Gustav Andler
* 19.7.1913 Pforzheim
Gustav Andler wurde am 19. Juli 1913 in Pforzheim in Baden geboren, wo er auch später lebte. Nach der Volksschule versuchte er sich mit einer Ausbildung als Polsterer und Tapezierer, brach diese aber ab und gab zu seinen weiteren Berufen an „Berufssportler und Hilfsarbeiter“. Seine letzte Tätigkeit bis Juni 1937 sei Modell an der Kunstakademie gewesen. Danach kam er anscheinend auf die schiefe Bahn, wie er schrieb aus „wirtschaftlicher Notlage“, denn er wurde 1937 und 1938 viermal wegen Unterschlagung, Diebstahls und Betrugs mit geringfügigen Strafen bestraft.
Mitte 1937 fragte er schriftlich bei einem Bekannten in Köln, von dem er wusste, dass er homosexuell war, an, ob er ihn besuchen könne. Im August besuchte er ihn dann und lebte mehrere Tage bei ihm, wobei der Bekannte alles bezahlte, auch gemeinsame Ausgänge. Sie onanierten gegenseitig mehrfach gemeinsam. Als er eines Tages allein in der Wohnung war, brach er Schränke auf, entwendete Gegenstände im Wert von rund 500,- RM, hinterließ einen Erpresserbrief, mit dem er 300,- RM „Schweigegeld“ forderte und verschwand. Brieflich erhöhte er die Summe noch um weitere 500,- RM und drohte mit Anzeige. Es folgten noch mehrere Erpresserbriefe, in denen er auch mit Prügeln drohte und er erhielt nach und nach 340,- RM. Vermutlich zeigte ihn dann sein Bekannter an.
Am 29. Dezember 1938 brachte man den 25-Jährigen aus dem Gefängnis Pforzheim, wo er gerade eine Strafe wegen Betrugs verbüßte, in das Gerichtsgefängnis Köln. Hier beschrieb man ihn: 1,82 m groß, schlanke Gestalt, rasiert, grau-braune Augen und schwarzes Haar. Nun wurde er am 20. Januar 1939 vom Landgericht Köln nach § 175, wegen schweren Diebstahls und Erpressung zusammen mit seiner vorherigen Strafe aus Pforzheim zu einer Gesamtstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten Gefängnis verurteilt. Das Gericht: „Der Angeklagte hat offenbar von vornherein die Absicht gehabt, mit dem Zeugen S. mehrfach Unzucht zu treiben und den Zeugen laufend zu erpressen. Der Angeklagte ist zwar schon mehrfach vorbestraft, aber bis zur Tat nur geringfügig. Er ist auch noch jung. Das Gericht hat ihm daher noch einmal mildernde Umstände zugebilligt […]. Es musste auf eine empfindliche Strafe erkannt werden, da der Angeklagte durch seine Taten einen starken verbrecherischen Willen bewiesen und den Zeugen S. in schamlosester Weise bestohlen und erpresst hat.“
Bereits am 31. Januar 1939 transportierte man ihn zur Schwerstarbeit im Moor in das Strafgefangenenlager Walchum im Emsland und dann noch in die Emslandlager Oberlangen und Neusustrum. Hier befürwortete man einen Gnadenantrag seines Vaters im Juli 1940 nicht und die Oberstaatsanwaltschaft Köln lehnte ihn dementsprechend ab. Am 2. August 1940 überführte man ihn schließlich in das Strafgefängnis Wolfenbüttel. Hier lehnte man einen Gnadenerweis ebenso ab und so wurde er erst nach voll verbüßter Strafe am 16. Juli 1941 im Alter von 27 Jahren in Wolfenbüttel aus der Haft entlassen.
Ob er überhaupt homosexuell war, sei dahingestellt; jedenfalls wurde auch er ein Opfer des § 175 und zugleich ein Täter, der § 175 zur Erpressung nutzte.
(Niedersächsisches Landesarchiv, Staatsarchiv Wolfenbüttel, Signatur: 43 A Neu 4 Jg. 1938 Nr. 2530. Karteikarten im Hauptregister des ITS in Bad Arolsen)
© Text und Recherche: Rainer Hoffschildt
Der Pin auf der Gedenkkarte zeigt Pforzheim, allgemein
Täterorte:
Landgericht und Gefängnis Köln
Strafgefangenenlager Walchum
Emslandlager Oberlangen und Neusustrum
Strafgefängnis Wolfenbüttel