* 1.10.1879 Weimar

† 12.09.1958 Berlin

Markus Behmer wurde am 01. Oktober 1879 in Weimar geboren. Sein Vater war Landschafts- und Portraitmaler. Behmer meinte, dass sein Vater neben normal geschlechtlichen Erregungen homosexuelle Tendenzen gehabt habe, ohne dass diese zu Entgleisungen geführt hätten. Der Vater fertigte auch Nacktbilder von Männern an, die in der Wohnung aufgestellt waren. Sein Vater hatte von einer Reise aus Italien einen jungen Mann als Modell für seine Malerarbeiten mitgebracht. Markus’ Mutter war eine außergewöhnliche Frau. Sie soll in ihrem Gebaren sehr exaltiert gewesen sein. Sie habe zu schwärmerischen Frauenfreundschaften geneigt und gerne Männerkleidung getragen. Auch in ihrer Haartracht, Tituskopf genannt, habe sie eine für die damalige Zeit ungewöhnliche, männliche Note bevorzugt. Sie sei musikalisch, schöngeistig gewesen und habe ein geselliges Leben geführt. Markus hatte zwei ältere Brüder. Der eine lebte eine Zeit lang homosexuell, heiratete aber dann später. Der andere arbeitete für die NS-Organisation „Kraft durch Freude“. Es gab auch zwei jüngere Schwestern.

Markus war etwas schwächlich und kam erst mit 7 Jahren in die Gymnasiumsvorschule in Weimar. Er musste dreimal sitzen bleiben. Weil er in der Schule nicht vorwärts kam, wechselte er ins Realgymnasium. Dort schloss er seine Schulbildung im Alter von 17 Jahren mit der Einjährigenreife ab. Dann begann er eine Lehre zum Dekorationsmaler in München. Er brach diese Lehre ab und arbeitete als Selbständiger in München. Etwa 1898 zog er nach Berlin, dann für ein Jahr nach Paris. Nach seiner Rückkehr von Frankreich diente er ein Jahr beim Militär in Weimar. Anschließend ging er nach Italien, wo er sich über 5 Jahre aufhielt und in verschiedenen Städten, darunter in Florenz und Rom, wohnte. Im Jahre 1910 kam er wieder nach Berlin zurück, wo er bis zum Kriegsausbruch blieb. Von 1914 bis 1917 kämpfte er an der Westfront und erhielt das Eiserne Kreuz II. Klasse. Er war im Lazarett und zeichnete dort die Profile seiner Kameraden. Nach dem Krieg war er bis 1930 Gast bei Dr. Licht in Pommern. 1930 bis 1932 war er in Italien und danach wohnte er bei Dr. Lichts Witwe in Heiligenholz in der Gemeinde Hattenweiler bei Pfullendorf in Baden. Ende 1936 wurde er dort verhaftet.

Behmer war damals ein sehr bekannter Graphiker und Mitglied der Reichskulturkammer. In einem Gutachten schrieb Prof. Dr. Ludwig von Hofmann über ihn: „Das künstlerische Werk von Marcus Behmer ist in seiner ungewöhnlichen Bedeutung schon oft von berufenen Kennern gewürdigt worden. In der Tat ist wohl die Vielseitigkeit der Gebiete, die Meisterschaft in der technischen Behandlung, die Sicherheit und Eigenart des Geschmacks, die äußerste Gewissenhaftigkeit in der Lösung jeder einzelnen Aufgabe selten in so hervorragendem Maße vereinigt anzutreffen – ob es sich nun um Handzeichnungen und Aquarelle, oder um die Druckverfahren handelt, Radierung, Holzschnitt, Lithographie, oder um die buchkünstlerische Tätigkeit für die Schrift, den Satz, den Einband.“

Seine Werke wurden in verschiedenen Ausstellungen, unter anderem in Berlin, Leipzig, Weimar und New York, gezeigt. 1903 wurde eine Neuausgabe von Oscar Wildes „Salome“ mit Zeichnungen von Behmer herausgegeben. Er stand in Kontakt mit Magnus Hirschfeld und gehörte von 1902 bis 1904 zur Gruppe der „Fondszeichner“ des WhK (Wissenschaftlich-humanitäres Komitee).

Behmer gab offen zu, homosexuell veranlagt zu sein. Beim Verhör erzählte er, dass er sich sein Leben lang homosexuell betätigt hätte. Das hätte während der Schulzeit in Weimar begonnen. In der Zeit seines Aufenthaltes in München wurde ein Verfahren gegen ihn wegen Verfehlungen nach § 175 geführt. Im Verlauf des Verfahrens wurde Behmer von Dr. Magnus Hirschfeld begutachtet. Dieses Verfahren wurde später eingestellt. In der Folge betätigte er sich in Frankreich und in Italien wieder gleichgeschlechtlich. Von sich sagte Behmer: „Meine gleichgeschlechtliche Veranlagung ist derart, dass ich mich mit keiner Frau abgeben kann. Ein Verkehr mit einer Frau ist für mich widernatürlich.“ Behmer hatte schwammige Gesichtszüge und weiches, langes Kopfhaar. Wegen Überlastung der Waage konnte sein Gewicht nicht festgestellt werden. Man schätzte ihn auf etwa 135 Kilogramm. Er hatte einen Bauchumfang von 133 cm, rauchte ca. 50 Zigaretten am Tag und wurde als gemütsweich, sentimental, mit lebhafter, weiblich anmutender Mimik und Gestik beschrieben.

Die Anklageschrift von 1937 gibt an, dass vor dem 1. September 1935 (Verschärfung des § 175; Anmerkung des Verfassers) 12 Personen von ihm missbraucht wurden. Über den 1. September 1935 hinaus setzte er sein Tun fort und verging sich an weiteren 10 männlichen Personen. Der Staatsanwalt kam zu dem Schluss, dass die zur Erhebung gelangten Fälle längst nicht alle strafbaren Vorgänge umfassen. Aus dieser Zahl ergibt sich klar, welche schwere Gefahr der Angeschuldigte für den ganzen Bezirk darstellte und wie schlimme Folgen es haben muss, wenn durch einen Menschen, wie den Angeschuldigten, das Laster der Homosexualität, das bisher doch überwiegend nur in der degenerierten Großstadt-Jugend anzutreffen war, auch auf dem flachen Lande verbreitet wird. Zum Prozess vor dem Landgericht Konstanz wurde Behmer nicht wie sonst üblich aus der Untersuchungshaft in Stockach nach Konstanz „verschubt“. Er ließ sich, von einem Polizisten begleitet, auf eigene Kosten mit einem Privatkraftwagen transportieren. Behmer wurde am 8. April 1937 wegen Vergehens und Verbrechens nach § 175 zu einer Gesamtgefängnisstrafe von 2 Jahren verurteilt.

Seine Strafe verbüßte er im Gefängnis Freiburg. Er zeichnete im Gefängnis und benahm sich dort tadellos. 1938 stellte er einen Antrag auf vorzeitige Entlassung. Der Vorstand der Gefängnisse Freiburg befürwortete den Gnadenakt und Behmer kam am 11. Juli 1938 frei. Der Präsident der Reichskammer der bildenden Künste stellte Behmer vor seiner Entlassung anheim, ein Gesuch auf Wiederaufnahme einzureichen, denn Behmer hatte durch die Verurteilung seine Mitgliedschaft in der Reichskammer verloren. Nach der Entlassung kehrte er in den Bodenseeraum zurück und wohnte wieder bei der Witwe von Dr. Licht. Die Unterlagen enthalten keinen Hinweis, dass Behmer bis 1945 wieder wegen § 175 belangt wurde. Eventuell kam Behmer im Raum Mannheim erneut mit dem Gesetz in Konflikt, denn der zuständige Oberstaatsanwalt forderte 1951 die Akte aus Konstanz an. Am 12. September 1958 starb Behmer in Berlin.

(StAF, Bestand D81/1, Paket 515, lfd. Nr. 251, Prozessakte; Bernd-Ulrich Hergemöller: Mann für Mann, MännerschwarmSkript Verlag, Hamburg 1998, S. 117-118.)

© Text und Recherche: William Schaefer


pin3d428b  Der Pin auf der Gedenkkarte zeigt Heiligenholz Gemeinde Hattenweiler / Heiligenberg


Täterorte in Baden-Württemberg:
Landgericht Konstanz
Haftanstalt in Freiburg