aschendorfermoor
KZ Flossenbürg
KZ Ravensbrück