Unsere Unterschriftenaktion Ehrenbürgerschaft für Fritz Bauer – auch als Vorkämpfer gegen das §175-Unrecht gewinnt in Zeiten, in denen demokratische Werte unter Druck stehen und rassistische wie queerfeindliche Haltungen zunehmen (vgl. „Rechte Gewalt steigt: Queere Menschen immer häufiger Opfer von Neonazi-Angriffen“) an Bedeutung.

Umso mehr freut es uns, dass unsere Unterschriftenaktion auf breite Unterstützung stößt: Über 1.000 Menschen – darunter Gewerkschafter:innen (1), Historiker:innen (2), die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber, die Stuttgarter Stolpersteininitiativen, Zeichen der Erinnerung sowie die Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) und mehr als 200 Kommentare und Statements auf der Openpetition-Webseite setzen sich für eine deutlichere Würdigung von Fritz Bauer als demokratisches Vorbild in Stuttgart ein.

Demokratische Werte heute stärken
Ein Ziel unserer Unterschriftenaktion ist es, Fritz Bauer als Vorbild für Mut, Unbeugsamkeit und konsequente demokratische Haltung bekannter zu machen.


Fritz Bauer war eine Schlüsselfigur im Kampf für Recht und Gerechtigkeit nach 1945. Als Generalstaatsanwalt in Hessen setzte er sich unermüdlich für die Strafverfolgung von NS-Tätern ein und initiierte die Auschwitzprozesse – ein Meilenstein der deutschen Rechtsgeschichte.

Demokratische Werte heute stärken
Wir schätzen es sehr, dass die Stadt Stuttgart in einem Schreiben des Sachgebiets Grundsatz- und Rechtsangelegenheiten vom 17. Oktober 2025 betont, dass sie das Wirken Fritz Bauer in Projekten und Initiativen mit voller Überzeugung vorantreibt. In Zeiten, in denen demokratische Gesellschaften unter Druck stehen und rassistische sowie queerfeindliche Haltungen zunehmen (siehe hierzu: „Zunahme rechter Gewalt: Queere Menschen immer häufiger Ziel von Neonazi-Angriffen“), ist das ein wichtiges Signal der Stadt!

Neue Wege für eine posthume Ehrung
Was unsere Unterschriftenaktion „Ehrenbürgerschaft für Fritz Bauer“ betrifft, verweist die Stadt auf ihre juristische Auslegung des § 22 der baden-württembergischen Gemeindeordnung, nach der Ehrenbürgerschaften in unserem Bundesland nur an lebende Personen vergeben werden dürften. Zwar hinterfragen wir diese Interpretation weiterhin und führen auch deshalb unsere Unterschriftenaktion „Ehrenbürgerschaft für Fritz Bauer“ bis zum 23. Januar 2026 wie geplant fort (siehe hierzu: „Ehrenbürgerrecht für Fritz Bauer: Rechtslage weniger eindeutig als behauptet – der politische Wille ist gefragt“). Dennoch sind wir offen für neue, kreative Wege, wie Fritz Bauers Bedeutung für demokratische Grundwerte und Menschenrechte in Stuttgart sichtbarer und wirksamer gewürdigt werden kann.

Wichtiger Impuls zur Weiterentwicklung der kommunalen Erinnerungskultur Stuttgarts
Die Stadt hat uns auf das Beispiel Göttingen hingewiesen, wo eine neue Ehrungskategorie für Verstorbene geschaffen wurde, die zwischen Ehrenbürgerschaft an lebenden Personen und Ehrenbürgerwürden an verstorbene Personen differenziert. Diese Anregung greifen wir gerne auf, weil sie zeigt, wie Erinnerungskultur modern und sichtbar gestaltet und weiterentwickelt werden kann und posthume Ehrungen in Stuttgart nicht für immer und ewig nur auf die Benennung eines Platzes, einer Straße oder eines öffentlichen Gebäudes reduziert bleiben müssen. Davon unabhängig unterstützen wir ausdrücklich auch die zusätzliche Anregung des Journalisten Jan Sellner, einen zentral gelegenen Platz in der Nähe des Amtsgerichts – Bauers früherer Wirkungsstätte – nach Bauer zu benennen (3).

Vorschlag für eine neue Ehrungskategorie
Die Stadt nennt allerdings weitere rechtliche Bedenken wie beispielsweise, dass im Unterschied zu Göttingen der Begriff „Ehrenbürgerwürde“ in der Kommentarliteratur im Zusammenhang mit §22 der baden-württembergischen Gemeindeordnung synonym mit dem Begriff „Ehrenbürgschaften“ verwendet wird. Um diesen rechtlichen Bedenken entgegenzuwirken, haben wir der Stadt den Vorschlag gemacht, eine neue Ehrungssatzung anzustreben, die eine eigenständige Kategorie für posthume Auszeichnungen vorsieht. Diese Ehrung sollte dann

  • bewusst auf die Begriffe Ehrenbürgerrecht oder Ehrenbürgerwürde verzichten,
  • klar außerhalb des § 22 GemO angesiedelt sein,
  • ausschließlich posthume Ehrungen ermöglichen, und
  • Persönlichkeiten würdigen, die sich besonders für demokratische Grundwerte, Menschenrechte und Gerechtigkeit eingesetzt haben.

Beispiele für den Namen dieser Ehrung könnten sein: „Stuttgarter Gedenkehrung“, „Ehrengedenken der Landeshauptstadt“ oder „Fritz-Bauer-Ehrung“.

Erinnerung gestalten – demokratische Grundwerte stärken
Wir haben der Stadt mitgeteilt, dass wir die Diskussion über eine neue Ehrungskategorie für verstorbene Persönlichkeiten transparent und öffentlich führen möchten – gemeinsam mit der interessierten Stadtgesellschaft und den demokratischen Parteien im Stuttgarter Gemeinderat. Unser Vorschlag versteht sich als konstruktiver Beitrag zu einem offenen Dialog über die Weiterentwicklung der Erinnerungskultur in Stuttgart. Ziel ist es, mit der Unterstützung vieler Menschen das historische Vermächtnis herausragender Persönlichkeiten wie Fritz Bauer sichtbarer und wirksamer zu gestalten und die demokratischen Grundwerte zu stärken – im Sinne einer Stadt, die sich ihrer Geschichte stellt und Verantwortung für die Zukunft übernimmt. Fritz Bauers Vermächtnis erinnert uns daran: demokratische Gesellschaften leben von Menschen, die hinschauen, Verantwortung übernehmen und sich für andere einsetzen. Mit einer neuen Form der Ehrung kann Stuttgart zeigen, dass Erinnerung kein Blick zurück ist, sondern ein Auftrag nach vorn – für Zivilcourage, Menschlichkeit, demokratische Haltung und eine lebendige Erinnerungskultur. Wir hoffen sehr, dass unser Vorschlag bei den demokratischen Parteien im Gemeinderat auf Unterstützung stößt und in die erforderliche Zweidrittelmehrheit findet. Wer dazu beitragen möchte, bitten wir, unsere Unterschriftenaktion „Ehrenbürgerschaft für Fritz Bauer“ bis zum 23. Januar 2026 weiter breit bekannt zu machen und aktiv zu unterstützen.

Bitte vormerken:
Filmvorführung „Fritz Bauer: Die Akte General“ mit anschließender Diskussion zum Thema: Warum setzen wir uns für die Ehrenbürgerschaft von Fritz Bauer in seiner Geburtsstadt Stuttgart ein?
Ort und Zeit: 18 Uhr, Weissenburg, Weißenburgstr. 28a. Veranstalter: AG Queere Erinnerungskultur „Der-Liebe-wegen“ des Weissenburg e.V. mit Unterstützung der Abteilung für Chancengleichheit der Landeshauptstadt Stuttgart und der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber.


(1) siehe „Unterschriftenaktion — ver.di unterstützt Ehrenbürgerschaft für Fritz Bauer
(2) siehe „Fritz Bauer: Jurist, Jude, Remigrant und Generalstaatsanwalt“ von Barbara Kettnaker und Karl-Heinz Steinle. Im Beitrag heißt es: „Die beiden Autor*innen engagieren sich seit über 10 Jahren für die posthume Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Dr. Fritz Bauer und unterstützen auch aus diesem Grunde die aktuell laufende Petition vom VVN – Bund der Antifaschist:innen Baden-Württemberg und der AG Queere Erinnerungskultur – „Der Liebe wegen“ der Weissenburg „Ehrenbürgerschaft der Stadt Stuttgart für Dr. Fritz Bauer“ vollumfänglich.“ Der Beitrag klammert Fritz Bauers homosexuelle Neigung nicht aus. Weitere Informationen hierzu siehe: https://der-liebe-wegen.org/ermutigender-start-der-unterschriftenaktion-ehrenbuergerschaft-fuer-fritz-bauer-jetzt-dranbleiben/
(3) Auf unserer Webseite https://der-liebe-wegen.org/ermutigender-start-der-unterschriftenaktion-ehrenbuergerschaft-fuer-fritz-bauer-jetzt-dranbleiben/ haben wir dazu folgende historische Einordnung veröffentlicht: „Von hier aus wurde Bauer am 24. März 1933 wegen seiner der NSDAP unliebsamen sozialdemokratischen politischen Tätigkeit und seiner jüdischen Herkunft verhaftet und in das erste nationalsozialistische Konzentrationslager Württembergs auf dem Heuberg auf der Schwäbischen Alb verschleppt. Aus Sicht queerer Vereine ist gerade an diesem Ort auch daran zu erinnern, wie die Justiz menschenverachtend zur bundesweiten Vorreiterrolle Baden-Württembergs bei der §175-Verfolgung entscheidend beitrug. KZ-Überlebende wie z. B. Karl Zeh wurden statt entschädigt, dort erneut wegen ihrer Homosexualität zu Gefängnisstrafen verurteilt“. Wir würden uns sehr freuen, wenn dieser Vorschlag zu den Projekten gehört, welche die Stadt Stuttgart aktiv vorantreiben.