* 11.9.1900 Bad Wildbad (ehem Wildbad)

† 19.9.1941 Pforzheim

Der am 11. September 1900 in Bad Wildbad geborene und in der dortigen Wilhelmstraße 86 aufgewachsene Eugen Fischer war evangelisch, ledig und von Beruf Kaufmann. Vom Landgericht Tübingen wurde er am 30. April 1936 wegen „Verbrechen wider die Sittlichkeit“ zu vier Jahren Zuchthaus und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 3 Jahren verurteilt. Unter der Überschrift „Ein ganz übler Geselle“ berichtete die Tübinger Chronik vom 4. Mai 1936 darüber.

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Tübinger Chronik vom 4. Mai 1936

Fischer wurde vom Zuchthaus Ludwigsburg am 20./21. Januar 1937 in ein Börgermoorlager an der Ems überführt, wo er die Gefangenennummer 6644 erhielt. Diesen Transport sowie die ersten Erfahrungen im Emslandlager schilderte Eugen Fischer in einer Beschwerde an die Zuchthausverwaltung 1937 wie folgt (handschriftliches Schreiben, nur schwer zu entziffern, Anm. Bogen/Biggel):
Unter den Strafgefangenen, die ins Moor abkommandiert waren, war auch ich darunter. Und so fuhren wir frohgemut am 20. Januar 1937 nachmittags vom Hohenasperg nach Ludwigsburg, um am Donnerstag (21.1.37) früh morgens um 3 Uhr mit dem Sonderzug nach dem Moor abzufahren. […] Von Ludwigsburg bis zur Endstation Döpgen saß ich mit einem Mitgefangenen […] ca. 11 Stunden. […] Jeder war sicher froh, dass es mit dem Eisenbahnfahren zu Ende war und wir stiegen aus; aber was war los, bis wir uns umsahen, hatten wir schon den Stiefel im Hinterteil und wurden ins Kreuz geschlagen […] Kein Wort durften wir sagen und miteinander sprechen […] Wir fuhren etwa 1 Stunde an einem Kanal entlang bis wir das Lager erreichten. Vor dem Lager wurden unsere Namen verlesen und immer 4 Mann wurden ins Büro [gerufen], wo wir unsere neue Gef. Nummer erhielten. Anschließend gings auf die Kleiderkammer. Bis ich dran war verging wieder über 1 Stunde. Und der kalte, eiskalte Wind pfiff über das Moor. Wir froren fürchterlich. Als ich an die Reihe kam, waren meine Hände so steif, dass ich nicht fähig war, meinen Rock aufzuknöpfen und bekam Schläge ins Gesicht. […] Wir Ludwigsburger kamen in die Baracke 3 […] Auf einmal hiess es raus zum Appell und schon stand ein Wachmeister an der Tür, denn im selben Moment, als es „raus“ hiess, sollten etwa 100 Mann schon im Freien sein. Derjenige, der nicht schnell genug raus kam, bekam mit dem Gummiknüppel.“

Der Kommandeur des Strafgefangenlagers in Papenburg äußerte sich hierzu am 25. Oktober 1937: „Nach den übersandten Unterlagen steht fest, dass Fischer in wesentlichen Punkten die Unwahrheit sagt. […] Gummiknüppel hat es hier nie gegeben. Wegen dieser Lügen bitte ich Fischer in eine Disziplinarstrafe zu nehmen, deren Höhe ich in das dortige Ermessen stelle. […] Gez. Schäfer.“

Im Beschluss des Zuchthauses Ludwigsburg vom 11. November 1937 heißt es hierzu:

„Wenngleich auf Grund der hier angestellten Ermittlungen auf Grund der schriftlichen Angaben von Beamten, die Behauptung des Gefangenen Fischer, dass es im Moorlager vorgekommen sei, dass Gefangene ins Gesicht geschlagen wurden, nicht zu widerlegen ist und deshalb auch eine Bestrafung des Gefangenen Fischer nicht erfolgen kann, so ist andererseits nach dem Ermittlungsergebnis die Behauptung des Gefangenen Fischer widerlegt, dass dort Gefangene mit dem Gummiknüppel bekommen hätten. Gummiknüppel sind – wie die Ermittlungen ergeben haben – im Moorlager überhaupt nicht vorhanden […]. Der Gefangene war deshalb wegen Aufstellung der obigen als unwahr erwiesenen Behauptungen betreff Behandlung von Gefangenen mit Gummiknüppel […] zu bestrafen. […] Unter Würdigung dieser Umstände erschien eine Hausstrafe von 4 Tagen Arrest angemessen. Die von dem Gefangenen Fischer evtl. beantragte Vernehmung von Gefangenen als Zeugen zum Beweis dafür, dass Gefangene geschlagen bzw. gestoßen wurden, hat sich erübrigt, da der Gefangene wegen dieser Behauptung auch nicht bestraft wurde. J. V. Hohl, Gerichtsassessor.“

(siehe Strafanstalt Ludwigsburg, Staatsarchiv Ludwigsburg, E356 dV Bü 1069)

Nur sechs Tage nach diesem Beschluss, am 18. November 1937, versuchte Fischer sich selbst zu töten. Er wurde danach als „moorunfähig“ eingestuft und durfte die restliche Strafe im Zuchthaus Ludwigsburg absitzen. 1941 verheiratete er sich in Pforzheim – vermutlich ein Versuch, sich irgendwie zu tarnen. Glücklich kann die Ehe nicht gewesen sein. Noch im selben Jahr, am 19. September 1941, nahm er sich das Leben – eine Woche nach seinem 41. Geburtstag.

(Wir danken Rainer Hoffschildt für Informationen aus seinem Projekt „Namen und Gesichter“, dem Staatsarchiv Ludwigburg und Udo Rauch, Stadtarchivar Tübingen)

© Text und Recherche bzw. Anmerkungen zu überlieferten Dokumenten: Werner Biggel / Ralf Bogen


pin3d428b  Der Pin auf der Gedenkkarte zeigt Bad Wildbad, Wilhelmstraße 86


Täterorte in Baden-Württemberg:
Landgericht in Tübingen
Zuchthaus Ludwigsburg

Weiterer Täterort:
Strafgefangenenlager Börgermoor im Emsland