Lachen. Trauern. Kämpfen. Feiern. 40 Jahre Geschichte(n) der AIDS-Hilfe Stuttgart
Die AIDS-Hilfe Stuttgart feiert ihr 40jähriges Bestehen und lädt zum Jubiläumsempfang am Mittwoch, den 5. November 2025 im Stuttgarter Rathaus ein (18 Uhr Einlass, 18:30 Uhr Sektempfang und 19 Uhr offizieller Beginn). „Gemeinsam wollen wir auf vier Jahrzehnte unseres Engagements zurückblicken, Erreichtes feiern und euch/Ihnen einen Ausblick auf die Aidshilfe-Arbeit von morgen geben“ heißt es in der Einladung. Wer dabei sein möchte, kann/soll sich hier anmelden: https://eveeno.com/40jahre-ahs.

Für den Abend haben wir von der AG Queere Erinnerungskultur „Der-Liebe-wegen“ des Weissenburg e.V. einen Kurzfilm zu Geschichte(n) der AIDS-Hilfe Stuttgart in den 80er- und 90er Jahren erstellt, der an eine Zeit erinnert, in der es noch keine wirksamen Medikamente gab und im Großraum Stuttgart über 600 Menschen an den Folgen von Aids gestorben sind. Warum es trotzdem allen Grund gibt, das Bestehen der Aids-Hilfe zu feiern, auch im Gedenken an jene, die uns vielleicht von einer Wolke aus zusehen, das bleibt an dieser Stelle noch unser Geheimnis. Seid dabei und meldet Euch rechtzeitig an: https://eveeno.com/40jahre-ahs .

Gedenkaktion: „Lachen, Weinen, Trauern, Feiern – Ihr seid bei uns“ zur Erinnerung an verstorbene Freund:innen beim Stuttgart CSD 2002
Spuren der Aidskrise der 80er und 90er Jahre
Wie tief die Spuren der Aidskrise der 80er und 90er Jahre bis heute reichen, beschreibt Martin Reichert in seinem empfehlenswerten Buch „Die Kapsel“ (Berlin 2018), woraus wir Auszüge veröffentlichen:
Aids ist wie der Paragraf 175 gleichsam eingeschrieben in ihre DNA
„Für jüngere Schwule um die zwanzig ist Aids ungefähr so weit weg wie der Zweite Weltkrieg (…) Doch für mindestens eine Generation von schwulen Männern waren die achtziger und frühen neunziger Jahre einer Zeit, die schwere Traumatisierungen hinterlassen hat. Ihre Erlebnisse haben die meisten von ihnen jedoch fest in einer Kapsel verschlossen, die sie mit sich herumtragen, samt all den Erinnerungen an jene dunkle Zeit.
Aids ist auf der einen Seite also längst Geschichte, und doch leben noch immer rund 80.000 Infizierte in Deutschland, ein großer Teil schweigend. Im Rahmen dieses Buches soll versucht werden, mit einigen von ihnen ins Gespräch zu kommen (…). Dass die meisten Positiven, die in diesem Buch zu Wort kommen, ihren Namen nicht nennen möchten, spricht für sich.
Es war eine bewusste Entscheidung, die Geschichte von Aids in Deutschland anhand der Erfahrungen und biografischen Erlebnisse schwuler Männer zu erzählen, waren und sind sie doch die Hauptbetroffenen. Aids wurde zu einem Teil ihrer Geschichte, ist wie der Paragraf 175 gleichsam eingeschrieben in ihre DNA. (…)
Auffällig erscheint mir bei einem Großteil der Zeitzeugen eine gewisse Abwehr von Mitleid und Empathie gegenüber dem, was sie erlitten haben. Zu monströs erscheint den meisten, was ihren einstigen Weggefährten widerfahren ist, als dass man selbst Anspruch hätte auf Anteilnahme. „Welches Leid, ich lebe noch?“ so könnte man die Reaktionen zusammenfassen. Die Beschädigung aber, die Ängste und Verluste, der Schmerz und die Trauer, die diese Männer erlebten mussten, all das verdient Respekt. Einige waren gezwungen, über sich hinauszuwachsen. Andere haben sich zurückgezogen. (…)
Als junger Mann in meinen Zwangzigern begriff ich zwar, dass HIV und Aids zum Schwulsein irgendwie dazugehörten, gleichzeitig (…) war ich erleichtert, zu der Generation zu gehören, die nicht mehr von dem großen Sterben betroffen war; was da eigentlich geschehen war, hatte ich nicht verstanden. Die Älteren erzählten in der Regel nichts, und ich habe auch nicht nachgefragt. Als würde es sich um ein dunkles Familiengeheimnis handeln, über das man ungern spricht…