27. Januar 2024: Nie wieder ist jetzt – zum Gedenktag für die Opfer der NS-Diktatur

Am Stolperstein für Käthe Loewenthal haben wir heute an sie und an die vielen Menschen erinnert, die von der NS-Diktatur zwischen 1933 und 1945 verfolgt und ermordet wurden. Etwa 100 Menschen waren der Einladung von Weissenburg, der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber, der Abteilung für Chancengleichheit der Stadt Stuttgart und von unserem Projekt „Der-Liebe-wegen“ gefolgt. Wir veröffentlichen hier Auszüge der Reden der Veranstaltung:

Philine Pastenaci, Regisseurin (Foto links), über das Leben und die Liebe von Käthe Loewenthal:

Käthe Loewenthal

Tochter, Schwester, Freundin, Jüdin, Christin, Gläubige, Schülerin, Trauernde, Schaffende, Lernende, Studentin, Künstlerin, Malerin, Mitglied im Malerinnenverein, Geliebte, Reisende, Konservative, Feministin, Kämpferin, Freigeist, Pflegerin, Berlinerin, Bernerin, Münchnerin, Stuttgarterin, Opfer des Holocaust, der Shoah. Sie wurde 64, fast doppelt so alt wie ich jetzt bin. (…)

Käthe Löwenthal. Kätchen Frieda Rosa. Tochter von Clara und Wilhelm. 1878 in Berlin geboren. (…) Bis 1886 bekommt die kleine Käthe 4 Schwestern. Gertrud, Agnes, Hedwig und Susanne. Nur Susanne sollte eines natürlichen Todes sterben. Wilhelm ist Professor, international anerkannt. Die Familie reist viel, zieht oft um. 1890 hat Käthe genug vom Umziehen. Sie ist 13 und entscheidet bei ihrer Freundin in Bern zu bleiben, statt mit der Familie weiter zu ziehen. Ihre Eltern sind einverstanden.

Der Vater ihrer Freundin ist evangelischer Pfarrer. Käthe lässt sich taufen. Sie wird sehr gläubig, der Glaube hilft ihr Zeit ihres Lebens. Sie ist gerade 16 als ihr Vater stirbt, ihre jüngste Schwester Susanne erst 8. Ein Jahr später schließt sie die höhere Schule für Mädchen ab. Das erste Gymnasium für Mädchen wurde erst kurz vorher in Karlsruhe gegründet. Schon als Kind malt und zeichnet sie gerne. Sie ist entschlossen Malerin zu werden. (…)

Frauen dürfen zu dieser Zeit in Deutschland: nicht wählen, nicht Mitglied einer Partei sein, nicht an Hochschulen studieren Käthe hindert das nicht. Sie hat Glück, ihre Mutter ist wohlhabend. Sie kann an privaten Malschulen in verschiedenen Städten studieren.

1902 lernt sie mit 24 Erna Raabe kennen. Damals noch mit Max Raabe verheiratet. (…) Max ist krank, kurz darauf stirbt er an TBC. Erna versucht sich das Leben zu nehmen. Käthe schreibt ihr, sie hofft ihr Kraft zum weiterleben geben zu können. Aber auch, dass sie jedwede Entscheidung respektiert. Und dass sie Erna lieb hat.

Erna lebt weiter. Die beiden sind Zeit ihres Lebens so eng verbunden, wie zwei Menschen verbunden sein können. Mit 26 macht sich Käthe selbstständig, wie man heute sagen würde. (…) Käthe (…) ist in manchen Dingen konservativ. In andern rebellisch. Sie fordert mehr Rechte für Frauen, tritt mehreren Künsterinnenbünden bei.

Die Freundschaft mit Erna wird mit den Jahren intensiver. Die beiden lieben sich. Käthe schreibt: „Die Menschen nennen es Sünde, wenn Du es tust. Gott nennt es Unterlassung, wenn Du es nicht tust. Die Menschen hatten es Sünde genannt, Aber Gott hatte es gut geheißen.“
Es gibt keine Hinweise, dass sie sich jemals zu einem Mann hingezogen gefühlt hat Heute würde sie sich vielleicht als lesbisch bezeichnen. Wir wissen es nicht. (…)

1929 kommt der Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise. Eine Million Mark für eine Scheibe Brot. Die Gesellschaft ist gespaltener denn je. Nazis ziehen um die Häuser, prügeln und werden immer selbstbewusster die Demokraten sind zerstritten. 1932 gewinnt Hitler die Wahlen mit 37% der abgegebenen Stimmen. 1933 wird die Wahl wiederholt, die NSDAP bildet mit 43% eine Minderheitsregierung. Sie schafft die Demokratie ab. Schon im Wahlprogramm stand ungeheuerliches.
Jüdische Menschen sollten entrechtet und ausgebürgert werden. Aber die meisten glaubten nicht, dass es so schlimm kommen würde. Niemand konnte sich vorstellen, was wirklich passieren würde. 70 Millionen Menschen werden weltweit durch diese Regierung sterben. 6 Millionen davon werden geplant in Lagern ermordet. (…)

Käthe bekommt 1934 Malverbot. Gläubige sehen in guten Zeiten Gottes Segen. In Schlechten Zeiten Gottes Prüfung. Sie klagt nicht, aber Erna sieht ihr die Verbitterung an. Käthe nennt Erna Liebling und Geliebte. 1935 ist sie im Urlaub in Bern. Freunde flehen sie an zu bleiben. Aber Erna ist schwer krank. Käthe kehrt zurück um sie zu pflegen. 1938 stirbt Erna. Käthe wird 1942 deportiert und ermordet.

Ein Teil ihres Werkes übersteht den Krieg. Ihre Schwester Susanne überlebt mit ihren Kindern versteckt in München. Ihre Nichte veröffentlicht ihr Werk auf‘s Neue. Ihre Großnichte und ihr Großneffe halten die Erinnerung lebendig.

Erinnern wir uns an sie. Erinnern wir uns an sie alle.
Glauben wir nicht an die neuen Lügen, die heute erzählt werden.
Sorgen wir dafür, dass die Geschichte sich nicht wiederholt.

Dem Stuttgarter Chor Musica Lesbiana ist es zu mit zu verdanken, dass die Gedenkveranstaltung viele berührt hat. Speziell das einst von Elvis Presley gesungene Lied „Can’t Help Falling in Love“ ging unter die Haut, was die Journalistin Petra Mostbacher-Dix am Ende ihres Beitrag „Gedenken, Mahnung und Warnung zugleich“ (siehe Stuttgarter Zeitung und Nachrichten vom 29.1.2024, leider kostenpflichtig) ebenso extra erwähnte.
Barbara Straub, Leiterin der Abteilung für Chancengleichheit der Stadt Stuttgart

„(…) Sie alle wissen es, heute vor 79 Jahren wurden die Menschen, die im Vernichtungslager Auschwitz überlebt hatten, von sowjetischen Soldaten befreit. Seit 1996 erinnern wir diesen Jahrestag – doch dieses Jahr steht er in einer bleischweren Zeit – oder wie Margot Friedländer gestern Abend in einem Interview sagte: „Es brennt überall“. Antisemitismus und Rassismus wird an vielen Orten und von vielen Menschen sichtbar. Umso wichtiger ist es, dass sich heute so viele Menschen am Stolperstein von Käthe Loewenthal versammeln, um an ihr Leben und ihr Sterben zu erinnern, zu gedenken.

Die Erforschung der Biografien homosexueller Frauen (wie Männer) im NS hat leider erst eine junge Forschungstradition. Eine der Ursachen ist sicherlich die fortgesetzte, gesellschaftliche Tabuisierung von weiblicher und männlicher Homosexualität nach 1945. Denn Forschungsthemen stehen zum Großteil in unmittelbarer Beziehung zu machtvollen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Unsichtbarkeit lesbischer Frauen – über viele Jahre – im Forschungs- und damit auch im Erinnerungsdiskurs war auch dem generellen Unsichtbar-Machen dieser Menschen geschuldet. Im NS gab es vielfältige Formen von Diskriminierung, Repression und Verfolgung, die nicht notwendigerweise (archivalische) Spuren hinterlassen haben und auch deshalb über lange Zeit keinen Eingang in die traditionelle historische Forschung erlangt haben. Umso wichtiger sind deshalb Initiativen, hartnäckige Initiativen geschichtspolitischer Akteur:innen, die einen erweiterten Blick auf Geschichte und Erinnerung verfolgen und einen anderen Blick auf die verfolgten Menschen werfen wie z.B. „der Liebe wegen“, das Hotel Silber, der Weissenburg e.V. Auch durch Ihr Engagement hat sich die Geschichts- und Erinnerungskultur dynamisch entwickelt und pluralisiert. Und Menschen werden dadurch in ihrer Vielschichtigkeit, in ihrer Differenziertheit sichtbar – so wie wir heute an Käthe Loewenthal erinnern. Als Mensch, die einer jüdisch geprägten Familie entstammte. Und als Frau, die eine Frau liebte. Für Ihr Engagement möchte ich Ihnen herzlich danken!

Es ist die Aufgabe der Abteilung für Chancengleichheit – mit der Koordinierungsstelle LSBTTIQ – die vielfältigen Geschlechterperspektiven in allen Bereichen – auch in der Erinnerungskultur – sichtbar zu machen und kommunale Rahmenstrukturen zu verbessern. Deshalb freue ich mich, zusammen mit der Koordinierungsstelle Erinnerungskultur der Stadt. Stuttgart bei der heutigen Veranstaltung eingebunden zu sein. Herzlichen Dank.

Brigitte Lösch, Vorsitzende der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber

Für uns ist heute ein Gedenktag an alle Opfer nationalsozialistischer Verfolgung – 17 Millionen Opfer – 17 Millionen Schicksale – an die in Stuttgart 1000 Stolpersteine erinnern – und einer davon ist Käthe Loewenthal, der wir heute gesondert gedenken. Das Hotel Silber in der Dorotheenstrasse war von 1933 an der Gestapositz für Württemberg/Hohenzollern. Von dort aus wurden Menschen das Lebensrecht entzogen, sei es wegen ihrer politischen Einstellung, ihres Glaubens, ihrer Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung oder andere den Nazis unerwünschter Eigenschaft und Verhaltensweisen.

„Wer versucht der Geschichte zu entkommen, muss auf Dauer scheitern“, sagte der Historiker Johannes Fried einmal. Wie nahe wir einem Scheitern gekommen sind, zeigen die Vorkommnisse der letzten Wochen – die Enthüllungen über ein rechtes Geheimtreffen in Potsdam mit einer menschenverachtenden Agenda zur Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund zeigen, wie real die Gefahr bereits ist. Wir müssen „Nie wieder“ ernst nehmen. Dass die AfD nicht bereit ist demokratische Grundbedingungen zu erfüllen, beweist sie in allen Parlamenten. Vor 85 Jahren waren Vertreibungs- und Deportationsfantasien schlimme Wirklichkeit. Die jüdische Gemeinde sieht heute jüdische Existenzen
durch die rechten Umtriebe erneut bedroht. Zurecht, wie wir gestern in der Zeitung lesen konnten. Seit dem Überfall der Hamas auf Israel häufen sich antisemitische Vorfälle in Deutschland.
Das Bundeskriminalamt erfasste seit Oktober 2249 judenfeindliche Straftaten (in 110 Tagen). Und auch andere menschenverachtende Straftaten nehmen zu – in den letzten Quartalen sind auch antimuslimische Straftaten gestiegen – laut Polizeibehörden sind insgesamt 686 solcher Delikte verzeichnet worden, 87 % dieser Übergriffe haben Rechtsradikale begangen.

„Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist.“ – meint Erich Kästner, und weiter: „Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat.“ Wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, dass Antisemitismus, Rechtsextremismus und jedes menschenverachtende Denken und Handeln keinen Platz in unserer Gesellschaft mehr hat.

Gewiss ist nicht jede*r, der schon einmal AFD gewählt hat, ein Nazi oder Faschist! Aber inzwischen gibt es nun wirklich keine Ausreden mehr -wer AfD wählt, unterstützt Nazipolitik! Politik und Staat sollten zumindest ein AFD-Verbot prüfen. Schon jetzt könnte die Bundesinnenministerin ein Verbot der Jugendorganisation der AFD aussprechen.

Liebe Alle: Gerade aus unserer Vergangenheit zu lernen, damit sich Geschichte nicht wiederholt, dafür müssen wir Verantwortung tragen. Was können wir alle gemeinsam – was können wir zusammen tun?
Miteinander sprechen, vortragen, lehren, lernen, mit eindrücklichen Veranstaltungen wie dieser daran erinnern, und in unseren Alltag platzieren.

Jede und jeder von uns soll Multiplikator dieser Botschaft sein: Nie wieder Krieg, nie wieder Nationalsozialismus, nie wieder menschenverachtende Politik, nie wieder!

Der Angehörgie Prof. Dr. Wolf Ritscher, Verein „Lebenswerk Käthe Loewenthal“, konnte leider wegen Krankheit nicht teilnehmen. Sein Redemanuskript für die Gedenkveranstaltung verlas Brigitte Lösch:

Wir sind hier zusammen gekommen, um eines Menschen mit aussergewöhnlichen Be-Gabungen und Interessen zu gedenken – Käthe Loewenthal, meine Großtante, die älteste Schwester meiner Großmutter. Und mit ihr gedenken wir all der Menschen, die unter dem deutschen Nationalsozialismus so unendlich viel Leid erfahren haben. Unter ihnen sind viele, für die es kein Gedenken mittels Familienerinnerungen, Stolpersteinen, Gedenkorten oder Ausstellungen gibt, weil die Nazis ihre Spüren ausgelöscht haben, um ihre eigenen zu verwischen.

Käthe Loewental war Malerin aus Leidenschaft, eine – im Kontext der damaligen kulturellen Verhältnisse – emanzipierte Frau, die sich nicht in die bürgerliche Normalehe zwingen ließ, und für die gleichen Rechte der Frauen und ihre Wertschätzung in einer damals noch eindeutigen patriarchalischen Gesellschaft eingetreten ist. In diesem Kontext ist auch die in den letzten Jahren entstandene Diskussion über ihre tiefe Freundschaft mit der ebenfalls in Stuttgart lebenden Malerin Erna Raabe zu verorten. Sie waren sich in Liebe zugetan – ob mit oder ohne Sexualität spielt für mich keine Rolle. Mir geht es um ihren Leidensweg, an den ich erinnern möchte, auf dem sie von den Nationalsozialisten seit 1934 zunehmend ausgegrenzt und ab 1939 in die nationalsozialistische Vernichtungsmaschinerie hinein gestoßen wurde.

Käthe Loewenthal war tief religiös. Sie stammte aus einer liberalen Familie, die sich über zwei Generationen vom religiösen Judentum abgewendet und den Christentum zugewandt hatte – ohne das Wissen um ihre historische und kulturelle Zugehörigkeit zum Judentum zu verdrängen. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie vor allem durch die Portraitmalerei, die sie bei Leo von König lernte, einem der bekanntesten Portraitmaler im wilhelminischen Kaiserreich und in der Weimarer Republik. In der Nazizeit versuchte er mit den ihm zur Verfügungs stehenden Mitteln, verfolgte und ausgegrenzten MalerkollegInnen zu unterstützen.

Aber Käthes Liebe und Leidenschaft gehörte der Landschaftsmalerei. Für sie waren Landschaften ein zentraler Ausdruck der göttlichen Schöpfung, in ihnen offenbarte sich Gott dem Menschen und sie folgte mit ihren Bildern den Spuren Gottes in der Natur. Jedes Jahr fuhr sie zum Malen ins Berner Oberland und auf die Ostseeinsel Hiddensee, wo sie mit ihrer Schwester, meiner Großmutter, die Insel auf der Suche nach Landschaftsmotiven durchstreifte. Es ist bemerkenswert, dass in ihren Landschaftsbildern kaum Menschen zu sehen sind: der Mensch ist klein im Angesicht der Natur und der göttlichen Schöpfung;
dies in Demut anzuerkennen war Käthe Loewenthals Bestreben.

Ab 1938 zieht sich das Netz der Verfolgungsmaschinerie zusammen, 1941 muss sie ihre Wohnung in der Ameisenbergstrasse 32, vor der wir heute stehen, und in der sie viele Jahre ihres so kreativen Lebens verbracht hat verlassen und in eine sog. „Judenwohnung in der Schwarzwaldstrasse in Stuttgart-Kaltental umziehen. Es folgt ein kurzer Aufenthalt in einem „jüdischen Altersheim“ bei Göppingen und kurz vor der Deportation in das sog. „Transitghetto“ Izbica im besetzten Polen die Unterbringung im Sammellager auf dem Killesberg. Die Nichte von Käthe Loewenthal, meine Tante Inge, beschrieb diese letzten Tage 2004 in einem anrührenden Zeitzeuginneninterview. Kaum jemand konnte sich bis 1939 die Brutalität der Nazis, ihre Mordlust, ihre Habgier und ihr technokratisches Vernichtungssystem vorstellen – auch ihre Opfer nicht. Kam noch dazu, dass das in Deutschland assimilierte Judentum den nationalen bildungsbürgerlichen Mythen folgte: die „Nation der Dichter und Denker“ ist zu so etwas nicht fähig. Dass sie dazu fähig war ist die traurige Wahrheit und das sollte uns zu denken geben. Deshalb soll diese Gedenkveranstaltung nicht nur die Erinnerung an Käthe Loewenthal und ihre LeidensgefährtInnen wachhalten, sondern auch warnen vor den totalitären und autoritären Tendenzen und Bewegungen, die sich in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt immer mehr ausbreiten. Unsere Kultur und Gesellschaft lebt von der Vielfalt, von der Toleranz und der Respektierung der im Grundgesetz unaufhebbar verankerten „Grundrechte“. Wenn die Unbelehrbaren von der „Volksgemeinschaft“ träumen, oder der Idee folgen, dass Krieg „die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ sei, wenn sie glauben, dass die Vernichtung derer „die nicht zu uns gehören“ notwendig sei, um selbst in Frieden zu leben – und sie darüber nicht erschrecken, dann wird der Hass im gesellschaftlichen Diskurs „normalisiert“ und totalitären Systemen Tür uns Tor geöffnet. Ein totalitäres System lebt von dem Mythos, dass allumfassende Kontrolle möglich sei und Abweichungen von der durch einen „Führer“ oder eine Führungs-„elite“ gesetzten Normen mit Gewalt bekämpft werden müsse – bis hin zum Mord und zur systematischen Vernichtung der „Anderen“.

Lasst uns wachsam sein und für die Menschenrechte und Menschenwürde eintreten – immer und überall.

August 2023: 3657 EURO – stolzes Ergebnis der Spenden- und Solidaritätskampagne für 6RANG, der „queeren Stimme des Irans“

Austausch über Unterdrückung von LGBT*-Personen in unserer Region während der NS- und Nachkriegs-Zeit sowie in Ländern wie dem Iran heute mit der iranischen LGBT*-Aktivistin Shadi Amin im Hotel Silber, dem ehemaligen Sitz der Gestapo am 29. Juli 2023 (siehe auch: betterplace.org/p120934).

Zum Abschluss der Spenden- und Solidaritätskampagne für 6Rang erklären das Projekt „Der-Liebe-wegen“ und just human:

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Shadi Amin, auf der CSD-Kundgebung von Stuttgart Pride am 29. Juli 2023

Wir vom Projekt „Der-Liebe-wegen“ und von just human freuen uns, dass bei unserer Spenden- und Solidaritätskampagne für 6Rang insgesamt 3657 Euro zusammen gekommen sind. Mit dieser Spende unterstützen wir die Arbeit des iranischen Netzwerks, die für das Motto steht: „Stoppt Hinrichtungen und jegliche Gewalt gegen LGBT*! Frau, Leben, Freiheit, einschließlich der Freiheit der LGBT*-Regenbogen-Community!“ Die Kampagne hatten wir am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie, dem 17. Mai 2023, gestartet und schließen sie nun nach der Stuttgarter Pride CSD-Demonstration ab. Wir danken allen Spendenden und Unterstützenden, die zu diesem Erfolg beigetragen haben!

Höhepunkt unserer Kampagne war die Rede der Leiterin von 6Rang, Shadi Amin, auf der CSD-Kundgebung von Stuttgart Pride am 29. Juli 2023. Sie erinnerte daran, dass lesbische, schwule, bisexuelle und trans Personen im Iran jeden Tag ihr Leben riskieren. Sie machte deutlich, dass die iranische LGBTI*-Community eine klare und transparente Position der Bundesregierung fordert, „wenn es um (…) Verhaftung, Folter und Hinrichtungsurteile gegen LGBTI+-Personen im Iran geht.“ Als Deutsche würden wir diese Art der Unterdrückung aus der NS-Zeit kennen. So verwies sie auf das Hotel Silber, die ehemalige Zentrale der regonalen Gestapo, welches sie am Vormittag besucht hatte, um sich dort über Verfolgung von LGBTI*-Personen in Vergangenheit und heute auszutauschen. In ihrer Rede appellierte sie auch im Bezug auf Deutschland: „Ohne unser (…) solidarisches Handeln sind unsere Chancen sehr gering. Wir sind nicht umsonst so weit gekommen; diese Errungenschaften sind nicht selbstverständlich. Wir müssen jeden Tag dafür kämpfen, um diese Rechte zu behalten und auszuweiten.“

Bei mehreren Veranstaltungen zur Kampagne wurde deutlich, dass die Jahrhunderte alten Vorurteile über eine angebliche Widernatürlichkeit gleichgeschlechtlicher Liebe und Sexualität sowie die angebliche Minderwertigkeit von Frauen, von inter- und transsexuellen Menschen weltweit millionenfaches Leid verursacht haben, egal ob wir in jüdisch, christlich oder moslemisch geprägten Gesellschaften aufgewachsen sind. Dazu beizutragen, dieses Leid endlich zu überwinden, war und ist eine wichtige Motivation für unser Arbeit vom Projekt „Der-Liebe-wegen“ (www.der-liebe-wegen.org) als auch von just human (www.just-human.de). Spenden für 6Rang können auch nach der Kampagne weiterhin auf das Konto von just human geleistet werden (Spendenkonto: DE89 3702 0500 0007 7692 00, bitte Spende mit Stichwort 6Rang versehen).

Projekt „Der-Liebe-wegen“ (www.der-liebe-wegen.org) und just human (www.just-human.de)

Führung „Schweigen zur Verfolgung von LGBT*: NICHT MIT UNS“ und Austausch im Hotel Silber über die Unterdrückung von LGBT*-Menschen während der NS- und Nachkriegszeit in Deutschland sowie heute in Ländern wie dem Iran am 29. Juli 2023 (Foto v. l. n. r.: Friedemann Rincke vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Shadi Amin von 6Rang und Ralf Bogen vom Projekt „Der-Liebe-wegen“)
Beteiligung an der Stuttgart Pride CSD-Demonstration von unserer Solidaritätskampage


Rede von Shadi Amin, Sprecherin von 6Rang, auf der CSD-Kundgebung von Stuttgart Pride am 29. Juli 2023:

Happy pride!

Ich bin Shadi Amin und komme aus dem Iran, wo gleichgeschlechtliche Beziehungen mit Strafen von Peitschenhieben bis zur Todesstrafe geahndet werden. LGBTI-Personen werden diskriminiert und marginalisiert. Doch heute bin ich stolz darauf, dass ich aus einem Land komme, in dem es in den letzten 10 Monaten gelungen ist, die Aufmerksamkeit und Empathie der ganzen Welt durch die Parole „Frau, Leben, Freiheit“ (Jen, Jiyan, Azadi) auf sich zu ziehen.

Ja, wir haben das Bild von Frauen und LGBT-Personen, die unter religiösen Diktaturen leben, grundlegend verändert und haben eine kämpferische und aktive Rolle als Opfer dieses homophoben und sexistisch-kapitalistischen Regimes übernommen. Mehr als 500 Menschen wurden ermordet, darunter 73 Kinder, und mehr als 22.000 Personen wurden verhaftet. Sie als Deutsche kennen diese Art der Unterdrückung; wir waren in Hotel Silber (Zentrale der Gestapo)ja, das sind die gleichen politischen Situation wie in den dreißiger Jahren und Jahrzehnten danach in Deutschland.

Aber das allein reicht nicht aus, damit die Welt die Gefahr des politischen Islams erkennt und sich aktiv für die Demokratie im Iran einsetzt. Leider ist diese Revolution noch nicht zum Ziel gelangt. Wir als LGBT+-Community haben es geschafft, unsere Forderungen in den Diskurs dieser Revolution einzubringen. Die lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans Personen im Iran riskieren jeden Tag ihr Leben, um eine Veränderung im Land herbeizuführen. Dieses mutige und hoffnungsvolle politische Engagement ist etwas, was wir nicht nur im Iran, sondern überall auf der Welt brauchen, um fundamentalistische, rassistische und rechtsradikale Kräfte bekämpfen zu können.

Wir sind heute hier, um unseren Willen für den Aufbau einer fortschrittlichen LGBT+-orientierten Politik zu äußern. Ohne unser Zusammenkommen und solidarisches Handeln sind unsere Chancen sehr gering. Wir sind nicht umsonst so weit gekommen; diese Errungenschaften sind nicht selbstverständlich. Wir müssen jeden Tag dafür kämpfen, um diese Rechte zu behalten und auszuweiten.
Unsere Gegner warten nicht, sie organisieren sich und handeln. Wir können und müssen gezielt aktiv werden. Wir dürfen keine Zeit verlieren.

Die iranische LGBTI-Community fordert eine klare und transparente Position der Bundesregierung gegenüber der Islamischen Republik, wenn es um Hasskampagnen, Diskriminierung, Verfolgung, Verhaftung, Folter und Hinrichtungsurteile gegen LGBT+-Personen im Iran geht.

Heute und jetzt denken wir an alle Opfer unseres Kampfes, die ermordeten Jugendlichen auf den Straßen des Irans, unsere Freunde in  Polen, Saudi Arabia, Afghanistan, Russland, Uganda und überall auf der Welt.

Hoch die internationale Solidarität! Frau – Leben – Freiheit! Jen Jiyan Azadi!

Am Infostand der Weissenburg auf der CSD-Pride Hocketse: Informationen zur Verfolgung wegen gleichgeschlechtlicher Liebe und Sexualität in unserer Region während der NS-Zeit und heute in Ländern wie im Iran.
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Online-Veranstaltung „Schweigen zur Gewalt gegen LGBT? NICHT MIT UNS!“ mit Shadi Amin am 20. Juli 2023 von der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber und unserem Projekt „Der-Liebe-wegen“, unter anderem über ihre persönliche Entwicklung und Fluchtgeschichte, über ihr Coming Out sowie über die Arbeit von 6Rang und die politische Situation im Iran heute.

27.1.2023: Bewegende Gedenkstunde an die queeren NS-Opfer

Was für ein Tag heute – eine sehr bewegende Gedenkstunde im Deutschen Bundestag.

78 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee hatte heute der Deutsche Bundestag erstmals die queeren NS-Opfer in den Mittelpunkt seine Gedenkens gestellt. Die Gedenkstunde kann über folgenden Link angeschaut werden: Videos der Gedenkstunde auf bundestag.de.

„Es ist nicht in Worte zu fassen, was das für mich bedeutet. An so einem Tag stellvertretend für eine verfolgte Minderheit einem homosexuellen Opfer eine Stimme zu geben, ist wahnsinnig berührend. Als ich meinem Vater davon erzählte, hat er am Telefon geweint“, so Jannik Schümann, 30, der bei der Gedenkstunde Karl Gorath seine Stimme verlieh. Gorath war wegen seines Schwulseins ins Konzentrationslager Auschwitz gesperrt worden (siehe Foto oben). Er entkam dem KZ schwer krank. Zwei Jahre nach der Befreiung vom Faschismus wurde er von demselben Nazi-Richter erneut wegen seiner Homosexualität verurteilt.

Die digitale Gedenkkarte unseres Onlineprojekts „Der-Liebe-wegen“ zeigt, dass es keine von der Verfolgung unberührte Region des heutigen Baden-Württemberg gab:

In ihr sind folgende 75 Männer mit Bezug zu Baden und Württemberg aufgeführt, die das KZ-System nicht überlebt haben (siehe Biografien / Skizzen der einzelnen NS-Opfer über Anklicken NS-Opfer oder auf die einzelnen Namen):

Willi Karl App: * 27.9.1919 Stuttgart, † 14.3.1943 KZ Sachsenhausen

Karl Aretz: * 25.5.1891 Karlsruhe, † 18.10.42 KZ Flossenbürg

Karl Autenrieth: * 22.3.1900 Vaihingen an der Enz, † 4.7.1943 KZ Natzweiler

Kurt Baumgart: * 30.6.1913 Mannheim, † 24.9.1942 KZ Ravensbrück

Wilhelm Bay: * 11.2.1909 Backnang, † 18.9.1942 KZ Stutthof

Karl Belthle: * 22.7.1922 Ulm, † 13.2.1945 KZ Sachsenhausen

Adolf Billmann: * 6.2.1879 Karlsruhe, † 28.1.1940 KZ Mauthausen

Heinrich Böckle: * 8.3.1894 Rinklingen, † 19.12.1944 SS-Arbeitslager Dautmergen (Außenlager des KZ Natzweiler)

Johannes Böhme: * 11.4.1881 Mosel, † 10.4.1944 KZ Natzweiler

Richard Broosch: * 10.11.1912 Heidelberg, † 22.1.1943 KZ Mauthausen

Peter Michael Brühl: * 23.6.1893 Weißenthurm, † 2.1.1944 KZ Neuengamme

Otto Didier: * 10.9.1916 Schnierlach (Elsass), † 16.11.1944 KZ Neuengamme

Georg Dirauf: * 3.3.1887 Stuttgart / Birkach, † 30.3.1945 KZ Flossenbürg

Gottlob Doderer: * 16.4.1890 Stuttgart, † 22.8.1942 KZ Dachau

Friedrich Enchelmayer: * 13.8.1908 Stuttgart, † 9.11.1940 KZ Neuengamme

Adolf Ferrari: * 12.11.1914 Cham (Schweiz), † 18.2.1944 KZ Mittelbau-Dora

Adolf Fischer: * 21.2.1916 Mannheim, † 20.11.1942 Tötungsanstalt Schloss Hartheim, offiziell: KZ Dachau

Alfred Israel Fishel: * 10.5.1910 Karlsruhe, † 29.4.1940 KZ Sachsenhausen

Georg Flösser: * 21.1.1901 Weinheim, † 19.3.1944 KZ Buchenwald

Richard Friedhofer: * 7.2.1908 Stuttgart / Zuffenhausen, † 3.10.1944 KZ Groß-Rosen

Gerhard Fries: * 16.7.1918 Karlsruhe, † 19.10.1942 KZ Ravensbrück

Friedrich Fügel: * 2.1.1886 Plattenhard, † 12.3.1944 KZ Natzweiler

Maximilian Glass: * 11.2.1902 Stuttgart, † 26.5.1942 KZ Buchenwald

Karl Griesinger: * 18.4.1905 Lauffen am Neckar, † 29.10.1941 im KZ Sachsenhausen

Karl-Hermann Günner: * 10.6.1881 Alpirsbach, † 9.2.1945 KZ Dachau

Friedrich Habermaier: * 2.3.1887 Heidelberg, † 20.3.1945 im KZ Mauthausen

Gustav Hartmann: * 16.1.1892 Dielheim, † 4.10.1941 im KZ Sachsenhausen

Friedrich Haug: * 15.9.1914 Ulm, † 14.8.1943 im KZ Sachsenhausen

Fritz Hauser: * 4.4.1892 Freiburg, † 14.4.1944 im KZ Lublin-Majdanek

Jakob Hess: * 20.2.1895 Heidelberg, † 7.8.1943 im KZ Natzweiler

Gustav Holl: * 10.11.1892 Mannheim / Ladenburg, † 10.6.1940 im KZ Sachsenhausen

Wilhelm Huther: * 18.1.1908 Neuhausen auf den Fildern, † 25.3.1944 im KZ Majdanek

Fritz Junkermann: * 19.10.1883 Stuttgart, † Oktober 1942 Tötungsanstalt Bernburg – offiziell gestorben beim Transport vom KZ Sachsenhausen in das KZ Dachau

Albert Karl: * 14.1.1917 Augsburg, † 6.7.1943 im KZ Sachsenhausen

Lothar Keiner: * 18.8.1908 Mannheim, † 27.11.1942 im KZ Neuengamme

Franz Klauser: * 11.3.1907 Seebach, † 6.11.1944 im KZ Neuengamme

Georg Klimas: * 24.6.1903 Königshütte, † 13.1.1945 KZ Sachsenhausen

Herbert Klingmann: * 2.3.1904 Mannheim, † 11.8.1940 KZ Dachau

Alexander von Kloch-Komitz: † 18.10.1943 KZ Buchenwald

Otto Knauer: * 3.6.1897 Karlsruhe, † 7.7.1943 KZ Natzweiler

Johannes Kolb: * 6.2.1911 Aalen / Neuler, † 17.2.1944 KZ Natzweiler

Karl Lehmann: * 21.2.1896 Gnotau, † 24.11.1942 KZ Dachau

Heinz Leible: * 10.7.1913 Lörrach, † 6.9.1943 KZ Mauthausen

Karl Lohmele: * 5.4.1905 Strassburg (Österreich), † 26.7.1942 im KZ Stutthof

Erich Mäder: * 19.11.1904 Freiburg, † 17.5.1941 im KZ Ravensbrück

Julius Maier: * 8.10.1909 Mauchen / Müllheim, † 2.1.1945 KZ Dachau

Jakob Maser: * 16.11.1893 Rottweil / Fluorn, † 4.12.1942 Tötungsanstalt Schloss Hartheim – offiziell im KZ Dachau

Eduard Müller:* 9.5.1886 Schiltigheim (Elsass), † 28.2.1944 KZ Flossenbürg

Albert Nicklas: * 26.5.1901 Bad Mergentheim / Bronn, † 30.9.1941 KZ Flossenbürg

Rudolf Nicolai: * 14.9.1896 Koblenz, † 2.1.1942 KZ Neuengamme

Rudolf Pfaff: * 10.3.1907 Neckargmünd, † 25.4.1942 KZ Flossenbürg

Oskar Ragg: * 2.4.1908 Schwenningen, † 18.5.1943 KZ Stutthof

Johann Riesterer: * 21.2.1889 Zürich / Uster (Schweiz), † 17.1.1945 KZ Mauthausen

Hugo Roth: * 15.3.1895 Lodz, † 9.10.1942 KZ Flossenbürg

Philipp Josef Rothacker: * 1.10.1905 Schwetzingen, † 17.7.1942 KZ Sachsenhausen

Wilhelm Schaich: * 20.02.1896 Kohlberg, † 31.07.1942 im KZ Buchenwald

Josef Schnetz: * 28.3.1901 Ravensburg / Bavendorf, † 11.4.1942 im KZ Buchenwald

Hellmut Schmid: * 07.07.1905 Worms, † 21.08.1941 KZ Flossenbürg

Otto Schorer: * 19.10.1906 Tettnang, Todesdatum unbekannt KZ Ravensbrück

Arthur Schrag: * 13.2.1907 Eislingen/Fils, † 8.5.1942 KZ Flossenbürg

Wilhelm Schweizer: * 23.10.1883 Oberreggenau, † 4.11.1944 KZ Neuengamme

Anton Seeger: * 29.3.1900 Sigmaringen / Hausen am Andelsbach, † 7.1.1944 KZ Buchenwald

Engelbert Sollinger: * 19.7.1900 Rosenheim, † 27.2.1942 KZ Sachsenhausen

Emil Speck: * 4.6.1892 Karlsruhe, † 29.1.1945 KZ Dachau

Otto Steegmüller: * 18.3.1896 Böblingen / Magstadt, † 6.3.1943 KZ Natzweiler

Wilhelm Ernst Steiger: 12.5.1906 Rastatt, † 29.10.1942 KZ Groß-Rosen

Hilarius Stengele: * 21.10.1902 Tuttlingen / Kolbingen, † 4.6.1944 KZ Natzweiler

Wilhelm Thiele: * 27.1.1902 Mannheim, † 6.2.1943 KZ Natzweiler

Alois Thieme: * 30.1.1911 Mannheim, † 15.11.1941 KZ Buchenwald

Karl Walter: * 16.11.1896 Mühlacker, † 16.5.1943 KZ Natzweiler

Friedrich von Wangenheim-Brunner: * 8.1.1885 Wolfenbüttel, † 17.8.1942 KZ Dachau

Adolf Wilhelmi: * 15.4.1874 Freiburg, † 26.8.1942 KZ Dachau

Hans Winterhalter: * 16.7.1907 Hinterzarten, † 2.12.1942 KZ Sachsenhausen




2022: Gedenkkugel für die lesbischen Häftlinge im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück

Der-Liebe-wegen dankt der Initiative „Autonome feministische Frauen und Lesben aus Deutschland und Österreich“, die sich beharrlich gegen viele Widerstände für ein würdiges Gedenkzeichen und die Erinnerung an lesbische Häftlinge im Frauenkonzentrationlager Ravensbrück eingesetzt hat. Ebenso danken wir ihren Vorkämpferinnen in der ehemaligen DDR, insbesondere Bettina Dziggel, die sich bereits 1984 dafür eingesetzt hatten und dafür auch staatliche Repressionen in Kauf nahmen. Bettina Dziggel ist leider viel zu früh im Alter von 62 Jahren am 5. Juli 2022 verstorben.

Am 30. Oktober 2022 fand die Gedenkkugel für die lesbischen Häftlinge im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück am neuen Gedenkort der Mahn- und Gedenkstätte in Ravensbrück endlich ihren Platz mit folgender Inschrift: „In Gedenken aller lesbischen Frauen und Mädchen im Frauen-KZ Ravensbrück und Uckermark. Sie wurden verfolgt, inhaftiert, auch ermordet. Ihr seid nicht vergessen.“

Während der 77. Befreiungsfeier des KZ-Ravensbrück am 1. Mai 2022 konnte bereits das erste offizielle Gedenken an die lesbischen Opfer der NS-Diktatur in Ravensbrück stattfinden, damals mit einer gläsernen Gedenkscheibe.

Ein dauerhaftes Zeichen des würdigen Gedenkens an die lesbischen Frauen ist ein wichtiger Beginn einer notwendigen und grundlegenden Aufarbeitung der Unsichtbarmachung und Verfolgungsgeschichte lesbischer Frauen. Der-Liebe-wegen schließt sich dem LSVD an, der in einer Online-Veröffentlichung dazu schreibt: „Es gibt großen Forschungsbedarf. Wir ermutigen und unterstützten Forscher*innen, sich verstärkt diesen Themen zuzuwenden und miteinander in den wissenschaftlichen Austausch zu treten. Dabei gilt es, die wichtigen Arbeiten lesbischer Historikerinnen wie zum Beispiel Claudia Schoppmann, Kirsten Plötz, Anna Hájková, Ingeborg Boxhammer oder Christiane Leidinger zu würdigen. Bund, Länder und Kommunen sollten dafür ausreichend Mittel für die Erforschung und Vermittlung der Geschichte zur Verfügung zu stellen.“

Ralf Bogen


31.10.2022: Wieso Alexander Zinns Definition von „Verfolgung“ für Lesben* zu kurz greift – eine Erörterung am Beispiel der im KZ-Ravensbrück inhaftierten Maragarete Rosenberg von Alexa Korossy-Juliuns, veröffentlicht auf der Webseite zum Projekt Lesbische* Lebenswelten im deutschen Südwesten an der Universität Heidelberg
2021: Wissenschaftliches Gutachten von Prof. Martin Lücke, Freie Universität Berlin: Die Verfolgung lesbischer Frauen im Nationalsozialismus
14.07.2021: Pressemitteilung vom 14. Juli 2021 der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück: Gedenkzeichen für die lesbischen Häftlinge im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück
2018: Maria Bühner: Die Kontinuität des Schweigens. Das Gedenken der Ost-Berliner Gruppe Lesben in der Kirche in Ravensbrück, in Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 2018, 29/2, S. 111-131
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Lesbische Geschichte wird sichtbar
– in der Gedenkstätte Ravensbrück wird jetzt auch offiziell an die lesbischen Opfer des Konzentrationslagers erinnert. Es war ein harter Kampf.
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MAHN- U. GEDENKSTÄTTE RAVENSBRÜCK | STIFTUNG BRANDENBURGISCHE GEDENKSTÄTTEN
Dr. Anna Hájková beim ersten offiziellen Gedenken an lesbische Häftlinge in Ravensbrück.
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Bettina Dziggel, * 25. Januar 1960; † 5. Juli 2022, lesbische Aktivistin und Mitbegründerin der ersten ostdeutschen Lesbengruppe Arbeitskreises Homosexuelle Selbsthilfe – Lesben in der Kirche , die sich für ein würdiges Erinneren im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück einsetzte

25. April 2022: Ehrung im Hotel Silber

Unter anderem wegen seiner Arbeit für das Internetprojekt „Der Liebe wegen“ wurde Ralf Bogen am 25. April 2022 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. „Besonders hervorzuheben ist die Realisierung des Projekts ‚Der Liebe wegen, … von Menschen im deutschen Südwesten, die wegen ihrer Liebe und Sexualität ausgegrenzt und verfolgt wurden‘“ heißt es in der Pressemitteilung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Auch im Beitrag „Ehrung für Ralf Bogen“ der Stuttgarter Nachrichten vom 26. April 2022 wird das Internetprojekt „Der Liebe wegen“ hervorgehoben: „Schicksale von Opfern der Nazis haben er und seine Mitstreiter mit ihrem Projekt „der Liebe wegen“ recherchiert und dokumentiert. Von den 251 Männern mit Bezug zu Baden und Württemberg haben 75 ihre KZ-Haft nicht überlebt.“

12.7.2020: Virtuelle Führung durch das Hotel Silber

12. Juli 2020, 16 h: Virtuelle Führung „Vielfalt braucht Erinnerung“
Zum CSD 2020 in Stuttgart bieten die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V. und das Haus der Geschichte Baden-Württemberg eine ca. 30-minütige digitale Live-Stream-Führung durch die Duerausstellung im „Hotel Silber“ an.
Viele Jahrzehnte fehlte es in Baden-Württemberg an einer „Vielfalt in der Erinnerung“, bei der auch das begangene Unrecht an sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten dargestellt wird. Entsprechend dem diesjährigen CSD-Motto „Vielfalt braucht Verstärkung“ gehen Kurator Friedemann Rincke vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg und Ralf Bogen, Mitarbeiter der AG Dauerausstellung für die Initiative. Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V., auf die verschiedenen Verfolgungsbereiche der Polizei ein und zeigen schwerpunktmäßig die „Bekämpfung der Homosexualität“ auf.

5.10.2019: „Zukunft braucht Erinnerung“ – Öffentliche Fachtagung zur vielfältigen LSBTTIQ-Geschichte – ein Rückblick

Mehr als 50 Interessierte an der vielfältigen Geschichte sexueller und geschlechtlicher Minderheiten kamen am 5. Oktober 2019 in das Gebäude der ehemaligen Gestapozentrale von Württemberg und Hohenzollern „Hotel Silber“, um die Ergebnisse aktueller Arbeiten kennenzulernen, zu diskutieren und um sich über zukünftige Richtungen von historischer Forschung und Vermittlung auszutauschen. Eingeladen hatten der Fachverband Homosexualität und Geschichte sowie die Initiative Lern– und Gedenkort Hotel Silber und ihre AG Vielfalt. Der Fachverband war mit mehreren Historiker*innen sowie Geschichtsaktivist*innen aus verschiedenen Städten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz vertreten. Unterstützt wurde die Tagung durch die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, das Haus der Geschichte Baden-Württemberg und nicht zuletzt durch das Netzwerk LSBTTIQ[1] Baden-Württemberg.

Prof. Dr. Paula Lutum-Lenger, Direktorin des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg und Ralf Bogen, Mitarbeiter der AG Dauerausstellung für die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber, führten Tagungsteilnehmende am Vortag durch die Dauerausstellung des neuen Lern- und Erinnerungsortes zum Thema „Die Polizei im Hotel Silber und die Bekämpfung von Homosexualität“.[2]

In der Begrüßung von Ralf Bogen (Stuttgart, Vorstand der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber) und Karl-Heinz Steinle (Berlin, Vorstand des Fachverbands Homosexualität und Geschichte) im Namen der Veranstaltenden wurde an die Geschichte des Hauses Hotel Silber erinnert, in der die ehemalige Gestapozentrale von Württemberg und Hohenzollern und nach 1945 die städtische Kriminalpolizei ihren Sitz hatte. Es sei kein Zufall gewesen, dass sich vier LSBTTIQ-Vereine (IG CSD Stuttgart, KC Stuttgart, LSVD Baden-Württemberg und Weissenburg) als Mitglied in der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber erfolgreich am Kampf um den Erhalt des Gebäudes als Lern- und Erinnerungsort beteiligt hätten.[3] Bis dahin habe es in Baden-Württemberg keinen Ort gegeben, an dem angemessen über das NS- und Nachkriegs-Unrecht an LSBTTIQ-Menschen erinnert werde. Die Tagung passe gut zum Ziel des neuen Lern- und Erinnerungsortes, „diesen Ort des Terrors in einen Ort des Bekenntnisses zu demokratischen Grundrechten und zu gelebter Akzeptanz menschlicher Vielfalt zu wandeln“ (aus der Präambel zu den Hotel Silber Verträgen). Im Anschluss wurde der Fachverband Homosexualität und Geschichte vorgestellt. Seit 1992 fördere dieser u. a. durch jährlich stattfindende Fachtagungen wie diese den Erfahrungsaustausch seiner Mitglieder und aller an LSBTTIQ-Geschichte Interessierten.[4] Nach einer Danksagung an einer Reihe von Organisationen und Menschen, die die Tagung möglich gemacht haben[5], moderierte Steinle vormittags die Vorstellung der ersten drei Vortragenden inklusiv der jeweils anschließenden Diskussionen.

Dr. des. Sabrina Mittermeier (Augsburg) erklärte in ihrem Vortrag „LSBTTIQ Public History in der Bundesrepublik Deutschland und den USA, 1969-2016“ zunächst den von ihr verwendeten Begriff „Public History“ mit einer Definition von Martin Lücke und Irmgard Zindorf (2018): „Public History wird sowohl als jede Form der öffentlichen Geschichtsdarstellung verstanden, die sich an eine breite, nicht geschichtswissenschaftliche Öffentlichkeit richtet, als auch als eine Teildisziplin der Geschichtswissenschaft, die sich der Erforschung von Geschichtspräsentationen widmet.“ Sie warf die brisante Frage auf, wer bestimme, an wen, was, wie erinnert werde. LSBTTIQ-Geschichte habe in Deutschland nach wie vor fast nirgendwo Einzug in Schul- und Universitätslehrpläne gehalten. Das außeruniversitäre und unbezahlte Archivieren und Sammeln durch Geschichtsaktivist*Innen sei daher auch heute noch eine wichtige Form des Aktivismus der LSBTTIQ-Emanzipationsbewegung. Ihr geplantes, jedoch noch nicht finanziertes Projekt solle Einrichtungen analysieren, die es sich zum Ziel gesetzt hätten, LSBTTIQ Geschichte in die Öffentlichkeit zu tragen. Für die USA gehörten hierzu die ONE National Gay and Lesbian Archives (Los Angeles), das Stonewall National Museum and Archives (Fort Lauderdale), das GLTB Museum and Historical Society (San Francisco), das Lesbian Herstory Archives (New York) und verschiedene AIDS-Memorial‘s (Key West, New Orleans und weitere). Für die BRD nannte sie u. a. das Schwule Museum* (Berlin), der Spinnboden – Lesbisches Archiv und Bibliothek e.V. (Berlin), das Forum Homosexualität e.V. (München), das Centrum Schwule Geschichte (Köln) oder das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen (Berlin).
In der Diskussion ging es um verschiedene Fragestellungen, z. B. wie das Projekt berücksichtigen wird, dass sich Dokumente zu lesbischen Frauen in Frauenarchiven wiederfinden und dass es große Unterschiede gibt zwischen der Forschung und Vermittlung der Geschichte von weißen schwulen CIS[6]-Männern im Verhältnis zu anderen Gruppen der LSBTTIQ-Community. Ebenso thematisierten Diskussionsbeiträge das Verhältnis von akademisch-institutionalisierten Forschungen und (Geschichts-)Projekten zu Forschungen und Erinnerungsprojekten der LSBTTIQ-Emanzipationsbewegung. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Situation in den USA und in Deutschland sollen im Projekt genauer untersucht werden. Eine wichtige Gemeinsamkeit sei laut Mittermeier heute, dass sich in beiden Ländern LSBTTIQ-Geschichtsaktivist*innen mit Rollback-Kräften konfrontiert sehen, in den USA mit Trump und in Deutschland mit der AfD.

Im zweiten Vortrag referierte Janka Kluge zur Geschichte der Emanzipationsbewegung transsexueller Menschen unter dem Titel „Von der Sichtbarkeit zur Unsichtbarkeit und wieder zurück“. Die Bewegung habe mit dem Inkrafttreten des Transsexuellengesetzes 1981 aus damaliger Sicht ein wichtiges Ziel erreicht. Nun seien für transsexuelle Menschen eine Namensänderung und eine geschlechtsanpassende Operation möglich gewesen. Dies habe „von der Sichtbarkeit zur Unsichtbarkeit“ geführt, da sich transsexuelle Menschen in den Folgejahren aus der politischen Öffentlichkeitsarbeit für transsexuelle Anliegen für mehrere Jahre weitgehend zurückgezogen hätten. Über drei Jahrzehnte später habe das Bundesverfassungsgericht auf Klagen von einzelnen Betroffenen das Transsexuellengesetz in mindestens 10 Punkten als rechtswidrig eingestuft. Insbesondere die nach wie vor erforderliche Zwangsbegutachtungen für Namensänderungen und geschlechtsanpassende Operationen hätten dazu geführt, dass in den letzten Jahren mehrere transsexuelle Menschen wieder „aus der Unsichtbarkeit zur Sichtbarkeit“ hervorgetreten seien und sich verstärkt für ihre Anliegen in der Öffentlichkeit engagieren würden. In Stuttgart sei es in diesem Jahr zum ersten Trans*Pride mit über 400 Teilnehmenden gekommen. Auf Bundesebene hätten sich 40 verschiedene Trans*Gruppen zum Bundesverband Trans* zusammengeschlossen, der die Kampagne gestartet habe „Sagt es laut! – Selbstbestimmung! TSG (Transsexuellengesetz) abschaffen!“ (www.bundesverband-trans.de/sagt-es-laut/). Ein wichtiges Thema der weltweiten Trans*Bewegung sei die Psychopathologisierung sowie Hass, Gewalt und Ermordung von Trans*Menschen. Die meisten Morde seien in den USA zu verzeichnen und zwar an schwarzen Frauen aus armen Verhältnissen, die um überleben zu können oftmals der Prostitution nachgingen.
In der Diskussion wurden die Fragen nach der Bedeutung der Begriffe von Transsexualität in Abgrenzung von Transgender für die Emanzipationsbewegung geschlechtlicher Minderheiten und nach dem Verhältnis lesbischer Einrichtungen zu transsexuellen Frauen gestellt. Radikalfeministinnen würden nach wie vor transsexuelle Frauen nicht als Frauen anerkennen. In vergangenen Jahren habe das Frauenkulturzentrum und Café Sarah in Stuttgart transsexuellen Frauen keinen Eintritt in ihre Räume gewährt. Zu den Morden an Trans*Menschen wurde angemerkt, dass es Morde an Transmänner durch CIS-Frauen so gut wie keine gäbe, dass bei diesen Geschlecht, Hautfarbe sowie prekäre ökonomische Verhältnisse eine zentrale Rolle spielten.

Ilona Scheidle (Mannheim) berichtete in ihrem Vortrag „Bekämpftes / umkämpftes Gedenken – eine Geschichte zur ‚Lesbengedenkkugel‘ in der Mahn- und Gedenkstätte Frauenkonzentrationslager Ravensbrück“ wie autonome Frauengruppen zum 70. Jahrestag der Befreiung in Ravensbrück in einer von der Gedenkstättenleitung nicht genehmigten Aktion eine Gedenkkugel mit folgender Inschrift niederlegten: “In Gedenken an die lesbischen Frauen und Mädchen im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück und Uckermark, die als Widerständige, Ver-rückte, „Asoziale“ und aus anderen Gründen verfolgt und ermordet wurden.“ Die Leitung der Gedenkstätte ließ die Gedenkkugel wieder entfernen. Seitdem gibt es eine Auseinandersetzung um das Gedenken an die lesbischen Frauen in der dortigen KZ-Gedenkstätte. Scheidle führte aus, dass sie bei den „W-Fragen: Wer, was, wann, wie, warum“ beim „warum“ „hängen geblieben“ sei mit der Konsequenz, dass sie nicht konkreter auf den Streit und auf neue Entwicklungen in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück eingegangen ist. Sie hält den Androzentrismus, welcher Männer als Zentrum, Maßstab und Norm in allen gesellschaftlichen Bereichen versteht, für den zentralen Grund, warum in der Gedenkstätte bislang an lesbische Frauen nicht als Opfer erinnert wird. Für die Marginalisierung von Lesbengeschichte führte sie weitere Beispiele an, u. a. die Förderung von „100 Jahre Homosexuellengeschichte“, ein Projekt, bei dem später „100 Jahre Schwulengeschichte“ herausgekommen sei. Gedenkpolitik und Geschichtswissenschaft seien von patriarchalischen Strukturen geprägt, so dass lesbische Frauen im Unterschied zu schwulen Männern einer doppelte Diskriminierung ausgesetzt seien: als Lesben und als Frauen. Als ein positives „Gegen“-Beispiel stellte sie den ersten Gedenkort für eine im Nationalsozialismus verfolgte lesbisch lebende Frau vor, den Hilde Radusch GEDENK-Ort in Berlin.
In der Diskussion wurde nach den konkreten Akteur*innen der Verhinderung der Gedenkkugel in Ravensbrück gefragt. Weitere Diskussionsbeiträge hoben hervor, dass die Unterschiede des Umgangs des NS-Staates zwischen homosexuellen Frauen und Männern nicht nivelliert werden und lesbische NS-Opfer durch biographische Forschung ein Gesicht und einen Namen erhalten sollten. Der Vorwurf des Lesbisch-Seins sollte für biographische Forschung ausreichen. Zwischen lesbischen und schwulen NS-Opfern solle keine Konkurrenz „aufgemacht“ werden. Schwule Männer sollten Verständnis haben für die Empörung lesbischer Frauen, wenn diese mit ihren Anliegen in der Erinnerungsarbeit und bei der Forschungsförderung übergangen würden. Bei verschiedenen Projekten und in manchen Regionen wie z. B. in Rheinland-Pfalz gelänge zunehmend ein solidarischer schwul-lesbischer Austausch und gegenseitige Unterstützung.

Nach der Mittagspause begrüßte Angela Jäger (Mannheim) für das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg die Gäste. Das Netzwerk unterstütze diese Fachtagung und möchte von der Geschichtsarbeit zugleich profitieren, indem – so Jäger – „Ihr uns unsere Geschichte gebt“. Das Netzwerk begrüße es, dass das Land Baden-Württemberg an der Universität Stuttgart die Erforschung der Verfolgungsgeschichte homosexueller Männer in den letzten Jahren fördere und es setze sich darüber hinaus für eine bessere Finanzierung der Forschung zu lesbischen und bisexuellen Frauen sowie transsexuellen Menschen ein. Jäger moderierte die weiteren Vorträge und Diskussionen.

Der Vortrag „Die Homophilenbewegung im deutschen Südwesten als Akteur der Anerkennung“ von Dr. Julia Noah Munier (München) bezog sich überwiegend auf die Adenauer-Ära (1949 bis 1963). Trotz und aufgrund der Verfolgung nach §175 StGB bildeten sich im Verborgenen homosexuelle Freundeskreise und eine international vernetzte homophile Bewegung, die erfolgreich zur Liberalisierung des §175 beigetragen hätten. Dabei hätten die beteiligten Männer auch herrschenden Vorstellungen wie die Ablehnung der Promiskuität und der Prostitution vertreten, wenn beispielsweise „MM aus Stuttgart“ in der Züricher Zeitschrift „Der Kreis“ 1952 geschrieben habe: „Es ist nicht wahr, daß der Homosexuelle notwendig das Opfer der Justiz werden müsste. Er wird es immer wieder, weil er eine inhumane Form der Beziehung pflegt. Weil er auf die Straße geht, sich mit Prostituierten abgibt, weil er überhaupt nicht nach den sittlichen Qualitäten eines Menschen fragt, sondern nur dessen Leib will.“ Munier arbeitete die Bedeutung der Gemeinschaft für die eigene Anerkennung als homophiler Mensch heraus. Sie hob Erinnerungen an Tanzveranstaltungen in Stuttgart und Freiburg sowie an die Feste des Züricher „Der Kreis“ mit zeitweise über 600 Personen als etwas „Ersehntes und Außergewöhnliches“ hervor. Sie erwähnte verschiedene Einzelpersonen und Gruppen in Baden-Württemberg, die sowohl gemeinsame Freizeitaktivitäten organisierten als auch vorsichtige politische Aktivitäten zur Entkriminalisierung der Homosexualität entwickelten. Beispielhaft seien hier genannt: Toni Simon, der/die ab 1950 eine Eingabe zur Abschaffung des § 175 StGB an Bundesjustizminister Dehler initiierte; der Autor Harry Wilde, der in seinem Buch „Das Schicksal der Verfemten“ 1969 an den Gesetzgeber appellierte, „jeder Diskriminierung von Minderheiten ein Ende zu setzen und damit einem neuen Verständnis des »homosexuellen« Nächsten den Weg zu ebnen.“ Die Finanzierung des Versands des Buches an alle Abgeordneten des Deutschen Bundestags wurde von der Reutlinger Kameradschaft „Die Runde“ unterstützt. Für das erhaltene Exemplar bedankte sich Bundesjustizminister Heinemann persönlich beim Tübinger Verleger.
In der Diskussion wurde hervorgehoben, dass wir auch im Südwesten stolz sein können auf mehrere Einzelpersonen und Gruppen, die sich erfolgreich am Kampf zur 1969 erzielten Reform des §175 StGB beteiligt hatten. Mit Bezugnahme auf Menschenrechte und Minderheitenrechte ist ihnen eine überzeugende und nachhaltige Argumentation für die Anerkennung homosexueller Menschen gelungen. Weitere Forschungen bei damals beteiligten Personen wären wünschenswert, wie z. B. zu Ernst-Walter Hanack (damals Heidelberg) und in den Nachlässen der Stuttgarter FDP-Rechtspolitikerin Emmy Diemer-Nicolaus oder des Tübinger Strafrechtsprofessors Jürgen Baumann.

Die Historikerin Cynthia Sadler (Mannheim) zeigte in ihrem Vortrag „Eine Annäherung an Formen weiblichen gleichgeschlechtlichen Begehrens: Paris – Wien im 18. Jahrhundert“ anhand von zwei Beispielen auf, dass einzelnen Frauen liebenden Frauen trotz Jahrtausend alter patriarchalischer Strukturen und Gewohnheiten schon damals eine eigene Sexualität möglich war. Zunächst befasste sich Sadler mit Briefen einer Hochadligen an ihre Schwägerin. Darin habe es sowohl die zeitüblich romantischen, als auch sexualisierte „Briefküsse“ gegeben wie z. B.: „Ich küsse dein ertzenglisches Arscherl“ „Ich küsse Ihren verehrungswürdigen Arsch in meinem Anbieten“. Als zweites Beispiel ging sie auf die in Paris offen homosexuell lebende Schauspielerin Françoise Marie Antoinette Saucerotte (1756-1815) ein. Die erstmals 1784 erschienene Schmähschrift „Apologie de la secte Anandryne habe vorgeblich den Abdruck einer von Saucerotte gehaltenen Rede über einen lesbisch-erotischen Geheimbund dargestellt. Ausgeführt werde darin, dass das wahre Glück die Liebe zwischen Frauen sei. Masturbation werde als etwas Gutes bezeichnet. Bemerkenswerterweise werde Frauen liebenden Frauen in dieser Schmähschrift bei den geschilderten Orgien eine eigene natürliche Lust und Sexualität zugeschrieben. Jedoch würden weibliche, gleichgeschlechtliche Vergnügungen letztlich dann doch nur als Vorgeschmack dargestellt, um Frauen auf das angeblich größere Vergnügen der heterosexuellen Penetration vorzubereiten. Es zeige sich hier der bis heute immer noch tradierte Diskurs, dass Sex zwischen Frauen kein „richtiger Sex“ sei. Lesbischer Sex werde als erotisches Moment für den Mann dargestellt, was auch in der heutigen Massenpornographie des Internets ein gängiges Schema sei.
In der Diskussion wurde auf die Problematik der Benennung von Frauenfreundschaften als lesbisch eingegangen. Zum einen habe es im 18. Jahrhundert den Begriff „lesbisch“ als Identität noch gar nicht gegeben. Zum anderen gebe es auch im 20. Jahrhundert noch viele Frauen, die sich selbst nicht als lesbisch bezeichneten, was ein Problem für die heutige Geschichtsschreibung darstelle. Es wurde auf die Besonderheit des österreichischen Strafrechts eingegangen, welches bis 1971 geschlechtsneutral gewesen sei. Trotzdem sei die Verfolgungsintensität bei gleichgeschlechtlichen Handlungen von Frauen in Österreich wesentlich geringer gewesen als die bei Männern.

Artur Reinhard (Tübingen) zeigte in seinem Vortrag „Der Fall eines Tübinger Studenten, der in den 1950er Jahren wegen zwei §175-StGB-Verstößen von der Universität verwiesen wurde“ an einem konkreten Beispiel der Nachkriegszeit die verhängnisvolle Rolle der Universität Tübingen auf. Unabhängig von der Justiz waren akademische Strafen bei Verstößen gegen die akademische Ordnung möglich, welche vom einfachen Verweis bis zur Wegweisung von der Universität reichten (zeitlich begrenzt oder für immer; ggf. mit Ausschluss vom Hochschulstudium in Deutschland generell bei nicht näher definierten „ehrlosen Handlungen“). Im Beispiel ging es um einen Mann, der nach mehrmaligen Versuchen, heterosexuell zu leben, körperliche Beschwerden entwickelt und sich nach Krankenhausaufenthalten in psychotherapeutische Behandlung in Tübingen begeben habe. Die homosexuelle Veranlagung treibe ihn unweigerlich dem Suizid zu, so ein ihn behandelnder Arzt. Trotzdem habe der Ende 20-Jährige das Studium der Volkswirtschaft beginnen können. Obwohl er den Eindruck gehabt habe, dass infolge der Psychotherapie seine homosexuellen Neigungen beseitigt seien, sei es erneut zu homosexuellen Handlungen gekommen. Diese hätten zu zwei Verurteilungen geführt, letztere zu einer zweimonatigen Gefängnisstrafe. Das Amtsgericht habe die Universität Tübingen informiert und der Universitätsrat habe die Strafakten mit einem 38-seitigen psychotherapeutischen Bericht erhalten. Ohne den Studenten anzuhören, werde in der Beschlussvorlage ausgeführt: die strafbaren Handlungen „sind zweifellos ein sehr schwerer Verstoß gegen die akademische Sitte. Eine disziplinarische Ahndung ist erforderlich. Die Strafmilderungsgründe sind gering, die Strafschärfungsgründe überwiegen.“ Es sei die Wegweisung von der Universität, ggf. beschränkt auf ein Jahr, empfohlen worden. Der Rektor habe den Studenten sofort einstweilig von der Universität ausgeschlossen.
In der Diskussion wurde betont, dass während der NS-Diktatur mehrere Universitäten die Aberkennung von Titeln als akademische Strafe bei homosexuellen Fällen angewandt hätten. Entsprechend den nach 1945 weitergeltenden NS-Verfahrensregeln seien Strafverfahrensinformationen von der Justiz direkt an den Arbeitgeber bzw. an die Universität weitergeleitet worden. Bis 1970 seien zur Universität Tübingen sieben §175-Fälle gegen Studierende bekannt, fünf Fälle hätten sich hier zwischen 1949 und 1962 ereignet.

Bei der Abschlussdiskussion „Erfolge – Defizite – Perspektiven in der Aufarbeitung und Darstellung der vielfältigen LSBTTIQ-Geschichte. Resümee und Erfahrungsaustausch aller Tagungsteilnehmenden“ ging es vorrangig um die Problematik eines angemessenen Umgangs mit den heutigen Begriffen LSBTTIQ bei der Geschichtsforschung und um das Verhältnis der Bewegungsforschung zur institutionalisierten Forschung sowie um ihre schulische sowie außerschulische Vermittlung. Die große heteronormative Erzählung mit Regenbogenfarben zu „bequeeren“ erfordere, dass die Wissensbestände sowie die Ergebnisse historischer Forschung von Bewegungsaktivist*innen ohne hierarchisches Gefälle in universitäre Forschung einflößen. Zu Anfang des Stuttgarter Universitätsprojektes zur LSBTTIQ-Geschichte[7] habe es eine besondere Situation gegeben. Es sei der Eindruck entstanden, dass die Universität durchaus Interesse an der bisher geleisteten historischen Forschung und an einer Zusammenarbeit habe. Die Kommunikation sei jedoch abgebrochen und es bestehe keine angemessene Transparenz über die weitere Entwicklung des Universitätsprojekts. Insbesondere sei unklar, wie die institutionalisierte Forschung den Anspruch realisieren möchte, neben schwuler auch die Geschichte lesbischer und bisexueller Frauen und geschlechtlicher Minderheiten aufzuarbeiten. Die Bekämpfung der Homosexualität und der Abtreibung sei aus Täterperspektive in der NS-Zeit ein Verfolgungsbereich gewesen, was eine gemeinsame Aufarbeitung nahelege. Die wegen Abtreibung ins KZ verbrachten Frauen seien bislang nicht rehabilitiert worden. Es wurde die Frage gestellt, ob und wo es eine gemeinsame Aufarbeitung gebe und falls dies noch nicht der Fall sei, wie diese gegebenenfalls entwickelt werden könne. Es wurde von verschiedenen außeruniversitären Projekten der Vermittlung von LSBTTIQ-Geschichte berichtet, wie z. B. das Internetprojekt „Der Liebe wegen“ (www.der-liebe-wegen.org), das aktuell ergänzt werde durch das Projekt „Der Liebe Wege“ (www.derliebewege.de); die Wanderausstellung „Sie machen Geschichte – lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, queere Menschen in Baden-Württemberg“; das Projekt des Stadtarchivs Tübingen „Queer durch Tübingen – LSBTTIQ in Tübingen und Region vom Mittelalter bis heute“, das 2021 in einer Ausstellung im Stadtmuseum mit großem Katalog münden werde. Es sollten weitere Möglichkeiten der Finanzierung im lokalen Bereich gefunden und realisiert werden. LSBTTIQ-Geschichte sei bislang eine wenig konkret-verbindliche Leitperspektive im Bildungsplan für Baden-Württemberg. In den Schulen gebe es neue Fragestellungen, beispielsweise nach dem Umgang mit Trans-Kindern. Die LSBTTIQ-Emanzipation erfordere weitere Aktivitäten bis die Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in den Schulen eine Selbstverständlichkeit sei, wobei die Geschichtsarbeit eine nach wie vor wichtige Rolle spiele.

Ralf Bogen (AG Vielfalt der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber) und Eckhard Prinz (lesbisch-schwule Geschichtswerkstatt Rhein-Neckar)
Die AG Vielfalt der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber sowie die lesbisch-schwule Geschichtswerkstatt Rhein-Neckar sind Mitglied im überparteilichen und weltanschaulich nicht gebundenen Zusammenschluss von lesbischen-schwulen-bisexuellen-transsexuellen-transgender-intersexuellen und queeren Gruppen, Vereinen und Initiativen, dem Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg (www.netzwerk-lsbttiq.net).

[1] LSBTTIQ steht für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle und queere Menschen.

[2] Alle hier verwendeten Fotos wurden uns von Dietmar Wagner zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt, wofür sich die Autoren herzlich bei ihm bedanken.

[3] Weitere Informationen zur Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber siehe www.hotel-silber.de, zum Erinnerungsort Hotel Silber siehe www.geschichtsort-hotel-silber.de sowie zur §175-Verfolgung ausgehend vom „Hotel Silber“ siehe www.der-liebe-wegen.org. Erstmals wird in Baden-Württemberg in einem Erinnerungsort in der Dauerausstellung im Hotel Silber das §175-Unrecht sowohl während der NS-Zeit als auch in der Nachkriegszeit angemessen dargestellt und – wenn auch nur kurz – das Leid lesbischer Frauen und geschlechtlicher Minderheiten thematisiert und damit sichtbar.

[4] Website des Fachverband Homosexualität und Geschichte siehe www.invertito.de.

[5] Hier sei insbesondere die Weissenburg, LSBTTIQ-Zentrum Stuttgart, erwähnt. Vereinsmitarbeitende halfen nicht nur beim Catering, sondern boten auch Abendessen für die Tagungsteilnehmenden an und richteten die Abendveranstaltung zum Thema „Neue Wege zur Sichtbarkeit der vielfältigen LSBTTIQ-Geschichte“ mit Philine Pastenaci, Sissy that Talk und Sven Tröndle in der Weissenburg aus.

[6] CIS-Männer sind Männer, deren augenscheinliches Geschlecht aufgrund ihrer äußeren Genitalien zum Zeitpunkt ihrer Geburt und eines entsprechenden Geschlechtseintrags im Geburtsregister mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmt.

[7] Informationen zum universitären Projekt siehe www.lsbttiq-bw.de.

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4./5. Oktober 2019: Programm der öffentliche Fachtagung zur vielfältigen LSBTTIQ-Geschichte im Hotel Silber in Stuttgart: „Zukunft braucht  Erinnerung“

Eine Veranstaltung  des Fachverbands Homosexualität und Geschichte und der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber unterstützt von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg durch Mittel des Landes Baden-Württemberg, vom Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg und vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg Eintritt frei. Anmeldung über: fhg@invertito.de Bei der Fachtagung sind Historiker*innen wie auch Nicht-Historiker*innen herzlich Willkommen :-).

Freitag, 4. Oktober 2019  – 16 Uhr und evtl. 17 Uhr Themenführung „Die Polizei im Hotel Silber  und die Bekämpfung von Homosexualität“
Prof. Dr. Paula Lutum-Lenger, Direktorin des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg, und Ralf Bogen, Mitarbeiter der AG Dauerausstellung für die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V., führen die Tagungsteilnehmende durch die Dauerausstellung. Treffpunkt: Besucherinformation im Hotel Silber,  Dorotheenstraße 10, Stuttgart. Begrenzung auf maximal 30 Tagungsteilnehmende je Führung. Zusatzanmeldung über fhg@invertito.de bis spätestens 27.09.2019 erforderlich.

Vorträge am Samstag, den 5. Oktober 2019
10.00 Uhr: Ankunft im Hotel Silber Dorotheenstraße 10, Stuttgart
10.15 Uhr:  Begrüßung und (Selbst-)Vorstellung  der Moderierenden Ralf Bogen, AG Vielfalt der Initiative  Lern- und Gedenkort Hotel Silber, Stuttgart Karl-Heinz Steinle, Vorstand des Fachverbands  Homosexualität und Geschichte, Berlin Angela Jäger, Sprechendenrat des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg, Mannheim An die jeweiligen 20 Min. Vorträge schließen sich Diskussionen an:
10.30 Uhr: Dr. des. Sabrina Mittermeier, Augsburg: LSBTTIQ Public History in der Bundesrepublik  Deutschland und in den USA 1969-2016
11.15 Uhr: Janka Kluge, Stuttgart: Von der Sichtbarkeit zur Unsichtbarkeit und wieder zurück – zur Geschichte der Emanzipationsbewegung transsexueller Menschen
12.00 Uhr: Ilona Scheidle, Mannheim: Bekämpftes / umkämpftes Gedenken – eine Geschichte zur „Lesbengedenkkugel“ in der Mahn- und Gedenkstätte Frauenkonzentrationslager Ravensbrück
12.45 Uhr Mittagspause

14.10 Uhr: Begrüßung nach der Mittagspause
14.15 Uhr: Dr. Julia Noah Munier, München: Die Homophilenbewegung im deutschen Südwesten  als Akteur der Anerkennung
15.00 Uhr: Cynthia Sadler, Mannheim: Eine Annäherung an Formen  weiblichen gleichgeschlechtlichen Begehrens:  Paris – Wien im 18. Jahrhundert
15.45 Uhr: Kurze Pause
16.00 Uhr: Artur Reinhard, Tübingen: Fall eines Tübinger Studenten, der in den  1950er Jahren wegen zwei §175-StGB-Verstößen  von der Universität verwiesen wurde
16.45 Uhr: Erfolge, Defizite und Perspektiven  in der Aufarbeitung und Darstellung  der vielfältigen LSBTTIQ-Geschichte Resümee  und Erfahrungsaustausch  aller Tagungsteilnehmenden
ca. 17.30 Uhr: ENDE im Hotel Silber

Abendveranstaltung in der Weissenburg  Weißenburgstraße 28a in Stuttgart Ab 18.00 Uhr geöffnet. Abendessen wird angeboten.
20 Uhr: Neue Wege zur Sichtbarkeit  der vielfältigen LSBTTIQ-Geschichte  Filmausschnitte und Gespräch mit Philine Pastenaci und Sissy that Talk.  Moderation: Sven Tröndle, Weissenburg/Schwulst

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Aufruf zur Einreichung von Beiträgen (Call for Papers) für die Öffentliche Fachtagung zur vielfältigen LSBTTIQ*-Geschichte im HOTEL SILBER in Stuttgart am 5. Oktober 2019 Deadline: 30. März 2019

Februar 2019: In Kooperation mit dem Fachverband Homosexualität und Geschichte (http://www.invertito.de/deu/d_start.html) veranstaltet die AG Vielfalt der Initiative Lern- und Gedenkort HOTEL SILBER (www.hotel-silber.de) am 5. Oktober 2019 eine öffentliche Fachtagung zur vielfältigen LSBTTIQ-Geschichte im Lern- und Gedenkort HOTEL SILBER in Stuttgart.
Referent_innen aller akademischen Qualifikationsstufen (BA, MA, Magister, Promovierende…) und auch nichtakademischer Initiativen, Geschichtswerkstätten, Vereine sowie unabhängige Forschende soll dabei Gelegenheit gegeben werden, ihre aktuellen (Abschluss)Arbeiten und Projekte zu präsentieren und zu diskutieren. Gesucht werden Referent_innen, die ihre historischen Forschungsergebnisse zu folgenden aktuellen Themenschwerpunkte bieten:

  • Erfolge, Defizite und Perspektiven der Aufarbeitung und Darstellung der LSBTTIQ-Geschichte Besonders willkommen sind hier Vorträge von Referent_innen, die dem Defizit in der Erforschung der Situation lesbischer Frauen und geschlechtlicher Minderheiten im NS-Staat zu mindestens ein Stück weit entgegenwirken können.
  • Geschlechtliche Minderheiten auf dem Weg ihrer Anerkennung Vorträge werden gesucht, die folgende Fragestellungen haben können: Wie haben sich Selbstorganisationen von geschlechtlichen Minderheiten seit Ihren Anfängen entwickelt? Welche Rolle spielen in der Geschichte ihrer Emanzipationsbewegung Erinnerungsarbeit und Selbstbezeichnungen? Welche Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Spannungen und Lösungsansätze gab es in der Zusammenarbeit für die Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt in der Weimarer Republik und in der Nachkriegszeit?
  • LSBTTIQ-Feindlichkeit als Fluchtursache und Demokratiegefahr Willkommen sind Vorträge beispielsweise zu folgenden Fragen: Wie gelang es demokratiefeindlichen Kräften, ausgrenzende und diskriminierende Geschlechter-, Sexualitäts- und Familienbilder für ihre demokratiefeindlichen Ziele zu nützen? Welche Rolle spielte LSBTTIQ*-Feindlichkeit bei Fluchtbewegungen aus Diktaturen?

Themenvorschläge (maximal 1 Seite DIN A 4; zusätzlich kurze biographische Angaben) können bis zum 30. März.2019 an folgende Mailadresse gerichtet werden: fhg@invertito.de Die Fachtagung wird vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg und der Landeszentrale für politischen Bildung Baden-Württemberg unterstützt. Für sechs Vortragende sind Honorarzahlungen (inklusiv Fahrt- und Unterkunftskosten) möglich. Kontakt: Für den Fachverband Homosexualität und Geschichte, Postfach 270308, 50509 Köln: Karl Heinz Steinle, Email: fhg@invertito.deFür die AG Vielfalt der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber, Else-Josenhans-Straße 3, 70173 Stuttgart: Ralf Bogen, Email: Ag-vielfalt@hotel-silber.de

27.01.2019: Vorbildliche Gedenkstunde für sexuelle Minderheiten im Landtag Baden-Württemberg

Aus dem Schreiben des deutsch-niederländischen Autors, Historikers und Pädagogen Dr. Lutz van Dijk an den Bundestagspräsidenten Dr. Schäuble und an die Bundestagsvize-präsidenten_innen Frau Roth, Frau Pau, Herr Dr. Friederich, Herr Kubicki und Herr Oppermann:

„Am vergangenen Freitag, dem 25. Januar, erinnerte der Landtag in Baden-Württemberg in einer offiziellen Gedenkstunde im Plenarsaal zum ersten Mal in der Geschichte Deutschlands seit 1945 als ein Landesparlament ausdrücklich an die sexuellen Opfer der NS-Zeit und danach. Eröffnet wurde die Feierstunde von Ihrer Kollegin, der Landtagspräsidentin von Baden Württemberg, Frau Muhterem Aras, durch eine gleichermaßen alle Parteigrenzen überschreitenden als auch ausdrücklich alle sexuellen Minderheiten thematisierenden sowie keine andere Opfergruppe ausschließende Rede. Diese Gedenkstunde hat national und international Vorbildcharakter. Bitte überzeugen Sie sich selbst von der ausgezeichneten Qualität dieser Gedenkstunde in dem Bundesland, das ihre Heimat ist, sehr geehrter Herr Bundestagspräsident. Hier der Link, um die Gedenkstunde anzuschauen: https://www.landtag-bw.de/home/mediathek/videos/2019/20190125gedenkstundeopferns1.html?t=0
Können Sie auch nur einen Grund benennen, sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, warum das, was in Stuttgart erfolgreich war, nicht auch in Berlin stattfinden sollte ?
Mit freundlichem Gruß, im Auftrag von inzwischen über 130 Unterzeichner*innen unserer Petition, Lutz van Dijk“ – Anschreiben zur aktualisierten Petition zum Erinnern an homosexuelle Opfer am 27. Januar 2021.

2018 Erster Preis für Heimatforschung Baden-Württemberg

22. November 2018:  In diesem Jahr ging der vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für Heimatpflege verliehene erste Preis für Heimatforschung Baden-Württemberg an die Rechercheure des Projekts „Der Liebe wegen“: Werner Biggel, Ralf Bogen, Rainer Hoffschildt, William Schaefer und Claudia Weinschenk (Kurzfilm hierzu: bitte hier klicken).

Die Badische Zeitung schrieb hierzu: „Sie haben sich in einem mehrjährigen, ehrenamtlichen Forschungsprojekt mit den Biografien von Menschen im deutschen Südwesten beschäftigt, die wegen ihrer Liebe und Sexualität in der NS-Zeit ausgegrenzt und verfolgt wurden. Sie haben dazu Akten von Gerichten, Gefängnissen und KZ’ studiert und Zeitzeugeninterviews geführt. Die Biografien sind jetzt auf einer interaktiven Landkarte auf www.der-liebe-wegen.de nachzulesen.“
(Siehe Pressemitteilung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, Beiträge der Badischen Zeitung (1 und 2), der Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung, der Websites der Stadt Waldkirch„LSBTTIQ in Baden und Württemberg“ der Universität Stuttgart, HI, Abt. Neuere Geschichte, der Weissenburg e.V. und Pressemitteilung von MdL Brigitte Lösch, MdL Aras Muhtarem und MdL Franz Untersteller).

2017 Das Internetprojekt „Der Liebe wegen“ geht online

27. Januar 2017: 
Pressemitteilung „Der Liebe wegen – ausgegrenzt und verfolgt im deutschen Südwesten
Rosa Hilfe Freiburg e. V. und Weissenburg e. V., Stuttgart, präsentieren zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus das Internetprojekt „Der Liebe wegen“:
PM-25-1-2017-Der-Liebe-wegen

Pressemitteilung: „Zukunft braucht Erinnerung – Verfolgung und Diskriminierung von LSBTTIQ im Nationalsozialismus endlich konsequent aufarbeiten“
Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg erinnert zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialimus daran, dass die Aufarbeitung von Verfolgungsgeschichte notwendig ist für eine nachhaltige Stärkung demokratischer Grundwerte und gelebter Akzeptanz menschlichen Vielfalt:
Netzwerk-LSBTTIQ_Verfolgung_LSBTTIQ-aufarbeiten-2017-01-26