* 13.8.1908 Stuttgart

† 9.11.1940 KZ Neuengamme

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(Staatsarchiv Ludwigsburg, E356dV Bü 1890)

Friedrich Hermann Enchelmayer wurde am 13. August 1908 in Stuttgart-Untertürkheim geboren. Der Vater Friedrich Gottlob Enchelmayer, von Beruf Schlosser, fiel im 1. Weltkrieg; die Mutter Marie Sofie Enchelmayer geb. Gassmann, aus einer Weingärtnerfamilie stammend, war dem Lebenslauf des Sohnes nach durch den Tod des Ehemannes nervlich schwer zerrüttet und kränklich. Als Krippenkind und Schüler hielt er sich viel bei Verwandten auf in dem Gefühl, überall zu viel zu sein. Seine Familie beschrieb er insgesamt als einen Ort, in dem er nur zum Guten angeleitet wurde. Betteln und Diebstahl kamen bei ihr nicht vor. Sein Bruder Hermann Enchelmayer, von Beruf Koch, schickte zusammen mit der Mutter regelmäßig Briefe an Friedrich ins Zuchthaus Ludwigsburg. Er starb an den Folgen von Kriegsverletzungen 1947.

Friedrich H. Enchelmayer galt als gottgläubig. Er besuchte die Volksschule in Untertürkheim (Cannstatt?) und wurde als Eisendreher ausgebildet. Im Zuge der großen Arbeitslosigkeit ging er 1929 in die Schweiz. 1932 war er in Ostpreußen in der Landwirtschaft tätig. Von Mai bis September 1936 arbeitete er bei Fa. Fromm, ab September 1936 bei Fa. Misol (heute Trost), beide in Bad Cannstatt.

Vom Landgericht Stuttgart war Enchelmayer am 29. Mai 1934 wegen vier Verbrechen wider die Sittlichkeit zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Als Grund gab er an, „sexuelle Not gelitten“ zu haben. Nach der Verbüßung begab er sich wegen seiner Homosexualität erfolglos in ärztliche Behandlung und pflegte zwei Jahre eine Beziehung mit Frieda B., mit der er verlobt war.  Er musste jedoch erkennen, dass sie nicht zu ihm und seiner Veranlagung passte.

Am Landgericht Stuttgart wurde er dann am 7. Dezember 1937 wegen widernatürlicher Unzucht nach § 175 StGB erneut verurteilt, dieses Mal zu zwei Jahren und einem Monat Zuchthaus. Ihm wurden die bürgerlichen Ehrenrechte für drei Jahre aberkannt. Enchelmayers Kommentar zur Verurteilung: Er habe wenig Gelegenheit gehabt, seinem Trieb auf natürliche Weise Raum zu geben. Die Tat sei straf-, aber nicht zuchthauswürdig. Eine Äußerung, die Einblick gibt in seinen inneren Konflikt zwischen sexueller Neigung und dem Versuch, gesetzestreu zu leben. Am 08. Dezember 1939 wurde er aus dem Zuchthaus in Ludwigsburg entlassen.

Danach nahm das Verhängnis seinen tödlichen Verlauf. Die Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart machte am 11. April 1940 beim Vorstand des Zuchthauses Ludwigsburg im Rahmen vorbeugender Verbrechensbekämpfung die Anfrage, ob Enchelmayers Belassung auf freiem Fuß verantwortet werden könne. Die Antwort vom 17. April 1940 lautete:

„E. ist einschlägig vorbestraft mit einer Gefängnisstrafe von einem Jahr. Bei der letzten Verurteilung zeigte sich, dass E. eine große Gefahr für die heranwachsende Jugend bedeutet. Nach dem ganzen Hergang der Straftaten muss angenommen werden, dass es sich bei E. um einen tief eingewurzelten Hang zu Sittlichkeitsverbrechen handelt. Es ist daher anzunehmen, dass E., der überhaupt ein unbeherrschter Mensch ist, sich auch weiterhin auf diesem Gebiet verfehlen wird. Die Führung während der Strafverbüßung war nicht einwandfrei. E. neigt zu Ungebühr und Widersetzlichkeit. Unter gegenwärtigen Verhältnissen halte ich es für geboten, dass vorbeugende Maßnahmen gegen Enchelmayer getroffen werden.“

Am 1. Juni 1940 kam E. aufgrund polizeilicher Sicherungsverwahrung ins KZ Dachau. Ab dem 3. September 1940 war er inhaftiert im KZ Sachsenhausen. Bereits am 30. September 1940 wurde er ins KZ Neuengamme transportiert. Er galt als befristeter Vorbeugehäftling und war mit dem Grünen Winkel für Kriminelle markiert. In Neuengamme verstarb er am 9. November 1940. Als Todesursache wurde im Krankenrevier-Totenbuch Herzschlag angegeben. Das ist insofern bemerkenswert, da er ein Jahr zuvor aus dem Zuchthaus als gesund, arbeitsfähig und arbeitswillig entlassen wurde. Wie in anderen Fällen ist jedoch davon auszugehen, dass die Arbeits- und Lebensverhältnisse im Lager als eigentliche Todesursache gelten müssen, da sie die offizielle Todesursache erst herbeigeführt haben

(Wir danken Rainer Hoffschildt für Informationen aus seinem Projekt „Namen und Gesichter“ sowie dem Staatsarchiv Ludwigsburg)

© Text und Recherche Mathias Strohbach und Elke Martin


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Schreiben der Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart bzgl. vorbeugende Verbrechensbekämpfung, was KZ-Einweisung bedeutete (Staatsarchiv Ludwigsburg, E356dV Bü 1890)


pin3d428b  Der Pin auf der Gedenkkarte zeigt Bad Cannstatt, allgemein


Täterorte in Baden-Württemberg:
Landgericht Stuttgart
Zuchthaus Ludwigsburg
KZ-einweisende Dienststelle: Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart

Weitere Täterorte:
KZ Dachau
KZ Sachsenhausen
KZ Neuengamme