Gedenken um 11 Uhr am Stolperstein für Käthe Loewenthal
Ameisenbergstraße 32, Stuttgart Ost (Bushaltestelle Urachstraße)

Kurzbeiträge:
Philine Pastenaci (Regisseurin, Performerin, Autorin)
Barbara Straub (Leiterin der Abteilung für Chancengleichheit der Stadt Stuttgart)
Prof. Dr. Wolf Ritscher (Verein „Lebenswerk Käthe Loewenthal“)
Brigitte Lösch (Vorsitzende der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber)
Musikalische Begleitung durch Chor Musica Lesbiana, Stuttgart

Eine gemeinsame Veranstaltung vom Projekt Der-Liebe-wegen, Weissenburg e. V. – Zentrum LSBTTIQ Stuttgart und von der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber  in Kooperation mit der Abteilung für Chancengleichheit, gefördert durch die Koordinierungsstelle Erinnerungskultur der Landeshauptstadt Stuttgart

Der Liebe wegen ins Nazi-Deutschland zurückgekehrt, wegen jüdischer Herkunft deportiert und ermordet
– zum erstmaligen Gedenken in Stuttgart, bei dem eine frauenliebende Frau, Käthe Loewenthal, im Mittelpunkt steht

„Und ich sage Dir, Liebling, wie auch ich es mir sage für mich und meine Lebenskargheit – Du hast Dir Dein Leben und dessen Fließen z. T. selbst so gestaltet, es so haben wollen, wie es wurde; also stehe nun auch zu ihm und seinen Konsequenzen“.
(Aus einem Brief von Käthe Loewenthal an ihre Freundin Erna Raabe vom 27. Februar 1928)

„In ihrer von 1902 andauernden Freundschaft mit Erna Raabe fand sie die Bestätigung ihres eigenen Wesens. Von 1920 bis zu Erna Raabes Tod 1938 ist die Freundin ihre ‚Familie’“
(Dr. Mascha Riepl-Schmidt über Käthe Loewenthal auf der Webseite der Stuttgarter Stolpersteinintiative)

„In Verbindung mit den erhaltenen Briefen an ihre Freundin Erna Raabe lassen diese Fragmente die Hypothese zu, dass beide Frauen in einer intensiven Liebesbeziehung miteinander verbunden waren“ heißt es vorsichtig auf der Webseite des Vereins „Lebenswerk Käthe Loewenthal“.

Nach 1945 war es lange Zeit nicht möglich, an Menschen zu erinnern, die nicht in das faschistische Weltbild von Geschlechtern, Liebe, Zuneigung und Begehren gepasst haben. Diesbezügliche Informationen, überlieferte Briefe und Dokumente wurden zurückgehalten oder verschwanden in Schubladen und Archiven. In Stuttgart sind hierfür neben Käthe Loewenthal beispielsweise auch Fritz Bauer, Hans Scholl oder die Gedenktafel des Hospitalhofs am Leonhard-Lechner-Weg für die Opfer der NS-Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart zu nennen. 

In Baden-Württemberg gab es nach 1945 eine besonders enge Verbindung zwischen dem Staat und den beiden Amtskirchen, was in der bis heute gültigen Landesverfassung wie folgt zum Ausdruck kommt:

„Die Jugend ist in Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe, (…) in der Liebe zu Volk und Heimat, zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit (…) zu erziehen“.
„Ihre Bedeutung [mit „Ihre“ sind die Kirchen und die anerkannten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gemeint] für die Bewahrung und Festigung der religiösen und sittlichen Grundlagen des menschlichen Lebens wird anerkannt.“

Unter sittlicher Verantwortlichkeit wurde von Staat und von der evangelischen wie katholischen Kirche noch Jahrzehnte lang die Ausgrenzung und Abwertung von queeren Menschen verstanden, was viele Jahre die Erinnerungskultur des Landes entsprechend prägte.

Was noch wenig bekannt ist, dass sowohl die katholische Kirche bundesweit zum Gedenktag der Opfer der NS-Diktatur in 2023 als auch die evangelische Landeskirche von Württemberg in 2019 sich zu ihrer eigenen Geschichte der Unterstützung homophoben Verhaltens während der NS- und Nachkriegszeit bekannt und beide um Vergebung gebeten haben. Sie haben erklärt, dass ihre eigene Einstellung bzw. Theologie dazu beigetragen hat, „dass homosexuelle und andere Menschen mit queerer Identität gedemütigt, verraten und ermordet wurden“ (zitiert nach der Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz vom 27.1.2023).

In den heutigen Zeiten, wo durch Erstarken rechtspopulistischer bis neofaschistischer Kräfte jüdische, muslemische und queere Menschen zunehmend mit Hass und Hetze konfrontiert werden, begrüßen wir es sehr, dass am diesjährigen Gedenktag für die Opfer der NS-Diktatur erstmals in Stuttgart ein Gedenken unter Beteiligung der Stadt Stuttgart und des Chors Musica Lesbiana möglich wird, das mit Käthe Loewenthal eine frauenliebende Frau in den Mittelpunkt stellt, völlig unabhängig davon, ob diese Liebesbeziehung auf sexueller Grundlage beruhte oder nicht.

Ralf Bogen, 11. Januar 2024

Foto vom Stolperstein für Käthe Loewenthal: © Stolperstein-Initiative Stuttgart-Ost

Die Malerin Käthe Loewenthal zog wegen ihrer Freundin Erna Raabe 1909 nach Stuttgart. Trotz Warnungen im Hinblick auf ihre jüdische Herkunft kehrte sie 1935 von einem Aufenthalt in der Schweiz nach Stuttgart ins Nazi-Deutschland zurück, um ihrer schwerkranken Freundin bis zu deren Tod im Jahre 1938 beizustehen.
Nach einem bereits 1934 verhängten Malverbot wurde 1941 ihre Wohnung in der Ameisenbergstraße 32 gekündigt. Im April 1942 musste sie sich, wie zahlreiche Stuttgarter und Württemberger Jüdinnen und Juden, auf dem Stuttgarter Killesberg einfinden. Von dort wurde sie in das besetzte Polen deportiert und im Durchgangslager Izbica bei Lublin ermordet. Als einzige der vier 1933 noch lebenden Schwestern Loewenthal hat die jüngste Schwester Susanne Ritscher den Holocaust überlebt.