Gottlieb Giess
* 27.9.1915 Stuttgart
Gottlieb Giess wurde am 27. September 1915 in Stuttgart geboren und evangelisch getauft. Der ledige Schuhmacher lebte auch später in Stuttgart in der Stöckachstraße 5. Auch sein Vater wohnte unter dieser Anschrift.
Er hatte bereits vier Gefängnisstrafen als Vorstrafen, als den 23-Jährigen ein Gericht in Stuttgart am 8. November 1938 wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ zu acht Monaten Gefängnis verurteilte. Aus solchen Grund wurden oft Homosexuelle verurteilt, die in Bedürfnisanstalten Sex-Partner gesucht hatten und an den Falschen geraten waren. Wenn es nicht zu sexuellen Handlungen gekommen war, konnte man sie nicht nach § 175 verurteilen, aber wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“. Vielleicht war aber auch eine seiner Vorstrafen eine nach § 175. Merkwürdigerweise begann er diese Strafe erst eine Jahr nach dem Urteil am 26. November 1939 zu verbüßen. Möglicherweise war er noch in einer anderen Sache zu einer Zuchthausstrafe verurteilt worden, die dann Vorrang hatte.
Zur Strafverbüßung transportierte man ihn zunächst in das Gefängnis Mannheim und von dort am 17. Februar 1940 zur Schwerstarbeit in das Strafgefangenenlager Rodgau, Lager II, in Oberroden in Hessen. Dort beschrieb man ihn beim Zugang wie folgt: 1,69 m groß, schlanke Gestalt, rasiert, blaue Augen, Brillenträger und dunkelblondes Haar. Nach voll verbüßter Strafe „entließ“ man ihn in Rodgau angeblich am 26. Juli 1940 aus der Haft.
Jetzt folgt mehr als ein Jahr, über das nichts bekannt ist. Auf Anweisung der Kriminalpolizei Stuttgart transportierte man ihn am 27. Oktober 1941 in das KZ Flossenbürg in Bayern, wo man ihn zur Nummer 2.967 machte und in die Gruppe der Vorbeugungshäftlinge einstufte. Schließlich überführte man ihn am 4. Mai 1942 in das KZ Sachsenhausen, wo er die Häftlingsnummer 42.127 erhielt und man ihn in die Gruppe der § 175-Berufsverbrecher einstufte. Aus diesem KZ soll er sich dann noch im Jahr 1945 bei Verwandten gemeldet haben. Vermutlich kam er, wie fast alle homosexuellen Männer in Sachsenhausen, in die Strafkompanie, wo die Häftlinge mit besonders schwerer Arbeit belastet wurden. Doch er kam in der Nachkriegszeit nicht wieder und wurde von der Familie vermisst. Schließlich erklärte ihn das Amtsgericht Stuttgart 1959 für Tod, gestorben an dem fiktiven Datum 31. Dezember 1945, zu dem auch andere Vermisste für tot erklärt wurden.
(Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, Bestand G 30 Rodgau, Rodgau-Karteikarten. Archiv der Gedenkstätte Sachsenhausen. Ich danke Fred Brade, Berlin, für die Informationen. Ich danke Ralf Bogen und Werner Biggel, Stuttgart, für zusätzliche Informationen.)
© Text und Recherche Rainer Hoffschildt
Aus der überlieferten Effektenkarte des KZ Flossenbürg geht hervor, dass Giess von der „Kripo Stuttgart“ 1941 in das KZ Flossenbürg eingewiesen wurde (siehe 1.1.8.3, Doc-ID 1088871304, ITS Digital Archive / Bad Arolsen, Anm. Biggel / Bogen)
Der Pin auf der Gedenkkarte zeigt Stuttgart, Stöckachstraße 5
Täterorte in Baden-Württemberg:
Gericht Stuttgart
Gefängnis Mannheim
KZ einweisende Dienststelle: „Kripo Stuttgart“
Weitere Täterorte:
Strafgefangenenlager Rodgau
KZ Flossenbürg
KZ Sachsenhausen