Januar 2017: Universitäre und außeruniversitäre Forschung in Baden-Württemberg
Schon lange war es Wunsch der regionalen LSBTTIQ-Selbstorganisationen und der außeruniversitär Forschenden in Baden-Württemberg, in einem staatlich geförderten Forschungsprojekt die Ausgrenzungs- und Verfolgungsgeschichte von LSBTTIQ-Menschen in der Region des heutigen Baden-Württemberg aufzuarbeiten und in einem Internetprojekt für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen, – sehr gerne gemeinsam mit der universitären Geschichtsforschung.
Es kam anders: das Historische Institut der Universität Stuttgart, die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und das Institut für Zeitgeschichte erhielten Fördergelder, ohne eine Einbindung der regionalen LSBTTIQ-Selbstorganisationen und der außeruniversitär Forschenden von Anfang an realisieren zu müssen. Dabei wäre bereits bei Konzeption und Zielfindung des mehrteilig angelegten Forschungsprojekts der „Etablierten“ eine Beteiligung der „Nicht-Etablierten“ kein Nachteil gewesen, – schade um die dort verpassten Chancen.
Der Start des universitär geleiteten Forschungsprojekts „LSBTTIQ in Baden und Württemberg. Lebenswelten, Repression und Verfolgung im Nationalsozialismus und der Bundesrepublik Deutschland.“ ohne Beteiligung der langjährig engagierten Community blieb von dieser natürlich nicht unkommentiert und hat diese erneut „bewegt“:
In Kooperation von Weissenburg e. V., Stuttgart, und Rosa Hilfe Freiburg e. V. wurde ein Antrag auf Fördermittel im Rahmen des Aktionsplans der Landesregierung für Akzeptanz und gleiche Rechte gestellt: Ziel war die Realisierung des Internetprojekts „Der Liebe wegen“. Unter diesem Titel sollte und wird nun der Erkenntnisstand außeruniversitär Forschender zur Ausgrenzungs- und Verfolgungsgeschichte zusammenfassend dargestellt.
Zum Zeitpunkt der Antragstellung war den Beteiligten aus der Community nicht bekannt, dass im Rahmen des universitär geleiteten Forschungsprojekts von Beginn an, – d. h. zu einem Zeitpunkt, zu dem noch keine universitären Forschungsergebnisse aus dem Projekt heraus vorliegen konnten –, ebenso ein Internetportal vorgesehen war.
Nun gibt es also gegenwärtig zwei Internetportale zum Thema. Seitdem wir wissen, dass dem so ist, setzen wir uns für eine abgestimmte Öffentlichkeitsarbeit ein.
Für Ende März / Anfang April 2017 sind weitere Gespräche hierzu vereinbart, nicht die ersten Gespräche und sicher auch nicht die letzten. Wir wünschen eine Zusammenarbeit, die alle Beteiligten als Bereicherung erleben können, zumal bei einigen wichtigen Themen die Möglichkeiten und zeitlichen Kapazitäten außeruniversitär Forschender an Grenzen gelangen, um deutliche Fortschritte zu erreichen.
Als Beispiele seien hierfür genannt:
- die Geschichte der Repression geschlechtlicher Vielfalt in der Region des heutigen Baden-Württemberg während des Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit;
- Schnittmengen, Wechselwirkungen und Zusammenhänge zwischen einer patriarchalisch-repressiven Geschlechter- und Familienpolitik, der Frauen- und LSBTTIQ-Emanzipationsbewegungen, insbesondere der Lesbenbewegung, in der Region des heutigen Baden-Württemberg;
- die umfassende Aufarbeitung von Kastrationen und Isolationshaft von §175-Strafgefangenen bis in die 60er Jahre in Baden-Württemberg;
- eine Aufarbeitung der Rolle der Kirchen sowie der Universitäten (hier insbesondere die Lehrinhalte bei den Studienfächer Psychiatrie, Medizin, Psychologie, Religionswissenschaften, Geschichte) bei der Ausgrenzung, Verfolgung und Pathologisierung von LSBTTIQ-Menschen.
Wir empfehlen das Internetportal www.lsbttiq-bw.de, da hier viele interessante Beiträge noch einmal von einem anderen Blickwinkel erstellt, ausgewählt und veröffentlicht wurden und noch werden, insbesondere die sehr wichtigen und spannenden Zeitzeug_innen-Videointerviews, die man sich hier anschauen kann (siehe http://www.lsbttiq-bw.de/zeitzeuginnen-interviews/ ).