Lachen. Trauern. Kämpfen. Feiern. 40 Jahre Geschichte(n) der AIDS-Hilfe Stuttgart– ein Kurzfilm von Ralf Bogen und Lars Lindauer aus der AG Queere Erinnerungskultur „Der-Liebe-wegen“ des Weissenburg e.V. Er zeigt Originalaufnahmen aus den 80er- und 90er-Jahren und vermittelt persönliche Einblicke in eine Zeit ohne wirksame HIV-Medikamente – eine Zeit, in der im Großraum Stuttgart über 600 Menschen an den Folgen von Aids starben.

Hinweis zur Schreibweise: Auf dieser Seite schreiben wir Aids gemäß heutiger Rechtschreibung groß am Wortanfang und ansonsten klein. Die Großschreibung AIDS verwenden wir ausschließlich im Eigennamen AIDS-Hilfe Stuttgart.

Zum 40-jährigen Jubiläum der AIDS-Hilfe Stuttgart baten uns die heutigen Aktiven, von unseren Erfahrungen aus den frühen Jahren der Aidskrise zu berichten. Diese Einladung hat vieles in uns wachgerufen – Erinnerungen, die weit zurückliegen und doch bis heute nachklingen.

Wir haben auf unserer Webseite die Rubrik „Aidskrise der 80er/90er Jahre“ daraufhin eingerichtet. Neben unserem Kurzfilm „Lachen. Trauern. Kämpfen. Feiern. – 40 Jahre Geschichte(n) der AIDS-Hilfe Stuttgart“ finden sich hier auch Wilfried Winklers Beitrag „Das war es wert“ – ein eindringlicher Rückblick eines prägenden (Mit-)Gründers der AIDS-Hilfe Stuttgart auf die frühen Jahre der Aids-Krise. Wilfried engagierte sich zwischen 1984 und 1989 sowie 1992/93 im Vorstand, war später hauptamtlicher Koordinator bzw. Geschäftsführer und wurde 1987 erster Landesvorsitzender der Aids-Hilfe Baden-Württemberg. Zum ersten eingetragenen Vorstand gehörten außerdem Leelja Frost, Manfred Horch, Thomas Geyer und Jochen Pohlmann – Menschen, die damals Beruf und Studium weitgehend zurückstellten. Ihnen gilt unser tiefer Dank. 

Blicken wir auf die 1980er und frühen 1990er Jahre zurück, wird spürbar, wie eng persönliche Erfahrungen und gesellschaftliche Umbrüche miteinander verflochten waren.
Mit der Aufhebung der NS-Fassung des § 175 im Jahr 1969 keimte vorsichtig Hoffnung auf. Doch die Aidskrise erschütterte bald diese neu gewonnene Freiheit. Angst und Krankheit bedrohten das Leben, verstärkt durch die verletzende Vorstellung, Aids sei eine ‚Strafe Gottes‘.
Gleichzeitig rückten Menschen in dieser Zeit um die Aids-Hilfen enger zusammen – in Stuttgart genauso wie anderswo: Partnerinnen, Freundinnen, Familienangehörige, Ärztinnen und Aktivistinnen bildeten Netzwerke, begleiteten Erkrankte und setzten sich für Würde, medizinische Forschung, Versorgung und gesellschaftliche Anerkennung ein. Aus Trauer erwuchs Kraft, die half, die Verstorbenen in Liebe und Dankbarkeit zu erinnern und Lebensfreude zurückzugewinnen.

Angesichts der gefährlichen Rechtsentwicklung der letzten Jahre und zunehmender Anfeindungen auf Anti-CSD-Demos spüren viele von uns erneut, wie unverzichtbar Zusammenhalt ist. Für die AIDS-Hilfe Stuttgart wünsche ich mir, dass sie auch künftig eine starke, positive Rolle einnimmt – besonders dann, wenn Projekte wie das Regenbogenhaus unter Druck geraten und Menschen wie beispielsweise queere Geflüchtete besonderen Schutz und Unterstützung brauchen.

Auf dass wir weiterhin gemeinsam lachen, trauern, kämpfen, feiern – und gut, sicher und frei ohne Angst LEBEN können.

Ralf Bogen im November 2025

P.S. Auf dieser Seite werfen wir auch einen Blick auf die Aids-Krise in den USA:
Der Film „
A Time of Change: Confronting Aids“ gibt den Menschen mit HIV und Aids in San Francisco Anfang der 1980er Jahre ein Gesicht. Zugleich zeigen wir mit mehreren Videos, wie Aktivist*innen gegen den drohenden Tod kämpften, wie ACT UP in den USA entstand und für dringend benötigte Forschungsgelder gestritten wurde.
Abb.: Wilfried Winkler bei der Renovierung der Aids-Hilfe

von Wilfried Winkler, Stuttgart im November 2025

Jochen Pohlmann und Manfred Horch gehörten zu den Gründungsmitgliedern der AIDS-Hilfe Stuttgart im Rahmen der offiziellen Vereinsgründung mit Eintrag ins Vereinsregister und waren 1985 und 1986 im Vorstand der Aids-Hilfe (Foto aus der RAINBOW-Sonderbeilage: „10 Jahre AIDS-Hilfe Stuttgart 1985-1995“).

Während ich diese Zeilen verfasse, denke ich an an Armin, Dietmar, Georg, Gerd, Gottfried, Harald, Joachim, Iris, Jochen, Jürgen, Karl-Heinz, Klaus-Dieter, Leelja, Lutz, Manfred, Marina, Michelle, Mitglieder des Sozialfonds des LC Stuttgart, Peter, Rainer, Ralf, Ralph, Regina, Renate, Roland, Rose, Rudi, Rudolf, Ruth, Tommy, Thomas, Waldemar, die in der oben beschriebenen Zeit Teil des Teams „Macher und Macherinnen der Aids-Hilfe Stuttgart“ waren.

Abb. oben rechts: Heinz Stöffler, damals Präsident des Lederclub Stuttgarts, schrieb in „20 Jahre LC Stuttgart 1976-1996“ zur ersten Wilhelmplatz-Hocketse zugunsten der AIDS-Hilfe Stuttgart im September 1988:
„Am 18. September 1988 fand die erste Hocketse auf dem Wilmhelmplatz statt, organisiert und vorbereitet von Sylvia (Abb. oben links: Sylvia Lang war damals Wirtin der lesbischen Kneipe „Sylvia’s Bierpunkt“) und ihren Frauen, dem LC Stuttgart und der Aids-Hilfe. Es war ein toller Auftakt und ein großer Erfolg. Die weiteren Hocketse auf dem Wilhelmsplatz und die darauffolgenden auf dem Schillerplatz gehören heute zu den großen Höhepunkten der Stuttgarter Szene, und wir können als Mitinitiatoren mit Recht darauf Stolz sein.“

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„A Time of Change: Confronting Aids“ (1986) ist eine der frühen, berührenden Dokumentationen über die Anfänge der Aids-Krise in den USA. Auf Grundlage von Interviews aus den Jahren 1983–1984 zeichnet der Film ein eindrucksvolles Bild vom Alltag der Menschen mit HIV und Aids, ihrer Freund*innen sowie des engagierten Pflegepersonals am San Francisco General Hospital. Besonders bewegend sind die Originalaufnahmen der unvergesslichen Rede „We are fighting for our lives“ von Gary Walsh (1944–1984) beim Candlelight March in San Francisco 1983 (zu sehen bei 9:45, 27:35, 31:47 und 1:00:45).
Aids-Aktivist:innen in den USA kämpften buchstäblich um ihr Leben – und das ihrer Freund:innen. Um das Sterben zu stoppen forderten sie mit spektakulären Aktionen dringend benötigte Mittel für Forschung und Behandlung. Das Titelfoto von RAINBOW Nr. 30/1998 (Abb. oben) zeigt zwei Männer, die sich im April 1986 in San Francisco vor einem Regierungsgebäude angekettet hatten. Ihre Botschaft war klar: „Bekämpft Aids – nicht Menschen mit Aids!“

Zeitgleich gab es Nachrichten, die uns empörten: Der Film Aids – die Afrikalegende von Heimo Claasen und Malte Rauch, ausgestrahlt am 5. Juni 1989 im 3. Fernsehprogramm, präsentierte Hinweise darauf, dass das HI-Virus möglicherweise nicht auf natürlichem Wege entstanden ist. Für uns entscheidender war jedoch: Während Aktivist*innen verzweifelt für dringend benötigte Mittel zur AIDS-Forschung kämpften, erhöhte die US-Regierung die angeblich nur defensive Biowaffenforschung um Millionen Dollar – wie der Film eindrücklich belegte. Die großen Medien wiesen die Inhalte des Films schnell als Stasi- oder KGB-Legende zurück, doch die politische Realität konnte nicht geleugnet werden: Aids-Forschung wurde gerade in den Anfangsjahren der Aidskrise sträflich unterfinanziert.

Vereint im Zorn: Die Geschichte von ACT UP in den USA zeigt die Entstehung und das Leben der AIDS-Aktivistenbewegung aus der Perspektive derer, die an vorderster Front gegen die Epidemie kämpften. Anhand von Zeitzeugenberichten von ACT-UP-Mitgliedern sowie seltenem Archivmaterial schildert der Film den Kampf von ACT UP gegen Profitgier von Konzernen, gesellschaftliche Gleichgültigkeit und staatliche Vernachlässigung. Mit Parolen wie „We die, they do nothing!“ führten sie Straßenblockaden und weitere Aktionen des zivilen Ungehorsams durch. Weil sie nichts mehr zu verlieren hatten und sich nicht länger ‚ruhigstellen‘ ließen, entwickelte die Bewegung eine enorme Kraft (siehe hierzu auch https://magazin.hiv/magazin/gesellschaft-kultur/aids-geschichte-wird-gemacht/).

Aus der verzweifelten Lage heraus experimentierten Aktivist:innen auch eigenständig mit Medikamenten und kombinierten Wirkstoffe – lange bevor Schulmedizin und Pharmakonzerne das Prinzip der Kombinationstherapie aufgriffen. Die Abbildung weiter unten erinnert an die Veranstaltung „Einmischen lohnt sich – ACT UP“, bei der Aktivist:innen gemeinsam mit HIV-Schwerpunktärzten und weiteren Wissenschaftler während der Stuttgarter CSD-Kulturwoche 1996 in der Weissenburg über den Stand der AIDS-Forschung und Behandlungsmöglichkeiten diskutierten.

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