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Trotz aller Emanzipationserfolge sind Schwule, Lesben, trans* oder andere queere Menschen in Deutschland zunehmend in Gefahr. Ob sie auf offener Straße verprügelt und beleidigt oder Opfer von Hetze im Netz werden: Die Zahl der Straftaten gegen queere Menschen nimmt zu. Angeheizt wird diese Feindlichkeit auch in den Parlamenten durch rechtspopulistische Kräfte.

So verwundert es nicht, dass es im Beitrag „In den Wasenspaß mischen sich Sorgen um die Zukunft im Land“ der Stuttgarter Nachrichten vom 5. Oktober 2023 heißt: „Um Spaß allein sollte es der Community nicht gehen, findet Marcel Schmitz, der Mister Gay Germany. (…) Die rechtsextreme Partei könne nicht mehr verharmlost werden (…). Denn die AfD werde, sobald sie dazu politisch in der Lage sei, die Rechte von queeren Menschen abbauen. (…) Bei der Gaydelight ist die Stimmung bestens – doch es geht bei allem Spaß auch vielen darum, klare Signale gegen Rechts auszusenden.

Aus den Erfahrungen der Weimarer Republik gelernt?

Auch schon in der Weimarer Republik wurde in Stuttgart von queeren Menschen gefeiert. Hierzu wollen wir Auszüge aus dem auf unserer Webseite veröffentlichen Beitrag „1920ER JAHRE: AUFBRUCH“ von Ralf Bogen im Folgenden bringen (ausführlich siehe: https://der-liebe-wegen.org/die_20er_aufbruch/):

“Zille-Ball” (= Maskenball) im Stuttgarter Saalbau Rosenau

In Stuttgart wie auch in Karlsruhe und Mannheim bildeten sich 1920/1921 Freundschaftsverbände, die neben der politischen Arbeit für die Entkriminalisierung der Homosexualität, vor allem auch dem geselligen Beisammensein, der Kontaktaufnahme sowie der gemeinsamen Freizeitgestaltung dienten.

Der reichsweite Deutsche Freundschaftsverband, der sich 1923 in “Bund für Menschenrecht e. V.” umbenannte, hatte nach eigenen Angaben 1924 12.000 und 1929 48.000 Mitglieder sowie ausländische Stützpunkte in Buenos Aires, Zürich und Wien. Auch wenn die Zahlenangaben umstritten sind, war der Bund zweifellos mit Abstand der größte homosexuelle Verein der Weimarer Republik. Die Stuttgarter Ortsgruppe vom Bund für Menschenrecht e.V. traf sich 1929 im Restaurant “Blauer Bock” in der Lindenstraße 31 und ab Juni 1930 im Lokal “Zum Josefle” in der Gutenbergstraße 50a. In einer Anzeige in der zuletzt herausgegebenen homosexuellen Zeitschrift “Das Freundschaftsblatt” Nr. 3 von 1933 lud die Ortsgruppe zu einem “Zille-Ball” (= Maskenball) im Stuttgarter Saalbau Rosenau in der Rotebühlstraße 109b am 4. Februar 1933 ein. Ob der Ball noch nach der Machtübernahme der NSDAP am 31. Januar 1933 stattgefunden hat und wenn ja, wie ausgelassen die Teilnehmenden feiern konnten und insbesondere was aus den Teilnehmenden in den Folgejahren geschehen ist, wir wissen es nicht.

Was wir aber wissen ist: infolge der Weltwirtschaftskrise erstarkte die NSDAP auch in Baden und Württemberg: 1928 hatte sie in Baden 2,9 % und in Württemberg nur 1,9 % aller Wählerstimmen erreicht. Bei den Reichtstagswahlen im März 1933 waren es jedoch bereits in Baden 45,4 % und in Württemberg 43,9 %. Im Gegensatz zum Wissenschaftlich humanitären Komitee und der Gemeinschaft der Eigenen konnte sich der Bund für Menschenrecht nicht zu einer klaren Distanzierung von der NSDAP wegen ihrer Ablehnung demokratischer Grund- und Menschenrechte durchringen. Bezeichnend war seine Haltung zu den im April 1931 beginnenden öffentlichen Angriffen auf den SA-Führer Ernst Röhm wegen dessen Homosexualität. Röhm war wie weitere NSDAP-Angehörige Mitglied des Bundes für Menschenrecht gewesen. Der Bund rief trotz angeblich politisch neutraler Haltung 1931 zu einem Wahlboykott der SPD auf, weil diese Röhm als homosexuell denunzierte hatte. Das ist insofern erstaunlich, weil der linke Teil der SPD wie auch die KPD in der Weimarer Republik am ehesten für die Belange der homosexuellen Organisationen eingetreten waren. Demgegenüber konnte sich der Bund für Menschenrecht nicht zum Wahlboykott der NSDAP durchringen, die immerhin in ihrer Parteipresse bereits in der Weimarer Republik die Todesstrafe für homosexuelle Männer gefordert hatte. Damalige Umfragen belegen, dass das Erstarken der NSDAP auch Mitglieder des Bundes für Menschenrecht beeinflusste. Die Gefahr, die von der NSDAP für ihr Leben ausging, wurde nicht erkannt.