Rechte Gewalt steigt: Queere Menschen immer häufiger Opfer von Neonazi-Angriffen
„Das Gefühl, es könnte etwas Krasses passieren, ist ständig präsent“
In Deutschland nimmt die Gewalt gegen queere Menschen seit einigen Jahren zu. „Das Gefühl es könnte etwas Krasses passieren ist ständig präsent“, so Yvonne Fahrenholz vom CSD Köln (1). Besonders stark gestiegen ist in den vergangenen Jahren die Zahl politisch motivierter Übergriffe durch Neonazis. Laut der Amadeu Antonio Stiftung wurde im Jahr 2025 fast jede zweite CSD-Parade Ziel von Angriffen, Störungen oder sogar Verhinderungsversuchen. Besonders betroffen sind Veranstaltungen in Ostdeutschland, wo die AfD in vielen Regionen die stärkste politische Kraft stellt (2). Der Komiker, Schauspieler und Autor Hape Kerkeling sieht in einem Verbot der AfD die einzige Möglichkeit, eine Katastrophe zu verhindern. „Wir stehen jetzt vor dem Problem, vor der real existierenden Möglichkeit, dass Deutschland eine Diktatur wird und das innerhalb kürzester Zeit“, so Kerkeling (3).
Neonazis stören und attackieren CSDs
Bei fast jedem zweiten CSD im Jahr 2025 kam es laut Stiftung zu Angriffen oder Störungen – in etwa der Hälfte der Fälle durch Neonazis. Insgesamt wurden 111 Vorfälle dokumentiert. Diese reichten von Neonazi-Gegendemonstrationen mit mehreren hundert Teilnehmenden über Verhinderungsversuche bis hin zu körperlicher Gewalt, Hassreden, Onlinehetze und Sachbeschädigungen (2). Laut Bericht ereigneten sich Angriffe und Störungen bundesweit, doch der Anteil in ostdeutschen Bundesländern war deutlich höher. So fanden 2025 rund 25 Prozent aller CSDs im Osten und 75 Prozent im Westen (inklusive Berlin) statt. Gestört oder angegriffen wurden jedoch 66 Prozent der CSDs im Osten, während es im Westen etwa 38 Prozent waren (2).
Bedrohte Freiräume – was auf dem Spiel steht, wenn CSDs angegriffen werden
„CSDs sind nicht nur Feiern queerer Vielfalt, sondern Demokratieorte, an denen Menschenrechte sichtbar werden“, so Timo Reinfrank aus dem Vorstand der Amadeu Antonio Stiftung. Gerade in kleineren Städten und ländlichen Regionen Ostdeutschlands, wo CSDs oft zum ersten Mal stattfinden und regelmäßig Anfeindungen erleben, stünden sie für Mut und demokratische Selbstbehauptung. „Wenn diese Räume bedroht werden, trifft das die demokratische Öffentlichkeit im Kern.“ (2)
Einflussreiche AfD-Politiker:innen fordern Verbot von CSDs und beteiligen sich an Anti-CSD-Kampagnen
Im Gegensatz dazu fordern AfD-Politiker:innen wie Christina Baum bereits seit Längerem das Verbot von CSD-Demonstrationen. Queere Menschen sollen nach ihrer Vorstellung nicht mehr für gleiche Rechte demonstrieren dürfen. Björn Höcke versucht zudem, gezielt queerfeindliche Kampagnen zu stärken, etwa indem er den Monat Juni zum „Stolzmonat“ – als Gegenpol zum internationalen „Pride Month“ – erklären will (4).
Hape Kerkeling: „Wir stehe vor der real existierenden Möglichkeit, dass Deutschland eine Diktatur wird“
Der Komiker, Schauspieler und Autor Hape Kerkeling betont, dass es nur in bestimmten Fällen sinnvoll sei, mit AfD-Anhänger:innen zu sprechen: „Alle Menschen, die sich davon einfangen lassen (…) sollte man in jedem Fall versuchen einzufangen und eines Besseren belehren“, sagt er. „Diejenigen, die jedoch für diese Politik stehen und sie nach außen vertreten, ich glaube nicht, dass bei denen ein Sinneswandel möglich ist.“ Bei solchen Menschen, so der Comedian, hätten Diskussionen keinen Sinn. „Es ist mir unerklärlich, wie man sich seine eigene Katastrophe herbeiwählen kann. Ich verstehe, dass Menschen mit der Politik unzufrieden sind, das bin ich auch. Aber deswegen will ich doch nicht die Demokratie abschaffen“, sagt er. „Die Geschichte hat gezeigt, was die probaten Mittel sind. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass Faschismus jemals durch Diskussion beendet wurde. (…) Ich höre immer nur, es wäre zu riskant, diese Partei zu verbieten. Diese Argumentation halte ich für geradezu grotesk. (…) Wir stehen jetzt vor dem Problem, vor der real existierenden Möglichkeit, dass Deutschland eine Diktatur wird und das innerhalb kürzester Zeit“, so Kerkeling. (3)
Eugen-Bolz-Preis für klare Haltung gegen Rechts
Im September 2025 erhielt Kerkeling für seine mutigen Äußerungen und sein klares Eintreten gegen Rassismus, Rechtspopulismus und Neofaschismus den Eugen-Bolz-Preis in Rottenburg bei Tübingen. Bei der Preisverleihung war die Festhalle bis auf den letzten Platz gefüllt. Er erzählte dort von seinem Großvater, der von den Nazis inhaftiert und 1945 von Amerikanern aus dem Konzentrationslager Buchenwald befreit wurde. Er erinnerte an das Attentat in Hanau, bei dem neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet wurden. Über die AfD sagte er: Sie bedrohe unsere Demokratie – das sei keine Übertreibung, sondern eine nüchterne Analyse. „Ein giftiges Gericht gehört nicht auf die demokratische Speisekarte.“ (5)
Quellen:
- (1) https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/csd-koeln-sicherheit-100.html
- (2) https://www.tagesschau.de/inland/csd-angriffe-100.html
- (3) https://www.stern.de/lifestyle/leute/hape-kerkeling-spricht-sich-fuer-afd-verbot-aus-und-findet-deutliche-worte–34532190.html
- (4) https://www.queer.de/detail.php?article_id=39207 und https://der-liebe-wegen.org/damit-auch-kuenftig-ausgelassen-gefeiert-werden-kann/
- (5) https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/tuebingen/komiker-hape-kerkeling-bekommt-eugen-bolz-preis-in-rottenburg-100.html