März 2023: Solidarität zeigt Wirkung: die Todesurteile gegenüber den LGBT*-Aktivistinnen Elham und Sareh sind vorläufig ausgesetzt
Wir freuen uns mit 6Rang (Irianan Lesbian and Transgender Network) über den wichtigen Erfolg der internationalen Kampagne #FreeElham und #FreeSareh, die Ende letzten Jahres für ihr LGBT*-Engagement ein Todesurteil im Iran erhalten hatten:
„Elham Choubdar wurde gegen Kaution aus dem Urmia-Gefängnis entlassen“ gibt 6Rang auf ihrer Webseite www.6rang.org seit dem 13. März 2023 bekannt. Und: „Zahra (Sareh) Sedighi Hamedani wird nach Zahlung ihrer Kaution in Höhe von 45.000 Dollar aus dem Urmia-Gefängnis entlassen“ heißt es dort seit dem 18. März 2023 (siehe auch die letzte Aktualisierung der Webseite der internationalen Online-Solidaritäts- und Unterschriftenkampagne „Iran: Rettet das Leben von Sareh und Elham“ vom 20.3.2023, wo es heißt: „Sareh und Elham sind gegen eine Kaution aus dem Gefängnis entlassen worden. Am 12. April soll für beide Frauen eine gerichtliche Anhörung stattfinden. Deshalb müssen wir den Druck aufrechterhalten. Unterschreibe jetzt, um die Freilassung von Elham und Sareh zu fordern.“)
6Rang: „Wir verdanken diese gute Nachricht der internationalen Unterstützung“
6Rang schreibt weiter: „6Rang, die iranische LGBTQ+-Community, iranische und internationale Menschenrechtsorganisationen, Aktivisten auf der ganzen Welt und viele andere haben sich monatelang für die Freilassung von Sareh und Elham eingesetzt. Durch Sensibilisierung und Unterstützung wurden ihre Todesurteile aufgehoben und sie freigelassen. Wir verdanken diese gute Nachricht der internationalen Unterstützung (…)“. Die Todesurteile sind allerdings nur vorläufig ausgesetzt, nicht aufgehoben worden. Im April 2023 sollen die Verhandlungen weitergehen, denen nach wie vor „Verderbtheit“ und „Förderung der Homosexualität“ vorgeworfen wird.
Breite Unterstützung der Charta der Mindestforderungen und solidarisch für LGBTQIA-Anliegen
6Rang berichtet darüber hinaus von der iranischen Protest- und Widerstandsbewegung (siehe https://6rang.org/74060/): Mehrere iranische Gewerkschaften, Frauenorganisationen, Menschenrechtsgruppen und Studierende-Vereinigungen (konkrete Auflistung siehe Fußnote 1) haben sich auf das Dokument „Charta der Mindestforderungen der unabhängigen gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Origanisationen: Dem rechtschaffenen und freiheitsliebenden Volk Irans“ vom 14. Februar 2023 verständigt und darin auch die Forderungen der LGBT*-Community aufgenommen. Dort heißt es: „Sofortige Gleichstellung von Frauen und Männern in allen politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen und familiären Bereichen; Bedingungs- und ersatzlose Aufhebung aller Gesetze und Formen von Diskriminierung gegen diverse Geschlechtsidentitäten; bedingungslose Anerkennung einer Regenbogengesellschaft LGBTQIA; Entkriminalisierung der Geschlechterdiversität; Anerkennung aller Rechte von Frauen auf ihren Körper und auf ihr Schicksal; Sanktionierung der patriarchalen Kontrolle und Gewalt über Frauen.“
Zur politische Relevanz der Charta der Mindestforderungen
Die politische Relevanz zeigt sich darin, dass gewerkschaftliche Organisation über ihre ökonomichen und betriebsbedingten Forderungen hinaus politische Forderungen aufstellen und dass die Verwirklichung dieser Forderungen mit dem Fortbestand der bestehenden Machtverhältnisse im Iran als nicht vereinbar eingeschätzt wird. Darüber hinaus grenzen sich die Unterzeichner:innen von den rechten monarchistischen Kräfte ab, die unter liberalen Parolen das Schah-Regime wieder herstellen wollen.
„Wir (…) halten an der Einheit und der Geschlossenheit der sozialen Bewegungen fest“
Weiter heißt es in diesem wichtigen Dokument: „Wir, die gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen als Unterzeichner:innen dieser Charta, halten an der Einheit und der Geschlossenheit der sozialen Bewegungen fest und legen den Fokus auf die Kämpfe zur Beendigung dieser menschenfeindlichen und zerstörerischen Zustände. Wir sind der Auffassung, dass die Verwirklichung der folgenden Mindestforderungen der einzige Weg zur Errichtung einer neuen, modernen und menschlichen Gesellschaft in unserem Land ist. (…) Die in dieser Charta formulierten Forderungen präsentieren einen allgemeinen Rahmen als Ausgangspunkt. Selbstverständlich werden wir diese Forderungen im weiteren Verlauf der Kämpfe und der solidarischen Zusammenarbeit noch konkreter und präziser fassen.“ (das gesamte Dokument ist auf deutsch hier zu lesen: https://express-afp.info/charta_iran#_ftn1).
(1) Dieses Dokument vom 14. Februar 2023 wurde unter anderm unterzeichnet vom:
- Koordinationsrat gewerkschaftlicher Organisationen der Lehrer:innen
- Freie Gewerkschaft der Arbeiter:innen Irans
- Union studentischer Organisationen (Vereinigte Studierende)
- Verein der Verteidiger:innen von Menschenrechten
- Syndikat der Arbeiter:innen der Zuckerrohrfabrik von Haft-Tapeh
- Rat für die Organisierung der Proteste von Werkarbeiter:innen in der Erdölindustrie
- Haus der Lehrer:innen
- Erwachte Frauen
- Stimme der Frauen Irans
- Unabhängige Stimme der Arbeiter:innen der nationalen Stahlindustrie von (Stadt) Ahwaz
- Verein der Verteidiger:innen der Arbeiter:innenrechte
- Gewerkschaftsverein der Metall- und Elektrizitätsarbeiter:innen von (Stadt) Kermanschah
- Koordinationskomitee zur Unterstützung für den Aufbau der Arbeiter:innenorganisationen
- Vereinigung der Rentner:innen
- Rat der Rentner:innen Irans
- Organisation progressiver Studierender
- Rat freidenkender Schüler:innen Irans
- Syndikat der Maler:innen der Provinz Alborz
- Komitee zum Aufbau der Arbeiter:innenorganisationen
- Rat der Rentner:innen in Organisation sozialer Sicherung