Ernst Köberle
* 3.5.1908 Ehrenstetten
† 10.6.1943 Gerichtsgefängnis Freiburg
Ernst Köberle wurde am 3.5.1908 in einer Gemeinde südlich von Freiburg geboren. Die Familie war römisch-katholisch. Von Beruf war K. Buchdrucker. Sein Vater starb 1936, seine Mutter lebte noch zur Zeit seiner Verurteilung. Über sein Leben von 1908 bis 1941 ist wegen fehlender Unterlagen sonst nichts bekannt. Seine Prozessakte vom Landgericht Freiburg wurde auch vernichtet.
K. wurde im Juli 1941 von der Wehrmacht entlassen und kam Ende September 1941 zur Firma Raimann in Freiburg-St. Georgen, wo er als Fräser arbeitete. Er war Propagandaleiter und stellvertretender Ortsgruppenleiter der NSDAP in seiner Heimatgemeinde. Im Oktober 1942 heiratete er, hatte aber keine Kinder. Von Frühjahr 1942 bis März 1943 hatte er während der Arbeit sexuelle Kontakte mit drei jungen Männern. Der Anwalt eines dieser Männer schrieb: K. scheint auch eine Persönlichkeit zu sein, die es versteht, auf junge Leute einen besonders starken und in gewissem Umfang unwiderstehlichen Einfluss auszuüben. Am 15. März 1943 wurde er vom Meister ertappt. Am nächsten Tag kam er in Untersuchungshaft. Die Anklage: Er habe als Mann über 21 Jahren männliche Personen unter 21 Jahren dazu verführt, mit ihm Unzucht zu treiben und sich von ihm zur Unzucht missbrauchen zu lassen. Von zweien dieser jungen Männern existiert eine Prozessakte. Einer hatte nur einmal sexuellen Kontakt mit K. und bekam als Strafe 1 Woche Jugendarrest. Der andere hatte ein Jahr lang intensiven sexuellen Kontakt mit K. und bekam eine Strafe von 6 Monaten Gefängnis. Der dritte junge Mann war zur Zeit der Verhaftung von K. schon bei der Wehrmacht. Er bekam eine Anzeige; was daraus wurde ist nicht bekannt.
K. verstieß gegen drei Tabus der Nazis. Erstens erwartete die Partei von ihren Mitgliedern, dass sie die Naziideologie auch lebten. Wer das nicht tat, wurde hart bestraft. Zweitens hatten die Nazis panische Angst davor, dass ein Mann viele junge Männer zur Homosexualität „verführen“ würde. Drittens war von allen homosexuellen Handlungen für die Nazis Penetration mit Samenerguss die schlimmste. Das praktizierte er mit einem Lehrling monatelang wiederholt. Daher war eine harte Strafe zu erwarten. Vom Landgericht Freiburg wurde K. am 10. Juni 1943 wegen homosexueller Handlungen zu einer drastischen Strafe von 3 Jahren Zuchthaus und drei Jahren Ehrverlust verurteilt. Die Strafe wurde nicht vollstreckt, denn er erhängte sich am Tag der Urteilsverkündung im hiesigen Gerichtsgefängnis am Hindenburgplatz (heute Holzmarkt 2). Der Selbstmord wurde untersucht. Es wurde festgestellt, dass kein Fremdverschulden vorlag.
(StAF Bestand F 176/19, Nr. 9502, Register für Hauptverfahren 1935-1948, Abt. 4; ebd Bestand G 701/2, Nr. 1681, 3041, 2247; ebd Bestand B 18/4, Nr. 442; Stadtarchiv seiner Heimatgemeinde.)
© Text und Recherche: William Schaefer
Der Pin auf der Gedenkkarte zeigt Freiburg, Holzmarkt 2
Täterorte in Baden-Württemberg:
Landgericht und Gerichtsgefängnis Freiburg