25.01.2025: Gedenken an die Opfer der NS-Diktatur im Hospitalhof: Aktueller und bedeutsamer denn je

80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz im Jahr 1945: Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Diktatur am Samstag, den 25. Januar 2025, 15 Uhr, im Hospitalhof Stuttgart, Büchsenstraße 33

Die Geschichte der „Büchsenschmiere“ im Hospitalviertel, in dem die Kriminalpolizei Stuttgart bis 1945 untergebracht war, wird im Zentrum einer Veranstaltung zum diesjährigen Gedenktag an die Opfer der NS-Diktatur stehen. Am Samstag, den 25. Januar 2025, 15 Uhr, laden das Projekt „Der-Liebe-wegen“, der Weissenburg e.V., die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V., die Stuttgarter Stolperstein-Initiativen und Regenbogen.Bildung.Stuttgart in den Hospitalhof Stuttgart, Büchsenstraße 33, ein.

In einem Vortrag unter dem Titel „Die NS-Verbrechen der Kripoleitstelle Stuttgart im Hospitalviertel – der lange Weg der Aufarbeitung“ werden Gudrun Greth und Ralf Bogen unterschiedlichen Fragen nachgehen: Welche Rolle hatte die Kripoleitstelle Stuttgart für die NS-Diktatur? Warum erinnert die Gedenktafel erst seit einem Jahr auch an die Angehörigen sexueller Minderheiten?

Jugendliche aus verschiedenen Organisationen wie beispielsweise der DGB-Jugend, des Stadtteilzentrums Gasparitsch oder der Gruppen der Burgjugend des Weissenburg e.V. werden kurze Impulse geben zur Frage „Warum und wie heute an die NS-Verbrechen erinnern?“. Danach findet ein generationenübergreifender Austausch statt. Abschließend erfolgt der Gang zur neuen Gedenktafel am Leonhard-Lechner-Weg. Hier werden Blumen niedergelegt.

Die Veranstaltung findet im Rahmen einer Kooperation mit der Landeshauptstadt Stuttgart, dem Haus der Geschichte Baden-Württemberg, dem Evangelischen Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart und dem Zeichen der Erinnerung e.V. statt. Sie wird musikalisch umrahmt von den jungen Musikern Andrii Rubskyi und Yelisei Martynovaus aus der Ukraine und Alexander Nesterov aus Russland. Mit ihren Liedern erinnern sie an die Millionen NS-Opfer aus Belarus, Ukraine und Russland.

Weitere Informationen zur Gedenktafel im Hospitalviertel zur Erinnerung an den NS-Terror der Kripoleitstelle Stuttgart:

Januar 2025: Ein ganzes Leben in Zwangseinrichtungen

Aus Anlass des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2025, dem achtzigsten Jahrestag der Befreiung von Ausschwitz, hat uns Claudia Weinschenk folgenden Beitrag zur Erinnerung an eine Frau zugesandt, die durch äußere Zwänge nie die Chance auf ein selbst bestimmtes Leben hatte. Claudia Weinschenk forschte fünf Jahre in Akten von baden-württembergischen Psychiatrien aus der NS-Zeit nach Hinweisen auf Frauen, die nicht-heteronormativ empfanden. Weil die Daten sehr sensibel dürfen sie nur anonymisiert veröffentlicht werden.

B.G. hatte bereits einen schlechten Start ins Leben: Sie wurde 1915 in der Frauenstrafanstalt Bruchsal geboren. Ihr Vater fiel noch im selben Jahr im Ersten Weltkrieg. Sie hatte mehrere Geschwister. Da ihre nun alleinerziehende Mutter überfordert war wurde sie von der Fürsorge in ein Waisenhaus verbracht, in dem sie bis zum Ende ihrer Schulzeit verblieb. Danach war sie bis zum Alter von 18 Jahren in verschiedenen Erziehungsheimen untergebracht. Dann konnte sie in Freiburg einen Platz in einem Mädchenwohnheim erhalten, das von der Freiburger städtischen Fürsorge betreut wurde.

Erstmals in ihrem Leben konnte sie sich nun frei und ohne Zwänge bewegen. Offensichtlich nutzte sie das auch aus, denn ihre Freiheit währte nur kurz: Sie wurde schon bald von der Polizei auf dem Freiburger Schloßberg unter dem Vorwurf, sie habe sich dort „mit Männern herumgetrieben und mit zweien geschlechtlich verkehrt“ aufgegriffen. Sie wurde allerdings nicht wegen Prostitution inhaftiert sondern in die Universitätspsychiatrie Freiburg verbracht, wo sie ungefähr ein Jahr verblieb. Ihre dortige Diagnose lautete „haltlose asoziale Psychopathin“. In den Akten der Psychiatrie Freiburg wurde vermerkt, sie habe sich „eng an eine Puella“ angeschlossen, eine Benennung für eine Prostituierte. Von Freiburg wurde sie 1934 in die nahe gelegene Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen verbracht, wo sie bis April 1940 verbleiben sollte.

Bereits in den ersten Tagen ihres dortigen Aufenthalts wurde in der Akte vermerkt: „unterhält ein intimes Verhältnis mit einer (..) Pat., wobei sie, obwohl bedeutend jünger, doch die Tonangebende, Aktive und weitaus Gefährlichere ist.“ Ähnliche Vermerke finden sich immer wieder, beispielsweise: „Ist erst kürzlich dabei überrascht worden, wie sie bei einer anderen Patientin im Bett lag und pervers sich betätigte Sexuell völlig haltlos und äusserst leicht erregbar.“, „Wurde von einer Mitkranken beschuldigt mit einer anderen Kranken homosexuelle Sachen zu treiben“. An anderer Stelle wurde sie auch als „mannstoll“ beschrieben. Im Oktober 1939 vermerkte ein*e Ärzt*in: „Immerhin eignet sie sich tatsächlich nicht für eine Irrenanstalt. Man sollte eigentlich einen Entlassungsversuch durchführen und bei Missglücken sie in ein Arbeitshaus einweisen“. Es dauerte dann noch ein halbes Jahr bis sie entlassen wurde.

Sie hat es nicht geschafft: Sie kam mehrmals wegen diverser Straftaten in Konflikt mit dem Gesetz, wurde inhaftiert und im Landeskrankenhaus Sigmaringen untergebracht und verbüßte schließlich 1942 wegen „verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen“, also eines „Vergehen(s) gegen die Verordnung zum Schutz der Wehrkraft“, eine einjährige Gefängnisstrafe in der württembergischen Frauenstrafanstalt Gotteszell.

Nach Verbüßung ihrer Strafe wurde sie nicht in Freiheit entlassen sondern direkt in die Heil- und Pflegeanstalt Zwiefalten verbracht. Hier blieb sie bis zum März 1944. Der Vermerk zur Entlassung lautet: „versetzt nach Arbeitslager“.

Noch konnte ich nicht ermitteln in welches Arbeitslager B.G. verbracht wurde und wie ihr weiterer Lebensweg verlief. Weitere Recherchen diesbezüglich sind im Gange.

Quellen:
Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg, E 120-1 Nr. 8702
Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Ludwigsburg, E 356i Bü 4246
ebd. F 235 III Bü 262a Nr. 76

5.12.2024: Interview zu Veränderungen von queerem Leben am Arbeitsplatz

In der Mitgliederzeitschrift von ver.di publik 8 / 2024 und online ist am 5. Dezember 2024 unter der Überschrift „Für Vielfalt und gute Tarife“ ein Interview veröffentlicht worden, wo es darum geht, warum Vielfalt in der Arbeitswelt wichtig ist und wie Gewerkschaften und Projekte wie „Der-Liebe-wegen“ dazu beitragen, Diskriminierung und Ungleichheit entgegenzuwirken. Es werden wichtige Veränderungen seit der Aidskrise von queerem Leben am Arbeitsplatz sowie unser Projekt „Der-Liebe-wegen.org“ besprochen:

21.-23.11.2024: „Queere Menschen und die Kirchen“ – ein subjektiver Tagungsbericht

„Lange haben die katholische und die evangelische Kirche alle Lebensformen jenseits der Heteronormativität verurteilt und LGBTQI* in christlicher Lehre wie kirchlicher Praxis marginalisiert und diskriminiert. Momentan vollzieht sich jedoch ein vorsichtiger Umbruch. In dieser Situation wollen wir (…) einen Beitrag zu den Diskussionen um eine weitere Öffnung leisten“ – so hieß es in der Einladung zur Tagung „Queere Menschen und die Kirchen“. Zu ihr hatte die Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Kooperation mit mehreren Partnerorganisationen (1) am 21. bis 23. November 2024 in ihr Tagungszentrum Hohenheim eingeladen.

Der besondere Reiz dieser Tagung zeigte sich für mich in drei Aspekten:

  • von unmittelbar Beteiligten der Aktion „#OutinChurch – für eine Kirche ohne Angst“ in 2022 zu erfahren, was diese Aktion ausgelöst hat;
  • im vielfältigen Spektrum der Vortragenden und Teilnehmenden;
  • in der mutigen Bereitschaft der Tagung damit zu beginnen, sich mit der schmerzhaften Rolle der Amtskirchen in der Aidskrise der 1980er Jahren auseinanderzusetzen.

Spürbare Nachwehen der Aktion „#OutinChurch“

Ohne den Hintergrund der Aktion „#OutinChurch“ wären viele Vorträge, wenn nicht gar die gesamte Tagung für mich so nicht vorstellbar gewesen. Daher möchte ich zunächst diese Aktion in Erinnerung rufen. 125 Personen erklärten am 24. Januar 2022 ihr gemeinsames Coming Out im Manifest „#OutinChurch – Für eine Kirche ohne Angst“, das mit folgender Selbstdarstellung begann: „Wir, das sind hauptamtliche, ehrenamtliche, potentielle und ehemalige Mitarbeiter*innen der römisch-katholischen Kirche. (…) Wir identifizieren uns unter anderem als lesbisch, schwul, bi, trans*, inter, queer und non-binär. (…) Die meisten von uns haben mannigfach Erfahrungen mit Diskriminierung und Ausgrenzung gemacht – auch in der Kirche.“ Das Manifest bezog unmissverständlich Stellung für rund 90.000 Beschäftigte der katholischen Kirche und 700.000 Beschäftigte bei deren Wohlfahrtsverband Caritas (insgesamt arbeiten in Deutschland rund 1,3 Millionen Personen für Kirchen und ihre Einrichtungen): „Bisher können viele von uns in ihrem kirchlichen Beruf oder Umfeld mit ihrer geschlechtlichen Identität und/oder mit ihrer sexuellen Orientierung nicht offen umgehen. Es drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Zerstörung der beruflichen Existenz. […] Damit ist ein System des Verschweigens, der Doppelmoral und der Unaufrichtigkeit etabliert worden.“
Bei der Tagung zeigten sich für mich die Nachwehen dieser Aktion insbesondere in den Vorträgen „Geschichte der Queerpastoral in der katholischen Kirche“ von Andreas Heek (Düsseldorf), „Pfarrerin mit Frau – eine (un)mögliche Geschichte“ von Sibylle Biermann-Rau (Tübingen – hier im Bezug auf die evangelische Landeskirche in Württemberg), „Queere Lebensgeschichten im Dialog“ von Kerstin Söderblom und Josephine Haas (Mainz), „Ungehorsam!“ von Jana Kristin Hoffmann (Bielfeld – hier in Bezug auf die Methodistische Kirche in den USA), „Beheimatung lesbischer Frauen in der alt-katholischen Kirche“ von Ella Detscher (Freiburg) und nicht zuletzt im Vortrag „Queere Menschen in den Kirchen“ von Jens Ehebrecht-Zumsande (Hamburg), einem der Initiatoren von #OutInChurch. [Zu „Queere Lebensgeschichten im Dialog“ siehe hierzu auch den Beitrag von Reinhard Brandhorst, Pfarrer i. R., über 20 Jahre Pfarrer der Leonhardsgemeinde Stuttgart und Initiator der alljährlichen Stuttgarter CSD- und Welt-AIDS-Tag-Gottesdienste bei der Veranstaltung „Religiös begründete Abwertungen als Nährboden für Hass und Gewalt gegen queere Menschen“ vom 13.7.2024 im Erinnerungsort Hotel Silber.] Das Verbindende bei all diesen Vorträgen war für mich, dass queere Menschen in den Kirchen sich nicht mehr verstecken, sondern sich generationsübergreifend gegenseitig helfen und ermutigen, die Stimme zu erheben und sichtbar(er) zu werden, damit sich in Kirchen endlich nicht mehr queere Menschen, sondern ihre Peiniger und Unterdrücker wegen ihrer diskriminierenden Worte und Taten schämen.

Jens Ehebrecht-Zumsande (links), einer der Initiatoren von #OutInChurch:

Vielfältiges Spektrum der Vortragenden und Teilnehmenden

Im Programm (2) der Tagung mit den drei Sektionen „Historische Perspektive“, „Theologische Auseinandersetzungen“ und „Lebenswelten und Handlungsräume“ kam ein vielfältiges Spektrum der Vortragenden und Teilnehmenden zum Ausdruck. Die Tagung hat Historiker:innen wie Theolog:innen, Haupt- und Ehrenamtlichen im kirchlichen Raum, Religionslehrer:innen, Kirchenarchivar:innen, Studierenden und nicht zuletzt Vertreter:innen queerer Kirchengruppen und Initiativen wie unserem Projekt „Der-Liebe-wegen.org“ im nichtkirchlichen Bereich die Möglichkeit zum Austausch geboten.
Auch die Sichtbarwerdung von trans* und inter*Personen und generell der Vielfältigkeit geschlechtlichen Seins wurde während der Tagung insbesondere durch die Vorträge „Denkstile und Anerkennung – der Diskurs um trans* und inter* Personen in Recht und Kirche“ von Mara Klein und Lea Quaing (Münster), „Doing Systematics am Beispiel der Transgeschlechtlichkeit“ von Theodor Adam (Hannover), „Your stories matter – Biografien von trans*Personen als Anstoß pastoraltheologischer Reflexion“ von Stephanie Bayer (Luzern) deutlich. Dazu trug auch Klaus-Peter Lüdkes (Altenberg) bei der Schlussdiskussion bei, der Vater eins transidenten Sohnes und Autor des Buches „Jesus liebt trans“ ist.

Mutige Bereitschaft damit zu beginnen, sich mit der schmerzhaften Rolle der Amtskirchen in der Aidskrise der 1980er Jahren auseinanderzusetzen

Als jemand, den die Aidskrise der 1980er Jahre maßgeblich geprägt hat, begrüße ich die mutige Bereitschaft der Tagung damit zu beginnen, sich mit der schmerzhaften Rolle der Amtskirchen in der Aidskrise der 1980er Jahren auseinanderzusetzen. Bei Beerdigungen wurden damals oftmals die Lebens- und Liebenspartner der Verstorbenen und ihr Leid durch kirchliche Vertreter nicht anerkannt. Hier zeigte sich die große politische und gesellschaftliche Wirkmächtigkeit der Kirchen auf die Lebenswelten queerer und auch heterosexueller Menschen, die keine der kirchlichen Norm entsprechendes Beziehungs- und Liebesleben führten, unabhängig davon, ob sich die Menschen selbst nun als religiös oder nicht religiös verstehen oder verstanden haben. Im Vortrag „Kirche, Katholizismus und HIV/Aids in den 1980er Jahren“ von Elisabeth Wittkowski (Bochum) wurde deutlich, wie die katholische Kirche zunächst eine Kondombenutzung strikt ablehnte und schwulen Männern generell und weltfremd sexuelle Enthaltsamkeit empfahl.

Bereits im ersten Vortrag der Tagung mit dem Titel „Gleichgeschlechtliches Begehren und die Grenzen des Erlaubten – Verschiebungen, Wandlungen, Wendepunkte von der Antike bis zur Gegenwart“ ging von Klaus van Eickels (Bamberg) auf den wichtigen Wendepunkt „Die Aids-Krise in den 1980er Jahren“ ein (siehe Abbildung). Vorwiegend schwule Männer gründeten in Deutschland die Aidshilfen. Nicht wenige waren mit dem zu frühen Tod von Freunden konfrontiert oder mussten gar ihren Partner bis zum Tod begleiten. Dies trug eher im Verborgenen mit dazu bei, dass die beiden Amtskirchen zunehmend in Schwierigkeiten gerieten, schwule Männer und Beziehungen nur auf Sex und einen sündhaften Lebensstil zu reduzieren und gleichzeitig gleichgeschlechtliche Partnerschaften weiterhin strikt zu missbilligen. An dieser Stelle sei mir ein kleiner Exkurs erlaubt, dass ich gerne – nicht nur im Kontext der Tagung – an Mitarbeitende der Kirchen erinnern möchte, die vorurteilsfrei und empathisch in der Aidskrise für männerliebende Männer und ihre Angehörige gekämpft und sich eingesetzt haben. In Stuttgart waren dies zum Beispiel Gerd Brunnert und Petrus Ceelen. Gerd Brunnert hatte die erste konfessionelle Aidsberatungsstelle Deutschlands bei der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart und die Angehörigentreffen im Waldschlösschen ins Leben gerufen. Petrus Ceelen war im Auftrag der Diözese Rottenburg als Seelsorger für HIV-Infizierte und AIDS-Kranke im Großraum Stuttgart engagiert – eine Stelle, die ebenso auf sein eigenes Betreiben hin in Stuttgart erst geschaffen wurde.

Podium und Schlussdiskussion und die Frage nach Perspektiven

Bei der Schlussdiskussion, die von der Theologin und Sozialethikerin Ursula Wollasch moderiert wurde, wurde durch die Beiträge von Sibylle Biermann-Rau, Jens Ehebrecht-Zumsande, Andreas Heek und Klaus-Peter Lüdke und weiteren Tagungsteilnehmenden deutlich, welch Fortschritte bereits erreicht wurden, aber auch welch langer Weg bis zu einer selbstverständlichen Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Kirche und Gesellschaft noch vor uns liegt. Dafür sei es weiterhin wichtig, sich gegenseitig Mut zu machen. Für queere Menschen in und außerhalb Kirche gelte: „Das Private ist politisch und das Politische ist Privat“. Die queerfeindlichen Kräfte in den Kirchen seien nicht geschichtsbewusst und würden Selbstreflexion und Begegnung auf Augenhöhe meiden. Die historische Perspektive hätte eine enorme befreiende Wirkung und gelte es für Queerfreundlichkeit zu nützen. Queere (Lebens-)Geschichten, die die Menschen erzählen, konnten viele Jahre nicht erzählt werden. Das hat sich deutlich verändert. Hier sei der generationsübergreifende Austausch von großer Bedeutung für gegenseitiges Verständnis. Die derzeit schizophrene Situation innerhalb der katholischen Kirche brachte Jens Ehebrecht-Zumsande mit dem Spruch „Als Kirchenmitarbeiter eine Bereicherung, als Katholik ein Sünder“ (siehe Abbildung aus dem Vortrag „Queere Menschen in den Kirchen“) eindrucksvoll auf den Punkt. Die Frage wurde aufgeworfen, ob diese kaum ertragbare Situation nicht Anlass für neue bundesweite Aktionen durch „#OutinChurch“ werden sollte. Aktivist:innen von „#OutinChurch“ wollten sich in nächster Zeit jetzt jedoch erst Mal mehr um sich selbst kümmern und sich auch gut mit außerkirchlichen queeren Organisationen vernetzen. „Kraft tanken„, „sich gegenseitig besser kennenlernen und Zeit füreinander nehmen“ und „vorsichtig den eigenen Weg weitergehen“ wurde als wichtige Quintessenz und als einer der aufgezeigten Perspektiven der Tagung in der Schlussdiskussion sichtbar.

Ralf Bogen


(1) Partnerorganisationen waren Evangelische Akademie Bad Boll, LSVD+ Verband Queere Vielfalt, LSBTTIQ in Baden und Württemberg – das Forschungsprojekt der Abteilung Neuere Geschichte von der Universität Stuttgart, Katholische Erwachsenbildung Diözese Rottenburg Stuttgart e.V., Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg und das Studienzentrum der EKD für Genderfragen.

(2) Programm der Tagung:

Donnerstag, 21. November 2024
14:00 Uhr, Begrüßung und Einführung
Sektion 1: Historische Perspektiven
14:30 Uhr: Gleichgeschlechtliches Begehren und die Grenzen des Erlaubten
Verschiebungen, Wandlungen, Wendepunkte von der Antike bis zur Gegenwart
Klaus van Eickels, Bamberg
15:15 Uhr: Gesetz, Moral und gesellschaftlicher Wandel. Die katholische Kirche, der Paragraph 175 und das Thema Homosexualität, 1969–1994. Ein Projektbericht
Alina Potempa & Frank Kleinehagenbrock, Bonn
16:00 Uhr Kaffeepause
16:30 Uhr Kirche, Katholizismus und HIV/Aids in den 1980er Jahren
Elisabeth Wittkowski, Bochum
17:15 Uhr Geschichte der Queerpastoral in der katholischen Kirche
Andreas Heek, Düsseldorf
18:00 Uhr Abendessen
19:30 Uhr Pfarrerin mit Frau – eine (un)mögliche Geschichte. Buchvorstellung mit Lesung
Sibylle Biermann-Rau, Tübingen
Kennenlernen und Austausch in der Denkbar

Freitag, 22. November 2024
08:00 Uhr Frühstück. Morgenimpuls
Sektion 1: Historische Perspektiven (Fortsetzung)
09:00 Uhr (K)ein Segen unterm Regenbogen? Das kirchliche Ringen um die Deutungshoheit im Kampf um die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Deutschland
Sabine Exner-Krikorian, München
09:45 Uhr Queere Lebensgeschichten im Dialog. Ein intergenerationaler Austausch im Horizont von queerer Biographie und queerer Theologie
Kerstin Söderblom & Josephine Haas, Mainz
10:30 Uhr Kaffeepause
Sektion 2: Theologische Auseinandersetzungen
11:00 Uhr Die queere Frau am Kreuz? Legenden und Kult um die heilige Kümmernis
Judith Reinders, Bonn
11:45 Uhr Denkstile und Anerkennung. Der Diskurs um trans* und inter* Personen in Recht und Kirche
Mara Klein & Lea Quaing, Münster
12:30 Uhr Mittagessen
14:30 Uhr Doing Systematics am Beispiel der Transgeschlechtlichkeit
Theodor Adam, Hannover
15:15 Uhr Homosexualität als Sodomie, Verbrechen und Krankheit. Die Begründung der Verurteilung von Homosexualität in der katholischen Lehre
Johanna Voithofer, Salzburg
16:00 Uhr Kaffeepause
Sektion 3: Lebenswelten und Handlungsräume
16:30 Uhr Queere Menschen in den Kirchen. Ressourcen einer radikalen Diversität offenlegen und verteidigen
Jens Ehebrecht-Zumsande, Hamburg
17:15 Uhr Ungehorsam! Queeres Leben in der Methodistischen Kirche in den USA
Jana Kristin Hoffmann, Bielefeld
18:00 Uhr Abendessen
19:30 Uhr Posterpräsentationen. „Your stories matter.“ Biografien von trans* Personen als Anstoß
pastoraltheologischer Reflexion
Stephanie Bayer, Luzern
Schulen im Fokus christlicher Initiativen mit Anti-Gender-Agenda. Möglichkeitsräume queerer Vielfalt im evangelischen Religionsunterricht
Marvin Gärtner, Bonn
Die Liebe, eine einigende Kraft. Sprache und Gender in liturgischen Texten der Alt-Katholischen Kirche
Nathalie Schuler, Bonn
Tagesausklang in der Denkbar

Samstag, 23. November 2024
08:00 Uhr Frühstück Morgenimpuls
Sektion 3: Lebenswelten und Handlungsräume (Fortsetzung)
09:00 Uhr „Konversionsbehandlungen“. Konturierungen eines komplexen Forschungsfeldes
Klemens Ketelhut, Heidelberg
09:45 Uhr Beheimatung lesbischer Frauen in der alt-katholischen Kirche
Ella Detscher, Freiburg
10:30 Uhr Kaffeepause
11:00 Uhr Fluchtlinien, Möglichkeitsräume, Perspektiven. Podium und Schlussdiskussion.
Sibylle Biermann-Rau, Tübingen; Jens Ehebrecht-Zumsande, Hamburg; Andreas Heek, Düsseldorf;
Klaus-Peter Lüdke, Altensteig; Moderation: Ursula Wollasch

12:30 Uhr Mittagessen und Tagungsende

17.11.2024: Für einen der größten CSD’s in diesen schwierigen politischen Zeiten Verantwortung zu übernehmen verdient Respekt!

Unser Projekt „Der-Liebe-wegen.org“ gratuliert Thomas Jansky (25), Betina Starzmann (34), Sina Will (31), Lars Lindauer (38) und Alexander Prinz (26, siehe Foto von l. n. r.) zu ihrer Wahl zum Vorstand der IG CSD Stuttgart e.V. auf der 31. ordentlichen Mitgliederversammlung am 17. November 2024 in der Weissenburg. Die langjährigen Vorstände Detlef Raasch und Marco Schreier sind aus ihrem Amt verabschiedet worden.

„Ich freue mich, gemeinsam mit meinen Vorstandskolleg*innen die Stuttgart PRIDE weiterzuentwickeln. Wir stehen vor großen Herausforderungen. Die Rechten wollen die LGBTQIA*- Community unsichtbar machen – wir kämpfen dafür, dass wir so sichtbar bleiben, wie wir sind!“, so wird Lars Lindauer auf der Webseite von Stuttgart Pride zitiert. Weiter heißt es hier: „Es gehe dem neuen Vorstandsteam künftig vor allem darum, in der Stuttgarter Community wieder mehr Kräfte zu bündeln, um eine größtmögliche Wirksamkeit in unserer queer-politischen Arbeit zu erreichen, so Betina Starzmann. ‚Wir sind jetzt ein fast komplett neues und junges Vorstandsteam. Viele Stellen im Team müssen durch den Weggang langjähriger Orgateam- Mitglieder neu besetzt werden. (…) Deshalb bitten wir die Mitglieder und auch die Stuttgarter Community um ihr Vertrauen und ihre Unterstützung‘, sagte Starzmann.“

In auf der Mitgliederversammlung verabschiedeten Anträgen wurde betont, dass die Erinnerung an die NS-Verbrechen für alle LSBTIQA+-Vereine, also auch für die IG CSD, angesichts der aktuellen Rechtsentwicklung und Erstarkung von rechtspopulistischen bis neofaschistischen Kräften wichtiger denn je ist, wir uns nicht auseinanderdividieren lassen dürfen und die IG CSD sich für die „Ehrenbürgerschaft für Fritz Bauer“ einsetzt. Wir dokumentieren im Folgenden Auszüge aus zwei der verabschiedeten Anträge, die in direkten Zusammenhang mit der Erinnerungsarbeit vom Projekt „Der-Liebe-wegen.org“ stehen.

Der IG CSD Stuttgart e.V. unterstützt die Unterschriftenaktion „Ehrenbürgerschaft für Fritz Bauer!“

Der IG CSD Stuttgart e.V. unterstützt die Unterschriftenaktion „Ehrenbürgerschaft für Fritz Bauer“ an die Stadt Stuttgart, indem er über seine Medienkanäle und auf Veranstaltungen für diese wirbt und Fritz Bauer auch als einen Vorkämpfer gegen den Schandparagraphen 175 sichtbar macht und würdigt.

Begründung und Hintergrundinformationen:
Fritz Bauer hat als Generalstaatsanwalt und Initiator der sogenannten Frankfurter Ausschwitzprozesse einen unermüdlichen Kampf um die juristische Ahndung des nationalsozialistischen Unrechts geführt. Dabei ist vielfach immer noch nicht bekannt, dass Bauer einer der ersten in der Bundesrepublik war, der gegen die Bestrafung einvernehmlicher sexueller Handlungen von erwachsenen Männern in den 50er Jahren seine Stimme erhoben hat. Er gab 1963 beispielsweise den Sammelband „Sexualität und Verbrechen“ mit heraus, der als Taschenbuch auf breite Resonanz stieß. Bereits 1952 hatte er in seiner Eigenschaft als Generalstaatsanwalt den Versuch gewagt, durch das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit des §175 StGB prüfen zu lassen. In den 50er Jahren als hoher Staatsbeamter für die Abschaffung des §175 einzutreten, war ein mutiger Tabubruch, den nicht nur LSBTIQA+-Vereine würdigen sollten.
Die VVN – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Landesvereinigung Baden-Württemberg e.V. Kreisvereinigung Stuttgart hat eine Unterschriftenaktion „Ehrenbürgerschaft für Fritz Bauer“ an die Stadt Stuttgart gestartet, deren Text wie folgt lautet: „Wir fordern die Ehrenbürgerschaft für den 1903 in Stuttgart geborenen Juristen des Friedens und der Menschlichkeit Fritz Bauer. 1933 wurde dieser im Zusammenhang mit Planungen zu einem Generalstreik gegen die Machtübertragung an die Hitlerfaschisten verhaftet und acht Monate im KZ Heuberg inhaftiert. 1956 wurde er hessischer Generalstaatsanwalt. Fritz Bauer schrieb 1955: „Ich wollte ein Jurist sein, der dem Gesetz und Recht der Menschlichkeit und dem Frieden nicht nur Lippendienst leistet.“ Es ist heute wichtiger denn je, Antifaschismus und den Einsatz für den Frieden nicht nur als Lippenbekenntnis zu begreifen. Dem Antifaschisten Fritz Bauer die Stuttgarter Ehrenbürgerschaft zukommen zu lassen, halten wir daher für unerlässlich.“[3]


[1] Weitere Informationen werden beispielsweise im Newsletter vom Projekt „Der-Liebe-wegen.org“ veröffentlicht. Anmeldung zum Newsletter unter: https://der-liebe-wegen.org/newsletter-anmeldung/

[2] Weitere Informationen zur Geschichte der NS-Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart: https://der-liebe-wegen.org/geplante-monographie-und-ausstellung-zur-geschichte-der-buechsenschmiere-der-ns-kripoleitstelle-stuttgart-und-das-anliegen-der-neugestaltung-der-dazugehoerenden-gedenktafel/ sowie https://der-liebe-wegen.org/gedenktafel-im-hospitalviertel-zum-ns-terror-der-kripoleitstelle-stuttgart-erinnert-nun-auch-an-angehoerige-sexueller-minderheiten/

[3] Weitere Informationen zu Fritz Bauer: https://der-liebe-wegen.org/zum-morgigen-internationalen-tag-gegen-homo-bi-inter-trans-asexuellenfeindlichkeit-idahobita-2024/ sowie https://der-liebe-wegen.org/120-jahre-fritz-bauer-antifaschist-streitbarer-demokrat-und-mutiger-vorkaempfer-gegen-das-%c2%a7175-unrecht/

Zum Jahrestag der Reichspogromnacht 2024: eine Mut machende Kundgebung für Vielfalt, Demokratie und Menschenrechte

Unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt“ organisierte Projekt 100 % Mensch anlässlich des Jahrestages der Reichspogromnacht am Samstag, den 9. November 2024 auf dem Stuttgarter Schlossplatz die Kundgebung „9 x 11 Minuten Widerstand. Gemeinsam für Demokratie und Menschenrechte“. Gemeinsam mit der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD e.V.), dem Forum Kulturen, Janka Kluge (Journalistin), Stuttgart gegen rechts, ver.di Stuttgart, Mission TRANS* e.V., Omas gegen Rechts und unserem Projekt Der-Liebe-wegen.org sowie mit den Künstler:innen Shon Abram (Berlin), Josefin Feiler und Stine Marie Fischer von der Oper Stuttgart, die am Klavier von Shawn Chang begleitet wurden, wandte es sich „gegen Faschismus, Rassismus, Antisemitismus, antimuslimischen Rassismus, Queerfeindlichkeit, Sexismus und alle weiteren Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ (aus der Pressemitteilung von Projekt 100 % Mensch). Hervorragend und sehr lebendig wurde die Veranstaltung von Black owned Buisness Stuttgart moderiert.

Wir veröffentlichen an dieser Stelle Auszüge aus der Rede vom Projekt Der-Liebe-wegen.org:

Auf unserer Webseite „Der-Liebe-wegen – von Menschen im deutschen Südwesten, die wegen ihrer Liebe und Sexualität ausgegrenzt und verfolgt wurden“ zeigen wir detailliert die NS-Verbrechen an queeren Opfern in unserer Region. Insbesondere in Zeiten der Erstarkung rechtspopulistischer und neofaschistischer Kräfte halte ich es für wichtig, dafür zu sorgen, dass diese NS-Verbrechen nicht in Vergessenheit geraten und dass der Faschismus nicht als „Vogelschiss der Geschichte“ verharmlost wird. (…)

Heute sind wir hier, um anlässlich der Reichspogromnacht vor 86 Jahren daran zu erinnern, was geschehen kann, wenn Hass und Hetze eine Gesellschaft vergiften, wenn Ausgrenzung, Abwertung und Entrechtung von Menschen und ganzer Menschengruppen hingenommen oder gar unterstützt werden.

Die Schreckensnacht vom 9. auf den 10. November 1938 waren von der NS-Diktatur organisierte und gelenkte Gewaltmaßnahmen gegen Menschen jüdischen Glaubens bzw. mit jüdischer Zuschreibung im Deutschen Reich. Dabei wurden zwischen dem 7. und 13. November im ganzen Reichsgebiet mehrere hundert Menschen ermordet, mindestens 300 nahmen sich das Leben. Um die 1400 Synagogen, „Bet“-Stuben und sonstige Versammlungsräume jüdischer Menschen sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden gestürmt und zerstört. Von der Synagoge in der Stuttgarter Innenstadt blieben nur noch die Mauern übrig. Ab dem 10. November folgten Deportationen jüdischer Menschen in Konzentrationslager. Mindestens 30.000 Menschen wurden interniert, Hunderte starben an den Folgen der mörderischen Haftbedingungen oder wurden hingerichtet. Diese Pogrome markierten den Übergang von der Diskriminierung jüdischer Menschen in Deutschland hin zu ihrer systematischen Vertreibung und Unterdrückung. Im Rückblick waren sie eine Vorstufe zu dem drei Jahre später beginnenden Holocaust, der Vernichtung allen jüdischen Lebens.

13 Jahre zuvor, 1925, hatte Hitler bereits im ersten Band von „Mein Kampf“ seine Weltanschauung in bemerkenswerter Offenheit ausgebreitet: Sein rabiater Antisemitismus und Hass auf den Marxismus, auf Gewerkschaften, Liberalismus und Pazifismus kam ebenso deutlich zum Ausdruck wie seine Weltherrschaftspläne mit der Eroberung von neuem Lebensraum im Osten. Ernst genommen wurde das Buch jedoch kaum, wohl weil Mensch damals davon ausging, dass den Worten nicht unbedingt Taten folgen würden. Nach dem gescheiterten Putschversuch 1924 hatte Hitler eine weitgehend legale Strategie der Machtübernahme der völkischen Bewegung favorisiert. Viele Bürgerliche wie zum Beispiel der Reichstagsabgeordnete Theodor Heuss, der sich durchaus kritisch mit „Mein Kampf“ auseinandergesetzt hatte, vertrauten auf Hitlers neuem Legalismus und glaubten, Hitler werde sich durch das parlamentarische Verfahren bändigen lassen. Heute wissen wir alle, welch fataler Irrtum das war.

Heute geht es uns auch darum, wie wir anders als `33 einer weiteren Rechtsentwicklung und faschistischen Gefahr erfolgreich entgegenwirken können. Wie gefährlich die Situation heute bereits wieder geworden ist, möchte ich anhand von Auszügen aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 26.09.2019 deutlich machen. In jenem Beschluss hat das Gericht anerkannt, dass nach der folgenden Argumentation Björn Höcke berechtigt als Faschist bezeichnet werden kann. Denn diese Argumentation sei nicht aus der Luft gegriffen, sondern beruhe auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage:

„Im Juli 2018 sei sein Buch mit dem Titel ‚Nie zweimal in denselben Fluss‘ (…) erschienen. (…) Dieses Buch bestätige insgesamt eine faschistische Agenda (…). Nach seiner Auffassung sei letztlich ein neuer Führer erforderlich, Teile der Bevölkerung sollten ausgeschlossen werden, insbesondere Migranten.
In rassistischer Diktion wettere er gegen den angeblich ‚bevorstehenden Volkstod durch den Bevölkerungsaustausch‘. (…) Bezogen auf die von ihm angestrebte Umwälzung stelle er fest, dass „wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind“ mitzumachen.
Er denke an einen ‚Aderlass‘. (…) Er trete für die Reinigung Deutschlands ein. Mit starkem Besen sollten eine ‚feste Hand‘ und ein ‚Zuchtmeister‘ den Saustall ausmisten. Bezogen auf den Hitler-Faschismus sei diese für ihn vor allem die ‚katastrophale Niederlage von 1945‘. (…) In Dresden habe er eine ‚erinnerungspolitische Wende um 180 Grad‘ gefordert, was heiße, die Zeit des Hitler-Faschismus positiv zu betrachten (…). Das Holocaust-Denkmal in Berlin bezeichne er als Schandmal.“
(Quelle: siehe https://openjur.de/u/2180513.html).

Soweit aus dem Beschluss von 2019.

Wie sich die faschistische Gefahr in Deutschland in den letzten Jahren drastisch verschärft hat, zeigt sich anhand der Entwicklung der AfD: 2017 hatte der damalige AfD-Bundesvorstand Höcke noch selbst mit Hitler verglichen und ihm in einem Antrag zum Parteiausschluss „eine Wesensverwandschaft mit dem Nationalsozialismus“ vorgeworfen (siehe https://www.tagesspiegel.de/politik/afd-spitze-vergleicht-hocke-mit-hitler-5495260.html). Dieses Parteiausschlussverfahren scheiterte. Dass stattdessen Höcke mittlerweile den Ton in der AfD angibt, wurde beim Bundesparteitag in Riesa 2022 deutlich. Im Gegensatz zu Alice Weidel war Höcke für die Streichung der Pseudogewerkschaft „Zentrum Automobil“ von der Unvereinbarkeitsliste der AfD, wofür 60% der Delegierten stimmten. Bei Zentrum Automobil ging und geht es um eine Betriebsgruppe, die 2009 im Mercedes-Werk in Stuttgart-Untertürkheim von Oliver Hilburger gegründete wurde. Hilburger war bereits seit 2006 ehrenamtlicher Arbeitsrichter sowie als Betriebsrat für die Christliche Gewerkschaft Metall tätig. Als von Antifaschisten seine Mitgliedschaft als Gitarrist in der Rechtsrock-Band „Noie Werte“ und seine Bezüge zur Terrororganisation Blood and Honours, zur NPD und zum neonazistischen III. Weg aufgedeckt wurde, verlor er 2007 per Gerichtsbeschluss sein Posten als Arbeitsrichter und wurde er aus der Christlichen Gewerkschaft Metall ausgeschlossen. Die Rechtsrock-Band „Noie Werte“ ist jene Band, mit deren Musik der NSU seine Bekennervideos bei den Morden an Migranten unterlegt hatte. „Ohne Zentrum Automobil sind wir nichts, und werden nicht durchbrechen!“ sagte Höcke beim AfD-Bundesparteitag 2022. Das zeigt, welche Bedeutung er dem Aufbau einer AfD-nahen spalterischen Pseudo-„Gewerkschaft“ mit dem Ziel der bundesweiten Ausbreitung in seiner Agenda beimisst.

Seit den Enthüllungen über ein Treffen in Potsdam im November 2023 wurde breit bekannt, dass unterschiedliche rechtspopulistische und neofaschistische Kräfte unter dem Begriff „Remigration“ planen, Millionen von Migrant:innen aus Deutschland zu vertreiben. Nach dem ehemaligen AfD-Vorstandsmitglied Maximilian Krah sei es in den nächsten zehn Jahren politisch und rechtlich nicht möglich, diese Menschen gegen ihren Willen auszuweisen. Was geschieht aber nach zehn Jahren, wenn es uns nicht gelingt, eine weitere Rechtsentwicklung zu verhindern? Müssen wir dann wie 1938 mit dem Übergang von der Diskriminierung zur systematischen Vertreibung und Unterdrückung von Migrant:innen rechnen?

Die gleichen Kräfte, die in Deutschland daran arbeiten, die Voraussetzungen für die angestrebte Vertreibung von Migrant:innen zu schaffen, bekämpfen auch alle Maßnahmen zum Schutz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Solche Maßnahmen werden als linksideologischen Angriff auf die traditionelle Familie und völlig absurd auch als Angriff auf das Wohl von Kindern und Frauen sowie verächtlich als „Regenbogenmist und Genderwahnsinn“ diffamiert. Trotz einer lesbischen Politikerin in führender Position bedeutet Familienförderung für die AfD, die Rechte von queeren Menschen wieder einzuschränken. Diese sollte uns alle wachrütteln!

Es liegt in der Verantwortung von jedem Einzelnen von uns, ob wir uns ihren rassistischen und queerfeindlichen Plänen widersetzen oder ob diese Kräfte durch Verharmlosung, Beschwichtigung und letzten Endes Legitimierung durch Übernahme ihrer Narrativen und Themen noch weiter gestärkt werden!

Wir brauchen eine viel bessere Vernetzung und einen intensiveren Austausch untereinander. Ermutigende Beispiele gilt es stärker bekannt zu machen. Wenn sich beispielsweise in einer Betriebsversammlung bei Mercedes Benz dutzende IG Metall Vertrauensleute während einer Rede des „Zentrums Automobil“ mit dem Banner „Kein Applaus für Nazis!“ auf die Bühne stellen und wenn es dann nach einer Rede von Hilburger keinerlei Beifall gibt, dann gilt unser Dank allen daran beteiligten Kolleg:innen!

Wir brauchen ein vielfältigeres Bündnis von Gewerkschaften und von Frauen-, Queeren-, Umwelt- und Antikriegsaktiven um dafür zu kämpfen, was die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist:innen seit ihrer Gründung nach 1945 fordert und was jetzt dringt erreicht werden muss: Nämlich, dass der 8. Mai endlich ein Feiertag in Deutschland wird, wo die breite Aufklärung der Jugend über die NS-Verbrechen und die Würdigung aller antifaschistischer Widerstandskämpfer:innen im Mittelpunkt steht!

Angesichts der rechten Bedrohung, Demagogie und Spaltungspolitik ist es wichtiger denn je, dass wir aus 1933 die richtigen Lehren ziehen und uns heute nicht mehr auseinanderdividieren lassen! Unsere Hauptgegner sind rechtspopulistische und neofaschistische Kräfte und jene, die sie im Hintergrund finanzieren. Wo der Hauptgegner steht, dürfen wir bei all unseren Meinungsdifferenzen und Schwierigkeiten im Umgang miteinander nicht aus dem Blick verlieren, NIE UND NIMMER!

„Alles was nicht aufgearbeitet ist, wirkt weiter“ – Kurzbericht zur Veranstaltung „Religiös begründete Abwertungen als Nährboden für Hass und Gewalt gegen queere Menschen“ am 13.7.2024

An subtil weiterwirkenden, religiös begründeten Abwertungen von queeren Menschen als „widernatürlich“ oder gar als „Gefahr für Kinder und Familien“ knüpfen rechtspopulistische bis neofaschistische sowie religiös-fundamentalistische Kräfte heute wieder an. „Wie lässt sich dieser Nährboden für Hass und Gewalt gegen queere Menschen erfolgreich und nachhaltig abtragen?“ Diese Frage stand bei der öffentlichen Tagung im Erinnerungsort Hotel Silber Stuttgart am 13. Juli 2024 im Mittelpunkt.

Über 60 Personen hörten sich vier unten genauer vorgestellte Impulsvorträge von Ralf Bogen, Reinhard Brandhorst, Dr. Noah Munier und Karl-Heinz Steinle sowie Olcay Miyanyedi an. Moderiert wurde die anschließende (Podiums-)Diskussion von Brigitte Lösch, Vorsitzende der Initiative Lern‐ und Gedenkort Hotel Silber, und Dr. Axel Schwaigert, MCC Gemeinde Stuttgart. Für den musikalischen Rahmen der von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg geförderten Veranstaltung sorgte der Klarinettist Jürgen Klotz. Zur Veranstaltung hatten eingeladen: das Projekt „Der-Liebe-wegen.org“, Weissenburg LSBTIQA+-Zentrum Stuttgart, MCC Gemeinde Stuttgart und Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber in Kooperation mit der Abteilung Chancengleichheit der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Haus der Geschichte Baden.-Württemberg.

Die Diskussionsrunde war sich weitgehend einig darin,

  • dass die konkrete Rolle der evangelischen und katholischen Kirche bei der Unterdrückung queerer Menschen in der NS-Zeit hier in Württemberg baldmöglichst aufgearbeitet werden soll (bislang sind uns wissenschaftliche Arbeiten und Publikationen „nur“ zu den Themen Kirchen und Krankenmorde sowie Kirchen und Antisemitismus / Shoa bekannt);
  • dass beispielsweise durch historische Bildung viel bekannter gemacht werden soll, dass der Islam per se nicht queerfeindlicher als das Christentum ist und mit den fünf Bücher Mose gemeinsame Wurzeln hat. Im Iran gab es beispielsweise um 1500 keine aktive Strafverfolgung von Homosexualität, während im christlichen Europa um diese Zeit Männer wegen gleichgeschlechtlichen sexuellen Handlungen als „Sodomiten“ im Namen der Bibel getötet wurden. Heute ist es umgekehrt;
  • dass positive Beispiele von kirchlichen und muslemischen Akteuren sowie islamische Religionsgemeinschaften (siehe z. B. den Liberal-Islamischen Bund e.V.), die sich für Akzeptanz, Respekt und Gleichberechtigung queerer Menschen einsetzen, breiter bekannt gemacht werden sollten;
  • und dass gemeinsame Begegnungen von christlichen, muslemischen und atheistischen Menschen, um Vorurteile abzubauen, initiiert und gefördert werden sollen.

Wir veröffentlich hier, unter anderem auf Wunsch von Teilnehmenden, die Vortragsdateien 1, 2 und 4 und bedanken uns bei allen Beteiligten, so auch bei den fleissig Helfenden, die sich um die Verpflegung in der Kaffeepause gekümmert haben. Weitere Informationen zur Rolle von Bibel- und Korantexten bei der Diskriminierungsgeschichte queerer Menschen siehe hier.

Impuls 1: Die Frage nach den ideologischen Grundlagen der Ausgrenzung und Diskriminierung queerer Menschen während der NS- und Nachkriegszeit
Ralf Bogen, Projekt „Der-Liebe-wegen.org

NS- und Nachkriegstäter der Ausgrenzung und Diskriminierung von LSBTIQ-Menschen gab es nicht nur in Polizei und Justiz. Neben den Täter:innn in den Universitäten gab es diese auch in der evangelischen und katholischen Kirche, die gerade auch nach 1945 jahrzehntelang die ideologischen Grundlagen der Abwertung und Kriminalisierung queerer Menschen gesellschaftlich verankert haben. Auch die Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit der Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg hat in der Nachkriegszeit sehr lange noch sexuelle und geschlechtliche Minderheiten nicht als Opfer des NS- und Nachkriegsunrechts angemessen anerkannt, geschweige denn, eine vertiefte Auseinandersetzung mit den ideologischen Wurzeln dieses Unrechts geführt. Erst 2016 konnte in Kooperation – unter anderem mit dem Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg – durch die Fachtagung „Späte Aufarbeitung – Lebenswelten und Verfolgung von LSBTTIQ-Menschen im deutschen Südwesten“ ein grundsätzlich anderer Umgang mit dieser NS-Opfergruppe eingeleitet werden.

Impuls 2: Der lange Weg bis zur Bitte um Vergebung der evangelischen Kirche in Württemberg für das Unrecht, das von ihr an gleichgeschlechtlich orientierten Menschen begangen wurde
Reinhard Brandhorst, Pfarrer i. R., über 20 Jahre Pfarrer der Leonhardsgemeinde Stuttgart und Initiator der alljährlichen Stuttgarter CSD- und Welt-AIDS-Tag-Gottesdienste

70 Jahre nach der Befreiung vom sogenannten Dritten Reich begann der Deutsche Evangelische Kirchentag 2015 in Stuttgart mit dem „Gedenken zu Beginn“ erstmals an die Ausgrenzung und Verfolgung gleichgeschlechtlich Liebender zu erinnern. „Die Kirchen, auch unsere Württembergische Ev. Landeskirche, traten weder in der Zeit des Nationalsozialismus noch in der Nachkriegszeit eindeutig und klar für homosexuelle Menschen und gegen ihre Verfolgung und Ermordung ein. Gegen die Herabwürdigung und Verachtung von Homosexuellen durch weite Teile der christlichen Kirchen gab es im sog. Dritten Reich lediglich Einzelaktionen von wenigen Christen“, so begründete 2017 der Erstunterzeichner Dr. Harald Kretschmer den Antrag an die 15. Evangelische Landessynode in Württemberg, gleichgeschlechtlich orientierten Menschen um Vergebung zu bitten. 2019 hat der damalige Bischof Dr. h. c. Frank Otfried July in einer Andacht vor der Sommersynode die Bitte um Vergebung ausgesprochen. Zu Beginn des Vortrags wird ein kurzer Videoausschnitt der Vergebungsbitte gezeigt.
Reinhard Brandhorst, seit 1972 engagiert in schwulen Emanzipationsgruppen, vernetzt mit dem Bündnis Kirche und Queer (BKQ) und verheiratet mit Jürgen Klotz, hat aus seiner persönlichen Sicht berichtet, wie er den Weg bis zur Vergebungsbitte erlebt hat und was er sich heute von Kirche und Gesellschaft in Bezug auf die Aufarbeitung des genannten Unrechts wünscht.

Impuls 3: Die Kirche und der §175 StGB nach 1945
Dr. Julia Noah Munier und Karl-Heinz Steinle, Universität Stuttgart, Historisches Institut, Abteilung Neuere Zeitgeschichte, Forschungsprojekt „LSBTTIQ in Baden und Württemberg

In der Bundesrepublik Deutschland war noch bis Ende der 1960er Jahre jede Form von männlicher Homosexualität kriminalisiert. Trotz Kritik hielt die Politik am vom Nationalsozialismus übernommenen §175 StGB fest. Das insgesamt restriktive Sexualstrafrecht der Bundesrepublik hatte Auswirkungen auf die Lebenswelten Vieler – betroffen waren homo- und bisexuelle Männer wie Frauen, Personen, die geschlechtlichen Minderheiten zugehörten und selbst Heterosexuelle, die kein der Norm entsprechendes Beziehungs- und Liebesleben führten. Diese reformfeindliche Haltung der Politik war mitunter bestimmt und fundiert durch den politischen Einfluss der beiden christlichen Kirchen. In ihrem gemeinsamen Vortrag vermittelten Dr. Julia Noah Munier und Karl-Heinz Steinle einen Eindruck vom restriktiven Einfluss der Kirchen auf die Lebenswelten von homo- und bisexuellen Männern in Baden-Württemberg in den ersten Nachkriegsjahrzehnten. Sie beleuchteten durchaus ambivalente Anerkennungsbemühungen und stellen kirchliche Institutionen und Akteur*innen vor, die Liberalisierungsdebatten mitanstießen.

Impuls 4: Wie der „Nie-wieder“-Auftrag besonders bei diesem Thema Jugendliche aus muslimisch/migrantisch geprägten Familien erreichen kann
Olcay Miyanyedi, Religions- und Erziehungswissenschaftler, Forschung zu LSBTTIQ Jugendlichen mit Migrationsbiografie und einer der drei Schirmpersonen von Stuttgart Pride 2024

Den drei abrahamitischen Weltreligionen, – Judentum, Christentum und Islam –, liegen in großen Teilen die ca. 5000 Jahre alten fünf Bücher Moses zugrunde. Insbesondere nach der „Schöpfungsgeschichte“, die sich um Adam und Eva dreht, hätte Gott den Menschen zuerst als Mann und danach als Frau und beide ausschließlich heterosexuell angelegt. Gleichgeschlechtliche Empfindungen seien eine Abweichung einer gottgewollten Norm. Diese Aussagen, die nicht als Gottes Worte, sondern heute als historisches Produkt einer zeitgebundenen Interpretation der heiligen Schriften gewertet werden, sind nicht nur (religions-)wissenschaftlich längst überholt, sondern nach wie vor auch diskriminierend und sehr verletzend. Im Vortrag analysierte Olcay Miyanyedi wie sich Machtstrukturen und struktureller Rassismus in Deutschland auf muslimische und migrantische Jugendliche auswirken und dazu beitragen können, eine feindselige Haltung gegenüber queeren Personen sowie menschenverachtende Ideologien zu fördern. Er ging der Frage nach, wie dem in der Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit entgegengewirkt werden kann.

Brigitte Lösch, Vorsitzende der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber, und Dr. Axel Schwaigert, MCC Gemeinde Stuttgart, bei der Moderation der Veranstaltung
Für den musikalischen Rahmen sorgte der Klarinettist Jürgen Klotz.

Link Zeitungsartikel von Heidemarie A. Hechtel in der Stuttgarter Zeitung (leider kostenpflichtig)

21.7.24: Themenführung „Die Polizei im ‚Hotel Silber‘ und die ‚Bekämpfung‘ von Homosexualität“

Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V., Jugendvertretung der Weissenburg – Zentrum LSBTIQA+ Stuttgart e. V. und Projekt „Der-Liebe-wegen.org“ laden am 21. Juli 2024 um 16 Uhr zur Führung durch die Dauerausstellung im Erinnerungsort Hotel Silber, Stuttgart, in der Dorotheenstraße 10, ein.

Bei der Führung im Rahmen des Stuttgart PRIDE – Christopher Street Days (CSD) wird der Fokus auf die „Bekämpfung“ von Homosexualität im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit bis in die 1960er Jahre gelegt. Das Hotel Silber war während der NS-Diktatur Sitz der Geheimen Staatspolizei von Württemberg und Hohenzollern und nach 1945 Sitz der städtischen Kriminalpolizei.

Es führen Kurator Friedemann Rincke und Ralf Bogen, Mitarbeitender an der Dauerausstellung für die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber.

Kosten: 4 €. Anmeldung bis zum 18. Juli: veranstaltungen-hs@hdgbw.de

12.6.2024: AfD-Bundestagsfraktion lehnt geplante Stärkung der Erinnerungskultur sowie Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt ab

Am 12. Juni 2024 hat der Bundestag den „Aktionsplan der Bundesregierung für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt – Queer leben“ beraten. Ein wesentlicher Bestandteil des Aktionsplans ist die Stärkung der Erinnerungskultur sowie Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt, Übergriffen und Anfeindungen.

Zur Erinnerungskultur heißt es darin:

„Die Verfolgung homo- und bisexueller Männer und Frauen, insbesondere in der NS-Zeit, aber auch ihre Kontinuität in der BRD und der DDR, sind nicht ausreichend erforscht. Zur Geschichte von trans- und intergeschlechtlichen Menschen gibt es kaum Forschung. Aber auch die Dokumentation und damit das Sichtbarmachen sowohl der LSBTIQ*-Emanzipationsgeschichte im Allgemeinen als auch der Lebens- und Leidensgeschichten von einzelnen LSBTIQ* ist ein wichtiges politisches Zeichen für die Anerkennung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt und trägt zur Förderung einer Erinnerungskultur bei.“

Zum Thema Sicherheit wird ausgeführt:

„In Deutschland sind Gewalttaten, Übergriffe und Anfeindungen gegen LSBTIQ* sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum keine Seltenheit. Für die Betroffenen bedeutet das eine erhebliche Belastung sowie Einschränkung von Freiheit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Für besonders vulnerable Personengruppen, wie gewaltbetroffene LSBTIQ* mit Behinderungen, fehlen häufig Hilfestrukturen, die auf die besonderen Beratungsbedarfe ausgerichtet sind. Ziel der Regierungskoaltion ist es, (…) LSBTIQ* vor Gewalt, Übergriffen und Anfeindungen zu schützen (…) und Opfer besser zu unterstützen (…).“

Wir veröffentlichen im Folgenden kurze Auszüge einzelner Redebeiträge der Bundestagsdebatte. Das Protokoll der gesamten Debatte ist hier zu finden.

Sven Lehmann, Beauftrager der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, erklärte:

„Vor genau 30 Jahren wurde § 175 Strafgesetzbuch endgültig abgeschafft. Damit endete ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte, unter dem Generationen vor allem homo- und bisexueller Menschen gelitten haben. Ihre Liebe wurde staatlich verfolgt, sie mussten sich verstecken, sie riskierten ihren Arbeitsplatz. Zehntausende wurden inhaftiert, viele davon in den Suizid getrieben. Ich denke, dass ich auch in ihrem Namen spreche, wenn ich sage: So etwas darf in Deutschland nie wieder passieren! (…)
Bei diesen CSDs geht es nicht, wie manchmal behauptet wird, um Sonderrechte einer Minderheit, sondern es geht um grundlegende Menschenrechte für alle Menschen, nämlich das Recht, selbstbestimmt zu leben und zu lieben, und zwar frei von Diskriminierung und Anfeindungen.“

Zum 30. Jahrestag der Abschaffung des §175 StGB merkte auch Mareike Lotte Wulf (CDU/CSU) an:

„Lassen Sie mich direkt zu Beginn ein paar kurze persönliche Sätze zum gestrigen 30. Jahrestag der Abschaffung des § 175 StGB sagen. Es ist schlimm genug, dass die Strafbarkeit von Homosexualität in der Bundesrepublik bis 1969 vollumfängliche Rechtslage war und § 175 erst gestern vor 30 Jahren, im Jahr 1994, restlos aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wurde. Trotz oder gerade aufgrund dieser traurigen Vorgeschichte ist das gestrige Jubiläum ein Ereignis, das mich persönlich tief berührt. Denn es lässt nicht nur an das unsagbare Leid zurückdenken, das so viele Männer und Frauen in unserem Land in der Vergangenheit erfahren mussten, und zwar einzig und allein deshalb, weil sie liebten, wen sie liebten.

Anke Henning (SPD) setzte sich kritisch mit der Gefahr von rechts in Bezug zum Aktionsplan auseinander:

„Die rechten Kräfte sind nicht nur in Deutschland und in Europa, sondern weltweit stärker geworden. (…) Sie bespielen international ihre Netze und Verbindungen (…). Sie nehmen aktiv Minderheiten wie etwa die queeren Menschen in den Fokus, um sie gegenüber der Gesellschaft zu instrumentalisieren, als ob Trans- und nicht binäre Menschen sie in ihren Rechten beschneiden oder ihnen etwas wegnehmen. Bewusst gestreute Desinformationen und Hetze führen dazu, dass Misstrauen gesät und negative Emotionen gegenüber Trans-, Inter- und nicht binären Personen aufgebaut werden. Sie versuchen mit allen Mitteln, die Zeit dahin zurückzudrehen, in der noch nicht mal die Rede von Gleichberechtigung von Mann und Frau war. (…) Gleiche Rechte für alle Menschen bedeuten nicht weniger Rechte für eine einzelne Person.“

Auch Jürgen Lenders (FDP) sprach von einer derzeitigen Umkehrbewegung, die uns beunruhigen sollte:

„Auch wenn die Menschen in Deutschland nach wie vor hinter der Gleichstellung von homosexuellen Paaren stehen, sehen wir doch, dass es zurzeit eine Umkehrbewegung gibt. Gewalt, Anfeindungen und auch Straftaten gegen queere Menschen nehmen in Deutschland mittlerweile zu. Das sollte uns alle miteinander beunruhigen. Es sollte uns auch beunruhigen, was wir alle schon als selbstverständlich gesehen haben: Jeder vierte Deutsche ist in Deutschland mittlerweile gegen die Ehe für alle. Das sollte uns echt zu denken geben. (…) Mich wundert es tatsächlich ein Stück weit auch, dass queere Menschen die AfD wählen. Aber queere Menschen sind halt nicht besser und nicht schlechter und nicht schlauer als der gesamte Durchschnitt der Bevölkerung. Aber es ist eine gute Gelegenheit gewesen, hier einmal an eine AfD-Forderung zu erinnern, wie die Ehe für alle abzuschaffen oder CSDs zu verbieten.“

Gökay Akbulut (Die Linke) merkte kritisch an:

„Die Koalition feiert das Selbstbestimmungsgesetz als Erfolg. Doch leider ist es vom Geist des Misstrauens gegenüber den Betroffenen geprägt. Außerdem ist die Ampel bei dem Anliegen, Schutz für queere Geflüchtete zu schaffen, gescheitert. Die Einstufung Georgiens als sicheres Herkunftsland wird selbst von Ihrem eigenen Queer-Beauftragten scharf kritisiert. Zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes verpasste die Ampel die Gelegenheit für eine Initiative, Artikel 3 des Grundgesetzes endlich auch um queere Menschen zu erweitern. Der Hass und die Gewalt gegen queere Menschen nehmen tagtäglich zu. Das Ziel, queere Menschen besser vor Übergriffen und Anfeindungen zu schützen, muss viel besser umgesetzt werden. Die Bundesregierung versprach 70 Millionen Euro jährlich, um Queerfeindlichkeit zu bekämpfen. Doch die angekündigten Gelder flossen nicht – jedenfalls nicht bis heute. Ein breites Bündnis aus LSVD und vielen anderen schrieb jetzt an die Bundesregierung: „Werden die hierin … aufgegriffenen Reformen nicht mit Nachdruck umgesetzt, droht“ der Aktionsplan „ein Feigenblatt zu werden“. Es ist daher an der Zeit, den Aktionsplan endlich mit Leben zu füllen.“

Mit welcher Demagogie Maßnahmen des Aktionsplan zur Stärkung der Erinnerungskultur und zum Schutz vor Gewalt abgelehnt werden, machte für die AfD Martin Reichhardt deutlich. Der Aktionsplan würde

„die traditionelle Familie zersetzen, Frauen und Kinder gefährden“

Er sprach davon, dass „junge Menschen und fleißige Arbeiter mehrheitlich die AfD gewählt“ hätten, die AfD die Zukunfts Deutschland sei, die anderen Politiker und Parteien abgewirtschaftet hätten und dass dies gut so sei. Die AfD-Bundestagsfraktion sprach sich in einem auch von Dr. Alice Weidel unterzeichneten Antrag dafür aus, keine der vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen. Sie diffamierte den Aktionsplan pauschal als einen „linksideologischen Angriff auf die traditionelle Familie (…) und das Wohl insbesondere von Kindern, Jugendlichen und Frauen“. Familienförderung bedeutet für sie, die Rechte von LSBTIQ* bzw. queeren Menschen wieder einzuschränken. Alle demokratische und humane Kräfte, insbesondere alle LGBTI*-Personen sollte dies wachrütteln!

Quelle: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw24-de-queer-leben-1006768
https://dserver.bundestag.de/btp/20/20174.pdf#P.22491

13.7.24: Tagung „Religiös begründete Abwertungen als Nährboden von Hetze und Gewalt gegen queere Menschen in der NS- und Nachkriegszeit“ im Erinnerungsort Hotel Silber

Samstag, 13. Juli 2024, 13.30 bis 17.30 Uhr: Öffentliche Tagung im Erinnerungsort Hotel Silber Stuttgart (Dorotheenstraße 10, U-Bahn-Haltestelle Charlottenplatz) anlässlich der Stuttgart Pride Kulturwoche 2024

Wir bitten um Anmeldung bis zum 11.07.2024 unter veranstaltungen-hs@hdgbw.de
zum Einladungsflyer

PROGRAMM
13.30 Uhr Ankommen
13.45 Uhr Begrüßung
14.00 Uhr Impuls 1: Die Frage nach den ideologischen Grundlagen der Ausgrenzung und Diskriminierung queerer Menschen während der NS- und Nachkriegszeit
Ralf Bogen, Projekt „Der-Liebe-wegen.org“
14.30 Uhr Impuls 2: Der lange Weg bis zur Bitte um Vergebung der evangelischen Kirche in Württemberg für das Unrecht, das von ihr an gleichgeschlechtlich orientierten Menschen begangen wurde
Reinhard Brandhorst, Pfarrer i. R., über 20 Jahre Pfarrer der Leonhardsgemeinde Stuttgart und Initiator der alljährlichen Stuttgarter CSD- und Welt-AIDS-Tag-Gottesdienste
15.00 Uhr Impuls 3: Die Kirche und der §175 StGB nach 1945
Dr. Julia Noah Munier und Karl-Heinz Steinle, Universität Stuttgart, Historisches Institut, Abteilung Neuere Zeitgeschichte, Forschungsprojekt „LSBTTIQ in Baden und Württemberg
15.30 Uhr Impuls 4: Wie der „Nie-wieder“-Auftrag besonders beim Thema religiös begründeter Abwertungen queerer Menschen Jugendliche aus muslimisch/migrantisch geprägten Familien erreichen kann
Olcay Miyanyedi, Religions- und Erziehungswissenschaftler, Forschung zu LSBTTIQ Jugendlichen mit Migrationsbiografie und einer der drei Schirmpersonen von Stuttgart Pride 2024
16.00 Uhr Kaffeepause
16.30 Uhr Podiumsdiskussion mit den Impulsgebenden – Was tun wir und was können wir zukünftig tun, um den Nährboden von Hass und Gewalt nachhaltig abzutragen?
Moderation: Brigitte Lösch, Vorsitzende der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber und Dr. Axel Schwaigert, MCC Gemeinde Stuttgart. Für den musikalischen Rahmen sorgt der Klarinettist Jürgen Klotz.
17.30 Uhr Ende der Veranstaltung

Impuls 1: Die Frage nach den ideologischen Grundlagen der Ausgrenzung und Diskriminierung queerer Menschen während der NS- und Nachkriegszeit
Ralf Bogen
NS- und Nachkriegstäter der Ausgrenzung und Diskriminierung von LSBTIQ-Menschen gab es nicht nur in Polizei und Justiz. Neben den Täter:innn in den Universitäten gab es diese auch in der evangelischen und katholischen Kirche, die gerade auch nach 1945 jahrzehntelang die ideologischen Grundlagen der Abwertung und Kriminalisierung queerer Menschen gesellschaftlich verankert haben. Auch die Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit der Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg hat in der Nachkriegszeit sehr lange noch sexuelle und geschlechtliche Minderheiten nicht als Opfer des NS- und Nachkriegsunrechts angemessen anerkannt, geschweige denn, eine vertiefte Auseinandersetzung mit den ideologischen Wurzeln dieses Unrechts geführt. Erst 2016 konnte in Kooperation unter anderem mit dem Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg durch die Fachtagung „Späte Aufarbeitung – Lebenswelten und Verfolgung von LSBTTIQ-Menschen im deutschen Südwesten“ ein grundsätzlich anderer Umgang mit dieser NS-Opfergruppe eingeleitet werden.

Impuls 2: Der lange Weg bis zur Bitte um Vergebung der evangelischen Kirche in Württemberg für das Unrecht, das von ihr an gleichgeschlechtlich orientierten Menschen begangen wurde
Reinhard Brandhorst
70 Jahre nach der Befreiung vom sogenannten Dritten Reich begann der Deutsche Evangelische Kirchentag 2015 in Stuttgart mit dem „Gedenken zu Beginn“ erstmals an die Ausgrenzung und Verfolgung gleichgeschlechtlich Liebender zu erinnern. „Die Kirchen, auch unsere Württembergische Ev. Landeskirche, traten weder in der Zeit des Nationalsozialismus noch in der Nachkriegszeit eindeutig und klar für homosexuelle Menschen und gegen ihre Verfolgung und Ermordung ein. Gegen die Herabwürdigung und Verachtung von Homosexuellen durch weite Teile der christlichen Kirchen gab es im sog. Dritten Reich lediglich Einzelaktionen von wenigen Christen“, so begründete 2017 der Erstunterzeichner Dr. Harald Kretschmer den Antrag an die 15. Evangelische Landessynode in Württemberg, gleichgeschlechtlich orientierten Menschen um Vergebung zu bitten. 2019 hat der damalige Bischof Dr. h. c. Frank Otfried July in einer Andacht vor der Sommersynode die Bitte um Vergebung ausgesprochen. Zu Beginn des Vortrags wird ein kurzer Videoausschnitt der Vergebungsbitte gezeigt.
Reinhard Brandhorst, seit 1972 engagiert in schwulen Emanzipationsgruppen, vernetzt mit dem Bündnis Kirche und Queer (BKQ) und verheiratet mit Jürgen Klotz, wird aus seiner persönlichen Sicht berichten, wie er den Weg bis zur Vergebungsbitte erlebt hat und was er sich heute von Kirche und Gesellschaft in Bezug auf die Aufarbeitung des genannten Unrechts wünscht.

Impuls 3: Die Kirche und der §175 StGB nach 1945
Dr. Julia Noah Munier und Karl-Heinz Steinle
In der Bundesrepublik Deutschland war noch bis Ende der 1960er Jahre jede Form von männlicher Homosexualität kriminalisiert. Trotz Kritik hielt die Politik am vom Nationalsozialismus übernommenen §175 StGB fest. Das insgesamt restriktive Sexualstrafrecht der Bundesrepublik hatte Auswirkungen auf die Lebenswelten Vieler – betroffen waren homo- und bisexuelle Männer wie Frauen, Personen, die geschlechtlichen Minderheiten zugehörten und selbst Heterosexuelle, die kein der Norm entsprechendes Beziehungs- und Liebesleben führten. Diese reformfeindliche Haltung der Politik war mitunter bestimmt und fundiert durch den politischen Einfluss der beiden christlichen Kirchen. In ihrem gemeinsamen Vortrag vermitteln Julia Noah Munier und Karl-Heinz Steinle einen Eindruck vom restriktiven Einfluss der Kirchen auf die Lebenswelten von homo- und bisexuellen Männern in Baden-Württemberg in den ersten Nachkriegsjahrzehnten. Sie beleuchten durchaus ambivalente Anerkennungsbemühungen und stellen kirchliche Institutionen und Akteur*innen vor, die Liberalisierungsdebatten mitanstießen.

Impuls 4: Wie der „Nie-wieder“-Auftrag besonders beim Thema religiös begründeter Abwertungen queerer Menschen Jugendliche aus muslimisch/migrantisch geprägten Familien erreichen kann
Olcay Miyanyedi
Den drei abrahamitischen Weltreligionen, – Judentum, Christentum und Islam –, liegen in großen Teilen die ca. 5000 Jahre alten fünf Bücher Moses zugrunde. Insbesondere nach der „Schöpfungsgeschichte“, die sich um Adam und Eva dreht, hätte Gott den Menschen zuerst als Mann und danach als Frau und beide ausschließlich heterosexuell angelegt. Gleichgeschlechtliche Empfindungen seien eine Abweichung einer gottgewollten Norm. Diese Aussagen, die nicht als Gottes Worte, sondern heute als historisches Produkt einer zeitgebundenen Interpretation der heiligen Schriften gewertet werden, sind nicht nur (religions-)wissenschaftlich längst überholt, sondern nach wie vor auch diskriminierend und sehr verletzend. Im Vortrag wird analysiert, wie sich Machtstrukturen und struktureller Rassismus in Deutschland auf muslimische und migrantische Jugendliche auswirken und dazu beitragen können, eine feindselige Haltung gegenüber queeren Personen sowie menschenverachtende Ideologien zu fördern. Es wird der Frage nachgegangen, wie dem in der Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit entgegengewirkt werden kann.

Hintergrundinformationen zu den Vergebungserklärungen der christlichen Kirchen und zur Rolle von Bibel- und Korantexten für die Ausgrenzung und Unterdrückung queerer Menschen

Bild rechts: Joachim Stein († 5.2.2023), Vorstand der Weissenburg LSBTIQA+-Zentrum Stuttgart, setzt sich in seiner Rede beim Deutscher Evangelischer Kirchentag Stuttgart in 2015 für die Aufarbeitung des NS-Unrechts an queeren Menschen und der konkreten Rolle der Landeskirche ein.

Gedenktafel zum NS-Terror der Kripoleitstelle Stuttgart erinnert nun auch an Angehörige sexueller Minderheiten

„Totgeschlagen – Totgeschwiegen“ lautet der Text auf der Gedenktafel für die Rosa-Winkel-Häftlinge in der Gedenkstätte des KZ Dachau. Jenes KZ bei München, das in der Richtlinie vom 4. April 1937 zum Erlass “Vorbeugende Verbrechensbekämpfung durch die Polizei” als Einweisungsort für homosexuelle Männer aus den Bezirken der Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart, auch „Büchsenschmiere“ genannt, bestimmt wurde.

„Totgeschlagen – totgeschwiegen“ – unter dieser Devise haben homosexuelle Selbstorganisationen in Stuttgart sich seit Jahrzehnten dafür eingesetzt, dass das Leid der homosexuellen NS-Opfer wahrgenommen und anerkannt wird. Wir danken insbesondere Monika Renninger, der Leiterin des Hospitalhofs, die die gewünschte Überarbeitung der Gedenktafel zum NS-Terror der Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart im heutigen Hospitalviertel umgesetzt hat. Der Text heißt nun:

„Im Gebäude des Stuttgarter Dominikanerklosters und späteren städtischen Hospitals waren von 1895 bis 1945 die Polizei und das Polizeigefängnis untergebracht. In der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945 wurden hier Menschen gequält und gedemütigt.

Wir gedenken aller, die aus politischen, religiösen und anderen Gründen verfolgt, entrechtet, deportiert und ermordet wurden – Jüdinnen und Juden, Sinti:ze und Roma:nja, Angehörige sexueller Minderheiten, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Oppostionelle.“

Großer Zuständigkeitsbereich und Bedeutung der Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart

Eine wichtige Erkenntnis bei der Aufarbeitung des NS-Unrechts an queeren Menschen von unserem Projekt „Der-Liebe-wegen.org“ war die Größe des Zuständigkeitsbereichs, den die Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart hatte und das Ausmaß, wie zentral sie in die Verbrechen der NS-Diktatur an homosexuellen Männer verwickelt war. Im Unterschied zur Geheimen Staatspolizei von Württemberg und Hohenzollern im Hotel Silber war die „Büchsenschmiere“ übergeordnet den Kriminalpolizeistellen Stuttgart (einschließlich Sigmaringen), Karlsruhe, Kaiserslautern und Saarbrücken. Mit der Anordnung von Himmler, Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei, vom 12. Juli 1940, “in Zukunft alle Homosexuellen, die mehr als einen Partner verführt haben, nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis in polizeiliche Vorbeugungshaft zu nehmen”, nahm die Zahl der wegen des Vorwurfs der Homosexualität erfolgten KZ-Einweisungen aus Baden und Württemberg kontinuierlich zu. 73 Männer mit Bezug zum heutigen Baden-Württemberg haben die KZ-Haft nicht überlebt (siehe https://der-liebe-wegen.org/1933-1945/#kapitel5 )

Peter Poguntke, Andreas Keller und Monika Renninger haben in ihrem Buch „Die ‚Büchsenschmiere‘ im Hospitalviertel – Ein vergessenes Kapitel in der Stuttgarter Stadtgeschichte“ die Verbrechen dieser Kriminalpolizeileitstelle sichtbar gemacht. Das Buch ist im Evangelischen Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart erhältlich. Im Beitrag „Stuttgart hat einen bedeutenden neuen Erinnerungsort“ in der Stuttgarter Zeitung / Nachrichten (27.6.2024) schreibt Jan Sellner über die Ausstellungsvernissage am 25. Juni 2024:

„Isabel Fezer, wie auch die Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft, Barbara Traub, und die evangelische Prälatin Gabriele Arnold, äußerten in Redebeiträgen ihr Erstaunen darüber, dass die Geschichte des weitläufigen Polizeikomplexes in der Öffentlichkeit bisher kaum bekannt war – speziell die Zeit während des Nationalsozialismus, als hier Juden, Oppositionelle, Homosexuelle, Zwangsarbeiter sowie Sinti und Roma einsaßen und erniedrigt wurden. (…)

Bis heute halte sich die Legende, dass sich die Kripo in der NS-Zeit auf hoheitliche Polizeiaufgaben beschränkt habe. In Wirklichkeit hätten beide eng zusammengearbeitet: „Gestapo und die Kripo jener Zeit sind nicht gleich, aber vergleichbar.“ Hier gelte es noch viel aufzuarbeiten. (…)

Tim Müller, Wissenschaftlicher Leiter beim Landesverband der Sinti und Roma, nannte die Kripo in der damaligen Zeit „Vollstrecker der Terrors“: „Wer in den Tod ging, das wurde auch hier entschieden.“ Gleichzeitig erinnerte er an die „Kontinuität des Antiziganismus“. (…)

Ralf Bogen von der Initiative „Der Liebe wegen“ erinnerte an das Schicksal homosexueller Menschen in der „Büchsenschmiere“, die einem massiven Verfolgungsdruck ausgesetzt waren. Auch auf seine Initiative hin wurde anlässlich des zehnjährigen Bestehens des neuen Hospitalhofs eine Gedenktafel im Außenbereich erneuert und ergänzt. Nun sind dort alle Opfergruppen namentlich aufgeführt – auch die Angehörigen sexueller Minderheiten.“

25.6.2024: Ausstellungs-Vernissage „Die Büchsenschmiere im Hospitalviertel“

Der Weissenburg-Newsletter vom 3. Juni 2024 hat auf diese Ausstellung und Ausstellungs-Vernissage aufmerksam gemacht, die einen weiteren wichtigen Beitrag dazu leistet, dass in der Stuttgarter Erinnerungskultur homosexuelle NS-Opfer berücksichtigt werden, was nach 1945 Jahrzehnte lang nicht der Fall war. Wir zitieren aus dem Newsletter:

Ausstellung „Die Büchsenschmiere im Hospitalviertel“
26. Juni bis 22. August | Hospitalhof Stuttgart, Büchsenstr. 33

Ausstellungs-Vernissage am Dienstag, den 25.06.24, 19 Uhr. Grußwort von Ralf Bogen (Projekt Der-Liebe-wegen).

Zum zehnjährigen Bestehen des »neuen« Hospitalhofs erscheint das Buch »Die ›Büchsenschmiere‹ im Hospitalviertel. Ein vergessenes Kapitel in der Stuttgarter Stadtgeschichte« mit einer Darstellung der wechselvollen Geschichte dieses Ortes vom Ende des 15. Jahrhunderts bis heute:

Dominikanerkloster – Spital und Altenheim – Sitz der Polizei, ab 1961 Versammlungsort, Verwaltungszentrum und Bildungszentrum der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Stuttgart. Insbesondere wird die Periode ab 1895 beleuchtet, als für die neue Zweckbestimmung u.a. im Querflügel ein Stockwerk mit Arrestzellen hinzugefügt wurde. Hier war bis 1945 die Kriminalpolizei Stuttgart untergebracht, hier wurden Sinti und Roma, Jüd *innen, Homosexuelle, politisch und religiös Verfolgte, Zwangsarbeiter *innen inhaftiert, verhört, gedemütigt und gequält. Aus dieser Zeit rührt der Name »Büchsenschmiere«.

Einladung zur Eröffnung Weitere Informationen

Siehe auch folgenden Beitrag auf unserer Webseite:

Zum Nachdenken – IDAHOBITA* 2024

Im Rückblick auf den diesjährigen Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter-, Trans- und Asexuellen-Phobie (IDAHOBITA) 2024 veröffentlichen wir folgende Beiträge und bedanken uns bei den Autorinnen : „Zum Nachdenken – IDAHOBITA 2024“ von Danielle Gehr, Weissenburg e.V. – Regenbogen.Refugium und „Wir brauchen die Freiheit so sehr, wie die Freiheit uns braucht“ von Marion Remmele, Mitarbeitende beim Frauenberatung- und Therapiezentrum Stuttgart.

Passend zum ersten Beitrag wollen wir auf den Artikel WARUM AM INTERNATIONALEN TAG GEGEN HOMO-, BI-, INTER-, TRANS- & ASEXUELLENFEINDLICHKEIT (IDAHOBITA*) AN FRITZ BAUER ERINNERN? hinweisen, in dem es heißt: „Wir dürfen nicht vergessen: niemand flieht freiwillig, verlässt freiwillig seine Lieben. Erinnern wir uns heute an all die queeren Menschen, die in den Jahren 1933 bis 1945 vor Nazi-Deutschland oftmals von heute auf morgen fliehen mussten und im Exil Heimweh nach ihren Eltern, nach ihren Geschwistern, ihren Freunden und ihrer vertrauten Umgebung hatten. Vergessen wir heute nicht, wie wichtig es für die Geflüchteten damals war, dass ihnen in anderen Ländern geholfen wurde, dass sie Schutz und Sicherheit gefunden haben.“


Zum Nachdenken – IDAHOBITA* 2024

Artikel 1 des Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Am 14. Dezember 2023 betreten vier Polizeibeamtinnen und -beamte um 3:10 in Stuttgart das Zimmer eines geflüchteten lesbischen Paares. Zwei zusätzliche Kräfte positionieren sich vor der Türe. Beide Frauen schlafen. Die Beamtinnen und Beamten rufen den Namen einer der Frauen und erklären, dass sie nun diese, und nur diese abschieben werden. Die betroffene Frau, sie wiegt 51 kg, gerät in Panik, da sie ihre Partnerin verlassen soll. Da sie psychisch nicht in der Lage ist einen Koffer zu packen, werden von einer Beamtin einige Kleidungsstücke aus dem Schrank in einen Rucksack gepackt. Ohne Jacke verlässt sie das Haus und wird im Winter nach Finnland abgeschoben.

Artikel 1 des Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Im März 2024 betreten 4 Polizeibeamtinnen und – beamte um 3 Uhr morgens eine Unterkunft für Geflüchtete in Stuttgart. Sie klopfen an fast allen 50 Türen an und wecken dabei etwa 70 Menschen. Sie suchen eine Mutter mit ihren drei 12, 16 und 18jährigen Töchtern. Sie finden sie schließlich und schieben sie nach Belgien ab. Die Tante räumte 3 Tage später alles zusammen, was an Eigentum nicht in 4 Rucksäcke oder Taschen gepasst hat und schickt es auf eigene Kosten nach.

Artikel 1 des Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Eine lesbische Frau im November 2023 an der bosnisch – kroatischen Grenze:

„Etwa 9-10 kroatische Polizisten mit schwarzen Uniformen und Skimasken fesseln uns. Wir sind 30 Personen, davon die Hälfte Kinder. Sie schlagen uns mit Metallstöcken und Pistolengriffen. Sie schießen in die Luft. Sie machen Fotos mit ihren Handys, singen, lachen und machen sich über uns lustig. Dann schütten sie die Kekse, Fruchtsäfte und Säfte, die wir für die Kinder dabei haben auf uns. Sie nehmen alle unsere Habseligkeiten und Handys mit und lassen uns zurück.“

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 11.05.2023: 
In Kroatien besteht grundsätzlich weder für nicht vulnerable, noch für vulnerable Dublin-Rückkehrende die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, auch nicht im Hinblick auf Push-Backs oder Kettenabschiebungen.

Verwaltungsgericht Sigmaringen, Beschluss vom 13.11.2023:
Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass systemische Mängel im kroatischen Asylsystem bestehen und dem Antragsteller auch als Dublin-Rückkehrer eine Kettenabschiebung nach Bosnien drohen könnte.

Welche „geltenden Verfahrensweisen“ gibt es bei abschiebenden Poizeirevieren nicht oder sind nicht bekannt, die es erlauben eine 51 kg „schwere“ Frau ohne Jacke, nur mit Ersatzkleidung, die in einen Handrucksack passt, mitten im Winter nach Finnland abzuschieben.  

Was hindert das zuständige Polizeirevier vor einer Abschiebung morgens um 3 Uhr durch einen einzigen Anruf bei den Zuständigen im Sozialamt die betreffende Zimmernummer der abzuschiebenden Personen zu klären.

Ich hoffe für jeden Geflüchteten, dass dieser einen Koffer besitzt und diesen dann auch packen kann. Und ich möchte Jeden anregen, sich einmal Gedanken darüber zu machen, was sich an eigenem Notwendigen in einen Koffer und einen Rucksack Leben packen lässt – morgens um 3, innerhalb einer knappen Stunde!

Mit welchen Rechten lässt es sich vereinbaren, dass Menschen, die Gewalt und Folter in Kroatien erleben mussten, dorthin „zurücküberstellt“ werden? Obwohl ausreichend Tatsachen bekannt sind, dass dort nach wie vor schwere humanitäre Mängel gegenüber Geflüchteten vorliegen.

Welche Haltung hat sich auf Grundlage politischer und medialer Diskussionen gegenüber geflüchteten Menschen gebildet, dass diese als Menschen nicht mehr wertgeschätzt werden? Dass über Sachverhalte diskutiert wird, ohne die Darstellung aller Gesichtspunkte?

So geht man nicht mit Menschen um!
So geht man niemals mit Menschen um!
Denn: Die Würde des Menschen ist unantastbar!

Danielle Gehr, Weissenburg e.V. – Regenbogen.Refugium

Wir brauchen die Freiheit so sehr, wie die Freiheit uns braucht!
Rede zum IDAHOBITA* 2024

Heute wird weltweit der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Trans- und Interphobie (IDAHOBITA*) gefeiert. Dieser Tag markiert einen bedeutenden Meilenstein im Kampf für die Rechte und die Anerkennung von queeren Personen weltweit.

In Deutschland ist diese rechtliche Gleichstellung von queeren Menschen in den letzten Jahrzehnten deutlich vorangekommen. Die Ehe für Alle, das neue Selbstbestimmungsgesetz und weitere Maßnahmen verbessern die Lage für lesbische, bisexuelle, schwule, trans* und intergeschlechtliche Menschen.

Gleichzeitig findet jedoch in Deutschland, in Europa und auch international eine dramatische Verschiebung der Politik und Gesellschaft ins Rechtspopulistische  und Autoritäre statt. Für queere Menschen bedeutet das, dass ihre Rechte in vielen Staaten eingeschränkt werden, die Gewalt und Verfolgung steigt. Dies zeigen die Beispiele aus Russland, aus Italien, aus Ungarn.

Und die größere Sichtbarkeit von queeren Menschen in Deutschland bedeutet auch hier nicht mehr Sicherheit – im Gegenteil. Laut verschiedener Quellen nimmt die Gewalt gegen queere Menschen auch bei uns deutlich zu.

Wenn aber vor jedem verliebten Blick, vor einer Umarmung, vor einem Kuss im öffentlichen Raum zuerst die Umgebung gecheckt werden muss, ist das eine erhebliche Einschränkung von Freiheit.

Wenn eine Person wegen ihres Soseins, wegen ihrer Identität beleidigt, diskriminiert und mit Gewalt bedroht wird, ist das eine erhebliche Einschränkung von Freiheit für alle Menschen in diesem Staat.

Ich möchte neben unseren Rechten deshalb heute auch über unsere Pflichten sprechen. Denn es zeigt sich deutlich:

  1. Freiheit ist nicht nur ein Recht, das uns geschenkt ist, sie ist verbunden mit der Pflicht, uns für diese Freiheit einzusetzen
  2. Demokratie gibt es nicht umsonst, es ist unsere Pflicht sie gegen Missbrauch zu schützen
  3. Menschenrechte sind nicht automatisch vorhanden, es ist unsere Pflicht, sie als Maßstab unseres Handelns zu sehen
  4. Menschenrechte gelten nicht automatisch für alle – sie leben dann, wenn wir uns der Solidarität und unserer universalistischen ethischen Grundsätze verpflichtet sehen

Wieso meine ich das?

Solidarität kann nicht wegsehen, wenn eine Person wegen ihrer Identität verfolgt, beleidigt oder diskriminiert werden soll und ich muss keine Verbündete der Person sein, ich muss sie nicht einmal mögen, um gegen diese Ungerechtigkeit einzuschreiten. Wenn ich an die Menschenrechte für alle glaube, muss ich nicht Schwarz sein, um mich gegen Rassismus zu wenden, ich muss keine Frau sein, um Sexismus abstoßend zu finden und ich kann cisgeschlechtlich und heterosexuell sein und queere Rechte verteidigen. Wir alle sind gefordert, in unserer Vielstimmigkeit und in unserem Diskurs im Auge zu behalten, dass wir uns auf etwas Drittes berufen können, das uns eine Richtung vorgibt. Die Gleichheit vor dem Gesetz, soziale und Bildungsgerechtigkeit, gerechte Gesundheitsfürsorge, Meinungsfreiheit, Menschenrechte und Solidarität können uns helfen, auch für die Zukunft gemeinsam handlungsfähig zu sein. Dafür und für weitere Jahrestage zum 17. Mai, bei denen wir Fortschritte für queere Rechte weltweit konstatieren können, stehen wir heute hier. Diese Rechte werden uns nicht geschenkt, sie werden beschlossen, wenn sich viele Menschen dafür einsetzen. Nur dann verändert sich Politik. Und es gilt für uns alle – „die Rechte der Anderen sind meine Rechte, Wegsehen und sich Wegducken hilft nicht“. Zusammengefasst hat das der evangelische Theologe Martin Niemöller (1) nach dem 2. Weltkrieg für seine eigene Geschichte:

Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Gewerkschafter holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Gewerkschafter.

Als sie mich holten,
gab es keinen mehr,
der protestieren konnte.

Martin Niemöller

Mögen wir daraus lernen.

Marion Remmele, Mitarbeitende vom Frauenberatung- und Therapiezentrum Stuttgart

(1) Emil Gustav Friedrich Martin Niemöller (1892-1984) war ein deutscher evangelischer Theologe. Anfänglich stand er dem Nationalsozialismus positiv gegenüber, entwickelte seit 1938 als Häftling im Konzentrationslager Sachsenhausen allmählich zum Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. (Quelle Wikipedia)

„Lesbisches* Leben im deutschen Südwesten“

Im Rückblick auf die gut besuchte Veranstaltung „Lesbisches* Leben im deutschen Südwesten“ am 23. April 2024 im Erinnerungsort Hotel Silber veröffentlichen wir hier das Grußwort von Ute Reisner vom Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg, Themengruppe Geschichte und bedanken uns bei Ute Reisner für das zur Verfügungstellen ihrer Rede:

Liebe Anwesende aus Wissenschaft, Institutionen, Politik und Gesellschaft,

seit 2012 gibt es das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg als überparteilicher und weltanschaulich nicht gebundener Zusammenschluss von Gruppen, Vereinen und Initiativen, die sich für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt einsetzen. In der Themengruppe Geschichte des Landesnetzwerks engagieren wir uns seither dafür, dass unsere eigene vielfältige Geschichte als Lesben, Schwule, Trans*menschen und aller anderen, die nicht in das binäre Schema von Heterosexualität oder von Mann oder Frau passen, als selbstverständlicher Teil der Landesgeschichte sichtbar wird. Zu dieser Geschichte gehören nicht nur soziale Ausgrenzung, Psychopathologisierung, Repression und Verfolgung, sondern auch vielfältiges Leben und Engagement in dieser Gesellschaft, in unterschiedlichen Lebensformen, und der selbstbewusste Kampf um gleichberechtigte Teilhabe als Bürger*innen dieser demokratischen Gesellschaft.

Einige Aktive der Themengruppe Geschichte sind heute Abend anwesend:
Ralf Bogen, der am Bücherstand das Projekt Der Liebe wegen vertritt, die freie Historikerin Claudia Weinschenk, die auch ins Forschungsprojekt eingebunden ist und Eckhard Prinz von der schwul-lesbischen Geschichtswerkstatt Rhein-Neckar. Ich selbst engagiere mich seit 2018 im Netzwerk, seit ich als Zeitzeugin in einem Ausstellungsprojekt zu 50 Jahren 68er Bewegung meine eigene Biografie reflektiert habe. Ich habe in den 80er Jahren Geschichte studiert; feministische und gendertheoretische Fragestellungen habe ich außerhalb der Universität in Frauengruppen entdeckt und mich in den 90er Jahren kulturpolitisch beim lesbisch-schwulen Schrill-im-April-Festival in Karlsruhe engagiert.

Wir sind alle in den Fünfziger und Sechziger Jahren geboren und von den Emanzipationskämpfen der Frauenbewegung, des Feminismus und der Lesben- und Schwulenbewegungen der 70er und 80er Jahre unterschiedlich geprägt; wir haben selbst erlebt, wie wir als anders als die anderen – die sog. „Normalen“ – wahrgenommen wurden, wie sich dies auf unser Privatleben und auf unsere Berufsbiografien ausgewirkt hat. Wir sind also „Betroffene“, „Objekte“ der Geschichtswissenschaft und zugleich Zeitzeug*innen, Subjekte dieser Geschichte und Aktivist*innen in eigener Sache. Einige von uns sind selbst studierte Historikerinnen, die aus eigener Initiative und außerhalb von Universitäten forschen, andere haben sich aus Eigeninitiative auf Quellensuche gemacht und sich in die geschichtswissenschaftlichen Diskurse eingearbeitet.

Bis 2020 haben im Südwesten – hier in Baden-Württemberg – insbesondere Forschungen zu lesbischen Frauen nur aus Privatinitiative in der autonomen Frauenforschung und in Geschichtswerkstätten ihren Platz gehabt. Als Themengruppe konnten wir 2019 erfolgreich das Anforschungsprojekt “Alleinstehende Frauen”, “Freundinnen”, “frauenliebende Frauen” – Lesbische* Lebenswelten im deutschen Südwesten in den 1920er bis 1950er Jahren an den Universitäten Heidelberg und Freiburg auf den Weg bringen, dessen Ergebnisse heute Abend vorgestellt werden.

Schon 2016 initiierten die Vereine Rosa Hilfe e.V. in Freiburg und das LSBTTIQ Zentrum Weissenburg e.v. in Stuttgart das Projekt Der Liebe wegen, das seit 2017 erstmals für Baden-Württemberg online Einzelschicksale von Opfern der nationalsozialistischen Diktatur dokumentiert und von Homosexuellen, die auch noch in den 50er und 60er strafrechtlich aufgrund des § 175 drangsaliert wurden. Auch diese jahrelangen Archivrecherchen und Forschungsarbeiten sind außeruniversitär und geschichtspolitisch engagierten Aktivisten zu verdanken.

Seit 2019 forscht die Historikerin Claudia Weinschenk, ebenfalls außeruniversitär und aus Projektmitteln finanziert zur Auffindbarkeit lesbischer Frauen in Psychiatrien im Nationalsozialismus in Baden-Württemberg und leistete mit ihren Archivrecherchen wichtige Vorarbeiten zum universitären Forschungsprojekt an den Universitäten Heidelberg und Freiburg.

Andere engagieren sich für die Sicherung von Quellen in sog. Bewegungsarchiven, wo Akteurinnen der Frauen- und Lesbenbewegung seit den 70er/80er Jahren selbst für die Dokumentation ihrer eigenen Geschichte sorgen, so wie im Bildungszentrum und Archiv zur Frauengeschichte Baden-Württembergs in Tübingen, deren Vertreterin Petra Krüger heute an der Podiumsdiskussion leider nicht teilnehmen kann. In staatlichen, kommunalen und Landesarchiven gehören diese Quellen zum freiwilligen Sammlungsgut, nicht zur Pflichtaufgabe der Dokumentation staatlichen Handelns. Was nicht archiviert und gesammelt wird, kann für die Forschung nicht genutzt werden, schafft also Lücken in der Geschichtswissenschaft: macht Ausgegrenzte, aus der „Norm“ fallende Minderheiten nur als Opfer oder aus der Perspektive staatlichen Handelns sichtbar und verdrängt sie immer wieder von Neuem aus der Erinnerung und aus dem Bewusstsein als aktiver Teil dieser Gesellschaft.

Abschließend möchte ich einige Gedanken und Impulse für die Podiumsdiskussion zum Spannungsfeld von Wissenschaft und Aktivismus einbringen. Aktivismus bedeutet für uns: Betroffene stoßen als Subjekte der Geschichte Themen und Fragestellungen an, die von der etablierten Geschichtswissenschaft bisher nicht beachtet und gewürdigt wurden; sie sorgen für die Quellensicherung; sie sind selbst Quelle der Forschung; sie begleiten kritisch Forschungsarbeiten und schaffen neue Perspektiven auf schon Erforschtes und verändern damit auch die Erkenntnisse der Wissenschaft.

Wir freuen uns, dass diese Veranstaltung heute Abend hier stattfinden kann und sind gespannt auf die Präsentation und die Diskussion.

(siehe auch die Beiträge:  BOOKLET „LESBISCHE* LEBENSWELTEN IM DEUTSCHEN SÜDWESTEN“ ERSCHIENEN und FORSCHUNGSPROJEKT DER UNIVERSITÄTEN HEIDELBERG UND FREIBURG ZU LESBISCHEN LEBENSWELTEN)

Warum am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter-, Trans- & Asexuellenfeindlichkeit (IDAHOBITA*) an Fritz Bauer erinnern?

Am 17. Mai 1990 wurde Homosexualität offiziell von der Weltgesundheitsbehörde (WHO) aus der Liste von Krankheiten (ICD) gestrichen. Auch Transsexualität gilt seit 2018 nicht mehr als psychische Störung. Ursprünglich als reiner Aktionstag gegen Homofeindlichkeit (IDAHO) ins Leben gerufen, wurde der 17. Mai nach und nach um andere Gruppen aus dem queeren Spektrum erweitert, die ebenfalls Diskriminierung und zum Teil auch Gewalt erfahren. 

Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg ruft dazu auf, sich am 17. Mai 2024 an Aktionen zu beteiligen und verschiedene aktive Gruppen zu unterstützen. Unter https://netzwerk-lsbttiq.net/internationaler-tag-gegen-homophobie/ findet sich ein Überblick der Veranstaltungen in Baden-Württemberg. Wir veröffentlichen hier die Rede vom Projekt „Der-Liebe-wegen.org“ zum IDAHOBITA* 2024:

Heute, am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter-, Trans- und Asexuellenfeindlichkeit, wollen wir bei unserer Veranstaltung jene Menschen in den Mittelpunkt stellen, die von mehrfacher Diskriminierung betroffen sind. Dazu gehören queere Geflüchtete. Wir dürfen nicht vergessen: niemand flieht freiwillig, verlässt freiwillig seine Lieben. Erinnern wir uns heute an all die queeren Menschen, die in den Jahren 1933 bis 1945 vor Nazi-Deutschland oftmals von heute auf morgen fliehen mussten und im Exil Heimweh nach ihren Eltern, nach ihren Geschwistern, ihren Freunden und ihrer vertrauten Umgebung hatten. Vergessen wir heute nicht, wie wichtig es für die Geflüchteten damals war, dass ihnen in anderen Ländern geholfen wurde, dass sie Schutz und Sicherheit gefunden haben.

Einer von Ihnen war der in Stuttgart 1903 geborene und hier aufgewachsenen Jurist und Amtsrichter Fritz Bauer. 1933 hatten ihn die Nazis als Jude und Sozialdemokrat ins KZ verschleppt. Ende 1935 konnte er nach Kopenhagen fliehen. Dort wurde er als politischer Flüchtling von der Polizei vorgeladen und verhört. Der bis dato »ungekannte Ausländer«, wie es im Polizeibericht heißt, hatte nicht nur in sogenannten einschlägigen Lokalen verkehrt. Er soll gar in seiner Wohnung sexuellen Umgang mit einem Mann gehabt haben. Bauer bestritt im Verhör die polizeilich notierten Beobachtungen nicht. Er gab auch an seinem Sexualpartner für seine Dienste Geld gegeben zu haben. Bezahlter Sex unter erwachsenen Männern war auch in Dänemark strafbar. Für ihn wird es besonders entwürdigend gewesen sein, dass die Polizei darüber auch das sozialdemokratische Komitee informiert hat, das politische Flüchtlinge wie Bauer unterstützte. Gegenüber seinen dänischen Genossen sah sich Bauer veranlasst zu betonen, er werde sich fortan an die Gesetze des Landes halten. Bauers dänische Polizeiakte weist insgesamt 31 Einträge auf. Immer wieder wurde der Emigrant in den Jahren 1938 bis 1940 befragt, ob er weiterhin homosexuelle Kontakte pflege. Mehrfach musste er seine Abstinenz beteuern. Er wusste, wenn er noch einmal sich strafbar machen würde, drohte ihm die Abschiebung nach Nazideutschland. Diese Gefahr mag ihn mit dazu veranlasst haben, dass er in Dänemark eine Ehe mit einer sozialdemokratischen Genossin eingegangen ist.

Die Angst vor Abschiebung wird er sicherlich nicht so schnell vergessen haben, als er 1949 die Heimkehr nach Deutschland wagte. Es ist anzunehmen, dass Bauer weiterhin abstinent gelebt hat, wie so viele schwule Männer in dieser Zeit. Wenn sie das nicht geschafft haben, mussten sie sehr aufpassen, damit sie nicht von der Polizei oder Nachbarn erwischt wurden. Denn der §175 in der nationalsozialistischen Fassung galt bis zu seinem Tode 1968. Mit diesem Schandparagraphen wurde damals in der Adenauer-Ära Tausenden von homo- und bisexuell begehrenden Männern staatlicherseits ihrer Würde und ihrer Freiheit beraubt.

Fritz Bauer hatals Generalstaatsanwalt und Initiator der sogenannten Frankfurter Ausschwitzprozesse einen unermüdlichen Kampf um die juristische Ahndung des nationalsozialistischen Unrechts geführt. Dabei ist vielfach immer noch nicht bekannt, dass Bauer einer der ersten in der Bundesrepublik war, der gegen die Bestrafung einvernehmlicher sexueller Handlungen von erwachsenen Männern in den 50er Jahren seine Stimme erhoben hat. Er gab 1963 beispielsweise den Sammelband „Sexualität und Verbrechen“ mit heraus, der als Taschenbuch auf breite Resonanz stieß. Bereits 1952 hatte er in seiner Eigenschaft als Generalstaatsanwalt den Versuch gewagt, durch das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit des §175 StGB prüfen zu lassen. In den 50er Jahren als hoher Staatsbeamter für die Abschaffung des §175 einzutreten, war ein mutiger Tabubruch, den es nicht nur am heutigen Tag besonders zu würdigen gilt.

Völlig zu Recht ist die Empörung über ein Geheimtreffen von hochrangigen AfD-Politikern mit Neonazis groß, weil ein Plan vorgestellt und unterstützt wurde, der die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland unter dem Begriff „Remigration“ vorsieht. Weniger findet Beachtung, dass die gleichen rechtspopulistischen bis neofaschistischen Kräfte auch das geringe Fortpflanzungsverhalten jener verdammen, die zwar entsprechend ihrer genetischen Abstammung und ihres Weißseins als „deutsch“ gelten, jedoch zu wenige Kinder in die Welt setzen. An Fritz Bauer zu erinnern, bedeutet auch daran zu erinnern, dass der Rassismus immer auch eng verknüpft ist mit der Bekämpfung von Homosexualität und Schwangerschaftsabbrüchen.

Rechtspopulistische bis neofaschistische Kräfte sind in den letzten Jahren leider stärker und aggressiver geworden. Bereits 2019 zitierte die Neue Züricher Zeitung den Gründer der homo- und transfeindlichen Internetplattform CitizenGo wie folgt: „Seit den sechziger Jahren haben unsere Feinde viele Schlachten gewonnen. Doch in den letzten Jahren haben wir den Spieß umgedreht, und am Ende werden wir diesen Krieg gewinnen (…) Um den Prozess zu beschleunigen, müssen wir uns weltweit besser vernetzen und aggressiver werden. (…) Wir müssen die liberalen Politiker das Fürchten lehren!“ (Quelle: https://www.nzz.ch/international/italien-salvini-erweist-christlichen-fundamentalisten-die-ehre-ld.1471486)

Es liegt in der Verantwortung von jedem Einzelnen von uns, dass es soweit nicht kommt. Es ist unsere Verantwortung, dass wir aus 1933 die richtigen Lehren ziehen und uns heute nicht auseinanderdividieren lassen. Die Hauptgegner sind diese rechtspopulistische bis neofaschistische Kräfte, die uns den Krieg erklärt haben und jene, die sie im Hintergrund finanzieren. Wo der Hauptgegner steht, dürfen wir bei all unseren Meinungsdifferenzen und Schwierigkeiten im Umgang miteinander nicht aus dem Blick verlieren, NIE UND NIMMER!

In diesem Sinne möchte ich für das Fest gegen Rechts mit unter anderem Max Herre, Max Uthoff und Walter Sittler morgen um 14 Uhr auf dem Stuttgarter Schlossplatz sowie für die Unterstützung der Unterschriftensammlung „Ehrenbürgerschaft für Fritz Bauer!“ an die Stadt Stuttgart werben.

Um mit Bob Marley abzuschließen: Get up, stand up, Stand up for your right!
Get up, stand up, Don’t give up the fight!

23. April 2024: Einladung des Forschungsprojekt „Zwischen Unsichtbarkeit, Repression und lesbischer Emanzipation – Frauenliebende* Frauen im deutschen Südwesten 1945 bis 1980er Jahre“ in das Hotel Silber


Am 23. April 2024 lädt das Forschungsprojekt ‚Zwischen Unsichtbarkeit, Repression und lesbischer Emanzipation – Frauenliebende* Frauen im deutschen Südwesten 1945 bis 1980er Jahre‘ in das Hotel Silber nach Stuttgart ein. Wir stellen dort die Ergebnisse des Anforschungsprojektes (2021-2023) zu lesbischen Leben 1920er -1945 im deutschen Südwesten vor und geben erste Einblicke in das aktuelle Forschungsprojekt zu queerem und lesbischen Leben in der Nachkriegszeit.

Nach der Vorstellung des Forschungsprojektes und den Grußworten der Ministerin Petra Olschowski, des Gedenkortes Hotel Silber und des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg findet eine Podiumsdiskussion zum Thema ‚Lesbisch-queere Geschichte als Zeitgeschichte – Zwischen Aktivismus und Wissenschaft‘ statt. Dabei kommen Akteur*innen aus Wissenschaft, Gesellschaft und Aktivismus ins Gespräch unter anderem Petra Krüger (BAF Tübingen), Andrea Rottmann (Netzwerk Queere Zeitgeschichte) und Karl-Heinz Steinle (LSBTTIQ Baden-Württemberg). Im Zentrum der Veranstaltung steht die Frage wie queer-lesbische Geschichte sichtbar gemacht werden kann, in welchem Spannungsverhältnis Wissenschaft und Aktivismus stehen und inwieweit lesbische Geschichte als queere Zeitgeschichte gefasst werden kann.

Alle Interessierten sind zur Veranstaltung wie auch zum anschließenden Empfang herzlich eingeladen.

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V. und dem Hotel Silber/ Haus der Geschichte statt.

Datum23.04.2024, 18:00 – 21:00 Uhr 
OrtHotel Silber (https://hotel-silber.de
ProgrammGrußwort Ministerin Petra Olschowski 
Grußwort Hotel Silber 
Grußwort Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg 
Projektvorstellung: Frauenliebende* Frauen im deutschen Südwesten 
Podiumsdiskussion: Lesbisch-queere Geschichte als Zeitgeschichte
– Zwischen Aktivismus und Wissenschaft Empfang und Ausklang 
Anmeldungper Email an: veranstaltungen-hs@hdgbw.de

Mit herzlichen Grüßen

Elena Mayeres
für die Projektgruppe Frauenliebende* Frauen im deutschen Südwesten der Universitäten Heidelberg und Freiburg

(Quelle: Mail an Weissenburg e. V. vom 4. April 2024)

Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern, Steff Kunz, Prof. Dr. Karen Nolte und Leonie Kolhoff (Theater Heidelberg) bei der Veranstaltung am 3. April 2024 in Heidelberg, bei der das Booklet „LESBISCHE* LEBENSWELTEN IM DEUTSCHEN SÜDWESTEN (CA. 1920ER JAHRE – 1950ER JAHRE)“ vorgestellt wurde. Das Foto hat uns dankenswerter Weise Jutta Scholz zur Verfügung gestellt.

Siehe auch:
BOOKLET „LESBISCHE* LEBENSWELTEN IM DEUTSCHEN SÜDWESTEN (CA. 1920ER JAHRE – 1950ER JAHRE)“ ERSCHIENEN

FORSCHUNGSPROJEKT DER UNIVERSITÄTEN HEIDELBERG UND FREIBURG ZU LESBISCHEN LEBENSWELTEN ZWISCHEN 1920 UND 1970

15. April 2024: Fritz Bauer auch als ein Vorkämpfer gegen das §175-Unrecht würdigen

(aktualisiert am 06.04.2024) Am Montag, den 15. April 2024 ab 14:30 Uhr wird in der Wiederholdstraße (gegenüber von Haus Nr. 10) in Stuttgart-Nord eine Gedenkstele für Fritz Bauer eingeweiht, was wir vom Projekt „Der-Liebe-wegen.org“ sehr begrüßen und unterstützen.
Mit Bauers Namen und Wirken als Generalstaatsanwalt in Hessen von 1956 bis 1968 verbindet sich sein unermüdlicher Kampf um die juristische Ahndung des nationalsozialistischen Unrechts. Auf seinen Beitrag hin ist die Ergreifung des untergetauchten NS-Verbrechers Adolf Eichmann zurückzuführen, einer der Hauptorganisatoren des Holocausts. Bauer gilt als Initiator der sogenannten Frankfurter Auschwitzprozesse und trug maßgeblich zur positiven Neubewertung der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 bei. Vom Projekt „Der-Liebe-wegen“ setzten wir uns darüber hinaus dafür ein, dass Bauers auch als mutiger Vorkämpfer das §175-Unrecht gewürdigt wird und das nicht mehr länger tabuisiert wird, dass er selbst wegen seiner Homosexualität als Flüchtling in Dänemark seit März 1936 von Abschiebung an Nazideutschland bedroht war.

„Der Staat hat […] keinen Anspruch auf eine Regelung der Intimsphäre; es ist nicht seine Sache, den Inhalt von Eros und Sexus der einzelnen zu bestimmen.“ Fritz Bauer, 1967 Foto: Fritz Bauer Büste in Malmö, Sven Rosborn – Own work, CC BY-SA 3.0Link – siehe auch den Beitrag: Fritz Bauer – Pionier der Bewegung Artikel 3? von Christian Knuth

Mit dem Schandparagraphen 175 wurden Tausende von homo- und bisexuell begehrende Männer staatlicherseits auch nach 1945 ihrer Würde und ihrer Freiheit beraubt. Hunderte von KZ-Überlebende §175-Opfer haben nach 1945 keinerlei Rehabilitierung erlebt und keinerlei Entschädigung erhalten. Im Gegenteil: ihre Verfolgung während der Nazidiktatur wurden bei §175-Vergehen gerade auch in Baden-Württemberg und gerade auch am Stuttgarter Landgericht als strafverschärfend gewertet (siehe https://der-liebe-wegen.org/nachkriegszeit_baden-wuerttemberg_spitzenreiter_der_verfolgung/).
Bauer lehnte das geltende Sexualstrafrecht als lebensfeindlich ab und wandte sich gegen staatliche Eingriffe in die Intimsphäre. „Eros und Sexus“ hätten frei zu sein und dürften keiner staatlichen Zweckbestimmung unterliegen. Das Sexualstrafrecht habe sich Bauer zufolge auf Handlungen zu berschränken, die Kinder und Jugendliche schädigten und gewalttätig waren. Ein wichtiger Beitrag Bauers und seiner Mitstreitenden war der Sammelband „Sexualität und Verbrechen“, der als Taschenbuch 1963 große Resonanz fand. Fortwährend argumentierte er gegen die Bestrafung des homosexuellen Verkehrs einverständlich handelnder erwachsener Männer. 1952 machte er in seiner Eigenschaft als Generalstaatsanwalt den mutigen Versuch, durch das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit des §175 StGB prüfen zu lassen. Im Beitrag von Werner Renz „Wider die Kriminaliserung von Sexualität“ (veröffentlicht in dem 2023 herausgegeben Band „Verfolgung – Diskriminierung – Emanzipation“ von Michael Mayer und Michael Schwartz) heißt es unter der Zwischenüberschrift „Wider den Schwulenparagrafen“:

„Vor dem Landgericht Braunschweig hatten sich ein ’50jähriger Vertreter und ein vielfach vorbestrafter 22jähriger Arbeiter‘ zu verantworten. Bauer vertrat laut Presseberichten die Anklage in der Absicht, keinen Strafantrag zu stellen. In einer Meldung der Deutschen Presseagentur heißt es: ‚Das Schöffengericht Braunschweig lehnte einen Antrag des Generalstaatsanwaltes Bauer ab, nach dem das Verfahren ausgesetzt […] und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Rechtsgültigkeit‘ des §175 ‚herbeigeführt werden sollte‘. Und weiter: ‚Der Generalstaatsanwalt begründete seinen Antrag damit, daß der Paragraph 175 in der Fassung vom 28. Juli [sic!] 1935 nicht mit der Bundesverfassung zu vereinbaren sei, die gleiches Recht für Männer und Frauen vor dem Gesetz fordere.‘ Das Schöffengericht Braunschweig lehnte Bauers Antrag mit dem Argument ab, ’sämtliche Oberlandesgerichte hätten‘ den §175 StGB ‚in letzter Zeit als geltendes Recht anerkannt.‘
Aus London schrieb Kurt Hiller (1885-1972), schon seit der Weimarer Republik ein streitbarer Kämpfer für die Straflosigkeit von Homosexualität, einen enthusiastischen Brief an Bauer. Er hatte im Berliner ‚Tagesspiegel‘ die dpa-Meldung gelesen. Hiller rief Bauer sein ‚leidenschaftliches Bravo‘ zu und schloss mit den Worten: ‚Das Unrecht (…) überrascht mitnichten; überraschend vielmehr ist die Tatsache, dass es heute Generalstaatsanwälte I h r e r Haltung gibt. Dazu beglückwünschte ich Sie, ehrlich verehrter Mann, und dazu beglückwünsche ich unser Deutschland.‘ Hillers Brief hebt die Wichtigkeit hervor, die Bauers Antrag Anfang der 1950er Jahre beizumessen ist.“

In einer Zeit, wo die Bundesregierung eine neuerliche Asylverschärfung durch Einstufung als sichere Herkunftsstaaten von Ländern mit massiver LSBTIQ*-Verfolgung plant, wird bis heute teilweise immer noch tabuisiert, dass Fritz Bauer selbst als Flüchtling in Dänemark ab März 1936 von einer Auslieferung an Nazideutschland wegen seiner eigenen homosexuellen Kontakte bedroht war. Im bereits 2017 erschienenen Beitrag von Werner Renz „Wider die Sittenwächter: Fritz Bauers Kritik am überkommenen Sexualstrafrecht der 1950er und 1960er Jahre“ wird die gefährliche Situation vieler homosexueller Geflüchteter aus Nazideutschland am Beispiel von Fritz Bauers Leben deutlich:

„Verfolgung wegen Homosexualität hat Bauer am eigenen Leib erfahren. Kaum war er im März 1936 legal nach Dänemark gereist und im Glauben, frei von Nachstellungen und Gestapowillkür zu sein, wurde der politische Flüchtling von der Kopenhagener Polizei vorgeladen und verhört. (…) Der bis dato »ungekannte Ausländer«, wie es im Polizeibericht heißt, hatte in polizeibekannten Lokalen verkehrt und in seiner Wohnung sexuellen Umgang mit einem Mann gehabt. Bauer bestritt im Verhör die polizeilich notierten Beobachtungen nicht und gab auch an, wohl wissend, dass bezahlter Sex unter erwachsenen Männern auch in Dänemark strafbar war, seinem Sexualpartner für seine Dienste Geld gegeben zu haben. (…) Wie entwürdigend die Lage gleichwohl für ihn gewesen ist, zeigt die Tatsache, dass das sozialdemokratische Komitee, das politische Flüchtlinge wie Bauer unterstützte, von der Polizei informiert wurde. Gegenüber seinen offenbar beschränkten dänischen Genossen sah sich Bauer veranlasst (…) zu betonen, er werde sich fortan an die Gesetze des Landes halten. Bauers dänische Polizeiakte weist insgesamt 31 Einträge auf. Immer wieder wurde der Emigrant befragt, ob er weiterhin homosexuelle Kontakte pflege. Der zweifelsfrei gefährdete Bauer, dem eine Abschiebung nach Deutschland drohte, stellte seine Kontakte mutmaßlich ein. In den Jahren 1938 bis 1940 wiederholt von der Polizei auf den Sachverhalt angesprochen, beteuerte er seine Abstinenz.

Der Autor des Beitrags, Werner Renz, war seit der Gründung des Fritz Bauer Instituts im Jahr 1995 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts und Leiter des Archivs und der Bibliothek. Die Initiative Queer Nations hat anlässlich des 50. Todestags von Fritz Bauer Werner Renz Beitrag „Wider die Sittenwächter: Fritz Bauers Kritik am überkommenen Sexualstrafrecht der 1950er und 1960er Jahre“ als kostenlosen Download im Internet veröffentlicht (siehe hierzu auch das Jahrbuch Sexualitäten 2017). Der Beitrag ist eine würdevolle Aufarbeitung dieser oftmals totgeschwiegenen Seite des Nazi-Jägers Fritz Bauer und sehr lesenswert: HIER PDF DOWNLOADEN.

Im Beitrag „Fritz Bauer – Jurist, Jude, Remigrant und Generalstaatsanwalt“ von Karl-Heinz Steinle und Barbara Kettnaker im 2021 veröffentlichten Ausstellungskatalog „Queer durch Tübingen: Geschichten vom Leben, Lieben und Kämpfen“ heißt es:

„1936 folgte Fritz Bauer seiner Schwester Margot und ihrem Mann ins Exil nach Dänemark. Dort ging er im Juni 1943 mit der Kindergärtnerin und Genossin Anna Maria Petersen (1903-2002) eine Schutzheirat ein. Ob er dies tat, weil er in Gefahr stand, als Ausländer ausgewiesen zu werden, oder ob er damit den Verdacht der dänischen Fremdenpolizei, er pflege Umgang mit männlichen Prostituierten aus dem Weg räumen wollte, ist nicht bekannt. (…) Auch seine Homosexualität lebte Fritz Bauer nicht offen aus. (…) Bauers Zurückgezogenheit hatte sicherlich auch taktische Gründe. So vermied er nicht nur den Vorwurf, nur aus eigener Betroffenheit zu handeln, er schützte sich auch vor Erpressungen. Denn während Bauers gesamter Zeit als Landesgerichtsdirektor und Generalstaatsanwalt waren alle homosexuellen Handlungen noch unter Strafe gestellt.“

Unser Projekt „Der-Liebe-wegen“ (www.der-liebe-wegen.org) unterstützt die Unterschriftenliste „Ehrenbürgerschaft für Fritz Bauer“ an die Stadt Stuttgart (1) und begrüßt es, dass die Stadt Stuttgart eine Gedenkstele für Fritz Bauer am 15. April 2024 einweihen wird. So heißt es in einer Mail vom Team der Koordinierungsstelle Erinnerungskultur Stuttgart vom 2. April 2024: „Am 15. April weihen wir in Stuttgart-Nord eine Gedenkstele für Fritz Bauer ein. Der engagierte Streiter für die Aufarbeitung der NS-Verbrechen ist 1903 in Stuttgart geboren und verbrachte auch seine Kindheit und Jugend sowie seine ersten Berufsjahre hier. Dennoch ist Bauer im Stuttgarter Stadtbild bisher kaum präsent, was sich nun ändern soll. Die Einweihung der Stele findet am Montag, den 15. April ab 14:30 Uhr in der Wiederholdstraße (gegenüber von Haus Nr. 10) statt. Nach einem Grußwort des Ersten Bürgermeisters Fabian Mayer spricht Dr. Katharina Rauschenberger vom Frankfurter Fritz-Bauer-Institut. Außerdem gibt es einen Beitrag von Schüler*innen des „Ebelu“ (Eberhard-Ludwig-Gymnasium).“

Ralf Bogen

(1) Unterschriftenliste „Ehrenbürgerschaft für Fritz Bauer!“

2) Veranstaltung „120 Jahre Fritz Bauer – Antifaschist und streitbarer Demokrat aus Stuttgart“
Unser Projekt „Der-Liebe-wegen“ möchte auf die Veranstaltung „120 Jahre Fritz Bauer – Antifaschist und streitbarer Demokrat aus Stuttgart“ mit Vortrag von Dr. Katharina Rauschenberger (Fritz Bauer Institut, Frankfurt/Main) am 18. November 2023 um 18 Uhr im Forum 3 Theater, Gymnasiumstraße 21 in Stuttgart aufmerksam machen (siehe detaillierte Informationen hierzu auf dieser Webseite weiter unten sowie auch die Webseite der DGB-Region Stuttgart).

14. APRIL 2024: AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG „OPFER DER NS-MILITÄRJUSTIZ – HINRICHTUNGEN AUF DER DORNHALDE“

In der Geschichtswerkstatt Degerloch, Große Falterstraße 4, wird am Sonntag, den 14. April 2024 um 11 Uhr die Ausstellung „Opfer der NS-Militärjusitz – Hinrichtungen auf der Dornhalde“ eröffnet, die über die Lebensgeschichte einiger der bislang bekannten 31 Opfer berichtet.
Friedhofsführungen (Dauer ca. zwei Stunden) werden am 12. Mai 2024 und am 13. Juli 2024, jeweils um 11 Uhr, angeboten. Start ist am Haupteingang Dornhaldenfriedhof. Von dort geht es zur Stelle, wo der Maschinengewehr-Schießstand war, und dann weiter zum Waldfriedhof, wo 18 der Hinrichtungsopfer beerdigt sind.

Einer der Hingerichteten war der Schutzpolizist Josef Martus, der 1942 wegen seiner Homosexualität zum Tod verurteilt und auf der Dornhalde deswegen erschossen wurde. In 2017 hatten wir auf unserer digitalen Gedenkkarte über das Schicksal von Martus berichtet (siehe https://der-liebe-wegen.org/?profil=josef-martus). Zum damaligen Zeitpunkt war uns der Ort seiner Hinrichtung nicht bekannt. Dr. Betram Maurer, der Ansprechpartner der Ausstellung, hat hier weiter recherchiert und wichtige Dokumente aufgefunden, die nun in der Ausstellung gezeigt werden.

Die Ausstellung ist jeweils Sonntags von 11 bis 17 Uhr bis zum 28. Juli 2024 geöffnet. Mitveranstalter*innen der Ausstellung sind die Initiative Lern- und Gedenkort „Hotel Silber“ e. V. und Die AnStifter.

3. April 2024: Booklet „Lesbische* Lebenswelten im deutschen Südwesten (ca. 1920er Jahre – 1950er Jahre)“ erschienen

Lesbische Lebenswelten in der Weimarer Republik und zur Zeit des Nationalsozialismus sind Thema einer Booklet-Vorstellung, zu der Wissenschaftlerinnen der Universität Heidelberg einladen. Sie präsentieren Ergebnisse aus einem zweijährigen Forschungsprojekt, das an den Universitäten Heidelberg und Freiburg angesiedelt war. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob und wie es zwischen den 1920er Jahren und 1945 gelingen konnte, innerhalb der von Politik, Recht, Gesellschaft und Wissenschaft gesetzten Normen nicht-normative Lebensentwürfe zu realisieren, und welche Auswirkungen Verfolgungen und Ausgrenzung in der Nachkriegszeit hatten. Die Veranstaltung, die Teil des Festivals „OPEN DYKES“ ist, findet am 3. April 2024 im Interkulturellen Zentrum Heidelberg statt. 

Anliegen des Forschungsprojekts war es, lesbische Lebenswelten zur Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus aus interdisziplinärer Perspektive zu erforschen. In Teilprojekten widmete sich das Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern und Prof. Dr. Karen Nolte (Heidelberg) sowie Prof. Dr. Sylvia Paletschek (Freiburg) lesbischen Kulturräumen und Netzwerken, medizinischen Diskursen sowie rechtlichen Rahmenbedingungen. Das Projekt wurde vom baden-württembergischen Wissenschaftsministerium gefördert. Mit dem neu erschienenen Booklet „Lesbische* Lebenswelten im deutschen Südwesten (ca. 1920er Jahre – 1950er Jahre)“, das die zentralen Ergebnisse des Projekts zusammenfasst, wollen die Wissenschaftlerinnen ihre Forschung einem interessierten Publikum zugänglich machen. 

„Die Lebensgeschichten lesbischer Frauen sollten nicht allein in einer Geschichte der Diskriminierung und Verfolgung aufgehen. In ihrer Lebenssituation bündeln sich vielmehr wie unter einem Brennglas zentrale Aspekte und Strukturen der Lebensgestaltung von Menschen, die einer gesellschaftliche Minderheit zugerechnet werden, und des gesellschaftlichen Umgangs der Zeit mit Vielfalt“, betont Prof. Patzel-Mattern. Das Booklet gibt es in Printform; es ist außerdem als digitale Version online abrufbar. Ein inzwischen gestartetes Folgevorhaben, ebenfalls in Heidelberg und Freiburg angesiedelt, befasst sich mit lesbischem Leben in der Nachkriegszeit bis in die 1980er Jahre. (…)

Die Booklet-Vorstellung am 3. April findet im Interkulturellen Zentrum Heidelberg, Bergheimer Straße 147, statt und beginnt um 19 Uhr. Referentinnen sind Prof. Patzel-Mattern, Historisches Seminar der Universität Heidelberg, Muriel Lorenz, Historisches Seminar der Universität Freiburg, sowie Prof. Karen Nolte und Steff Kunz vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität Heidelberg.

(Quelle: https://www.uni-heidelberg.de/de/newsroom/booklet-vorstellung-lesbische-lebenswelten-in-der-weimarer-republik-und-der-ns-zeit und https://lesbenwelt.hypotheses.org/2530)

Zum open Access geht es hier.

8.3.2024: Lesbische Frauen in Deutschland – Ignoriert, pathologisiert, akzeptiert

Zum heutigen internationalen Frauentag ist in der Reihe swr2 Wissen ein brisanter und empfehlenswerter Beitrag unter dem Titel „Lesbische Frauen in Deutschland – Ignoriert, pathologisiert, akzeptiert“ von Fides Schopp veröffentlicht worden. Erst seit einigen Jahren werden lesbische Frauen als solche wahrgenommen, obgleich schon für viele Jahrhunderte belegt ist, dass „ein Teil der Bevölkerung gleichgeschlechtlich liebte, ein Teil der Bevölkerung überhaupt nicht in dem Geschlecht liebte was ihm zugewiesen war“, wie die Historikerin Kirsten Plötz im 29minütigen Beitrag berichtet. Erst seit den 1970ern bezeichnen sich frauenliebende Frauen als Lesben. Es wird die geschichtliche Entwicklung beschrieben, unter anderem Besonderheiten während der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur, in der DDR, die Frauen- und Lesbenbewegung in den 70er Jahren bis zur Situation lesbischer Frauen heute. In der Mediathek kann der Beitrag hier angehört werden: https://www.swr.de/swr2/wissen/lesbische-frauen-in-deutschland-ignoriert-pathologisiert-akzeptiert-104.html (Foto „Lesben in der GEW“ vom CSD in Stuttgart in 2007).

Die iranische LGBT*-Aktivistin Sareh bittet um Unterstützung: „Letzte Chance, meine Familie zu retten“

Vom Projekt „Der-Liebe-wegen“ hatten wir uns an der internationalen Kampagne zur Freilassung der LGBT*-Aktivistin Sareh (Zahra Sedighi Hamedani) beteiligt. Sie war von einem Todesurteil im Iran bedroht. In unserem Newsletter Nr. 1 / 2024 konnten wir eine Nachricht von Shadi Amin, Sprecherin von 6Rang, „der queeren Stimme des Irans“ veröffentlichen: Es war nicht nur gelungen, zu erreichen, dass das Todesurteil nicht vollstreckt und sie gegen Kaution aus dem Gefängnis entlassen wurde. Mittlerweile ist sie mit ihren Kindern wohlbehalten in einem sicheren Land angekommen.
Mitte Februar folgende Bitte von Sareh erreicht: siehe die Spendensammlung unter: https://action.allout.org/en/q/129513f1/

Ich bin Sareh, eine 32-jährige iranische lesbische Mutter von zwei Kindern im Alter von 14 und 11 Jahren. Ich habe kürzlich ein dunkles Kapitel in meinem Leben hinter mir, und einige von Ihnen kennen vielleicht meine Geschichte.

Vor etwa drei Jahren sprach ich mit BBC Persian in Kurdistan, Irak, und beleuchtete die Herausforderungen, denen man als lesbische Frau gegenübersteht, und die Diskriminierung der LGBT+-Gemeinschaft.
Dafür wurde ich 21 Tage lang im Irak festgehalten und gefoltert. Nachdem ich eine Kaution hinterlegt hatte, um meine vorläufige Freilassung zu sichern, versuchte ich, aus Kurdistan zu fliehen, um in der Türkei Zuflucht zu suchen. Leider wurde ich an der iranisch-türkischen Grenze von den Revolutionsgarden festgenommen und in ein Gefängnis in Urmia im Iran verlegt .
Dort wurde ich zum Tode verurteilt . Durch unermüdliche Bemühungen und das wirkungsvolle Eingreifen globaler Menschenrechtsorganisationen wurde ich vom Tod verschont und schließlich freigelassen.
Nach meiner Entlassung aus dem Gefängnis floh ich aus dem Iran, um mich und meine Kinder in ein sicheres Land zu bringen, und ließ den Rest meiner Familie mit einer Kautionsschuld von 40.000 Euro zurück. Der Betrag der Kaution wurde aufgrund der weltweiten Kampagne zur Aufhebung meines Todesurteils und meiner anschließenden Freilassung so hoch angesetzt .
Jetzt versucht die Islamische Republik, meine Familie obdachlos zu machen, indem sie das Haus unserer Familie im Iran beschlagnahmt, um die Kaution zurückzufordern. Sie versuchen, diese Kaution als Instrument zu nutzen, um mich und meine Familie zum Schweigen zu bringen.

Helfen Sie mir, genug Geld zu sammeln, um meine Mutter im Iran zu schützen.

Wenn ich die Kaution nicht innerhalb der nächsten drei Wochen bezahle, wird meine Mutter auf die Straße gesetzt und muss endlos für den Schutz meiner Freiheit und des Rechts auf Leben bezahlen.
Ich verdanke mein Leben Menschen wie Ihnen, die durch Ihre Bemühungen und die weltweite Verstärkung meiner Stimme meine Hinrichtung verhindert haben und es mir und meinen Kindern ermöglicht haben, wieder zusammenzuleben. Heute möchte ich Ihnen noch einmal für Ihre Unterstützung bei der Rettung meiner Familie danken.
Ich spreche jedem von Ihnen meinen tief empfundenen Dank aus und wünsche mir aufrichtig, dass niemand auf der Welt inhaftiert oder getötet wird, weil er einfach so ist, wie er ist, oder seine Rechte ausübt. Ich werde weiterhin das Bewusstsein schärfen und meine Geschichte teilen, in der Hoffnung, dass ich andere retten kann.

Zur von ihr erstellten Spendensammlung

27. Januar 2024: Nie wieder ist jetzt – zum Gedenktag für die Opfer der NS-Diktatur

Am Stolperstein für Käthe Loewenthal haben wir heute an sie und an die vielen Menschen erinnert, die von der NS-Diktatur zwischen 1933 und 1945 verfolgt und ermordet wurden. Etwa 100 Menschen waren der Einladung von Weissenburg, der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber, der Abteilung für Chancengleichheit der Stadt Stuttgart und von unserem Projekt „Der-Liebe-wegen“ gefolgt. Wir veröffentlichen hier Auszüge der Reden der Veranstaltung:

Philine Pastenaci, Regisseurin (Foto links), über das Leben und die Liebe von Käthe Loewenthal:

Käthe Loewenthal

Tochter, Schwester, Freundin, Jüdin, Christin, Gläubige, Schülerin, Trauernde, Schaffende, Lernende, Studentin, Künstlerin, Malerin, Mitglied im Malerinnenverein, Geliebte, Reisende, Konservative, Feministin, Kämpferin, Freigeist, Pflegerin, Berlinerin, Bernerin, Münchnerin, Stuttgarterin, Opfer des Holocaust, der Shoah. Sie wurde 64, fast doppelt so alt wie ich jetzt bin. (…)

Käthe Löwenthal. Kätchen Frieda Rosa. Tochter von Clara und Wilhelm. 1878 in Berlin geboren. (…) Bis 1886 bekommt die kleine Käthe 4 Schwestern. Gertrud, Agnes, Hedwig und Susanne. Nur Susanne sollte eines natürlichen Todes sterben. Wilhelm ist Professor, international anerkannt. Die Familie reist viel, zieht oft um. 1890 hat Käthe genug vom Umziehen. Sie ist 13 und entscheidet bei ihrer Freundin in Bern zu bleiben, statt mit der Familie weiter zu ziehen. Ihre Eltern sind einverstanden.

Der Vater ihrer Freundin ist evangelischer Pfarrer. Käthe lässt sich taufen. Sie wird sehr gläubig, der Glaube hilft ihr Zeit ihres Lebens. Sie ist gerade 16 als ihr Vater stirbt, ihre jüngste Schwester Susanne erst 8. Ein Jahr später schließt sie die höhere Schule für Mädchen ab. Das erste Gymnasium für Mädchen wurde erst kurz vorher in Karlsruhe gegründet. Schon als Kind malt und zeichnet sie gerne. Sie ist entschlossen Malerin zu werden. (…)

Frauen dürfen zu dieser Zeit in Deutschland: nicht wählen, nicht Mitglied einer Partei sein, nicht an Hochschulen studieren Käthe hindert das nicht. Sie hat Glück, ihre Mutter ist wohlhabend. Sie kann an privaten Malschulen in verschiedenen Städten studieren.

1902 lernt sie mit 24 Erna Raabe kennen. Damals noch mit Max Raabe verheiratet. (…) Max ist krank, kurz darauf stirbt er an TBC. Erna versucht sich das Leben zu nehmen. Käthe schreibt ihr, sie hofft ihr Kraft zum weiterleben geben zu können. Aber auch, dass sie jedwede Entscheidung respektiert. Und dass sie Erna lieb hat.

Erna lebt weiter. Die beiden sind Zeit ihres Lebens so eng verbunden, wie zwei Menschen verbunden sein können. Mit 26 macht sich Käthe selbstständig, wie man heute sagen würde. (…) Käthe (…) ist in manchen Dingen konservativ. In andern rebellisch. Sie fordert mehr Rechte für Frauen, tritt mehreren Künsterinnenbünden bei.

Die Freundschaft mit Erna wird mit den Jahren intensiver. Die beiden lieben sich. Käthe schreibt: „Die Menschen nennen es Sünde, wenn Du es tust. Gott nennt es Unterlassung, wenn Du es nicht tust. Die Menschen hatten es Sünde genannt, Aber Gott hatte es gut geheißen.“
Es gibt keine Hinweise, dass sie sich jemals zu einem Mann hingezogen gefühlt hat Heute würde sie sich vielleicht als lesbisch bezeichnen. Wir wissen es nicht. (…)

1929 kommt der Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise. Eine Million Mark für eine Scheibe Brot. Die Gesellschaft ist gespaltener denn je. Nazis ziehen um die Häuser, prügeln und werden immer selbstbewusster die Demokraten sind zerstritten. 1932 gewinnt Hitler die Wahlen mit 37% der abgegebenen Stimmen. 1933 wird die Wahl wiederholt, die NSDAP bildet mit 43% eine Minderheitsregierung. Sie schafft die Demokratie ab. Schon im Wahlprogramm stand ungeheuerliches.
Jüdische Menschen sollten entrechtet und ausgebürgert werden. Aber die meisten glaubten nicht, dass es so schlimm kommen würde. Niemand konnte sich vorstellen, was wirklich passieren würde. 70 Millionen Menschen werden weltweit durch diese Regierung sterben. 6 Millionen davon werden geplant in Lagern ermordet. (…)

Käthe bekommt 1934 Malverbot. Gläubige sehen in guten Zeiten Gottes Segen. In Schlechten Zeiten Gottes Prüfung. Sie klagt nicht, aber Erna sieht ihr die Verbitterung an. Käthe nennt Erna Liebling und Geliebte. 1935 ist sie im Urlaub in Bern. Freunde flehen sie an zu bleiben. Aber Erna ist schwer krank. Käthe kehrt zurück um sie zu pflegen. 1938 stirbt Erna. Käthe wird 1942 deportiert und ermordet.

Ein Teil ihres Werkes übersteht den Krieg. Ihre Schwester Susanne überlebt mit ihren Kindern versteckt in München. Ihre Nichte veröffentlicht ihr Werk auf‘s Neue. Ihre Großnichte und ihr Großneffe halten die Erinnerung lebendig.

Erinnern wir uns an sie. Erinnern wir uns an sie alle.
Glauben wir nicht an die neuen Lügen, die heute erzählt werden.
Sorgen wir dafür, dass die Geschichte sich nicht wiederholt.

Dem Stuttgarter Chor Musica Lesbiana ist es zu mit zu verdanken, dass die Gedenkveranstaltung viele berührt hat. Speziell das einst von Elvis Presley gesungene Lied „Can’t Help Falling in Love“ ging unter die Haut, was die Journalistin Petra Mostbacher-Dix am Ende ihres Beitrag „Gedenken, Mahnung und Warnung zugleich“ (siehe Stuttgarter Zeitung und Nachrichten vom 29.1.2024, leider kostenpflichtig) ebenso extra erwähnte.
Barbara Straub, Leiterin der Abteilung für Chancengleichheit der Stadt Stuttgart

„(…) Sie alle wissen es, heute vor 79 Jahren wurden die Menschen, die im Vernichtungslager Auschwitz überlebt hatten, von sowjetischen Soldaten befreit. Seit 1996 erinnern wir diesen Jahrestag – doch dieses Jahr steht er in einer bleischweren Zeit – oder wie Margot Friedländer gestern Abend in einem Interview sagte: „Es brennt überall“. Antisemitismus und Rassismus wird an vielen Orten und von vielen Menschen sichtbar. Umso wichtiger ist es, dass sich heute so viele Menschen am Stolperstein von Käthe Loewenthal versammeln, um an ihr Leben und ihr Sterben zu erinnern, zu gedenken.

Die Erforschung der Biografien homosexueller Frauen (wie Männer) im NS hat leider erst eine junge Forschungstradition. Eine der Ursachen ist sicherlich die fortgesetzte, gesellschaftliche Tabuisierung von weiblicher und männlicher Homosexualität nach 1945. Denn Forschungsthemen stehen zum Großteil in unmittelbarer Beziehung zu machtvollen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Unsichtbarkeit lesbischer Frauen – über viele Jahre – im Forschungs- und damit auch im Erinnerungsdiskurs war auch dem generellen Unsichtbar-Machen dieser Menschen geschuldet. Im NS gab es vielfältige Formen von Diskriminierung, Repression und Verfolgung, die nicht notwendigerweise (archivalische) Spuren hinterlassen haben und auch deshalb über lange Zeit keinen Eingang in die traditionelle historische Forschung erlangt haben. Umso wichtiger sind deshalb Initiativen, hartnäckige Initiativen geschichtspolitischer Akteur:innen, die einen erweiterten Blick auf Geschichte und Erinnerung verfolgen und einen anderen Blick auf die verfolgten Menschen werfen wie z.B. „der Liebe wegen“, das Hotel Silber, der Weissenburg e.V. Auch durch Ihr Engagement hat sich die Geschichts- und Erinnerungskultur dynamisch entwickelt und pluralisiert. Und Menschen werden dadurch in ihrer Vielschichtigkeit, in ihrer Differenziertheit sichtbar – so wie wir heute an Käthe Loewenthal erinnern. Als Mensch, die einer jüdisch geprägten Familie entstammte. Und als Frau, die eine Frau liebte. Für Ihr Engagement möchte ich Ihnen herzlich danken!

Es ist die Aufgabe der Abteilung für Chancengleichheit – mit der Koordinierungsstelle LSBTTIQ – die vielfältigen Geschlechterperspektiven in allen Bereichen – auch in der Erinnerungskultur – sichtbar zu machen und kommunale Rahmenstrukturen zu verbessern. Deshalb freue ich mich, zusammen mit der Koordinierungsstelle Erinnerungskultur der Stadt. Stuttgart bei der heutigen Veranstaltung eingebunden zu sein. Herzlichen Dank.

Brigitte Lösch, Vorsitzende der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber

Für uns ist heute ein Gedenktag an alle Opfer nationalsozialistischer Verfolgung – 17 Millionen Opfer – 17 Millionen Schicksale – an die in Stuttgart 1000 Stolpersteine erinnern – und einer davon ist Käthe Loewenthal, der wir heute gesondert gedenken. Das Hotel Silber in der Dorotheenstrasse war von 1933 an der Gestapositz für Württemberg/Hohenzollern. Von dort aus wurden Menschen das Lebensrecht entzogen, sei es wegen ihrer politischen Einstellung, ihres Glaubens, ihrer Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung oder andere den Nazis unerwünschter Eigenschaft und Verhaltensweisen.

„Wer versucht der Geschichte zu entkommen, muss auf Dauer scheitern“, sagte der Historiker Johannes Fried einmal. Wie nahe wir einem Scheitern gekommen sind, zeigen die Vorkommnisse der letzten Wochen – die Enthüllungen über ein rechtes Geheimtreffen in Potsdam mit einer menschenverachtenden Agenda zur Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund zeigen, wie real die Gefahr bereits ist. Wir müssen „Nie wieder“ ernst nehmen. Dass die AfD nicht bereit ist demokratische Grundbedingungen zu erfüllen, beweist sie in allen Parlamenten. Vor 85 Jahren waren Vertreibungs- und Deportationsfantasien schlimme Wirklichkeit. Die jüdische Gemeinde sieht heute jüdische Existenzen
durch die rechten Umtriebe erneut bedroht. Zurecht, wie wir gestern in der Zeitung lesen konnten. Seit dem Überfall der Hamas auf Israel häufen sich antisemitische Vorfälle in Deutschland.
Das Bundeskriminalamt erfasste seit Oktober 2249 judenfeindliche Straftaten (in 110 Tagen). Und auch andere menschenverachtende Straftaten nehmen zu – in den letzten Quartalen sind auch antimuslimische Straftaten gestiegen – laut Polizeibehörden sind insgesamt 686 solcher Delikte verzeichnet worden, 87 % dieser Übergriffe haben Rechtsradikale begangen.

„Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist.“ – meint Erich Kästner, und weiter: „Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat.“ Wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, dass Antisemitismus, Rechtsextremismus und jedes menschenverachtende Denken und Handeln keinen Platz in unserer Gesellschaft mehr hat.

Gewiss ist nicht jede*r, der schon einmal AFD gewählt hat, ein Nazi oder Faschist! Aber inzwischen gibt es nun wirklich keine Ausreden mehr -wer AfD wählt, unterstützt Nazipolitik! Politik und Staat sollten zumindest ein AFD-Verbot prüfen. Schon jetzt könnte die Bundesinnenministerin ein Verbot der Jugendorganisation der AFD aussprechen.

Liebe Alle: Gerade aus unserer Vergangenheit zu lernen, damit sich Geschichte nicht wiederholt, dafür müssen wir Verantwortung tragen. Was können wir alle gemeinsam – was können wir zusammen tun?
Miteinander sprechen, vortragen, lehren, lernen, mit eindrücklichen Veranstaltungen wie dieser daran erinnern, und in unseren Alltag platzieren.

Jede und jeder von uns soll Multiplikator dieser Botschaft sein: Nie wieder Krieg, nie wieder Nationalsozialismus, nie wieder menschenverachtende Politik, nie wieder!

Der Angehörgie Prof. Dr. Wolf Ritscher, Verein „Lebenswerk Käthe Loewenthal“, konnte leider wegen Krankheit nicht teilnehmen. Sein Redemanuskript für die Gedenkveranstaltung verlas Brigitte Lösch:

Wir sind hier zusammen gekommen, um eines Menschen mit aussergewöhnlichen Be-Gabungen und Interessen zu gedenken – Käthe Loewenthal, meine Großtante, die älteste Schwester meiner Großmutter. Und mit ihr gedenken wir all der Menschen, die unter dem deutschen Nationalsozialismus so unendlich viel Leid erfahren haben. Unter ihnen sind viele, für die es kein Gedenken mittels Familienerinnerungen, Stolpersteinen, Gedenkorten oder Ausstellungen gibt, weil die Nazis ihre Spüren ausgelöscht haben, um ihre eigenen zu verwischen.

Käthe Loewental war Malerin aus Leidenschaft, eine – im Kontext der damaligen kulturellen Verhältnisse – emanzipierte Frau, die sich nicht in die bürgerliche Normalehe zwingen ließ, und für die gleichen Rechte der Frauen und ihre Wertschätzung in einer damals noch eindeutigen patriarchalischen Gesellschaft eingetreten ist. In diesem Kontext ist auch die in den letzten Jahren entstandene Diskussion über ihre tiefe Freundschaft mit der ebenfalls in Stuttgart lebenden Malerin Erna Raabe zu verorten. Sie waren sich in Liebe zugetan – ob mit oder ohne Sexualität spielt für mich keine Rolle. Mir geht es um ihren Leidensweg, an den ich erinnern möchte, auf dem sie von den Nationalsozialisten seit 1934 zunehmend ausgegrenzt und ab 1939 in die nationalsozialistische Vernichtungsmaschinerie hinein gestoßen wurde.

Käthe Loewenthal war tief religiös. Sie stammte aus einer liberalen Familie, die sich über zwei Generationen vom religiösen Judentum abgewendet und den Christentum zugewandt hatte – ohne das Wissen um ihre historische und kulturelle Zugehörigkeit zum Judentum zu verdrängen. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie vor allem durch die Portraitmalerei, die sie bei Leo von König lernte, einem der bekanntesten Portraitmaler im wilhelminischen Kaiserreich und in der Weimarer Republik. In der Nazizeit versuchte er mit den ihm zur Verfügungs stehenden Mitteln, verfolgte und ausgegrenzten MalerkollegInnen zu unterstützen.

Aber Käthes Liebe und Leidenschaft gehörte der Landschaftsmalerei. Für sie waren Landschaften ein zentraler Ausdruck der göttlichen Schöpfung, in ihnen offenbarte sich Gott dem Menschen und sie folgte mit ihren Bildern den Spuren Gottes in der Natur. Jedes Jahr fuhr sie zum Malen ins Berner Oberland und auf die Ostseeinsel Hiddensee, wo sie mit ihrer Schwester, meiner Großmutter, die Insel auf der Suche nach Landschaftsmotiven durchstreifte. Es ist bemerkenswert, dass in ihren Landschaftsbildern kaum Menschen zu sehen sind: der Mensch ist klein im Angesicht der Natur und der göttlichen Schöpfung;
dies in Demut anzuerkennen war Käthe Loewenthals Bestreben.

Ab 1938 zieht sich das Netz der Verfolgungsmaschinerie zusammen, 1941 muss sie ihre Wohnung in der Ameisenbergstrasse 32, vor der wir heute stehen, und in der sie viele Jahre ihres so kreativen Lebens verbracht hat verlassen und in eine sog. „Judenwohnung in der Schwarzwaldstrasse in Stuttgart-Kaltental umziehen. Es folgt ein kurzer Aufenthalt in einem „jüdischen Altersheim“ bei Göppingen und kurz vor der Deportation in das sog. „Transitghetto“ Izbica im besetzten Polen die Unterbringung im Sammellager auf dem Killesberg. Die Nichte von Käthe Loewenthal, meine Tante Inge, beschrieb diese letzten Tage 2004 in einem anrührenden Zeitzeuginneninterview. Kaum jemand konnte sich bis 1939 die Brutalität der Nazis, ihre Mordlust, ihre Habgier und ihr technokratisches Vernichtungssystem vorstellen – auch ihre Opfer nicht. Kam noch dazu, dass das in Deutschland assimilierte Judentum den nationalen bildungsbürgerlichen Mythen folgte: die „Nation der Dichter und Denker“ ist zu so etwas nicht fähig. Dass sie dazu fähig war ist die traurige Wahrheit und das sollte uns zu denken geben. Deshalb soll diese Gedenkveranstaltung nicht nur die Erinnerung an Käthe Loewenthal und ihre LeidensgefährtInnen wachhalten, sondern auch warnen vor den totalitären und autoritären Tendenzen und Bewegungen, die sich in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt immer mehr ausbreiten. Unsere Kultur und Gesellschaft lebt von der Vielfalt, von der Toleranz und der Respektierung der im Grundgesetz unaufhebbar verankerten „Grundrechte“. Wenn die Unbelehrbaren von der „Volksgemeinschaft“ träumen, oder der Idee folgen, dass Krieg „die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ sei, wenn sie glauben, dass die Vernichtung derer „die nicht zu uns gehören“ notwendig sei, um selbst in Frieden zu leben – und sie darüber nicht erschrecken, dann wird der Hass im gesellschaftlichen Diskurs „normalisiert“ und totalitären Systemen Tür uns Tor geöffnet. Ein totalitäres System lebt von dem Mythos, dass allumfassende Kontrolle möglich sei und Abweichungen von der durch einen „Führer“ oder eine Führungs-„elite“ gesetzten Normen mit Gewalt bekämpft werden müsse – bis hin zum Mord und zur systematischen Vernichtung der „Anderen“.

Lasst uns wachsam sein und für die Menschenrechte und Menschenwürde eintreten – immer und überall.

27.1.2024, 11 Uhr: Einladung zum Gedenktag an die Opfer der NS-Diktatur

Gedenken um 11 Uhr am Stolperstein für Käthe Loewenthal
Ameisenbergstraße 32, Stuttgart Ost (Bushaltestelle Urachstraße)

Kurzbeiträge:
Philine Pastenaci (Regisseurin, Performerin, Autorin)
Barbara Straub (Leiterin der Abteilung für Chancengleichheit der Stadt Stuttgart)
Prof. Dr. Wolf Ritscher (Verein „Lebenswerk Käthe Loewenthal“)
Brigitte Lösch (Vorsitzende der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber)
Musikalische Begleitung durch Chor Musica Lesbiana, Stuttgart

Eine gemeinsame Veranstaltung vom Projekt Der-Liebe-wegen, Weissenburg e. V. – Zentrum LSBTTIQ Stuttgart und von der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber  in Kooperation mit der Abteilung für Chancengleichheit, gefördert durch die Koordinierungsstelle Erinnerungskultur der Landeshauptstadt Stuttgart

Der Liebe wegen ins Nazi-Deutschland zurückgekehrt, wegen jüdischer Herkunft deportiert und ermordet
– zum erstmaligen Gedenken in Stuttgart, bei dem eine frauenliebende Frau, Käthe Loewenthal, im Mittelpunkt steht

„Und ich sage Dir, Liebling, wie auch ich es mir sage für mich und meine Lebenskargheit – Du hast Dir Dein Leben und dessen Fließen z. T. selbst so gestaltet, es so haben wollen, wie es wurde; also stehe nun auch zu ihm und seinen Konsequenzen“.
(Aus einem Brief von Käthe Loewenthal an ihre Freundin Erna Raabe vom 27. Februar 1928)

„In ihrer von 1902 andauernden Freundschaft mit Erna Raabe fand sie die Bestätigung ihres eigenen Wesens. Von 1920 bis zu Erna Raabes Tod 1938 ist die Freundin ihre ‚Familie’“
(Dr. Mascha Riepl-Schmidt über Käthe Loewenthal auf der Webseite der Stuttgarter Stolpersteinintiative)

„In Verbindung mit den erhaltenen Briefen an ihre Freundin Erna Raabe lassen diese Fragmente die Hypothese zu, dass beide Frauen in einer intensiven Liebesbeziehung miteinander verbunden waren“ heißt es vorsichtig auf der Webseite des Vereins „Lebenswerk Käthe Loewenthal“.

Nach 1945 war es lange Zeit nicht möglich, an Menschen zu erinnern, die nicht in das faschistische Weltbild von Geschlechtern, Liebe, Zuneigung und Begehren gepasst haben. Diesbezügliche Informationen, überlieferte Briefe und Dokumente wurden zurückgehalten oder verschwanden in Schubladen und Archiven. In Stuttgart sind hierfür neben Käthe Loewenthal beispielsweise auch Fritz Bauer, Hans Scholl oder die Gedenktafel des Hospitalhofs am Leonhard-Lechner-Weg für die Opfer der NS-Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart zu nennen. 

In Baden-Württemberg gab es nach 1945 eine besonders enge Verbindung zwischen dem Staat und den beiden Amtskirchen, was in der bis heute gültigen Landesverfassung wie folgt zum Ausdruck kommt:

„Die Jugend ist in Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe, (…) in der Liebe zu Volk und Heimat, zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit (…) zu erziehen“.
„Ihre Bedeutung [mit „Ihre“ sind die Kirchen und die anerkannten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gemeint] für die Bewahrung und Festigung der religiösen und sittlichen Grundlagen des menschlichen Lebens wird anerkannt.“

Unter sittlicher Verantwortlichkeit wurde von Staat und von der evangelischen wie katholischen Kirche noch Jahrzehnte lang die Ausgrenzung und Abwertung von queeren Menschen verstanden, was viele Jahre die Erinnerungskultur des Landes entsprechend prägte.

Was noch wenig bekannt ist, dass sowohl die katholische Kirche bundesweit zum Gedenktag der Opfer der NS-Diktatur in 2023 als auch die evangelische Landeskirche von Württemberg in 2019 sich zu ihrer eigenen Geschichte der Unterstützung homophoben Verhaltens während der NS- und Nachkriegszeit bekannt und beide um Vergebung gebeten haben. Sie haben erklärt, dass ihre eigene Einstellung bzw. Theologie dazu beigetragen hat, „dass homosexuelle und andere Menschen mit queerer Identität gedemütigt, verraten und ermordet wurden“ (zitiert nach der Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz vom 27.1.2023).

In den heutigen Zeiten, wo durch Erstarken rechtspopulistischer bis neofaschistischer Kräfte jüdische, muslemische und queere Menschen zunehmend mit Hass und Hetze konfrontiert werden, begrüßen wir es sehr, dass am diesjährigen Gedenktag für die Opfer der NS-Diktatur erstmals in Stuttgart ein Gedenken unter Beteiligung der Stadt Stuttgart und des Chors Musica Lesbiana möglich wird, das mit Käthe Loewenthal eine frauenliebende Frau in den Mittelpunkt stellt, völlig unabhängig davon, ob diese Liebesbeziehung auf sexueller Grundlage beruhte oder nicht.

Ralf Bogen, 11. Januar 2024

Foto vom Stolperstein für Käthe Loewenthal: © Stolperstein-Initiative Stuttgart-Ost

Die Malerin Käthe Loewenthal zog wegen ihrer Freundin Erna Raabe 1909 nach Stuttgart. Trotz Warnungen im Hinblick auf ihre jüdische Herkunft kehrte sie 1935 von einem Aufenthalt in der Schweiz nach Stuttgart ins Nazi-Deutschland zurück, um ihrer schwerkranken Freundin bis zu deren Tod im Jahre 1938 beizustehen.
Nach einem bereits 1934 verhängten Malverbot wurde 1941 ihre Wohnung in der Ameisenbergstraße 32 gekündigt. Im April 1942 musste sie sich, wie zahlreiche Stuttgarter und Württemberger Jüdinnen und Juden, auf dem Stuttgarter Killesberg einfinden. Von dort wurde sie in das besetzte Polen deportiert und im Durchgangslager Izbica bei Lublin ermordet. Als einzige der vier 1933 noch lebenden Schwestern Loewenthal hat die jüngste Schwester Susanne Ritscher den Holocaust überlebt.

21.1.2024: Hybridveranstaltung “Diagnose: Psychopathin mit perverser Neigung”

Hybridveranstaltung über das Forschungsprojekt zur Auffindbarkeit von frauenliebenden Frauen in baden-württembergischen Psychiatrien in der Zeit des Nationalsozialismus sowie weitere Veranstaltungen rund um den diesjährigen Gedenktag für die Opfer der NS-Diktatur:

Weissenburg e. V. lädt am 21. Januar 2024, 17 Uhr, Online (siehe Bild oben bzw. https://www.zentrum-weissenburg.de/2023/12/18/21-januar-hybridveranstaltung-diagnose-psychopathin-mit-perverser-neigung/ ) sowie im Café Zentrum LSBTTIQ Weissenburg, Weißenburgstraße 28A, Stuttgart ein: “Diagnose: Psychopathin mit perverser Neigung”.

Claudia Weinschenk forschte fünf Jahre in Akten baden-württembergischer Psychiatrien aus der Zeit des Nationalsozialismus nach Spuren frauenliebender Frauen. Das Projekt soll vorgestellt, von Schwierigkeiten und Erfolgserlebnissen erzählt, auftauchende Fragen angeschnitten und mit 2-3 aus den Akten herausgefilterte Biografien konkretisiert werden.

Weitere Veranstaltung im Januar 2024 in Stuttgart siehe auch 27.1.2024, 11 UHR: EINLADUNG ZUM GEDENKTAG AN DIE OPFER DER NS-DIKTATUR sowie folgende Veranstaltungen in Heidelberg:

9. Januar bis 9. Februar 2023, Mo bis Fr 8 bis 17 Uhr – Heidelberg
Ausstellung „Zerbrochene Verbindungen – Ravensbrück – Die Wege von frauenliebenden* Frauen* in den Widerstand und in die Deportation“
Das französische Kollektiv Queer Code stellt in der Ausstellung das Schicksal von sechs Frauen aus Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und den USA vor, die verhaftet und mehrheitlich in das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück deportiert wurden.
Ort: Foyer des Rathauses | Marktplatz 10 | Heidelberg
Veranstaltende: Organisiert vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität Heidelberg und der Koordinationsstelle LSBTIQ+ im Amt für Chancengleichheit der Stadt Heidelberg in Kooperation mit dem Interkulturellen Zentrum Heidelberg, dem Karlstorkino – Medienforum Heidelberg e. V., dem Montpellier-Haus Heidelberg, dem Queeren Netzwerk Heidelberg und der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte.
Eröffnung: 9. Januar, 18 Uhr
Weitere Informationen und Download des Rahmenprogramms: https://www.medizinische-fakultaet-hd.uni-heidelberg.de/einrichtungen/institute/geschichte-und-ethik-der-medizin/aktuelles

24. Januar 2024, 19 Uhr – Heidelberg
Lesbische Jüdinnen im Nationalsozialismus: entrechtet, vertrieben, ermordet
Mit Dr. Claudia Schoppmann, Berlin
Ort: Friedrich-Ebert-Haus | Pfaffengasse 18 | Heidelberg
Rahmenprogramm zur Ausstellung „Zerbrochene Verbindungen“ (s.o.)

7. Februar 2024, 19:00 Uhr – Heidelberg
Das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück: Geschlechtsnonkonformismus in der Häftlingsgesellschaft. Geschichte und Nachgeschichte
Mit Dr. Insa Eschebach, Berlin
Ort: Friedrich-Ebert-Haus | Pfaffengasse 18 | Heidelberg
Rahmenprogramm zur Ausstellung „Zerbrochene Verbindungen“ (s.o.)


2024: „Um Spaß allein sollte es der Community nicht gehen“ – die Vernetzung gegen rassistische und queerfeindliche Gewalt stärken

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„Um Spaß allein sollte es der Community nicht gehen, damit auch künftig ausgelassen gefeiert werden kann“ meinte Marcel Schmitz, Mister Gay Germany, beim Gaydelight im Oktober letzten Jahres. Damit hat Schmitz einen wunden Punkt angesprochen: Trotz aller Emanzipationserfolge haben sich Straftaten gegen Schwule, Lesben, trans* oder andere queere Menschen in Deutschland seit 2018 mehr als verdreifacht (siehe Anfrage und Antwort „Hasskriminalität gegen queere Menschen in Baden-Württemberg“ der Abgeordneten Florian Wahl und Sascha Binder, SPD vom 24. Oktober 2023, Ba-Wü Landtag, Drucksache 17/5650). Diese inhumane Entwicklung, die detailliert im Beitrag „Queerfeindliche Hasskriminalität in Deutschland von Sarah Ponti (LSVD)“ (aus Wissen schafft Demokratie, Bd. 13/2013) aufgezeigt wird, bereitet vielen Sorge:

Völlig zu Recht ist die Empörung über ein Geheimtreffen von hochrangigen AfD-Politikern mit Neonazis und finanzstarken Unternehmern sowie unter Beteiligung von CDU-Mitgliedern der Werteunion groß, weil ein Plan vorgestellt und unterstützt wurde, der die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland einschließlich von deutschen Staatsbürgern mit Einwanderungsgeschichte, unter dem Begriff „Remigration“ vorsieht. Dass diese politische Richtung auch das geringe Fortpflanzungsverhalten alle jener verdammt, die zwar entsprechend ihrer genetischen Abstammung und ihres Weißseins als „deutsch“ gelten, jedoch angeblich wegen einer „Verschwulung“ der Gesellschaft und wegen eines angeblichen kinderfeindlichen Feminismus zu wenige Kinder auf die Welt setzen würden, scheint noch kaum bekannt zu sein. Als innerhalb der AfD bekannt wurde, dass die AfD-Politikerin Beatrix von Storch einen schwulen Mann mit türkischen Migrationshintergrund als AfD-Mitglied gewinnen wollte, schrieb prompt daraufhin der Vizechef der Jungen Alternative Deutschland, Nils Hartwig, dass dieser abgeschoben und nicht in die AfD aufgenommen gehöre. Der Schatzmeister der Jungen Alternative Deutschland, Franz Schmid, erklärte, die AfD zur „Partei der autochthonen [ursprünglichen, eingeborenen] Deutschen“. Der schwule Mann gab nach „übelster homophober und rassistischer Hetze“ seinen Plan auf, Mitglied der AfD zu werden (siehe https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_100287714/die-afd-und-der-schwule-deutschtuerke-abschieben-statt-aufnehmen.html ).

AfD-Landeschef von Thüringen, Bijörn Höcke hat angekündigt, dass er als Ministerpräsident „die Machtfrage stellen“ werde. Als erste Amtshandlung wolle er alle Gelder im Kampf gegen rechts streichen und dann den Rundfunktstaatsvertrag kündigen“ (zitiert nach „Wappnen für den Ernstfall von Garteh Joswig, 13-19. Januar 2024, Wochentaz). Dass Höcke auch alle Fördergelder für LGBT*-Projekte baldmöglichst streichen will, sollte allen steuerzahlenden LGBT*-Menschen bewusst sein.

Mittlerweile gibt es gezielte queerfeindliche Kampagnen der extremen Rechten. So haben diese den Monat Juni zum „Stolzmonat“ (Stolz auf Deutschland) als Gegenpol zum internationalen „Pride Month“ der weltweiten CSD-Emanzipationsbewegung ausgerufen. Aggressiver sind in den letzten Jahren auch internationale Vernetzungen zwischen Rechtspopulisten und christlichen Fundamentalisten geworden. Demnach hätten liberale und links-sozialistische Politiker die Ehe als Verbindung eines Mannes mit einer Frau den „zeitgeistigen Forderungen der LGBT-Ideologien“ geopfert. Ihnen so wie der gesamten „Homolobby“ wird der „globale Kulturkrieg“ erklärt. Ignacio Arsuage, den Gründer der homo- und transfeindlichen Internetplattform CitizenGo, hatte die Neue Züricher Zeitung bereits 2019 wie folgt zitiert: „Seit den sechziger Jahren haben unsere Feinde viele Schlachten gewonnen. Doch in den letzten Jahren haben wir den Spiess umgedreht, und am Ende werden wir diesen Krieg gewinnen (…) Um den Prozess zu beschleunigen, müssen wir uns weltweit besser vernetzen und aggressiver werden. (…) Wir müssen die liberalen Politiker das Fürchten lehren!“.

Wie wollen wir uns vernetzen?

6.12.2023: „Queere Theke“, organisiert von 100 Prozent Mensch im ReBOOTS stellt sich der Frage: wie will sich die queere Community angesichts erstarkender rechtspopulistischer Kräfte positionieren? (Foto: Der-Liebe-wegen)

Am 6. Dezember letzten Jahres waren Janka Kluge (Sprechendenrat LSBTTIQ Netzwerk Ba-Wü), Thomas Ott (Buchladen Erlkönig), Detlef Raasch (Pride Stuttgart) und Pia Zazzarini (CSD Esslingen) zu Gast bei einer „Queeren Theke“-Veranstaltung im ReBOOTS, die von 100 Prozent Mensch organisiert wurde. Es wurde unter anderem darüber gesprochen, wie ein guter und wirksamer Zusammenhalt gegen queerfeindliche Hetze und Gewalt gelingt. Dabei stellte sich heraus, dass eine Vernetzung zum regelmäßigen Austausch von Informationen fehlt. So wussten nicht alle Podiumsteilnehmende, dass AfD-Politiker:innen auch in Baden-Württemberg bereits das Verbot des CSD gefordert haben (siehe Queer-Beitrag AfD-Politikerin fordert CSD-Verbot).

Demagogisch gibt Frau Dr. Baum vor, „zum Schutz unserer Kinder“ zu handeln. Als ob zum Wohl unserer Kinder jene Staaten handeln, wo der CSD noch verboten ist – wie z. B. dem Iran oder Russland (Bild: Screenshot von Facebook)

Auch das Austragen von Kontroversen wurde als wichtig für die gesamte Regenbogencommunity und darüber hinaus hervorgehoben. So gab es bei diesem Thekenabend Debatten darüber, wie kommerziell ein CSD sein soll, wie er sich eindeutig(er) antifaschistisch positionieren sollte und ob die Stuttgarter CDU nicht solange vom Stuttgarter Pride ausgeladen gehört, solange sich diese wie die AfD gegen wichtige Forderungen der IG CSD positioniert (siehe z. B. die Forderung Regelungen für „sichere Herkunftsländer“ mit Blick auf LSBTTIQ*-Geflüchtete festlegen, unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse bei Unterbringung und Betreuung „). Erfreulicherweise stand im Mittelpunkt aller Beiträge, dass wir uns für einen guten Zusammenhalt gegen rassistische und queerfeindliche Gewalt gemeinsam einsetzen müssen und auch wollen.

Das Netzwerk gegen Rechts Stuttgart stärken

Es wurde auch die Notwendigkeit betont, dass wir Separatismustendenzen überwinden sollten. Vorgeschlagen wurde unter anderem von Brigitte Lösch von der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber, und von mir, Ralf Bogen vom Projekt „Der-Liebe-wegen„, dass sich die queere Community gemeinsam mit weiteren demokratischen Kräften als „Teil aller demokratischer Kräfte“ gegen das Erstarken von Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus in allen Facetten, Homo- und Transphobie im Netzwerk gegen Rechts Stuttgart einsetzt (siehe #netzwerkgegenrechtsstuttgart. Hier kann Mensch sich auf der Webseite für einen Newsletter anmelden, um jederzeit aktuelle Infos zu erhalten).
Auf der Webseite des Netzwerks heißt es: „Unsere Aktion zum Aufbau eines Stuttgarter Netzwerks gegen rechts ist noch jung. Aktiv beteiligt sind zurzeit Tom Adler, Joe Bauer, Hans D. Christ, Bernd Faller, Brigitte Lösch. Wir haben keine feste Struktur, wollen auf keinen Fall eine Konkurrenz für andere Initiativen sein, sondern erstmal möglichst viele Kontakte knüpfen – und da sind wir mittendrin. Unsere Absicht ist es, dauerhaft Verbindungen für gemeinsame Aktionen herzustellen, um Veranstaltungen zum Thema “Gefahr von rechts” zu organisieren.“

„Damit wir auch in Zukunft ausgelassen feiern können…“

AUS DER WEIMARER REPUBLIK GELERNT?
Bereits in der Weimarer Republik haben Lesben und Schwule in Stuttgart fleissig gefeiert…
In einer Anzeige in der zuletzt herausgegebenen homosexuellen Zeitschrift “Das Freundschaftsblatt” Nr. 3 von 1933 lud die Ortsgruppe zu einem “Zille-Ball” (= Maskenball) im Stuttgarter Saalbau Rosenau in der Rotebühlstraße 109b am 4. Februar 1933 ein. Ob der Ball noch nach der Machtübernahme der NSDAP am 31. Januar 1933 stattgefunden hat und wenn ja, wie ausgelassen die Teilnehmenden feiern konnten und insbesondere was aus den Teilnehmenden in den Folgejahren geschehen ist, wir wissen es nicht.
Was wir aber wissen, ist: infolge der Weltwirtschaftskrise erstarkte die NSDAP auch in Baden und Württemberg: 1928 hatte sie in Baden 2,9 % und in Württemberg nur 1,9 % aller Wählerstimmen erreicht. Bei den Reichtstagswahlen im März 1933 waren es jedoch bereits in Baden 45,4 % und in Württemberg 43,9 %. Im Gegensatz zum Wissenschaftlich-humanitären Komitee und der Gemeinschaft der Eigenen konnte sich der Bund für Menschenrecht nicht zu einer klaren Distanzierung von der NSDAP wegen ihrer Ablehnung demokratischer Grund- und Menschenrechte durchringen. Bezeichnend war seine Haltung zu den im April 1931 beginnenden öffentlichen Angriffen auf den SA-Führer Ernst Röhm wegen dessen Homosexualität. Röhm war wie weitere NSDAP-Angehörige Mitglied des Bundes für Menschenrecht gewesen. Der Bund rief trotz angeblich politisch neutraler Haltung 1931 zu einem Wahlboykott der SPD auf, weil diese Röhm als homosexuell denunzierte hatte. Das ist insofern erstaunlich, weil der linke Teil der SPD wie auch die KPD in der Weimarer Republik am ehesten für die Belange der homosexuellen Organisationen eingetreten waren. Demgegenüber konnte sich der Bund für Menschenrecht nicht zum Wahlboykott der NSDAP durchringen, die immerhin in ihrer Parteipresse bereits in der Weimarer Republik die Todesstrafe für homosexuelle Männer gefordert hatte. Damalige Umfragen belegen, dass das Erstarken der NSDAP auch Mitglieder des Bundes für Menschenrecht beeinflusste. Die Gefahr, die von der NSDAP für ihr Leben ausging, wurde nicht rechtzeitig erkannt (siehe „1920ER JAHRE: AUFBRUCH„).

[Aktualisiert am 12.1.24]

2024: „Wir haben als Kirche (…) oftmals Diskriminierung und Verfolgung mit befördert“ – Geplante Aufarbeitung der Geschichte der NS-Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart

In einer Andacht vor dem Kirchenparlament hat der ehemalige Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, bereits 2019 um Vergebung gebeten für das Unrecht, das von seiner Landeskirche an gleichgeschlechtlich orientierten Menschen begangen wurde. Im Evangelischen Pressedienst vom 5. Juli 2019 hieß es im Beitrag „Bischof July bittet um Vergebung für Unrecht gegenüber Homosexuellen“:

„Die Ausgrenzung homosexueller Menschen habe in Baden-Württemberg eine lange, leidvolle Geschichte, sagte July: In der NS-Zeit seien etwa 10.000 Menschen in Konzentrationslager verschleppt worden. Doch auch nach 1945 hätten homosexuelle Menschen Angst vor Strafverfolgung gehabt und wurden erst nach ihrem Tod rehabilitiert. Zu dieser Geschichte der Gewalt und Diskriminierung haben auch die Kirchen beigetragen, so July. Sie seien nicht für den Schutz von gleichgeschlechtlich Liebenden eingetreten. Die Kirche habe nicht den Mund aufgemacht, wo es nötig gewesen wäre.“

Ebenso am 5. Juli 2019 hat die Evangelische Landeskirche Württemberg die Pressemitteilung „Bitte um Vergebung für Umgang mit Homosexuellen“ veröffentlicht, in der es heißt:

„Wir haben als Kirche im Schutz und Eintreten für gleichgeschlechtlich liebende Menschen in der Vergangenheit oftmals Diskriminierung und Verfolgung mit befördert.“ (…) Der Landesbischof (…) wies darauf hin, dass „in der Vergangenheit bis in die Gegenwart gleichgeschlechtlich empfindenden Menschen Unrecht, Verachtung, Ausgrenzung und Leid widerfahren ist: in unserer Gesellschaft – und auch in unserer Kirche.“ (…) July wies darauf hin, dass in vielen Ländern der Welt homosexuelle Menschen nach wie vor verfolgt, geächtet, mit dem Tode bedroht oder hingerichtet würden. (…) „Wir als Christen in der Gemeinschaft der Kirchen (…) haben für Menschenrechte und Menschenwürde, also konkret: die Rechte auch dieser Schwestern und Brüder, für ihre Würde einzutreten und sie öffentlich zu bezeugen.“ (…) „Für die vielen schmerzhaften Erfahrungen, die gleichgeschlechtlich empfindenden Mitchristinnen und -christen und Mitmenschen in und durch unsere Kirche machen mussten, bitten wir um Entschuldigung vor Gott und den Menschen.“

Der NS-Verfolgungsbereich „Bekämpfung der Homosexualität und der Abtreibung“ wurde in Stuttgart maßgeblich von zwei Orten aus betrieben: zum einen von der Gestapo in der heutigen Dorotheenstraße 10, deren Gebäude als „Hotel Silber“ bekannt ist, und zum anderen vom ehemaligen Polizeipräsidium, das ab 1936 als Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart bezeichnet wurde und seinen Sitz in der Büchsenstraße 37 hatte. Hier war ein Polizeigefängnis untergebracht, welches im Volksmund „Büchsenschmiere“ genannt wurde.

Wir vom Projekt „Der Liebe-wegen“ begrüßen es, dass deren Geschichte mit Schwerpunkt auf die NS-Zeit durch das Evangelische Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart und die Gedenkstätte „Zeichen der Erinnerung“ aufgearbeitet wird und dass bei der geplanten Erstellung einer Monografie und Ausstellung auch die Geschichte der homosexuellen NS-Opfergruppe berücksichtigt werden soll.

Wir wurden angefragt, ob dabei auch auf unsere Forschungsarbeiten von unserem Projekt „Der-Liebe-wegen“ zurückgegriffen werden darf, was wir gerne bejaht haben und unterstützen. Wir hoffen insbesondere, dass in der Monographie nicht nur die von uns aufgearbeitete Biografien um ein paar Details erweitert wiedergegeben werden, sondern dass auch aufgearbeitet und aufgezeigt wird, wie die Evangelische Kirche selbst in Württemberg zur Geschichte der Gewalt und der Diskriminierung von queeren Menschen in der NS- und Nachkriegszeit konkret beigetragen hat (– siehe die Zitate oben des ehemaligen Bischof July und der Pressemitteilung der Evangelischen Kirche Württemberg –) , nicht zuletzt ideologisch durch eine Theologie, „die queeren Menschen eine Gottebenbildlichkeit absprach oder diese in Frage stellte“ (zitiert nach „Bitte um Vergebung“ Erklärung der Evangelischen Kirche Berlin Brandenburg-schlesische Oberlausitz zur Schuld an queeren Menschen anlässlich des Gottesdienstes am Vorabend des Christopher Street Days am 23. Juli 2021).

Das Anliegen der Neugestaltung der Gedenktafel am Leonhard-Lechner-Weg

Wir begrüßen das Vorhaben der Aufarbeitung insbesondere vor dem Hintergrund, dass die während der NS- und in der Nachkriegszeit verfolgten homosexuelle Männer von der Erinnerungskultur der evangelischen Kirche ebenso wie von staatlichen Stellen Jahrzehnte lang nach 1945 nicht als NS-Opfergruppe anerkannt und benannt wurden. Der problematische Umgang zeigt sich noch bis heute im ausgewählten Text der Gedenktafel am Leonhard-Lechner-Weg sowie auf der Webseite des Hospitalhofs zu dieser Gedenktafel (siehe https://www.hospitalhof.de/ueber-uns/geschichte-des-hospitalhofs/gedenktafel/ – Stand 10.1.2024), wo es heißt: 

„Im Gebäude des Stuttgarter Dominikanerklosters und späteren städtischen Hospitals war seit 1895 das Polizeigefängnis untergebracht. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden hier Mitbürgerinnen und Mitbürger gequält und gedemütigt. Im Gedenken an Sinti und Roma, die dem nationalsozialistischen Völkermord zum Opfer fielen. Im Gedenken an jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, die entrechtet, deportiert und ermordet wurden. Im Gedenken an alle, die aus politischen und religiösen Gründen verfolgt wurden.“

Wir vom Projekt „Der-Liebe-wegen“ verfolgen das Anliegen, dass die Gedenktafel möglichst bald überarbeitet wird und sie künftig auch an jene erinnert, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder aus weiteren Gründen verfolgt wurden (siehe zum Beispiel die wegen §218-verfolgte NS-Opfergruppe). Eine solche Neugestaltung der Gedenktafel ist eine einmalige Chance, die Tradition der Ausgrenzung und Diskriminierung überzeugend hinter sich zu lassen und den oben dargestellten Worten des ehemaligen Bischofs July von 2019 deutlich wahrnehmbare Taten folgen zu lassen.
Wir freuen uns über die Rückmeldung von Monika Renninger, der Leiterin des Hospitalhofs, die das Anliegen unterstützt und sich für die Umsetzung dieses Anliegen einsetzen möchte bzw. bereits einsetzt.

Ralf Bogen

Siehe zum Thema auch den Queer-Beitrag „Evangelischer Kirchentag: Nach 54 Jahren erstmals der Männer mit dem rosa Winkel gedacht„, indem es unter anderem bereits in 2015 heißt: „Pfarrerin Monika Renninger fand bei der Gedenkstunde in Stuttgart deutliche Worte: ‚Unsere Kirche muss sich der Mitschuld stellen'“.

Die Kriminalpolizeileitstelle Stuttgarteine von 14 Kriminalpolizeileitstellen im Deutschen Reich:

(Auszüge aus dem Beitrag von Ralf Bogen auf unserer Webseite (siehe https://der-liebe-wegen.org/1933-1945/#kapitel5 ).

Die Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart gehörte nach der im Runderlass vom 26. Juni 1936 geregelten “Neuordnung der staatlichen Kriminalpolizei” zu den insgesamt 14 Kriminalpolizeileitstellen im Deutschen Reich. Ihr waren die Kriminalpolizeistellen Stuttgart (einschließlich Sigmaringen), Karlsruhe, Kaiserslautern und Saarbrücken zugeordnet. Die von Ernst Lauer geleitete Leitstelle war in acht Dienststellen unterteilt, wobei die mit der Verfolgung homosexueller Männer verbundenen Aufgaben von der Dienststelle 6 “Sittlichkeitsverbrechen” mit einem sogenannten “Sittentrupp” zu bewältigen waren. (1)
(…) Die Zahl der von der Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart aufgrund § 175 ermittelten Täter betrug im Jahre 1937 1.412 und im Jahre 1938 1.159. Für 1939 ist lediglich die Zahl für das 1. Vierteljahr mit 264 Täterermittlungen bekannt. (2) Insgesamt waren es damit im Zeitraum von 1937 bis zum ersten Vierteljahr 1939 2.835 ermittelte § 175-Täter. Aus überlieferten Gerichts-, Gefängnis- oder Spruchkammerunterlagen des Staatsarchivs Ludwigsburg geht hervor, dass der Polizei Homosexuellentreffpunkte bekannt waren. In Stuttgart waren dies zum Beispiel der Hauptbahnhof, der Schlosspark, die öffentliche Bedürfnisanstalt am Friedrichsbau sowie die städtischen Schwimmbäder Büchsenbad und Inselbad in Stuttgart-Untertürkheim.

KZ-Einweisungen in den Bezirken der Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart

Nach Ablauf der verbüßten Haftzeit forderten die in Baden und Württemberg zuständigen Kriminalpolizeistellen von den jeweiligen Gefängnisleitungen eine Stellungnahme zu den einzelnen Gefangenen. Sie wies diese an, die Häftlinge nach Strafverbüßung nicht freizulassen, sondern wegen Prüfung der Vorbeugungshaft, sprich: KZ-Einweisung, an die Kriminalpolizeistellen zu überweisen (siehe z. B. entsprechende Korrespondenzen zwischen der Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart und dem Zuchthaus Ludwigsburg bzw. Gefängnisse Ulm vom April 1940 bei Friedrich Enchelmayer, vom Juli 1940 bei Albert Fendel, vom Dezember 1940 bei Otto Schorer oder vom Oktober 1941 bei Gallus Stark).

In der Richtlinie vom 4. April 1937 zum Erlass “Vorbeugende Verbrechensbekämpfung durch die Polizei” war als Einweisungsort für Männer aus den Bezirken der Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart das KZ Dachau bei München bestimmt, in das bis zur Errichtung des KZ Natzweiler-Struthof 1941 die meisten der der Homosexualität beschuldigten Männer eingewiesen wurden. (3) Überlieferte Dokumente über KZ-Einweisungen folgender Männer belegen die Praxis der Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart und der ihr zugeordneten Kriminalpolizeistellen:

  • Friedrich Enchelmayer: Einweisung am 1. Juni 1940 in das KZ Dachau durch die „Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart“
  • Gottlob Doderer: Einweisung am 7. September 1940 in das KZ Dachau durch die „Kripo Stuttgart“
  • Albert Fendel: Einweisung am 21. September 1940 in das KZ Dachau durch die “Kripoleitstelle Stuttgart“
  • Oskar Ragg: Einweisung am 10. Januar 1941 in das KZ Dachau durch die „Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart“
  • Karl Lohmele: Einweisung am 7. April 1941 in das KZ Stutthof durch die „Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart“
  • Edwin Blattner: Einweisung am 16. Juni 1941 in das KZ Flossenbürg durch die „Kripo Stuttgart“
  • Adolf Ferrari: Einweisung am 5. September 1941 in das KZ Dachau durch die „Kripo Metzingen“
  • Karl Aretz: Einweisung am 22. September 1941 in das KZ Flossenbürg durch die „Kripo Karlsruhe“
  • Heinz M.: Einweisung am 6. Oktober 1941 in das KZ Flossenbürg durch die „Kripo Ludwigshafen“
  • Gottlob Giess: Einweisung am 27. Oktober 1941 in das KZ Flossenbürg durch die „Kripo Stuttgart“
  • Kurt Baumgart: Einweisung am 22. Dezember 1941 in das KZ Flossenbürg durch die „Kripo Karlsruhe“
  • Gallus Stark: Einweisung am 29. Dezember 1941 in das KZ Flossenbürg durch die „Kripo Ulm“
  • Gerhard Fries: Einweisung am 16. März 1942 in das KZ Flossenbürg durch die „Kripo Karlsruhe“
  • Wilhelm Keil: Einweisung am 6. Juli 1942 in das KZ Flossenbürg durch die „Kripo Stuttgart“
  • Friedrich Hauser: Einweisung am 17. August 1942 in das KZ Flossenbürg durch die „Kripo Karlsruhe“
  • Oktav Andlaw: Einweisung am 8. Oktober 1942 in das KZ Dachau durch die „Kripo Karlsruhe“
  • Johannes Kolb: Einweisung am 30. Dezember 1942 in das KZ Natzweiler durch die „Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart“
  • Georg Flösser: Einweisung am 23. Juli 1943 in das KZ Natzweiler durch die „Kripo Karlsruhe“
Quellen:
(1) Christian Kaufmann: “Die Stuttgarter Kriminalpolizei im Dritten Reich – ein unrühmlicher Teil deutscher Polizeigeschichte”, Diplomarbeit der Hochschule für Polizei Villingen-Schwenningen, Oktober 2010.
(2) Rainer Hoffschildt: Statistik der Verfolgung homosexueller Männer im heutigen Land Baden-Württemberg – 1882–1994, unveröffentlichtes Manuskript, Hannover 2011.
(3) Günter Grau (Hrsg.): Homosexualität in der NS-Zeit – Dokumente einer Diskriminierung und Verfolgung, Frankfurt 1993, S. 188ff. In der Richtlinen vom 4. April 1938 zum Erlaß „Vorbeugende Verbrechensbekämpfung durch die Polizei“ heißt es unter II. Durchführung: -„bei Männern aus den Bezirken der Kriminalpolizeileitstellen Königsberg, Berlin-Stettin, Hamburg, Bremen, Breslau und Hannover z. Zt. in Sachsen b. Oranienburg, aus den Bezirken der Kriminalpolizeileitstellen Dresden, Düsseldorf, Halle und Köln z. Zt. in Buchenwald b. Weimar, aus den Bezirken der Kriminalpolizeileitstellen München, Stuttgart, Frankfurt a. M. und Juden aus allen Bezirken z. Zt. in Dachau b. München.“

Tarnung und Selbstverleugnung als Folge der staatlich verordneten Zwangsheterosexualität

Aus Protokollen von Stuttgarter Polizeivernehmungen im Juli 1933

Der  Paragraph 175 war 1933 noch nicht durch die Nazis verschärft worden, sodass wechselseitige Onanie zwischen erwachsenen Männern noch nicht strafbar war und dadurch leichter zugegeben werden konnte:

„Meinen ersten normalen Geschlechtsverkehr hatte ich im Frühjahr 1929 mit einer Sängerin am Landestheater, die ich sehr liebte. Bis zu diesem Zeitpunkt und auch seither habe ich meine geschlechtliche Befriedigung z. T. darin gefunden, dass ich mit einer Anzahl gleichaltriger Männer gegenseitig onanierte…. Ich unterhalte übrigens seit neuerer Zeit ein wirkliches Liebesverhältnis zu einer Frau, die ich nicht nur körperlich, sondern auch seelisch liebe, sodass ich die Hoffnung haben darf, dass nunmehr meine bisexuelle Veranlagung zurückgedämmt ist. Diese Hoffnung habe ich um so mehr, als ich auch den ernsten Willen habe, meine Abnormität zu bekämpfe. Ich will jetzt ein gesunder Mensch werden.“
aus der Vernehmung von Walter L., geb. 1907, durch das Polizeipräsidium Stuttgart  im Juli 1933

„Der Grund, warum seit dem letzten Vorfall (homosexuelle Handlung ist hier gemeint, Anm. d. A.) zwischen Ostern und Pfingsten 1933 nicht die Vorfälle wiederholt haben ist der, dass ich um diese Zeit die Bekanntschaft mit einem Mädchen in Birkach gemacht habe. Ich möchte bitten, dass mir unterlassen bleibt, den Namen des Mädchens zu nennen. Zwischen dem Mädchen und mir hat sich ein mit Geschlechtsverkehr verbundenes Liebesverhältnis entwickelt und dies ist der Grund, warum ich mich von W. zurückgezogen habe…..Ich bin geschlechtlich durchaus normal veranlagt und bin zu Handlungen mit W. einzig und allein von diesem veranlasst worden….Ich war mir selbstverständlich klar darüber, das, was ich mit W. getan habe, an sich eine Schweinerei ist. Ich konnte aber dem Drängen von W. nicht widerstehen, denn er ist ja der wesentlich Ältere von uns beiden, hat mir viel Gutes getan, allerdings in anderer Beziehung einen guten Einfluss auf mich ausgeübt“
– aus der Vernehmung von Otto M.., geb. 1914, durch das Polizeipräsidium Stuttgart im Juli 1933)

„Bis zum Jahre 1928 habe ich von gleichgeschlechtlichen Regungen an mir nichts verspürt. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt mit einer Reihe von Damen intime Beziehungen unterhalten und hatte hierbei stets meine volle Befriedigung gefunden….. Ich habe zu dieser meiner anormalen Veranlagung der letzten Jahre jedoch anzugeben, dass ich in der letzten Zeit den festen Willen hatte, mich wieder in ein normales Geschlechtsleben zurückzufinden…. Ich hatte auch in den letzten Wochen Verbindungen mit der Schauspielerin Anni W. am Stadttheater Freiburg angeknüpft. Mit dieser Anni W. wollte ich eine Ferienreise unternehmen bei der ich mich dann wieder wohl bestimmt in normale Geschlechtsverhältnisse zurückgefunden hätte“
– aus der Vernehmung von Ernst W. geb. 1893, durch das Polizeipräsidium Stuttgart im Juli 1933

Aus Protokollen von Polizeivernehmungen von 1940 und 1944

„Im Sommer 1933 war ich im Hotel und Kurhaus Neues Leben. Hier lernte ich einen Gärtner kennen, dessen Namen mir aber nicht mehr bekannt ist. Mit diesem Gärtner habe ich mich in sittlicher Beziehung verfehlt. Wir haben beide gegenseitig onaniert. Ich wurde damals mit 1 Jahr Gefängnis bestraft… Ich kann aber nicht zugeben, dass ich homosexuell veranlagt bin. Ich habe schon öfters Reisen nach Paris, Monte Carlo und Italien gemacht. Hier hatte ich genügend Gelegenheit um Anschluss mit Frauen zu finden und hatte ich es nicht notwendig mich homosexuell zu betätigen….Nachdem ich 1935 wegen der widernatürlichen Unzucht bestraft war und furchtbar büßen musste, auch immer wieder von meinen Angehörigen vorgehalten bekam, dass ich diese Schmach über die Geschwister und über meinen alten Vater gebracht hatte, kam keine derartige Regungen für mich in Frage… Wenn mir nun vorgehalten wird, dass ich in meinem Besitz noch Adressen von jungen Männer gefunden wurden und der Verdacht besteht, dass ich mich diesen auch in sittlicher Hinsicht genähert haben könnte, so muß ich hierzu folgendes angeben….“
– aus der Vernehmung von Ludwig S., geb. 1985, im April 1940.

Ludwig S. macht zu sieben Männern Angaben, die mit ihm im Hotel Royal in Stuttgart beschäftigt  waren  und bestreitet mit diesen „in sittlicher Beziehung“ etwas zu tun gehabt zu haben. Die Stuttgarter Kriminalpolizei verhörte daraufhin alle sieben Männer nach §175-„Verfehlungen.“ „Sollte ich mich je verfehlt habe, so, bitte ich, meine Veranlagung dabei etwas zu berücksichtigen. Ich weiß, dass derartiges verboten ist. Vor etwa einem Jahr stand ich wegen einer ähnlichen Sache vor Gericht. Ich habe mir damals fest vorgenommen, nie wieder straffällig zu werden. Meine Veranlagung war jedoch stärker wie mein Wille. Mein Familienverhältnis sind geordnet. Mit meiner Frau lebe ich im besten Verhältnis. Nach meiner letzten Bestrafung habe ich mir vorgenommen, mich nur noch meiner Familie und meinem Beruf zu widmen. Ich glaube, dies auch durchführen zu können. Leider ist mir nun wieder das passiert.“
– aus der Vernehmung der Generdamerie-Kreis Esslingen von Paul F. im März 1944

Erstveröffentlichung in: Ralf Bogen, Dieter Salwik, Matthias Strohbach, Thomas Ulmer in „Ausgrenztung aus der Volksgemeinschaft – Homosexuellenverfolgung in der NS-Zeit. Schwulst Sonderheft 3/April 2010, hrsg. von Schwulst e. V. und Weissenburg e.V., Stuttgart.

Dezember 2023: Fünf Jahre Erinnerungsort Hotel Silber und Stationen des Kampfes für eine dauerhafte Darstellung des NS- und Nachkriegsunrechts an homosexuellen Menschen

[Aktualisiert am 5.1.2024] Unser Projekt „Der-Liebe-wegen“ war von Anfang an und ist immer noch eng verwoben mit dem Erinnerungsort Hotel Silber am Stuttgarter Karlsplatz, der während der NS-Diktatur Sitz der Gestapo von Württemberg und Hohenzollern war. Wir sind stolz darauf, dass erstmals in Baden-Württemberg in einem Erinnerungsort das §175-Unrecht sowohl während der NS-Zeit als auch in der Nachkriegszeit angemessen dargestellt und – wenn auch nur kurz – das Leid lesbischer Frauen und geschlechtlicher Minderheiten thematisiert und damit sichtbar wird. Rechtspopulistische und neonazistische Kräfte sollen „NIE WIEDER“ die Chance erhalten, ausgrenzende Sexualitäts-, Geschlechts- und Familienbilder für ihre demokratiefeindlichen Zielen zu instrumentalisieren.

Anlässlich der Jubiläumstage „5 Jahre Erinnerungsort Hotel Silber“ veröffentlichen wir folgende zwei Beiträge:

„Systematische Aufarbeitung und dauerhafte Darstellung des NS-Unrechts an homosexuellen Menschen – wie lange noch eine Fehlanzeige in Baden-Württemberg?“ aus Schwulst Nr. 86, Sommer 2010.

Damals behauptete Dr. Thilo Traub, Geschäftsführer der CDU-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, dass das Land sich im Rahmen von den bisherigen Gedenkorten, Gedenkstätten und historischen Ausstellungen über die Zeit des NS-Regimes „bereits (…) an die Opfer aus den Reihen der Homosexuellen (…) erinnert“. Und Heiderose Berroth, Sprecherin der FDP/DVP Fraktion im baden-württemberg Landtag schrieb, das sie es sich „gar nicht vorstellen kann, dass es das nicht schon irgendwo gibt bei der reichlichen Zahl von Gedenkstätten im Land.“ Die Antwort zur Anfrage „NS-Aufarbeitung und Dokumentation in Baden-Württemberg – Denk- und Lernort im ehemaligen Hotel Silber“, 6439, von den Abg. Brigitte Loesch u. a. Grüne vom 20.10.2010 an den baden-württembergischen Landtag stellte demgegenüber klar: „Es gibt in Baden-Württemberg bisher keine systematische Aufarbeitung und dauerhafte Darstellung des NS-Unrechts an homosexuellen Menschen.“

Erste Erfolge bei der Aufarbeitung und dauerhaften Darstellung des Unrechts an homosexuellen Menschen in Baden-Württemberg„, aus den Mitteilungen des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg Ulm e. V. – KZ Gedenkstätte – Heft 68 vom Juni 2018.

Wir wollen durch diese Rückschau in das Bewusstsein rufen, wie um diesen Erinnerungsort gestritten werden musste und erfolgreich gestritten wurde.

Auch 2024 werden wir uns vom Projekt „Der-Liebe-wegen“ an Veranstaltungen der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber beteiligen oder diese in Zusammenarbeit gemeinsam durchführen. Die Zusammenarbeit beginnt bereits am 27. Januar 2024, dem Gedenktag für die Opfer der NS-Diktatur, wo wir gemeinsam zum Gedenken um 11 Uhr am Stolperstein für Käthe Loewenthal in der Ameisenbergstraße 32 in Stuttgart Ost einladen.

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Den Beitrag „Erste Erfolge bei der Aufarbeitung und dauerhaften Darstellung des Unrechts an homosexuellen Menschen in Baden-Württemberg“ aus den Mitteilungen des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg Ulm e. V. – KZ Gedenkstätte – Heft 68 vom Juni 2018, kopieren wir hier zusätzlich hinein:

Über die Stationen des Kampfes für eine Aufarbeitung und dauerhafte Darstellung des NS- und Nachkriegsunrechts an homosexuelle Menschen in Baden-Württemberg berichtet Ralf Bogen von der AG Vielfalt der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber und vom Webprojekt www.der-liebe-wegen.org, der sich seit vielen Jahren maßgeblich daran beteiligt.

In Baden-Württemberg haben mehrere homophobe Demonstrationen gezeigt, dass rechtspopulistische Kräfte zunehmend rückwärtsgewandte Geschlechter- und Familienbilder für ihre demokratiefeindlichen Ziele instrumentalisieren. In Zusammenarbeit mit christlich-fundamentalistischen Kreisen diffamieren sie Aufklärung über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt als „Frühsexualisierung“ und bringen diese in Verbindung mit Kindesmissbrauch und Pädophilie. Diese demagogische Propaganda macht deutlich, wie wichtig es ist, an das Unrecht der NS- und Nachkriegsverfolgung homosexueller Männer zu erinnern.
Noch 2010 räumte die damalige Landesregierung ein, dass es in Baden-Württemberg „bisher keine systematische Aufarbeitung und dauerhafte Darstellung des NS-Unrechts an homosexuellen Menschen“ gibt (Quelle: Antwort des Finanzministeriums vom 27.6.2010 auf einen Antrag zur „NS-Aufarbeitung und Dokumentation in Baden-Württemberg“ der Abg. Brigitte Lösch u. a.). Erst im Januar 2017 gelang es durch das bürgerschaftliche Engagement außeruniversitär Forschender gemeinsam mit den Vereinen Rosa Hilfe Freiburg und Weissenburg e. V. Stuttgart, das Ausmaß dieses Unrechts in unserer Region aufzuarbeiten und es durch das Internetprojekt www.der-liebe-wegen.org sichtbar zu machen. Darauf aufbauend soll das Thema auch in der Dauerausstellung im Stuttgarter „Hotel Silber“ Ende 2018 endlich angemessen dargestellt werden. Dafür setzt sich die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V. zusammen mit ihren Mitgliedsorganisationen IG CSD Stuttgart, Kings Club, LSVD Baden-Württemberg und Weissenburg e. V. (LSBTTIQ-Zentrum Stuttgart) ein. Im Folgenden eine Chronologie dieser Entwicklung:

2008
Das Gebäude „Hotel Silber“ am Stuttgarter Karlsplatz war der Sitz der Geheimen Staatspolizei von Württemberg und Hohenzollern und nach 1945 der Sitz der städtischen Kriminalpolizei. Im Jahr 2008 werden Pläne bekannt, es für ein kommerzielles Bauprojekt abzureißen. Um dies zu verhindern, schließen sich 22 Organisationen und viele Einzelpersonen in der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber zusammen. Unter ihnen sind auch LSBTTIQ-Menschen und -Vereine. Zeitgleich beginnen mehrere Bürger*innen über die Rolle dieses Täterortes vertiefend zu recherchieren. Dabei gewonnene Erkenntnisse werden mit Veröffentlichungen und Veranstaltungen breiter bekannt:

  • dass von jenem Gebäude „Hotel Silber“ Verfolgungen homosexueller Männer in der NS- und Nachkriegszeit ausgegangen sind;
  • dass die Gestapo den Vorwurf der Homosexualität als Vorwand benützte, um gegen missliebige Personen und Gruppen wie z. B. die bündische Jugend vorzugehen. So verhaftete sie am 11. November 1937 in Ulm elf Jugendliche im Alter zwischen zwölf und achtzehn Jahren und brachte sie zu Verhören nach Stuttgart ins „Hotel Silber“. In der Folge wurde der spätere Widerstandskämpfer der Weißen Rose Hans Scholl zunächst unter dem Vorwurf der „Unzucht mit einem Untergebenen“ nach §175a verhaftet;
  • dass das Land Baden-Württemberg mit annähernd 20.000 §§175/175a-Ermittlungsverfahren und über 7.000 §175-Verurteilungen eine „Spitzenreiterrolle“ bei der Verfolgung eingenommen hat;
  • dass bei dieser besonderen Verfolgungsintensität auch überlebende Emslandslager- und KZ-Häftlinge in der Nachkriegszeit erneut wegen §§175/175a verurteilt wurden. [Quelle: Ralf Bogen: „Vorkämpfer im Kampfe zur Ausrottung der Homosexualität“ in „Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern“ (Hrsg. Bauz/Brüggemann/Maier) Stuttgart 2013 oder „Ausgrenzung und Verfolgung homosexueller Männer in Württemberg“ in „Homophobie und Sexismus“, herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung BW, Stuttgart 2015.]

2009
„In Baden-Württemberg gibt es bislang keine Gedenkstätte, welche die NS-Verfolgung Homosexueller gemeinsam mit den anderen NS-Opfergruppen darstellt. Dies wollen wir mit Ihrer/eurer Unterstützung ändern.“ Mehrere schwul-lesbische Organisationen und Einzelpersonen beteiligen sich mit diesem Begleittext an der von der Initiative durchgeführten Unterschriftensammlung „Zukunft braucht Erinnerung!“ für den Erhalt des Gebäudes „Hotel Silber“ als Gedenk- und Lernort.

2010
Weissenburg e. V. und das Stadtarchiv Stuttgart organisieren erstmals im Stuttgarter Rathaus eine Ausstellung zum Thema nationalsozialistische Homosexuellenverfolgung. Diese und ein Sonderheft von SCHWULST, Magazin für Schwule und Lesben in Baden-Württemberg, zeigen u. a., dass es in der Weimarer Republik mehrere Lokale und emanzipatorische Vereine von Schwulen und Lesben in Stuttgart gab.

2011
Dank des hartnäckigen Engagements der Initiative kann erreicht werden, dass nach der Landtagswahl 2011 die Landesregierung den Erhalt des Gebäudes „Hotel Silber“ beschließt und Stadt und Land sich 2013 zur Finanzierung eines Lern- und Gedenkortes verpflichten.

2013
420 Menschen unterstützen die Online-Unterschriftenaktion „Für einen würdigen Lern- und Gedenkort im ehemaligen Gestapogebäude ‚Hotel Silber‘ unter Einbeziehung aller NS-Verfolgtengruppen“ mehrerer LSBTTIQ-Vereine.

2014
Mit dem im November 2014 verabschiedeten Grobkonzept für die Dauerausstellung im „Hotel Silber“ wird ein weiterer wichtiger Erfolg erzielt: es sieht vor, die Ausgrenzung und Verfolgung homosexueller Männer in der NS- und Nachkriegszeit darzustellen.

2015
Die LSBTTIQ-Emanzipationsbewegung erreicht mit Hilfe vieler Unterstützer*innen, dass die baden-württembergische Landesregierung einen Aktionsplan für Akzeptanz und gleiche Rechte verabschiedet. Eines der Ziele ist die Würdigung der LSBTTIQ-Geschichte als Teil der Landesgeschichte, so dass jetzt auch bürgerschaftliche Erinnerungsarbeit und ein entsprechendes universitäres Forschungsprojekt gefördert werden.

2017
Mit der Website www.der-liebe-wegen.org wenden sich Rosa Hilfe Freiburg e. V. und Weissenburg e. V., Stuttgart, gegen noch immer weit verbreitete Vorurteile, wie z. B. mann-männliche Beziehungen auf Sex zu reduzieren und frauenliebenden Frauen autonome sexuelle Bedürfnisse nicht zuzugestehen. Grundlage der Website sind die Ergebnisse jahrelanger Arbeit von außeruniversitär Forschenden, die im Rahmen des von der Landesregierung geförderten Projekts 2016 zusammengetragen, systematisiert und aktualisiert werden konnten. Projektbeteiligte Autor*innen sind: Werner Biggel, Rainer Hoffschildt, William Schaefer, Kim Schicklang, Christina Schieferdecker, Claudia Weinschenk und der Autor dieses Beitrags. Im Fokus stehen die in einer digitalen Gedenkkarte dargestellten Einzelschicksale von über 250 Opfern der nationalsozialistischen Diktatur. Darunter befinden sich die Schicksale von 18 Männern, die in Ulm geboren sind und/oder dort nach §§175/175a verhaftet, verurteilt und in ein Strafgefangenen- und/oder KZ-Lager eingewiesen wurden. Erstmals können zahlreiche Scans von Originaldokumenten der regionalen Verfolgung aufgerufen werden. Ein Exkurs klärt über Minderheiten mit geschlechtlicher Thematik auf.
Das in jahrelanger Recherchearbeit erworbene Detailwissen kann ich in die Arbeitsgemeinschaft Dauerausstellung „Hotel Silber“ einbringen, welche sich aus Mitarbeitenden des Hauses der Geschichte und unserer Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber zusammensetzt. Die Ausstellungseröffnung ist für Dezember 2018 geplant.

Zukunftswunsch
Es sind nicht wenige Repräsentant*innen der katholischen Kirche, evangelikaler Gruppen und islamischer Verbände, die noch heute eine vollständige Gleichberechtigung von Frauen ablehnen sowie gelebte Homosexualität immer noch als „widernatürlich“ und „abnormal“ diskreditieren. Damit stärken sie einen gefährlichen Nährboden für radikalere Formen der Abwertung, Ausgrenzung und Diskriminierung bis hin zu Hass und Gewalt. Daran können rechtspopulistische, neonazistische und islamistische sowie christlich-fundamentalistische Kreise anknüpfen. Mein Wunsch ist, dass die ideologischen Grundlagen der Abwertung und Ausgrenzung von LSBTTIQ-Menschen und dabei die besondere Rolle der beiden Amtskirchen, islamischer Verbände und der Universitäten verstärkt beleuchtet und möglichst durch diese selbst nachhaltig aufgearbeitet werden. Denn gerade diese wirken in vielen Köpfen noch immer subtil weiter.

Ralf Bogen

Dezember 2023: Erfreuliche Nachrichten über die iranische LGBT+-Aktivistin Sareh (Zahra Sedighi Hamedani)

Von „Der-Liebe-wegen“ hatten wir uns an der internationalen Kampagne zur Freilassung der LGBT*-Aktivistin Sareh beteiligt, die von einem Todesurteil im Iran bedroht war (siehe „Ausnahmsweise gute Nachrichten aus dem Iran“ sowie „Frauen – Leben – Freiheit: Rettet das Leben von Sareh und Elha“). Erfreuliche Nachrichten von 6Rang, die queeren Stimme des Irans, haben wir heute am 5. Dezember 2023 erhalten, die wir gerne veröffentlichen:

Die iranische LGBT+-Aktivistin Sareh (Zahra Sedighi Hamedani), die nach der Aufhebung ihres Todesurteils gegen eine hohe Kaution aus dem Gefängnis entlassen wurde, ist heute wohlbehalten in einem sicheren Land angekommen.

Sie dankt allen LGBT+-Aktivisten, die sie auf diesem schwierigen Weg in die Freiheit begleitet haben. Sie gratuliert der LGBT+-Community, den Aktivisten und der globalen Community, die die #FreeSareh-Kampagne unterstützt haben.

Zahra Sedighi Hamedani, 31, auch bekannt als Sareh, wurde im November 2021 vom Korps der iranischen Revolutionsgarden an der Grenze zu Urmia im Nordwesten des Iran festgenommen. Sie hatte sich in den sozialen Medien öffentlich für ihre sexuelle Identität eingesetzt. Sie wurde an den leitenden Ermittler der Abteilung 6 des Staats- und Revolutionsgerichts Urmia verwiesen, wo ihr schwere Vorwürfe der „Korruption auf der Erde“ vorgeworfen wurden, darunter „Förderung von Homosexualität“, „Kommunikation mit antiislamischen Netzwerken“ und „ Förderung des Christentums.“

Nach einer umfangreichen Kampagne von 6rang und mit Unterstützung der iranischen und globalen LGBT+-Gemeinschaft sowie der internationalen Gemeinschaft, darunter Politiker und Künstler, wurde das Todesurteil gegen Sareh aufgehoben und sie gegen Kaution freigelassen.

Sarehs Freiheit und Sicherheit sind ein bedeutender Sieg für die LGBT+-Bewegung im Iran. Dieser Sieg zeigt, dass wir uns niemals unmenschlichen Urteilen beugen und alle Anstrengungen unternehmen sollten, um der Verletzung unserer Rechte zu widerstehen. Unsere Stimme auf globaler Ebene laut zu erheben und internationale Menschenrechtsmechanismen zu nutzen, kann von Vorteil sein, um Druck auf die Islamische Republik auszuüben, ihre Verbrechen einzustellen.

Wir sind stolz darauf, dass alle Bemühungen der iranischen LGBT+-Gemeinschaft zusammen mit der Weltgemeinschaft das Ziel erreicht haben und Sareh nun mit ihren Kindern in einem freien und demokratischen Land leben kann.

6Rang, die queeren Stimme des Irans „fühlt sich von Euch wahrgenommen und das gibt uns Kraft“

Zu unserer Solidaritäts- und Spendenkampagne mit 6Rang (siehe hierzu unsere Erklärung „STOLZES ERGEBNIS DER SPENDEN- UND SOLIDARITÄTSKAMPAGNE FÜR 6RANG, DER „QUEEREN STIMME DES IRANS„, siehe betterplace) haben wir Post von 6Rang, der queeren Stimme des Irans, erhalten, die wir hier gerne veröffentlichen. Zu oben dargestellten Foto schreibt uns Shadi Amin, die Sprecherin von 6Rang:
„Im Auftrag von 6Rang, bedanke ich mich ganz herzlich bei „Just Human“ und Der Liebe Wegen für ihre solidarischen Aktionen. Wir haben gesehen wie Ihr Euch in Kälte und Hitze auf den Straßen verschiedener Städte engagiert und Eure Solidaritätkampagne mit iranischen LGBT+-Menschen durchgeführt habt.
Wir, Mitglieder von 6Rang, haben eure Spende für die LGBTI-Personen, die in Not waren und leider zum Teil noch sind, eingesetzt. Wir sagen danke bei allen Beteiligten und Spender:innen. 6Rang fühlt sich von Euch wahrgenommen und das gibt uns Kraft. Vielen Dank!

Herzliche Grüße, Shadi Amin“

Einem Jahr nach Mahsa Aminis Tod, in dem über 500 Menschen bei Demonstrationen von der Diktatur getötet wurden, hat die Protest- und Widerstandsbewegung neue Aktionsformen ausgewählt wie zum Beispiel den massenhaften Boykott der Moscheen, in denen Staatspropaganda verkündet wird. Wie isoliert diese Diktatur ist, zeigt, dass nach einem Bericht der iranischen Zeitung «Enthehab» mehr als zwei Drittel aller „Gotteshäuser“ geschlossen seien (siehe den Beitrag: „Leere Moscheen im Gotteststaat: Die nicht mehr ganz so Islamische Republik Iran)„.

Wie 6Rang und ihre Sprecherin Shadi Amin sich weiter für die LGBT*-Rechte im Iran einsetzen, dass wird auch im November-Newsletter von 6Rang deutlich, den wir hier in zwei kurzen Auszügen veröffentlichen:

Die Vereinten Nationen fordern Iran auf,
die Todesstrafe für gleichgeschlechtliches Verhalten aufzuheben
Der UN-Menschenrechtsausschuss empfahl der Islamischen Republik Iran in seinen Überlegungen zum vierten periodischen Bericht über die Islamische Republik Iran im Oktober nachdrücklich, einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Erwachsenen zu entkriminalisieren und sicherzustellen, dass auf solche Beziehungen nicht die Todesstrafe verhängt wird. Das Gremium, das die Umsetzung des Pakts (…) überwacht, kam zu dem Schluss, dass die Mitglieder der LGBTQI+-Gemeinschaft allein aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung oder ihrer einvernehmlichen sexuellen Aktivitäten inhaftiert und misshandelt werden (…). Vor dieser Überprüfung hat 6Rang einen Bericht über staatlich geförderte Diskriminierung und Gewalt aufgrund sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität und -ausdrucks sowie einen weiteren Bericht über die geschlechtsspezifische Verfolgung von LGBTQI+-Demonstranten vorgelegt (…).
Internationale Gemeinschaft wird auf anhaltende Verletzungen der LGBTQI+-Rechte im Iran aufmerksam gemacht
Shadi Amin, Direktorin des 6rang-Netzwerks, hielt am 13. September eine Rede vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und wies auf staatliche Gewalt und Rechtsverletzungen gegen Frauen, Mädchen und die LGBTQI+-Gemeinschaft im Iran hin. Amin betonte das Fehlen von Gerechtigkeit für die Opfer des Jina Mahsa Amini-Aufstands und forderte internationale Institutionen auf, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Obwohl der Bericht in einem begrenzten Zeitrahmen erstellt wurde, enthielt er wichtige Einblicke in die Lage der Menschenrechte im Iran, die Amin in einer 90 Sekunden langen Präsentation auf der Generalversammlung des Rates in Genf hervorhob. (Sehen Sie sich hier das vollständige Video an)





2023: Ausstellung „gefährdet leben. Queere Menschen 1933-1945“

Im Rahmen des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2023 standen erstmals diejenigen Menschen im Mittelpunkt, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität im Nationalsozialismus verfolgt wurden. Die Ausstellung „gefährdet leben. Queere Menschen 1933 – 1945“ knüpft an dieses wichtige erinnerungspolitische Thema an und macht es nun einem breiten Publikum zugänglich.

Sie zeichnet die vielfältigen und ambivalenten Lebensgeschichten queerer Menschen nach. Die Ausstellung macht auch mit bislang unveröffentlichtem Material deutlich, wie das Leben vieler queerer Menschen gebrochen und zerstört wurde. Sie beleuchtet gleichzeitig, wie verbliebene Handlungsspielräume im Alltag genutzt wurden. Erzählt werden keineswegs nur Verfolgungsgeschichten, sondern auch Wege der Selbstbehauptung in einer widrigen Lebensrealität.

Vielfältige Perspektiven auf queeres Leben 1933 bis 1945 und danach

Anhand von Dokumenten, Grafiken, Fotografien und Zitaten haben Sie die Möglichkeit, queere Menschen und ihre individuellen Lebensgeschichten kennenzulernen. Die Ausstellung gliedert sich dabei in fünf Themeninseln. Interessiert Sie ein Aspekt besonders, bietet die Ausstellung die Möglichkeit, sich auch tiefergehend mit den Biografien der Menschen und mit aktuellen Forschungsergebnissen zu beschäftigen.

Auch dazu dienen die Sitzgelegenheiten in der Ausstellung, die alle Generationen zum Verweilen einladen.

Themeninseln der Ausstellung

  • Ausmaß und Bedeutung der Zerstörung queerer Infrastrukturen
  • Ausgrenzung aus der „Volksgemeinschaft“ und Praktiken der Verfolgung
  • Selbstbehauptung und Eigensinn
  • Haftgründe und Haftorte (Gefängnisse, Konzentrationslager und sogenannte Fürsorgeeinrichtungen)
  • Nach 1945: Opfer unter Vorbehalt, Weiterverfolgung sowie emanzipatorische und lebensweltliche Handlungsräume

Die Informationstexte der Ausstellung sind in deutscher Sprache und digital über QR-Codes auch in englischer Sprache verfügbar.

Ab 2024 geht die Ausstellung auf Wanderschaft durch Deutschland

Wenn Sie Interesse haben, die Ausstellung ab 2024 bei sich vor Ort in Gedenkstätten, Museen, Schulen, anderen Bildungsorten, Rathäusern und Landtagen zu zeigen, schreiben Sie eine E-Mail an vorstand@mh-stiftung.de

Besuch der Ausstellung

Acht Frauen stehen in einer Reihe an einem Strand auf Langeoog.

Anneliese Isermeyer (2. von rechts), (1905 bis 1985) im Kreis von Freundinnen, Fotografie Langeoog 1939 (Schwules Museum Berlin)

Die Ausstellung wird vom 30. November bis zum 15. Dezember 2023 in der Halle des Paul-Löbe-Hauses in Berlin gezeigt. Sie kann montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr besucht werden. Dienstags ist die Ausstellung von 9 bis 19 Uhr geöffnet.

(Quelle: https://www.bundestag.de/ausstellung-queere-menschen-im-nationalsozialismus)

2023: Queer in Schwäbisch Gmünd: das Projekt „Einhorn sucht Regenbogen“

Seit Juli 2022 gibt es in Schwäbisch Gmünd die von den Kooperationspartnern Gmünder VHS, Stadtarchiv, Museum im Prediger und der Stabsstelle Chancengleichheit der Stadt Schwäbisch Gmünd ins Leben gerufene und von Arnd Kolb geleitete queere Geschichtswerkstatt „Einhorn sucht Regenbogen“. Auf ihrer Webseite schreiben sie zu ihrem Projekt:

„Queer – ein kurzes Wort und doch so viel mehr: Es geht um Vielfalt, sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität. Es geht aber auch um Achtung und Würde und am Ende vor allem um eins: Liebe. Mit einem offenen Blick auf die Diversität in unserer Stadt möchte das Projekt »Einhorn sucht Regenbogen« lokalen Entwicklungen nachspüren, verborgene Traditionen entdecken und das queere Leben in Gmünd in Geschichte und Gegenwart noch sichtbarer machen. (…) Dafür wurden Gespräche geführt und nach Unterlagen und Objekten gesucht und auch gefunden. Was dabei herauskam, ist spannend und aufschlussreich: Was war der Kreis der Freunde? Welches Schicksal hatte Irene S.? Wie lebt es sich mit nicht-binärer Geschlechtsidentität in Gmünd? Warum ist das Einhorn für manche mehr als ein Wappentier? Weshalb musste der »Parteigenosse« Ernst Haug ins Zuchthaus? Was ist eine Klappe? War der Stadtgarten eine Cruising Area? Und welche Rolle nahm der Bahnhof ein?

An diesen Fragestellungen wird die Vielfalt queerer Gmünder und ihre(r) Geschichte(n) deutlich, die derzeit auf der Webseite mit dreizehn Orten in Schwäbisch Gmünd verbunden sind. Zu Ernst Haug, auf den wir in unserer digitalen Gedenkkarte eingehen, hat uns Dr. Niklas Konzen vom Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd Folgendes geschrieben:

„Die Artikel auf der-liebe-wegen.org waren für uns ein sehr wertvoller Ansatzpunkt und Anstoß für weitere Recherchen zu Gmünder Biographien, insbesondere im von Ihnen bearbeiteten Fall Ernst Haug, zu dem wir eine Fülle weiterer Dokumente erschließen und einen Kontakt zu seiner Tochter herstellen konnten, die uns bereitwillig als Zeitzeugin Auskunft gegeben hat. (…) Die Informationen auf der-liebe-wegen.org waren für uns sehr hilfreich und wir werden in Zukunft sicherlich auch weiteren Fällen mit Lokalbezug nachgehen.“

Wir veröffentlichen an dieser Stelle den Beitrag „Von der Wehrmacht ins Emsland-KZ: Wie §175 einen schwulen Gmünder aus der Konformität ins Elend riss“ von Dr. Niklas Konzen sowie das Video zum Gmünder Projekt „Rainbow Refugees“, für das Joschi Moser und die Rainbow Refugees beim Projekt Vielfalt 2023 ausgezeichnet wurden.

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Joschi Moser und die Rainbow Refugees wurden beim Projekt Vielfalt 2023 ausgezeichnet.

Wir empfehlen insbesondere auch die Beiträge „Auf dem falschen Klo“ von Sera Panos zum Leben nichtbinärer Gmünder, Ich bin nicht anders – ich bin ich. Trans in Schwäbisch Gmünd“ sowie den traurigen Artikel „Vor Eilzug geworfen“ – Das Schicksal der Irene S.“. In der Einleitung zu diesem berührenden Beitrag heißt es:

„Kann man in Deutschland offen queer leben? Man kann! Allerdings ist die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Deutschland keine Selbstverständlichkeit. Es gibt in der Gesellschaft nach wie vor Ausgrenzung, Diskriminierungen, Hass und Gewalt. Was macht das mit den Betroffenen? Die Folgen sind dramatisch. LSBTTIQ* Menschen haben eine dreimal höhere Wahrscheinlichkeit, an Depressionen zu erkranken. Und laut internationalen Studien sind die Suizidraten bei queeren Jugendlichen signifikant höher (…). Die Statistiken sprechen eine eindeutige Sprache. Sie haben jedoch keine Aussagekraft über das Vergangene. Über die unzähligen Schicksale, wie das von Irene S.“

Als Teilnehmende der Geschichtswerkstatt werden auf der Webseite genannt (Stand: 21. Oktober 2023): Arnd Kolb, Projektleitung, Jenny Adami, Brigitte Häussermann, Sarah Heller, Jana Königsmann, Joschi Moser und Peter Palm.

Ralf Bogen, 22. Oktober 2023

15.10.2023: 20 Jahre Stolpersteine für Stuttgart – Zukunft braucht Erinnerung

Matinee am Sonntag, den 15. Oktober 2023, um 11 Uhr im Schauspiel Stuttgart, Oberer Schlossgarten 5
Am 10. Oktober 2023 jährt sich die Verlegung der ersten Stolpersteine in Stuttgart-Ost zum 20. Mal. Seit dem 15. März 2023 erinnern mehr als eintausend Stolpersteine im gesamten Stadtgebiet an verfolgte, vertriebene und ermordete Opfer des NS-Regimes.

Darunter sind zwei im April 2010 erfolgte Stolpersteinverlegungen für die aufgrund von §175-Vergehen in Konzentrationslager eingewiesenen NS-Opfer Friedrich Enchelmayer in der Aberlin-Jörg-Str. 13 und Willi App am Leonhardsplatz 15.

Auch die Stolpersteinverlegung für Käthe Loewenthal in der Ameisenbergstraße 32 ist hier zu nennen, zu deren Biografie Claudia Weinschenk schreibt, dass sie aus rassistischen Gründen, nicht wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurde. Sie war jedoch wegen ihrer todkranken Freudin aus ihrem Schweizer Exil zurück nach Stuttgart ins Nazi-Deutschland gezogen. Überlieferte Briefe und Tagebucheinträge lassen den Schluss zu, dass es sich um eine Liebesbeziehung handelte. Nach dem Tod ihrer Freundin konnte Käthe Loewenthal selbst nicht mehr in ein sicheres Land entkommen.

Die vielen Stolpersteinverlegungen in Stuttgart sind Grund genug, auf die Entwicklung dieses Projekts zurückzublicken, nach den Perspektiven der Erinnerungskultur (auch über die Stolpersteine hinaus) zu fragen und natürlich auch angemessen zu feiern. Hierzu veranstalten die Stuttgarter Stolperstein-Initiativen und die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V. eine Jubiläumsmatinee, die nicht von ungefähr den Titel „Zukunft braucht Erinnerung“ trägt.

Wir vom Projekt „Der-Liebe-wegen“ unterstützen diese Matinee gerne und danken allen Akteur:innen der Stolpersteininitiativen herzlich für ihr wertvolles Engagement. Wir danken insbesondere Mathias Strohbach, Elke Martin, Rainer Redies und Harald Stingele, die sich auch für die Erinnerung der homosexuellen NS-Opfer engagiert haben. Dafür hat sich eine Zusammenarbeit zwischen Aktiven der Stolpersteiniintiativen und den Stuttgartern LSBTTIQ-Vereinen entwickelt, insbesondere zwischen den in der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber Engagierten von Stolpersteininitiativen und von der Rosa-Winkel-Initiative der Weissenburg e.V., aus der 2016/2017 das Projekt „Der-Liebe-wegen“ hervorgegangen ist. Diese trug mit zum erfolgreichen Kampf um den Erhalt des Hotel Silber (ehemaliger Sitz der Gestapo von Württemberg und Hohenzollern) als Erinnerungsort des NS-Unrechts gegenüber allen Opfergruppen bei.

Foto: Aktive der Stolpersteininitative und der LSBTTIQ-Vereine am Aktionstag der Initaitive Lern- und Gedenkort Hotel Silber in 2014

So viel sei zum Programm verraten: Gabriele Hintermaier und Boris Burgstalter vom Schauspiel-Ensemble werden bei der Veranstaltung auch das Schicksal eines homosexuellen NS-Opfer beleuchten. Mehr zum Programm siehe https://www.stolpersteine-stuttgart.de/wp-content/uploads/2023/07/Programmkarte-20-Jahre-Stolpersteine.pdf.

Stolperkunst für Käthe Löwenthal und Friedrich Enchelmayer:

Familienabend – Hörstück zu Käthe Löwenthal

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Aus einem Facebookbeitrag vom Sportverein Abseitz von 2019 für Willi App:

„Lieber Willi,

zu deinem 100. Wiegenfest wünschen wir dir im Namen von über 800 Abseitz-Mitgliedern aus vollem Herzen alles Liebe und Gute! Es ist toll, dass du dich nach wie vor bester Gesundheit erfreust, und wir sind stolz, dich als jahrzehntelangen Sportskameraden, Freund und Förderer in unserer Mitte zu wissen. Wir sagen Danke für deine Treue und Freundschaft, und freuen uns auf noch viele gemeinsame schöne Jahre mit dir.“ So könnte der Text einer Geburtstagskarte lauten, die wir gerne geschrieben hätten.

Leider haben wir dazu niemals die Gelegenheit bekommen. Der Adressat, Will Karl App, wurde im Oktober 1942 aufgrund seiner Homosexualität verhaftet und am 14. März 1943 im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet. Willi Karl App stammt aus dem Stuttgarter Leonhardviertel. Mit nur 23 Jahren kam er als „Asozialer“ erst ins KZ Dachau, dann nach Sachsenhausen. Ein halbes Jahr später war er tot.

Alles das, was für uns heute selbstverständlich ist – sich Verlieben, ein gemeinsames Leben mit eine*r gleichgeschlechlichen Partner*in aufbauen, in der eigenen Familie und dem persönlichen Umfeld offen leben zu können, eine offene und solidarische LSBTTIQ-Community in der Mitte der Gesellschaft erleben zu können, rechtlich weitgehend geschützt von Diskriminierung und Gewalt zu sein – wurde ihm verwehrt. Willi hatte niemals die Gelegenheit, sich für seine Rechte einzusetzen, konnte den Kampf um Akzeptanz und Gleichberechtigung nicht mehr erleben, ja selbst das Recht auf Leben wurde ihm abgesprochen. Für eine Rehabilitation ist es zu spät. Von Willi ist nichts mehr da – keine Grabstätte, kein Foto, keine Familie. Nur noch ein kleiner unscheinbarer Stolperstein mit seinem Namen erinnert daran, dass es ihn jemals gegeben hat, in der Lazarettstraße im Stuttgarter Leonhardviertel, unweit der Abseitz-Geschäftsstelle.

Willi Karl App wäre heute 100 geworden. Wir können das nicht mehr mit ihm feiern, aber wir können ihn ehren, ihm als einem der Unseren gedenken, die Erinnerung an ihn und alle die, die wie er von einer feigen, lebensverachtenden Gesellschaft ermordet wurden, hochhalten.
Ihn zu vergessen wäre ein Verbrechen. Und so können wir ihm nur noch zusichern, dass wir weiterhin kämpfen, dass wir uns auch 2019 und darüber hinaus mit aller Kraft dafür einsetzen, dass sich diese Geschichte niemals und nirgends wiederholt, dass alle Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und ihrer geschlechtlichen Identität frei und offen und in Frieden leben können.

Das ist unser Versprechen an Willi App.

(Quelle: https://www.facebook.com/profile/100063713823114/search/?q=App)

27.9.2023: „Verfolgung von queeren Menschen vor und nach 1945“– Gesprächsrunde mit Andrea Genest, Klaus Schirdewahn und Lutz van Dijk

Aktions Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) lädt in Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche + Rechtsextremismus am Mittwoch, 27. September 2023 um 18:00 Uhr zur online-Gesprächsrunde ein. Zur Anmeldung geht es hier. Aktion Sühnezeichen Friedensdienste schreibt auf ihrer Webseite zu dieser Veranstaltung (Auszug):

In einer Gesprächsrunde möchten wir uns über die Verfolgung von queeren Menschen vor und nach 1945 austauschen: Welche Repressalien und Verfolgungen erlitten Lesben, Schwule und trans Menschen? Welche Kontinuitäten der Verfolgung gab es nach 1945? Wie gestaltete sich der Kampf um Anerkennung und Entschädigung der NS-Überlebenden und ihrer Angehörigen? Was hat die Zivilgesellschaft erreicht und was ist noch offen, wenn es um die Gleichberechtigung aller Lebensformen und Identitäten geht?

Unsere Gesprächspartner*innen sind:

Dr. Andrea Genest ist Politikwissenschaftlerin und Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück sowie stellvertretende Direktorin der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. 1991 war sie mit ASF Freiwillige in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Auschwitz.

Klaus Schirdewahn ist Aktivist für die Rechte von queeren Menschen. Er wurde 1964 nach dem §175 verurteilt und hielt anlässlich der Gedenkstunde des 27. Januar 2023 eine Rede im Deutschen Bundestag.

Dr. Lutz van Dijk ist Historiker und gehörte 1989 zu einer ersten offen schwulen Gruppe in Auschwitz, die im Rahmen einer ASF-Gedenkreise nach homosexuellen Opfern forschte, siehe aktuell als Mitherausgeber auch: „Erinnern in Auschwitz – auch an sexuelle Minderheiten“ (Querverlag 2020). Er hat sich mit einer Petition lange dafür eingesetzt, dass in der Bundestags-Gedenkstunde am 27. Januar 2023 der verfolgten LGBTIQ* gedacht wurde.

August 2023: 3657 EURO – stolzes Ergebnis der Spenden- und Solidaritätskampagne für 6RANG, der „queeren Stimme des Irans“

Austausch über Unterdrückung von LGBT*-Personen in unserer Region während der NS- und Nachkriegs-Zeit sowie in Ländern wie dem Iran heute mit der iranischen LGBT*-Aktivistin Shadi Amin im Hotel Silber, dem ehemaligen Sitz der Gestapo am 29. Juli 2023 (siehe auch: betterplace.org/p120934).

Zum Abschluss der Spenden- und Solidaritätskampagne für 6Rang erklären das Projekt „Der-Liebe-wegen“ und just human:

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Shadi Amin, auf der CSD-Kundgebung von Stuttgart Pride am 29. Juli 2023

Wir vom Projekt „Der-Liebe-wegen“ und von just human freuen uns, dass bei unserer Spenden- und Solidaritätskampagne für 6Rang insgesamt 3657 Euro zusammen gekommen sind. Mit dieser Spende unterstützen wir die Arbeit des iranischen Netzwerks, die für das Motto steht: „Stoppt Hinrichtungen und jegliche Gewalt gegen LGBT*! Frau, Leben, Freiheit, einschließlich der Freiheit der LGBT*-Regenbogen-Community!“ Die Kampagne hatten wir am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie, dem 17. Mai 2023, gestartet und schließen sie nun nach der Stuttgarter Pride CSD-Demonstration ab. Wir danken allen Spendenden und Unterstützenden, die zu diesem Erfolg beigetragen haben!

Höhepunkt unserer Kampagne war die Rede der Leiterin von 6Rang, Shadi Amin, auf der CSD-Kundgebung von Stuttgart Pride am 29. Juli 2023. Sie erinnerte daran, dass lesbische, schwule, bisexuelle und trans Personen im Iran jeden Tag ihr Leben riskieren. Sie machte deutlich, dass die iranische LGBTI*-Community eine klare und transparente Position der Bundesregierung fordert, „wenn es um (…) Verhaftung, Folter und Hinrichtungsurteile gegen LGBTI+-Personen im Iran geht.“ Als Deutsche würden wir diese Art der Unterdrückung aus der NS-Zeit kennen. So verwies sie auf das Hotel Silber, die ehemalige Zentrale der regonalen Gestapo, welches sie am Vormittag besucht hatte, um sich dort über Verfolgung von LGBTI*-Personen in Vergangenheit und heute auszutauschen. In ihrer Rede appellierte sie auch im Bezug auf Deutschland: „Ohne unser (…) solidarisches Handeln sind unsere Chancen sehr gering. Wir sind nicht umsonst so weit gekommen; diese Errungenschaften sind nicht selbstverständlich. Wir müssen jeden Tag dafür kämpfen, um diese Rechte zu behalten und auszuweiten.“

Bei mehreren Veranstaltungen zur Kampagne wurde deutlich, dass die Jahrhunderte alten Vorurteile über eine angebliche Widernatürlichkeit gleichgeschlechtlicher Liebe und Sexualität sowie die angebliche Minderwertigkeit von Frauen, von inter- und transsexuellen Menschen weltweit millionenfaches Leid verursacht haben, egal ob wir in jüdisch, christlich oder moslemisch geprägten Gesellschaften aufgewachsen sind. Dazu beizutragen, dieses Leid endlich zu überwinden, war und ist eine wichtige Motivation für unser Arbeit vom Projekt „Der-Liebe-wegen“ (www.der-liebe-wegen.org) als auch von just human (www.just-human.de). Spenden für 6Rang können auch nach der Kampagne weiterhin auf das Konto von just human geleistet werden (Spendenkonto: DE89 3702 0500 0007 7692 00, bitte Spende mit Stichwort 6Rang versehen).

Projekt „Der-Liebe-wegen“ (www.der-liebe-wegen.org) und just human (www.just-human.de)

Führung „Schweigen zur Verfolgung von LGBT*: NICHT MIT UNS“ und Austausch im Hotel Silber über die Unterdrückung von LGBT*-Menschen während der NS- und Nachkriegszeit in Deutschland sowie heute in Ländern wie dem Iran am 29. Juli 2023 (Foto v. l. n. r.: Friedemann Rincke vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Shadi Amin von 6Rang und Ralf Bogen vom Projekt „Der-Liebe-wegen“)
Beteiligung an der Stuttgart Pride CSD-Demonstration von unserer Solidaritätskampage


Rede von Shadi Amin, Sprecherin von 6Rang, auf der CSD-Kundgebung von Stuttgart Pride am 29. Juli 2023:

Happy pride!

Ich bin Shadi Amin und komme aus dem Iran, wo gleichgeschlechtliche Beziehungen mit Strafen von Peitschenhieben bis zur Todesstrafe geahndet werden. LGBTI-Personen werden diskriminiert und marginalisiert. Doch heute bin ich stolz darauf, dass ich aus einem Land komme, in dem es in den letzten 10 Monaten gelungen ist, die Aufmerksamkeit und Empathie der ganzen Welt durch die Parole „Frau, Leben, Freiheit“ (Jen, Jiyan, Azadi) auf sich zu ziehen.

Ja, wir haben das Bild von Frauen und LGBT-Personen, die unter religiösen Diktaturen leben, grundlegend verändert und haben eine kämpferische und aktive Rolle als Opfer dieses homophoben und sexistisch-kapitalistischen Regimes übernommen. Mehr als 500 Menschen wurden ermordet, darunter 73 Kinder, und mehr als 22.000 Personen wurden verhaftet. Sie als Deutsche kennen diese Art der Unterdrückung; wir waren in Hotel Silber (Zentrale der Gestapo)ja, das sind die gleichen politischen Situation wie in den dreißiger Jahren und Jahrzehnten danach in Deutschland.

Aber das allein reicht nicht aus, damit die Welt die Gefahr des politischen Islams erkennt und sich aktiv für die Demokratie im Iran einsetzt. Leider ist diese Revolution noch nicht zum Ziel gelangt. Wir als LGBT+-Community haben es geschafft, unsere Forderungen in den Diskurs dieser Revolution einzubringen. Die lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans Personen im Iran riskieren jeden Tag ihr Leben, um eine Veränderung im Land herbeizuführen. Dieses mutige und hoffnungsvolle politische Engagement ist etwas, was wir nicht nur im Iran, sondern überall auf der Welt brauchen, um fundamentalistische, rassistische und rechtsradikale Kräfte bekämpfen zu können.

Wir sind heute hier, um unseren Willen für den Aufbau einer fortschrittlichen LGBT+-orientierten Politik zu äußern. Ohne unser Zusammenkommen und solidarisches Handeln sind unsere Chancen sehr gering. Wir sind nicht umsonst so weit gekommen; diese Errungenschaften sind nicht selbstverständlich. Wir müssen jeden Tag dafür kämpfen, um diese Rechte zu behalten und auszuweiten.
Unsere Gegner warten nicht, sie organisieren sich und handeln. Wir können und müssen gezielt aktiv werden. Wir dürfen keine Zeit verlieren.

Die iranische LGBTI-Community fordert eine klare und transparente Position der Bundesregierung gegenüber der Islamischen Republik, wenn es um Hasskampagnen, Diskriminierung, Verfolgung, Verhaftung, Folter und Hinrichtungsurteile gegen LGBT+-Personen im Iran geht.

Heute und jetzt denken wir an alle Opfer unseres Kampfes, die ermordeten Jugendlichen auf den Straßen des Irans, unsere Freunde in  Polen, Saudi Arabia, Afghanistan, Russland, Uganda und überall auf der Welt.

Hoch die internationale Solidarität! Frau – Leben – Freiheit! Jen Jiyan Azadi!

Am Infostand der Weissenburg auf der CSD-Pride Hocketse: Informationen zur Verfolgung wegen gleichgeschlechtlicher Liebe und Sexualität in unserer Region während der NS-Zeit und heute in Ländern wie im Iran.
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Online-Veranstaltung „Schweigen zur Gewalt gegen LGBT? NICHT MIT UNS!“ mit Shadi Amin am 20. Juli 2023 von der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber und unserem Projekt „Der-Liebe-wegen“, unter anderem über ihre persönliche Entwicklung und Fluchtgeschichte, über ihr Coming Out sowie über die Arbeit von 6Rang und die politische Situation im Iran heute.

20.7.2023: „Die neue Generation soll es besser haben als wir“ – Onlineveranstaltung mit Shadi Amin, Sprecherin von 6Rang, „die queere Stimme vom Iran“

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Leider mussten wir unsere online-Veranstaltung „Schweigen zur Gewalt gegen LGBT? NICHT MIT UNS!“ mit Shadi Amin am 20.7.2023 zu Beginn wegen eines gezielten Cyber-Störangriffs zunächst abbrechen und haben dadurch eventuell Teilnehmende verloren. Danach konnte die von uns zusammen mit der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber organisierte Veranstaltung jedoch ungestört durchgeführt werden. Sie sie ist Bestandteil der gemeinsam mit just human getragenen Solidaritäts- und Spendenkampagne mit 6Rang (siehe betterplace.org/p120934), mit der wir Erinnerungsarbeit mit Menschenrechtsarbeit gegen heutige Gewalt gegen LGBT* verbinden.

Seid am 29.7.2023 bei Stuttgart Pride dabei und stärkt den Ruf nach:
„FRAU – LEBEN – FREIHEIT! QUEER – TRANS – AZADI!“

Der Stuttgarter Pride ist der Höhepunkt unserer Solidaritätskampagne. Bei der Kundgebung wird Shadi Amin, sprechen. Sie wird unter dem Motto „FRAU – LEBEN – FREIHEIT! QUEER – TRANS – AZADI!“ bei der Parade mitlaufen, wobei AZADI die persische Übersetzung des Wortes FREIHEIT ist. Aufstellung der Parade ist ab 12 Uhr in der Rotebühlstraße, zwischen Schwab- und Senefelder Straße, stadteinwärts. Um 15 Uhr beginnt die Demonstration. Wir von „Der-Liebe-wegen“ treffen uns bei just human und haben die Startnummer 46. Kommt vorbei, lauft mit, wir freuen uns über Verstärkung!

Vor der Parade findet um 10:30 Uhr die Führung „Schweigen zur Gewalt gegen LGBT*? NICHT MIT UNS“ im Hotel Silber durch die Dauerausstellung mit anschließendem Gespräch mit Shadi Amin statt. Das Haus der Geschichte Baden-Württemberg, die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber und wir von der Liebe wegen laden dazu herzlich ein. Die Führung ist kostenlos. Um Anmeldung wird unter: veranstaltungen-hs@hdgbw.de gebeten.

Juli 2023: Warum wir 6Rang, die „queere Stimme des Irans“, unterstützen: Schweigen zur Gewalt gegen LGBT*? NICHT MIT UNS!

Stimmen zur Spenden- und Solidaritätskampagne mit 6Rang auf betterplace.org/p120934.
Wir vom Kampagnenteam sagen ein HERZLICHES DANKESCHÖN an alle Spendende und Unterstützenden.

Veranstaltungen mit Shadi Amin, der Direktorin von 6Rang sind am Donnerstag, den 20. Juli und am Samstag, den 29. Juli 2023: siehe Veranstaltungsübersicht. Der Beitrag „Die queere Stimme des Irans“ im CSD-Programmheft 2023 von Stuttgart Pride kann online gelesen werden (siehe Seite 40).

Jetzt Spenden! Das Spendenformular wird von betterplace.org bereit gestellt.

Elke Banabak, Geschäftsführerin Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V.:
„Im Iran sind derzeit LGBT* Menschen in akuter Lebensgefahr. Die Aktivist*innen von 6Rang machen mit hohem Einsatz sehr wichtige Aufklärungsarbeit über die Lebensrealität von LGBT*, es ist mir wichtig, sie dabei zu unterstützen. Das Thema geht alle an, denn es sollte in der heutigen Zeit längst selbstverständlich sein, dass die grundlegenden Menschenrechte ohne Ausnahme weltweit für alle gelten.“

Werner Biggel, Internetprojekt www.der-liebe-wegen.org, im Kampagnenteam:
„Mir ist es wichtig, dass die Unterdrückung und Peinigung der LGBT*-Menschen im Iran sichtbar gemacht und nicht länger hingenommen wird. Ich möchte dazu beitragen, dass die queere Stimme des Irans gehört und gestärkt wird.“

Florian Boesch, Aktivist der LGBT*-Geflüchtetenarbeit und der ASF (Amour sans Frontières):
„Ich unterstütze die Kampagne, weil ich internationale Solidarität in der queeren Community als wichtig und notwendig empfinde. Wir müssen uns gegenseitig empowern und einen Beitrag für eine tolerante und inklusive Zukunft leisten, nicht nur hierzulande. Die Inhaftierungen und Hinrichtungen im Iran sind eine humanitäre Tragödie, die mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit braucht.“ 

Ralf Bogen, Internetprojekt www.der-liebe-wegen.org, im Kampagnenteam:
„Die von 6Rang aufgezeigten staatlichen Folterpraktiken, von der Diktatur als ‚Therapie der Homosexualität‘ bezeichnet, sowie Hinrichtungen wegen ‚Förderung der Homosexualität‘ müssen stärker als bislang international geächtet werden. Die queere Stimme des Irans hat bereits heute eine befreiende Ausstrahlung auf alle Länder, wo LGBT*Menschen immer noch von staatlichen Stellen als ‚krank‘ und ‚pervers‘ diffamiert und unterdrückt werden. Stärken wir diese Stimme im Kampf für ein demokratisches und freies Iran und für die weltweite Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt!“

Uwe Bogen, Journalist und Buchautor:
„Auch im Iran sollte endlich die Regenbogenfahne wehen. Dies wird höchste Zeit! Menschenrechte dürfen nicht an Grenzen stoppen. Alle Menschen sollten lieben dürfen, wen sie wollen. Was bei uns selbstverständlich ist, kann in zu vielen Ländern immer noch eine Gefahr für Leib und Leben sein. Dies zu ändern sollte weltweit die Aufgabe von uns allen sein – und von der Politik, die wir gemeinsam unter Druck setzen müssen.“

Kerstin Bosse, Internetprojekt www.der-liebe-wegen.org, just human, im Kampagnenteam:
„Ich unterstütze den Kampf von 6Rang um gleiche Rechte von LGBT Menschen in der iranischen Gesellschaft, aber auch innerhalb der iranischen Protestbewegung gegen das Regime, weil Shadi Amin Recht hat, wenn sie sagt, „Man kann keine Blumen im Garten pflanzen und ihren Anblick genießen, wenn die andere Hälfte des Gartens schlammig ist.“ Schauen wir über unseren eigenen Tellerrand hinaus und erklären wir uns aktiv solidarisch mit dem Kampf der LGBT Community im Iran gegen Homo- und Transphobie.“

Oliver Hildenbrand, Grüne, Mitglied des Landtags:
„Jin, Jiyan, Azadî. Frau, Leben, Freiheit. Wir hören die mutigen Frauen und all die anderen Protestierenden, die im Iran für Demokratie und Menschenrechte auf die Straße gehen. Mir ist wichtig, dass wir auch die queeren Stimmen hören, die diese Freiheits- und Revolutionsbewegung ausmachen. Die brutale Gewalt und die furchtbaren Menschenrechtsverletzungen durch das menschenverachtende Mullah-Regime müssen gestoppt werden. Deshalb unterstütze ich die Kampagne.“

Laura Halding-Hoppenheit, Wirtin, LGBT*- und AIDS-Aktivistin sowie Kommunalpolitikerin der Linken in Stuttgart:
„Liebe ist kein Verbrechen. Stoppt die Todesstrafe im Iran!“

Ahvan Hosseinzade, Geflüchteter aus dem Iran, im Kampagnenteam:
„Menschen, deren Rechte sowie die Akzeptanz ihrer Vielfalt stehen ganz oben auf meiner Prioritätenliste, egal um welche Vielfaltsdimension es geht: von wo sie beispielsweise herkommen, welche Hautfarbe sie haben, an was sie glauben oder was für eine Sprache sie sprechen. 6Rang widmet sich den Menschen, die wegen ihrer geschlechtlichen Identität und/oder ihrer sexuellen Orientierung sowohl vom autoritären Regime als auch von der traditionellen Gesellschaft im Iran entrechtet, diffamiert, verurteilt oder sogar getötet werden. Das verdient genauso unsere Unterstützung!“

Sam Langeroudian, Geflüchteter aus dem Iran, Aktivist bei avaye Iranian Tübingen:
„Iran zählt zu den Ländern, in denen homosexuelles Begehren mit dem Tod bestraft werden kann. Stoppt alle Hinrichtungen im Iran!“

Brigitte Lösch, Stellvertretende Landtagspräsidentin a.D.:
„Ich unterstütze die Kampagne weil es mir wichtig ist weltweit für unsere Menschenrechte einzustehen, gegen Mennschenrechtsverletzungen zu kämpfen und unsere internationale Solidarität mit der queeren community zu zeigen!“

Thomas Ott, Buchladen Erlkönig (Copyright des Bildes: Wilhelm Betz):
„In Iran sehen wir, wozu Frauenfeindlichkeit und Homophobie führen können, wenn sie von einem verbrecherischen Regime zur „Staatsreligion“ gemacht werden: Hier wird nicht nur diskriminiert oder benachteiligt. Hier wird gefoltert, ermordet und vernichtet. Eine „community“ sollte sich immer ganz besonders solidarisch für diejenigen einsetzen, die die größte Unterdrückung und Bedrohung erfahren. Die Solidaritätskampagne von „Der Liebe wegen“ mit „6Rang“ ist eine solche Aktion und daher eine großartige Idee!“

Lena Raisdanai, Menschenrechtsaktivistin mit iranischem Migrationshintergrund aus Stuttgart, Aktivistin von Ayande Jugendinitiative
„Ich unterstütze die Kampagne für 6Rang, denn es ist wichtig auf die Situation im Iran aufmerksam zu machen: Der Slogan Frau, Leben, Freiheit steht für eine vielfältige Gesellschaft, die viele Jahre Unterdrückung, Vergewaltigung, Mord und Hinrichtung erlebt hat. Ein jeder Mensch hat das Recht so zu sein, wie er sein möchte und niemand darf in seiner Freiheit eingeschränkt werden!“ 

Martin Richter, Sprecherrat des Ak Asyl Stuttgart, Unterstützer und Helfer für LGBTIQ Refugees, ehrenamtlicher Mitarbeiter bei ASF (Amour sans Frontieres):
„Ich fordere weltweite Sanktionen gegen queerfeindliche Länder sowie Freiheit und Rechte für eine Liebe ohne Grenzen.“

Marion Römmele, Frauenberatung Fetz:
Was fürchten Diktatoren?
Freie Frauen – freie Liebe – selbstbestimmte Identität – Solidarität
Was lässt uns hoffen?
Freie Frauen – freie Liebe – selbstbestimmte Identität – Solidarität!
Ich freue mich, mit einer Spende an 6Rang einen kleinen Teil zu diesem Freiheitskampf beitragen zu können.“

Christel Stroh, Internetprojekt www.der-liebe-wegen.org, just human, im Kampagnenteam:
„Ich erkläre mich solidarisch mit dem Kampf von 6Rang, weil das unsagbare Leid unserer LGBT Mitmenschen im Iran, die ständige Bedrohung mit der Todesstrafe und der Druck zur zwangsweisen Geschlechtsangleichung ein Ende haben muss.“

Florian Wahl, SPD-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Böblingen:
„Ich unterstütze die Kampagne, denn queere Rechte sind Menschenrechte! Meine Solidarität gilt den mutigen Aktivist:innen, die sich für queere Rechte in Iran einsetzen. Die Emanzipation und Gleichstellung von LSBTIQ-Personen kann nur international gedacht werden!“

Katja Walterscheid, Vorstand von just human e.V., im Kampagnenteam:
„Die queere Stimme des Iran darf nicht verstummen – denn die Welt muss wissen: Menschen werden mit dem Tode bedroht, weil sie lieben. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir sind solidarisch mit 6Rang, weil niemand frei sein kann, wenn auf der Welt Menschen unfrei leben müssen. Gemeinsam für Freiheit, Leben und Liebe!“

Solidaritätskampagne in Aktion:

20. Juli 2023: „Die neue Generation soll es besser haben als wir“
– Onlineveranstaltung mit Shadi Amin, Sprecherin von 6Rang

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Im Mittelpunkt der Kooperationsveranstaltung der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber und unseres Projekts „Der-Liebe-wegen“ stehen drei Fragestellungen: Wie war ihre persönliche Entwicklung hin zur lesbischen Aktivistin? Wie arbeitet 6Rang angesichts der aktuellen Situation im Iran? Wie sieht sie die Erinnerungs- und Menschenrechtsarbeit sowie die LGBT*-Bewegung hierzulande angesichts von Umfragen, wonach eine rechtspopulistische Partei bei über 20% steht?

16. Juli 2023: 5 Jahre Just human-Feier in Stuttgart
Bei der Feier heute konnten wir unsere Solidaritätskampagne vorstellen.

24. Juni 2023: CSD in Tübingen

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10. Juni 2023: CSD „Reutlingen ist bunt“

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Wir haben erst nach der CSD-Parade in Reutlingen mitbekommen, dass Nazis schon vor dem CSD in Reutlingen gegen den CSD mobilisiert und nach der CSD-Parade CSD-Teilnehmende provoziert und angegriffen haben (siehe https://www.queer.de/detail.php?article_id=45901 bzw. https://www.swr.de/…/erster-christopher-street-day-in… oder https://beobachternews.de/…/es-flogen-faeuste-stuehle…/ ). Das unterstreicht, wie wichtig unser Zusammenhalt gegen rechte Gewaltübergriffe und zur Verteidigung schutzbedürftiger Geflüchteter ist und dass es selbstzerstörerisch ist, jetzt in unseren CSD- und LGBT*-Reihen Zwietracht zu säen.

20. Mai 2023: „Frau, Leben, Freiheit“ – Kundgebung von Democracy4Iran
Videos von der Kundgebung – siehe https://www.instagram.com/p/Csd8wbOonNp/

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17. Mai 2023 am Stuttgarter Marktplatz: Start der Kampagne zum IDAHOBITA

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Am 17. Mai 2023, dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transsexualität, haben wir unsere Solidaritäts- und Spendenkampagne mit 6Rang, die „queere Stimme des Irans“ auf dem Marktplatz in Stuttgart gestartet. Hier wie auch am 20. Mai 2023 bei der Kundgebung „Frau – Leben – Freiheit“ von Democracy4Iran konnten wir unsere Kampagne vorstellen.

Wie wichtig diese ist, zeigt uns Ende Mai 2023 ein Schreiben von Shadi Amin, die Sprecherin von 6Rang. Sie informierte uns darüber, dass 6Rang der internationalen Öffentlichkeit den Bericht „Folter als Therapie: Massive Peinigung der LGBTQI-Community“ anlässlich des Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit vorgelegt hat, dem Aussagen von 210 Angehörigen der LGBTQI-Community in 25 iranischen Provinzen zugrunde liegen. 110 davon hätten drakonische „Therapiemethoden“ am eigenen Leib erlebt, fast die Hälfte davon sei minderjährig (!) gewesen. Ihnen werden demnach beispielsweise Psychopharmaka verabreicht, um ihre sexuelle Neigung zu „korrigieren“. Neun der von 6Rang Befragten sollen auch mit Elektroschocks „behandelt“ worden sein. Durch den Konsum von Pornographie (!) sollen ihre sexuellen Empfindungen „in die richtige Bahn“ gelenkt werden. Die drastischen Maßnahmen führen bei Betroffenen laut der 6Rang-Befragung unter anderem zu Depressionen, Selbstmordgedanken, Schlafstörungen, Gedächtnisverlust oder Stottern. 6Rang bittet um internationale Aufmerksamkeit, um diese Folterpraktiken bekannt zu machen und den politischen Druck auf die Islamische Republik zu erhöhen sowie Ärzt*innen und Psycholog*innen zum Handeln zu bewegen, Folter nicht länger als Therapie zur „Heilung (!) von Homosexualität“ im Iran zu praktizieren.

2023-2027: Stigmatisiert, kriminalisiert, verfolgt: Zum Stand der Entschädigung der Opfer des Paragrafen 175 StGB in Baden-Württemberg – ACHTUNG: Frist für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs ist um fünf Jahre bis zum 21. Juli 2027 verlängert worden

Die Frist für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach dem Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen (StrRehaHomG) wurde vom 21. Juli 2022 um fünf Jahre bis zum 21. Juli 2027 verlängert.

Einvernehmliche homosexuelle Handlungen waren in der Zeit von 1945 bis 1994 in unterschiedlicher Weise nach den §§ 175, 175a StGB bzw. nach § 151 StGB-DDR unter Strafe gestellt. Dieses Verbot war aus heutiger Sicht in besonderem Maße menschenrechtswidrig.

Anträge auf Entschädigungen können auch jene Betroffene stellen, die strafrechtlich verfolgt wurden, ohne dass es zu einer Verurteilung kam, oder die im Zusammenhang mit den strafrechtlichen Verboten unter außergewöhnlichen negativen Beeinträchtigungen – beispielsweise beruflichen oder gesundheitlichen Nachteilen – zu leiden hatten.

Betroffene können sich postalisch, telefonisch oder per E-Mail an das BfJ wenden, um eine Entschädigung zu beantragen: Bundesamt für Justiz, Referat III 6, 53094 Bonn, Telefon: 0228 99 410-40
Folgender Link auf die Homepage des Bundesamts für Justiz informiert betroffene Frauen und Männer über die Entschädigungsmöglichkeiten.

Schätzungen zufolge ergingen zwischen 1945 und 1994 bundesweit etwa 69.000 Urteile nach den genannten Verbotsvorschriften. Bis Mitte Juli 2022 beantragten 335 Personen eine Entschädigung beim BfJ nach dem StrRehaHomG oder der Richtlinie, von denen 259 tatsächlich entschädigt werden konnten. Insgesamt wurden bislang 885.500 Euro ausgezahlt. Zum Stand der Entschädigung der Opfer des Paragrafen 175 StGB informiert die Stellungnahme des Ministeriums der Justiz und für Migration vom 14. April 2022 auf den Antrag „Stigmatisiert, kriminalisiert, verfolgt: Zum Stand der Entschädigung der Opfer des Paragrafen 175 StGB und der wissenschaftlichen Aufarbeitung der LSBTTIQ-Verfolgungsgeschichte im Südwesten“ von Oliver Hildebrand u. a. GRÜNE. Darin heißt es: „Bei den für die Erteilung der Rehabilitierungsbescheinigung nach dem StrRehaHomG zuständigen Staatsanwaltschaften im Land wurden insgesamt 26 Anträge gestellt (Stand: 26. April 2022).“ Wieviele der 26 Anträge bewilligt wurden und welche Geldsumme an die §175-Opfer in Baden-Württemberg ausgezahlt wurden geht daraus leider nicht hervor.

Wir veröffentlichen Antrag und Stellungsnahme hier im Folgenden (siehe unten).

Ralf Bogen

Mai-Juni-Juli 2023: Solidarität mit 6Rang, die „queere Stimme des Irans“

Danke an alle Unterstützende und für alle Spenden auf betterplace.org/p120934!
Übersetzungen: Englisch, Französisch, Persisch, Kurdisch, Arabisch, Türkisch
Veranstaltungsübersicht mit Beteiligung der 6Rang-Solidaritätskampagne

Zan – Zendegi – Azadi“ („Frau – Leben – Freiheit“) …
ist eine der am meisten gerufenen Parolen der mutigen Protest- und Widerstandsbewegung gegen das iranische Regime. Dieses hat seit September 2022 mehr als 20.000 Demonstrant:innen festgenommen und über 500 Protestierende, darunter mindestens 70 Kinder, getötet.

„… einschließlich der Freiheit der Regenbogen-Community!
setzt Shadi Amin hinzu, die Sprecherin des iranischen Lesben- und Transgender-Netzwerks 6Rang. Das Netzwerk setzt sich für die von Todesurteilen bedrohten LGBT*-Personen ein, wie bei der internationalen Kampagne zur Aufhebung der Todesstrafe gegen die LGBT*-Aktivistinnen Elham Choubdar und Zahra Seddiqi Hamadani (https://action.allout.org/de/m/66561cda/).
6Rang konnte mit dazu beitragen, dass im Dokument „Charta der Mindestforderungen der gewerkschaftlichen und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen“ vom 14. Februar 2023 auch die Forderungen der LGBT*-Community im Kampf für ein freies und demokratisches Iran aufgenommen wurden (https://der-liebe-wegen.org/ausnahmsweise-gute-nachrichten-aus-dem-iran/).

6Rang, die „queere Stimme des Irans“
Das Netzwerk möchte insbesondere die Situation von Lesben und Transgender-Personen in einer Gesellschaft sichtbar machen, in der Sexualität generell ein Tabu ist und in der jegliche Selbstbestimmung von Frauen, unter anderem durch Kleidungsvorschriften, unterdrückt wird.
Die Organisation leistet persönliche Online-Beratung für LGBT*-Personen und informiert auf ihrer Webseite https://6rang.org über aktuelle Entwicklungen im Iran. Sie steht mit vielen LGBT*-Personen in Kontakt, von denen die meisten im Iran leben.

Wir können helfen!
Wir sammeln finanzielle Mittel auf der Online-Spendeplattform betterplace, um die Öffentlichkeitsarbeit von 6Rang und ihre persönliche Online-Beratung für LGBT*-Personen zu unterstützen. Unsere Solidaritäts- und Spendenkampagne von „Der Liebe wegen“ (www.der-liebe-wegen.org) und „just human“ (www.just-human.de) beginnt zum Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie am 17. Mai 2023 und endet am 5. August 2023, eine Woche nach dem CSD-Pride in Stuttgart. Sie steht für den Kampf um eine Welt, die Hinrichtungen und jegliche Form von Gewalt gegen LGBT* nicht mehr hinnimmt!

Unterstützt wird die Solidaritätskampagne von:

Veranstaltungen mit Beteiligung unserer 6Rang-Solidaritätskampagne

Mi 17.5.2023 Internationaler Tag gegen Homo- und Transphobie – Marktplatz Stuttgart
14 – 17 h: Infostände, Redebeiträge, Spielstation für Kinder, 17 – 18.30 h: Hauptkundgebung und Aktionen

Sa 10.6.2023, 14 h: CSD „Reutlingen ist BUNT“ –  Aufstellung am Hauptbahnhof Reutlingen

Sa 24.6.2023, 14 h: CSD Parade Tübingen – Uhlandstraße (vor dem Keplergymnasium)

So 16.7.2023, ab 14 h: Jubiläumsfest „5 Jahre just human“ – wir feiern und informieren unter anderem mit dem Beitrag: Gewalt gegen LGBT*  –  NICHT MIT UNS!“ 17.30 Uhr, Stuttgart, Württembergischer Kunstverein, Schlossplatz 2.

Do 20.7.2023, 19.30 h: Onlineveranstaltung „Schweigen zur Gewalt gegen LGBT*? NICHT MIT UNSmit Shadi Amin, Vorsitzende von 6Rang. Zur aktuellen Situation und zum Kampf für eine LGBT*-Lebensperspektive im Iran. Eine Kooperationsveranstaltung der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber und „Der-Liebe-wegen“. Anmeldung unter: https://eveeno.com/237366880. Die Veranstaltung wird gestreamt: https://www.youtube.com/@initiativelern-undgedenkor8536

Sa 29.7.2023, 10.30 h „Schweigen zur Verfolgung von LGBT*? NICHT MIT UNS“ – Führung durch die Dauerausstellung im Hotel Silber mit Ralf Bogen (Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V.), Friedemann Rincke (Haus der Geschichte Baden-Württemberg) und Shadi Amin (Geflüchtete aus dem Iran, Vorsitzende von 6Rang), Dorotheenstraße 10, am Karls-Platz in Stuttgart.
Sa 29.7.2023, 15.30 h Stuttgart Pride – CSD-Demonstration (ab 12.30 h Aufstellung in der Rotebühlstraße, zwischen Schwab- und Senefelder Straße, stadteinwärts), um 15.30 Uhr Beginn der Demonstrationen.
Sa 29.7.2023, 18.30 h Stuttgart Pride – CSD-Kundgebung auf dem Schlossplatz, u. a. mit Shadi Amin, Vorsitzende von 6Rang. Danach Treffen und Gesprächsmöglichkeit mit Shadi Amin am Infostand von just human.

So 30.7.2023, Stuttgart Pride – CSD-Straßenfest (Hocketse) – Markt- und Schillerplatz Stuttgart
Aktuelle Infos an den Infoständen von Weissenburg LSBTTIQ-Zentrum und just human.
Wer unsere Solidaritätskampagne unterstützen möchte: kontakt@der-liebe-wegen.org

Beiträge zu bzw. über Shadi Amin, Sprecherin von 6Rang:

17.5.2023: Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie: Schweigen zur Gewalt gegen LSBTIQA? NICHT MIT UNS!

Zum Start unserer Solidaritäts- und Spendenkampagne mit 6Rang, der „queeren Stimme des Irans“ am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie, möchten wir auf weitere Beispiele von LGBT*-Organisationen in Süd- und Westasien sowie Nordafrika aufmerksam machen sowie den Aufruf Stuttgarter LGBT*-Organisationen zum Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie veröffentlichen:

Beispiele von LGBT*-Organisation in Süd- und Westasien sowie Nordafrika

Wenn wir hier auf Webseiten von LGBT*-Selbstorganisationen der SWANA-Region hinweisen (SWANA ist ein antikolonialistischer Begriff für die Region Süd- und Westasien und Nordafrika, die sonst oft ,Naher Osten‘ oder ,Mittlerer Osten‘ genannt wird. Letztere Begriffe denken Europa als Zentrum, beinhalten also eine koloniale bzw. neokoloniale Vorstellung von Geografie), so wollen wir vorweg ebenso darauf aufmerksam machen, dass Polizeistellen in Ländern wie Ägypten mit gefälschte Facebook-Konten, Fake-Profile auf Dating-Apps gegen LGBT*-Personen vorgehen.
Die digitalen Plattformen hätten LGBT*-Personen zwar „ermöglicht, sich selbst auszudrücken und ihren Stimmen dadurch mehr Gehör verschafft“, so Rasha Younes, leitende Forscherin für LGBT*-Rechte bei Human Right Watch. Das ist nicht gerade unwichtig in einem Umfeld, in dem Homosexualität oft gesellschaftlich tabuisiert wird und teilweise sogar bis heute als Krankheit gilt. Doch dadurch, dass auch sogenannte „Sicherheits“-kräfte anonym auf diesen Plattformen unterwegs sind, seien diese „zugleich (…) auch zu Instrumenten staatlich geförderter Unterdrückung geworden“ (Quelle: https://www.dw.com/de/lgbtq-in-%C3%A4gypten-staatliche-verfolgung-%C3%BCber-dating-apps/a-65214584).


Helem ist die erste LGBTQIA+-Organisation in der arabischen Welt, die 2001 offiziell in Beirut, Libanon, gegründet wurde.

Rasan wurde 2004 in Sulaimaniyya, Region Kurdistan, im Irak gegründet und setzt sich für die Verteidigung von Frauen- und LGBTQI-Rechten sowie gegen weibliche Genitalverstümmelung, Kinderheirat und häusliche Gewalt ein.

Al Qaws (deutsche Übersetzung: „Der Regenbogen“) wurde offiziell 2007 gegründet und setzt sich für sexuelle und geschlechtsspezifische Vielfalt in der palästinensischen Gesellschaft, insbesondere in Haifa, Ostjerusalem, Jaffa und Ramallah ein.

Guardians of Equality Movement (GEM) ist eine am 14. September 2021 gegründete Organisation mit Sitz in Genf (Schweiz), die sich dafür einsetzt, das Leben syrischer LGBTQIA+-Menschen zu verbessern, die in Syrien und in der gesamten syrischen Diaspora weltweit Diskriminierung/Missbrauch aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität erleben. 


Aufruf Stuttgarter LGBT*-Organisationen zum Internationalen Tag gegen LSBTIQA-Feindlichkeit in 2023:

Die Gewalt gegen queere Menschen nimmt rasant zu: Die Statistiken des Bundesinnenministeriums zeigen einen seit Jahren anhaltenden Anstieg bei der Anzeige queerfeindlicher Gewalt. Kaum ein CSD im letzten Jahr verlief ohne Gewalt durch Angriffe auf Teilnehmende, Regenbogenfahnen wurden verbrannt und in Münster erlag Malte C. den Folgen eines brutalen Angriffes beim CSD.

In den USA gab es in den letzten Monaten über 300 queerfeindliche Gesetzesinitiativen. In Ländern wie dem Iran wird die Todesstrafe wegen Homosexualität noch heute praktiziert und soll in Uganda eingeführt werden. Auch in einigen unserer Nachbarländern nimmt die Gewalt gegen queere Menschen weiter zu. Queere Menschen erfahren nicht nur physische Gewalt – tägliche Diskriminierung, Beleidigung, abschätzige Blicke und mangelnde soziale Teilhabe sind ebenso an der Tagesordnung, insbesondere, wenn mehrere Diskriminierungsebenen zusammenkommen. Europa, sind das die „Werte“, derer Du Dich immer so gerne rühmst?

Wir protestieren!
Wir protestieren gegen die Gewalt, die wir jeden Tag erfahren. Wir protestieren gegen Kräfte, die unsere Freiheit einschränken wollen, uns beleidigen und angreifen. Wir protestieren gegen ein System der Unterdrückung und Normierung, gegen Ungleichheit und Ausgrenzung.
Wir protestieren für die Anerkennung von LSBTIQA-Geflüchteten! Wir protestieren aber auch FÜR ein Selbstbestimmungsgesetz und die Erweiterung des Grundgesetzes Artikel 3, Absatz 3! Wir protestieren FÜR Sichtbarkeit und Sicherheit! Wir protestieren FÜR bessere Bildung und besseren Schutz!

Kommt und werdet an diesem wichtigen internationalen Protesttag mit uns laut!
Schweigen zur Gewalt gegen LSBTIQA? Nicht mit uns!

April 2023: Zusammen gegen Transfeindlichkeit: Janka Kluge ideell und finanziell den Rücken stärken!

www.betterplace.me/zusammen-gegen-transfeindlichkeit

Menschen, die sich nicht dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zugehörig wissen, sind nicht psychisch krank. Aber lange wurden sie so behandelt. Für die Änderung von Vornamen und Personenstand mussten sie bislang zwei psychologische Zwangsbegutachtungen über sich ergehen lassen, wobei sie auch immer wieder von sogenannten „Sachverständigen“ zu sexuellen Fantasien, Unterwäsche, Masturbationsverhalten und sonstigen sexuellen Praktiken befragt wurden.
Diese Demütigungen sollen nun endlich durch ein neues Gesetz zur Selbstbestimmung über den eigenen Geschlechtseintrag beendet werden. Dieses Vorhaben wird allerdings von Anfang an von rechtsgerichteten Kräften entschieden bekämpft.

Janka Kluge gegen die massiven Hassangriffe den Rücken stärken!
In diesem Kontext ist Janka Kluge, die sich seit Jahren antifaschistisch und für die Rechte transsexueller Menschen engagiert, verstärkt Hassangriffen in Onlinemedien ausgesetzt. So twitterte zum Beispiel René Springer, Bundestagsabgeordneter der AfD „Janka Kluge ist ein biologischer Mann, ein linksextremer Mann“ und auf dem rechtspopulistischen Blog „Ansage“ war ein extrem abwertender und gehässiger Beitrag veröfffentlicht.
Die Journalistin Kluge wehrt sich dagegen unter anderem mit einstweiligen Verfügungen. Auf der Webseite betterplace informiert sie über den aktuellen Stand der juristischen Auseinandersetzungen. Bei diesen kann jede:r sie moralisch und finanziell unterstützen (siehe Zusammen gegen Transfeindlichkeit | betterplace.me). Bis zum 29. April 2023 sind bislang 13.813 Euro gespendet worden. Unter der Überschrift „Gemeinsam gegen Transfeindlichkeit“ schreibt sie auf dieser Webseite: „In einem Artikel des „Pleiteticker“ von Rome Medien GmbH hieß es über mich, ich sei ein „62jähriger Mann“. Ich muss es nicht hinnehmen, auch heute noch, mittlerweile 39 Jahre nach meiner Transition, als Mann bezeichnet zu werden. Das Landgericht Frankfurt ist meiner Auffassung gefolgt und hat eine einstweilige Verfügung erlassen. Das Verlagshaus von Julian Reichelt hat mittlerweile angekündigt Widerspruch einzulegen. Damit wird das Verfahren fortgesetzt und gegebenenfalls müssen wir auch ein Berufungsverfahren beim Oberlandesgericht Frankfurt bestreiten. Diese Verfahren gehen ins Geld. Die Kosten können sich leicht bis auf 25.000 Euro addieren. Daher bitte ich um eure Unterstützung. (…) Auch wenn ihr wenig oder nichts geben könnt: Euer Support ist mir noch immer das Wichtigste.“Am 22. April 2023 teilte sie weiter mit: „Nachdem dem rechten Blog ‚Ansage‘ per einstweiliger Verfügung untersagt wurde, Beleidigungen über mich weiter zu verbreiten, wurde der unsägliche Beitrag vom Netz genommen. Mit Eurer Unterstützung ist es mir möglich, mich zu wehren.“
Fünf Tage später schreibt sie: „Heute wurde bekannt, dass der Betreiber des Blogs „Ansage“ Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingereicht hat. Damit kommt es auch in der Auseinandersetzung zu einem Gerichtsverfahren.“

Niemand muss hinnehmen, bewusst dem falschen Geschlecht zugeordnet zu werden
Ihr Rechtsanwalt Jasper Prigge macht deutlich, dass Kluge damit nicht nur Zivilcourage zeigt, sondern einen legitimen Kampf für die demokratischen Rechte trans- und intersexueller Menschen führt: „Niemand muss hinnehmen, bewusst dem falschen Geschlecht zugeordnet zu werden. (…) Verschiedene Studien belegen die negativen Auswirkungen von Misgendern auf Betroffene. (…) Misgendern ist ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und kann rechtliche Konsequenzen haben.“ (Quelle: Reichelt-Unternehmen darf trans Frau nicht als „Mann“ bezeichnen (prigge-recht.de))

Endlich das staatliche Unrecht gegenüber trans- und intersexuellen Menschen konsequent aufarbeiten
Diese Auseinandersetzung zeigt auch, wie wichtig es ist, eine Entschädigung für die Opfer des weitgehend verfassungswidrigen bisherigen Transsexuellengesetzes zu erreichen. Wichtig bleibt darüber hinaus, dass die lange Geschichte des staatlichen Unrechts gegenüber trans- und intersexuellen Menschen endlich konsequent aufgearbeitet wird. Seit März 2021 hat das baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst angekündigt und zugesagt, die Lebenssituation auch von transsexuellen und intersexuellen Menschen während der NS- und Nachkriegszeit zu erforschen. Das Team von „Der-Liebe-wegen“ wird sich zusammen mit dem Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg und ihrer Themengruppe Geschichte weiterhin dafür einsetzen.

Ralf Bogen

Siehe auch: INTER- UND TRANSSEXUELLE MENSCHEN SCHREIBEN AUCH IM DEUTSCHEN SÜDWESTEN GESCHICHTE

März 2023: Studienarbeiten zur Emanzipationsbewegung nach 1969 im deutschen Südwesten

In unserer Rubrik „Studienarbeiten“ zeigen wir ab heute eine spannende Bachelorarbeit am Historischen Institut der Universität Stuttgart mit dem Titel „Die schwul-lesbische Bewegung in Stuttgart“ von Timo Zilinski aus dem Jahr 2017. Wir freuen uns sehr darüber, dass wir diese wichtige und verdienstvolle Pionierarbeit auf unserer Webseite veröffentlichen dürfen. Es ist bislang die einzige Arbeit, die uns über die schwul-lesbische Emanzipationsbewegung nach 1969 in unserer Region bekannt ist. Zur geschichtlichen Entwicklung der Emanzipationsbewegung geschlechtlicher Minderheiten aus unserer Region ist uns bislang gar keine Arbeit bekannt.

Timo Zilinski standen als Quellen hauptsächlich der Nachlass der „Initiativgruppe Homosexualität Stuttgart“ (ihs) sowie die digitale Sammlung der Zeitschrift „Schwulst“ zur Verfügung. Auch bei dieser Studienarbeit hat Joachim Stein, der am 5. Februar 2023 völlig unerwartet verstorben ist, Spuren hinterlassen: in „Vor Worten“ schreibt Timo Zilinski: „Ich möchte mich in diesem Rahmen bei einigen Personen erkenntlich zeigen, ohne deren Zutun diese Arbeit in dieser Gestalt nicht zustande hätte kommen können. Zunächst bin ich Joachim Stein von der ihs e. V. / Zentrum Wissenburg Stuttgart zutiefst dankbar, dafür, dass er mir den Zugang zum die Arbeit fundierenden Quellenmaterial verschafft, mir zahlreiche konstruktive Anregungen gegeben und stets ein offenes Ohr für Fragen meinerseits gehabt hat.“

Mit der Veröffentlichung wollen wir zu weiteren Arbeiten inspirieren. Wir können als Quellen sämtliche Ausgaben der Zeitschrift der AIDS-Hilfe Stuttgart „RAINBOW“ seit deren Gründung in 1988/89 (Nr. 1) bis Nr. 61 in 2008 zur Verfügung stellen und ebenso Kontakte zu allen wichtigen Vereinen (z. B. Sportverein Abseitz, Lederclub Stuttgart) in Stuttgart herstellen.

März 2023: Solidarität zeigt Wirkung: die Todesurteile gegenüber den LGBT*-Aktivistinnen Elham und Sareh sind vorläufig ausgesetzt

Wir freuen uns mit 6Rang (Irianan Lesbian and Transgender Network) über den wichtigen Erfolg der internationalen Kampagne #FreeElham und #FreeSareh, die Ende letzten Jahres für ihr LGBT*-Engagement ein Todesurteil im Iran erhalten hatten:
Elham Choubdar wurde gegen Kaution aus dem Urmia-Gefängnis entlassen“ gibt 6Rang auf ihrer Webseite www.6rang.org seit dem 13. März 2023 bekannt. Und: „Zahra (Sareh) Sedighi Hamedani wird nach Zahlung ihrer Kaution in Höhe von 45.000 Dollar aus dem Urmia-Gefängnis entlassen“ heißt es dort seit dem 18. März 2023 (siehe auch die letzte Aktualisierung der Webseite der internationalen Online-Solidaritäts- und Unterschriftenkampagne „Iran: Rettet das Leben von Sareh und Elham“ vom 20.3.2023, wo es heißt: „Sareh und Elham sind gegen eine Kaution aus dem Gefängnis entlassen worden. Am 12. April soll für beide Frauen eine gerichtliche Anhörung stattfinden. Deshalb müssen wir den Druck aufrechterhalten. Unterschreibe jetzt, um die Freilassung von Elham und Sareh zu fordern.“)

6Rang: Wir verdanken diese gute Nachricht der internationalen Unterstützung“
6Rang schreibt weiter: „6Rang, die iranische LGBTQ+-Community, iranische und internationale Menschenrechtsorganisationen, Aktivisten auf der ganzen Welt und viele andere haben sich monatelang für die Freilassung von Sareh und Elham eingesetzt. Durch Sensibilisierung und Unterstützung wurden ihre Todesurteile aufgehoben und sie freigelassen. Wir verdanken diese gute Nachricht der internationalen Unterstützung (…)“. Die Todesurteile sind allerdings nur vorläufig ausgesetzt, nicht aufgehoben worden. Im April 2023 sollen die Verhandlungen weitergehen, denen nach wie vor „Verderbtheit“ und „Förderung der Homosexualität“ vorgeworfen wird.

Breite Unterstützung der Charta der Mindestforderungen und solidarisch für LGBTQIA-Anliegen
6Rang berichtet darüber hinaus von der iranischen Protest- und Widerstandsbewegung (siehe https://6rang.org/74060/): Mehrere iranische Gewerkschaften, Frauenorganisationen, Menschenrechtsgruppen und Studierende-Vereinigungen (konkrete Auflistung siehe Fußnote 1) haben sich auf das Dokument „Charta der Mindestforderungen der unabhängigen gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Origanisationen: Dem rechtschaffenen und freiheitsliebenden Volk Irans“ vom 14. Februar 2023 verständigt und darin auch die Forderungen der LGBT*-Community aufgenommen. Dort heißt es: „Sofortige Gleichstellung von Frauen und Männern in allen politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen und familiären Bereichen; Bedingungs- und ersatzlose Aufhebung aller Gesetze und Formen von Diskriminierung gegen diverse Geschlechtsidentitäten; bedingungslose Anerkennung einer Regenbogengesellschaft LGBTQIA; Entkriminalisierung der Geschlechterdiversität; Anerkennung aller Rechte von Frauen auf ihren Körper und auf ihr Schicksal; Sanktionierung der patriarchalen Kontrolle und Gewalt über Frauen.“

Zur politische Relevanz der Charta der Mindestforderungen
Die politische Relevanz zeigt sich darin, dass gewerkschaftliche Organisation über ihre ökonomichen und betriebsbedingten Forderungen hinaus politische Forderungen aufstellen und dass die Verwirklichung dieser Forderungen mit dem Fortbestand der bestehenden Machtverhältnisse im Iran als nicht vereinbar eingeschätzt wird. Darüber hinaus grenzen sich die Unterzeichner:innen von den rechten monarchistischen Kräfte ab, die unter liberalen Parolen das Schah-Regime wieder herstellen wollen.

„Wir (…) halten an der Einheit und der Geschlossenheit der sozialen Bewegungen fest“
Weiter heißt es in diesem wichtigen Dokument: „Wir, die gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen als Unterzeichner:innen dieser Charta, halten an der Einheit und der Geschlossenheit der sozialen Bewegungen fest und legen den Fokus auf die Kämpfe zur Beendigung dieser menschenfeindlichen und zerstörerischen Zustände. Wir sind der Auffassung, dass die Verwirklichung der folgenden Mindestforderungen der einzige Weg zur Errichtung einer neuen, modernen und menschlichen Gesellschaft in unserem Land ist. (…) Die in dieser Charta formulierten Forderungen präsentieren einen allgemeinen Rahmen als Ausgangspunkt. Selbstverständlich werden wir diese Forderungen im weiteren Verlauf der Kämpfe und der solidarischen Zusammenarbeit noch konkreter und präziser fassen.“ (das gesamte Dokument ist auf deutsch hier zu lesen: https://express-afp.info/charta_iran#_ftn1).

(1) Dieses Dokument vom 14. Februar 2023 wurde unter anderm unterzeichnet vom:

  • Koordinationsrat gewerkschaftlicher Organisationen der Lehrer:innen
  • Freie Gewerkschaft der Arbeiter:innen Irans
  • Union studentischer Organisationen (Vereinigte Studierende)
  • Verein der Verteidiger:innen von Menschenrechten
  • Syndikat der Arbeiter:innen der Zuckerrohrfabrik von Haft-Tapeh
  • Rat für die Organisierung der Proteste von Werkarbeiter:innen in der Erdölindustrie
  • Haus der Lehrer:innen
  • Erwachte Frauen
  • Stimme der Frauen Irans
  • Unabhängige Stimme der Arbeiter:innen der nationalen Stahlindustrie von (Stadt) Ahwaz
  • Verein der Verteidiger:innen der Arbeiter:innenrechte
  • Gewerkschaftsverein der Metall- und Elektrizitätsarbeiter:innen von (Stadt) Kermanschah
  • Koordinationskomitee zur Unterstützung für den Aufbau der Arbeiter:innenorganisationen
  • Vereinigung der Rentner:innen
  • Rat der Rentner:innen Irans
  • Organisation progressiver Studierender
  • Rat freidenkender Schüler:innen Irans
  • Syndikat der Maler:innen der Provinz Alborz
  • Komitee zum Aufbau der Arbeiter:innenorganisationen
  • Rat der Rentner:innen in Organisation sozialer Sicherung

5.2.2023: Wir trauern um Joachim Stein

Gedenksendung des Freien Radios Stuttgart für Joachim Stein

Wir sind bestürzt und trauern um unseren Wegbegleiter und Mitkämpfer Joachim Stein, der am 5. Februar 2023 ganz unerwartet verstorben ist. 

In den Nachrufen vieler Organisationen wurde gewürdigt, in welch hohem Maße er sich über Jahrzehnte hinweg für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt eingesetzt und dadurch das Leben vieler Menschen geprägt und verbessert hat. 
So war er Gründungsvater und „Macher“ des Weissenburg Zentrum LSBTTIQ Stuttgart, Mitbegründer der Initiativgruppe Homosexualität, des Freien Radio Stuttgart und des schwulen Sommercamps der DGB-Jugend. Er war Mitinitiator des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg, des Projekts „Andrej ist anders und Selma liebt Sandra“ für queere Jugendliche mit Migrationshintergrund und des Regenbogenrefugiums für LGBT-Geflüchtete. Als Vorstandsmitglied wirkte er bei der Aids-Hilfe Stuttgart und bei der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber. Im LSBTTIQ-Arbeitskreis der Stadt Stuttgart setzte er sich federführend für ein Regenbogenhaus in Stuttgart ein.

Besonders dankbar sind wir vom „Der-Liebe-wegen“-Team Joachim für sein Engagement für die Aufarbeitung und Sichtbarmachung des NS-Unrechts an Menschen in unserer Region, die sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten zugehören. Er ermutigte uns dazu, in ehrenamtlicher Arbeit die Forschung selbst in die Hand zu nehmen und deren Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das führte 2017 in Kooperation mit der Rosa Hilfe Freiburg und der Weissenburg zu unserem Internetprojekt „Der-Liebe-wegen“. Joachim beteiligte sich aktiv am Kampf um den Erhalt des Hotel Silber, dem ehemaligen Sitz der Gestapo von Württemberg und Hohenzollern und der städtischen Kriminalpolizei nach 1945, um dort erstmals auch die regionale Verfolgung homosexueller Menschen während der NS- und Nachkriegszeit darzustellen, was mit der 2018 eröffneten Dauerausstellung erreicht wurde.

Auch dank seiner zahlreichen Aktivitäten, unter anderem als Mitkoordinierender der Themengruppe Geschichte vom Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg, konnten universitäre wie außeruniversitäre Forschungsprojekte zur Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen auf den Weg gebracht werden.

Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind bei Joachims Angehörigen und bei allen, die ihm nahe standen.

Das in 2022 neu zusammengesetzte Team „Der-Liebe-wegen“:
Ralf Bogen und Werner Biggel
Kerstin Bosse und Christel Stroh 

Joachim Stein am Eingang des Stuttgarter Rathauses beim Hearing der Stadt Stuttgart zum „Hotel Silber“ 2010

Joachim Stein bei der Gedenkstunde am 25. Januar 2019 des Landtags von Baden-Württemberg zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Seine Rede ist hier veröffentlicht.

1992: CSD Kostanz

1992: Erste Schillerplatzhocketse der AIDS-Hilfe Stuttgart

Joachim auf einer der ersten Schillerplatzhocketsen der AIDS-Hilfe Stuttgart

1994: Frühstück in der Weissenburg vor der Fahrt nach Tübingen zum dortigen CSD

1994: Rosa-Lila-Liste kandidiert zu den Stuttgarter Gemeinderatswahlen

10 Jahre AIDS-Hilfe Stuttgart: Podiumsgespräch im Kings Club

2006: 10 Jahre Weissenburg

2006: 10 Jahre Weissenburg

2006: Mitgliederversammlung der AIDS-Hilfe Stuttgart in der Weissenburg

2007: Hocketse der AIDS-Hilfe Stuttgart

2007: Nacht der Solidarität vom Aktionsbündnis gegen AIDS in Stuttgart

2007: Mitgliederversammlung der AIDS-Hilfe Stuttgart in der Weissenburg

2013: Fachtagung in der Weissenburg zu „Stand und Perspektiven der Erforschung, Thematisierung und Darstellung der Situation von Lesben und Schwulen im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit in Baden-Württemberg“ von Weissenburg e. V. in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politischen Bildung Baden-Württemberg.

2014: Ausstellung „Lesbisch, jüdisch, schwul“ in der Weissenburg

2015: Veranstaltung „Der Liebe wegen verfolgt“ im Haus der Geschichte Baden-Württemberg

2015: „Ausgegrenzt und totgeschwiegen: Verfolgung von gleichgeschlechtlich Liebenden“ Gedenken zu Beginn im Rahmen des Evangelischen Kirchentags 2015 in Stuttgart

Januar 2023, 6rang zur Gedenkstunde des Deutschen Bundestags: „Hoffentlich werden wir eines Tages Blumen auf die Gräber der Opfer von Verbrechen im Iran streuen“

Zur diesjährige Gedenkstunde für die Opfer der NS-Diktatur im Deutschen Bundestag schreibt die Selbstorganisation „6rang – Iranian Lesbian and Transgender Network“: „In diesem Jahr hat sich der Deutsche Bundestag zum ersten Mal am Holocaust-Gedenktag mit der Verfolgung, Ermordung und Folter von Homosexuellen durch das NS-Regime befasst. Bundestagspräsidentin Bas legte am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Homosexuellen in Berlin einen Kranz nieder. (…). Möge die Erinnerung an die Opfer von Hass (…) gegen die LGBT+-Gemeinschaft auf der ganzen Welt beachtet werden, und hoffentlich werden wir eines Tages Blumen auf die Gräber der Opfer dieser Art von Verbrechen im Iran streuen.“

Eine Bewegung für „azadi“ („Freiheit“) muss auch die LGBT-Rechte im Blick haben
Shadi Amin, die Sprecherin von 6rang, mahnt, dass die Rechte der LGBTIQ-Personen in der iranischen Revolution gegen die Mullah-Diktatur gesehen und geachtet werden und sich die Situation von 1979 nicht wiederholen darf. Damals wurde den Frauen gesagt, ihre Rechte seien nicht so wichtig, entscheidend sei es jetzt zusammenzuhalten in der Revolution gegen die Hauptgefahr durch die USA. Auf ein „bisschen Stoff im Gesicht“ käme es nicht an. Diese Lehre aus 1979 sollte nicht vergessen werden, wenn heute wieder Stimmen laut werden, wonach LGBTIQ-Rechte nicht so wichtig seien…

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PANEL I AZADÎ in Progress. Revolution in Iran, LGBTQIA+ – und was der Rest der Welt tun kann – Shadi Amin siehe insbesondere ab 10:33 bis 15:41

Unterstützung der iranischen LGBT-Aktivist:innen am Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie (17.5.) sowie bei den CSDs 2023
Iran ist das Land, in dem die Todesstrafe wegen Homosexualität am häufigsten praktiziert wird. 6rang bittet um weltweite Unterstützung und Solidarität. Am diesjährigen Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie (17.5.23) sowie bei den CSDs 2023 sind insbesondere LGBT-Selbstorganisationen weltweit dazu herausgefordert. Das „Der-Liebe-wegen“-Team plant entsprechende Aktivitäten in Stuttgart und freut sich über Unterstützende.

In einem bedeutenden Meilenstein für die iranische LGBTQI-Gemeinschaft gewann Shadi Amin, eine iranische lesbische Frau, am 18. November den International Lesbian Visibility Award, inmitten eines Aufstands gegen die Regierung im Iran. Die Gefahr und der Mut ihrer Arbeit wurden durch Massenmordrohungen der iranischen Online-Community nach der Nachricht von der Auszeichnung deutlich.
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27.1.2023: Bewegende Gedenkstunde an die queeren NS-Opfer

Was für ein Tag heute – eine sehr bewegende Gedenkstunde im Deutschen Bundestag.

78 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee hatte heute der Deutsche Bundestag erstmals die queeren NS-Opfer in den Mittelpunkt seine Gedenkens gestellt. Die Gedenkstunde kann über folgenden Link angeschaut werden: Videos der Gedenkstunde auf bundestag.de.

„Es ist nicht in Worte zu fassen, was das für mich bedeutet. An so einem Tag stellvertretend für eine verfolgte Minderheit einem homosexuellen Opfer eine Stimme zu geben, ist wahnsinnig berührend. Als ich meinem Vater davon erzählte, hat er am Telefon geweint“, so Jannik Schümann, 30, der bei der Gedenkstunde Karl Gorath seine Stimme verlieh. Gorath war wegen seines Schwulseins ins Konzentrationslager Auschwitz gesperrt worden (siehe Foto oben). Er entkam dem KZ schwer krank. Zwei Jahre nach der Befreiung vom Faschismus wurde er von demselben Nazi-Richter erneut wegen seiner Homosexualität verurteilt.

Die digitale Gedenkkarte unseres Onlineprojekts „Der-Liebe-wegen“ zeigt, dass es keine von der Verfolgung unberührte Region des heutigen Baden-Württemberg gab:

In ihr sind folgende 75 Männer mit Bezug zu Baden und Württemberg aufgeführt, die das KZ-System nicht überlebt haben (siehe Biografien / Skizzen der einzelnen NS-Opfer über Anklicken NS-Opfer oder auf die einzelnen Namen):

Willi Karl App: * 27.9.1919 Stuttgart, † 14.3.1943 KZ Sachsenhausen

Karl Aretz: * 25.5.1891 Karlsruhe, † 18.10.42 KZ Flossenbürg

Karl Autenrieth: * 22.3.1900 Vaihingen an der Enz, † 4.7.1943 KZ Natzweiler

Kurt Baumgart: * 30.6.1913 Mannheim, † 24.9.1942 KZ Ravensbrück

Wilhelm Bay: * 11.2.1909 Backnang, † 18.9.1942 KZ Stutthof

Karl Belthle: * 22.7.1922 Ulm, † 13.2.1945 KZ Sachsenhausen

Adolf Billmann: * 6.2.1879 Karlsruhe, † 28.1.1940 KZ Mauthausen

Heinrich Böckle: * 8.3.1894 Rinklingen, † 19.12.1944 SS-Arbeitslager Dautmergen (Außenlager des KZ Natzweiler)

Johannes Böhme: * 11.4.1881 Mosel, † 10.4.1944 KZ Natzweiler

Richard Broosch: * 10.11.1912 Heidelberg, † 22.1.1943 KZ Mauthausen

Peter Michael Brühl: * 23.6.1893 Weißenthurm, † 2.1.1944 KZ Neuengamme

Otto Didier: * 10.9.1916 Schnierlach (Elsass), † 16.11.1944 KZ Neuengamme

Georg Dirauf: * 3.3.1887 Stuttgart / Birkach, † 30.3.1945 KZ Flossenbürg

Gottlob Doderer: * 16.4.1890 Stuttgart, † 22.8.1942 KZ Dachau

Friedrich Enchelmayer: * 13.8.1908 Stuttgart, † 9.11.1940 KZ Neuengamme

Adolf Ferrari: * 12.11.1914 Cham (Schweiz), † 18.2.1944 KZ Mittelbau-Dora

Adolf Fischer: * 21.2.1916 Mannheim, † 20.11.1942 Tötungsanstalt Schloss Hartheim, offiziell: KZ Dachau

Alfred Israel Fishel: * 10.5.1910 Karlsruhe, † 29.4.1940 KZ Sachsenhausen

Georg Flösser: * 21.1.1901 Weinheim, † 19.3.1944 KZ Buchenwald

Richard Friedhofer: * 7.2.1908 Stuttgart / Zuffenhausen, † 3.10.1944 KZ Groß-Rosen

Gerhard Fries: * 16.7.1918 Karlsruhe, † 19.10.1942 KZ Ravensbrück

Friedrich Fügel: * 2.1.1886 Plattenhard, † 12.3.1944 KZ Natzweiler

Maximilian Glass: * 11.2.1902 Stuttgart, † 26.5.1942 KZ Buchenwald

Karl Griesinger: * 18.4.1905 Lauffen am Neckar, † 29.10.1941 im KZ Sachsenhausen

Karl-Hermann Günner: * 10.6.1881 Alpirsbach, † 9.2.1945 KZ Dachau

Friedrich Habermaier: * 2.3.1887 Heidelberg, † 20.3.1945 im KZ Mauthausen

Gustav Hartmann: * 16.1.1892 Dielheim, † 4.10.1941 im KZ Sachsenhausen

Friedrich Haug: * 15.9.1914 Ulm, † 14.8.1943 im KZ Sachsenhausen

Fritz Hauser: * 4.4.1892 Freiburg, † 14.4.1944 im KZ Lublin-Majdanek

Jakob Hess: * 20.2.1895 Heidelberg, † 7.8.1943 im KZ Natzweiler

Gustav Holl: * 10.11.1892 Mannheim / Ladenburg, † 10.6.1940 im KZ Sachsenhausen

Wilhelm Huther: * 18.1.1908 Neuhausen auf den Fildern, † 25.3.1944 im KZ Majdanek

Fritz Junkermann: * 19.10.1883 Stuttgart, † Oktober 1942 Tötungsanstalt Bernburg – offiziell gestorben beim Transport vom KZ Sachsenhausen in das KZ Dachau

Albert Karl: * 14.1.1917 Augsburg, † 6.7.1943 im KZ Sachsenhausen

Lothar Keiner: * 18.8.1908 Mannheim, † 27.11.1942 im KZ Neuengamme

Franz Klauser: * 11.3.1907 Seebach, † 6.11.1944 im KZ Neuengamme

Georg Klimas: * 24.6.1903 Königshütte, † 13.1.1945 KZ Sachsenhausen

Herbert Klingmann: * 2.3.1904 Mannheim, † 11.8.1940 KZ Dachau

Alexander von Kloch-Komitz: † 18.10.1943 KZ Buchenwald

Otto Knauer: * 3.6.1897 Karlsruhe, † 7.7.1943 KZ Natzweiler

Johannes Kolb: * 6.2.1911 Aalen / Neuler, † 17.2.1944 KZ Natzweiler

Karl Lehmann: * 21.2.1896 Gnotau, † 24.11.1942 KZ Dachau

Heinz Leible: * 10.7.1913 Lörrach, † 6.9.1943 KZ Mauthausen

Karl Lohmele: * 5.4.1905 Strassburg (Österreich), † 26.7.1942 im KZ Stutthof

Erich Mäder: * 19.11.1904 Freiburg, † 17.5.1941 im KZ Ravensbrück

Julius Maier: * 8.10.1909 Mauchen / Müllheim, † 2.1.1945 KZ Dachau

Jakob Maser: * 16.11.1893 Rottweil / Fluorn, † 4.12.1942 Tötungsanstalt Schloss Hartheim – offiziell im KZ Dachau

Eduard Müller:* 9.5.1886 Schiltigheim (Elsass), † 28.2.1944 KZ Flossenbürg

Albert Nicklas: * 26.5.1901 Bad Mergentheim / Bronn, † 30.9.1941 KZ Flossenbürg

Rudolf Nicolai: * 14.9.1896 Koblenz, † 2.1.1942 KZ Neuengamme

Rudolf Pfaff: * 10.3.1907 Neckargmünd, † 25.4.1942 KZ Flossenbürg

Oskar Ragg: * 2.4.1908 Schwenningen, † 18.5.1943 KZ Stutthof

Johann Riesterer: * 21.2.1889 Zürich / Uster (Schweiz), † 17.1.1945 KZ Mauthausen

Hugo Roth: * 15.3.1895 Lodz, † 9.10.1942 KZ Flossenbürg

Philipp Josef Rothacker: * 1.10.1905 Schwetzingen, † 17.7.1942 KZ Sachsenhausen

Wilhelm Schaich: * 20.02.1896 Kohlberg, † 31.07.1942 im KZ Buchenwald

Josef Schnetz: * 28.3.1901 Ravensburg / Bavendorf, † 11.4.1942 im KZ Buchenwald

Hellmut Schmid: * 07.07.1905 Worms, † 21.08.1941 KZ Flossenbürg

Otto Schorer: * 19.10.1906 Tettnang, Todesdatum unbekannt KZ Ravensbrück

Arthur Schrag: * 13.2.1907 Eislingen/Fils, † 8.5.1942 KZ Flossenbürg

Wilhelm Schweizer: * 23.10.1883 Oberreggenau, † 4.11.1944 KZ Neuengamme

Anton Seeger: * 29.3.1900 Sigmaringen / Hausen am Andelsbach, † 7.1.1944 KZ Buchenwald

Engelbert Sollinger: * 19.7.1900 Rosenheim, † 27.2.1942 KZ Sachsenhausen

Emil Speck: * 4.6.1892 Karlsruhe, † 29.1.1945 KZ Dachau

Otto Steegmüller: * 18.3.1896 Böblingen / Magstadt, † 6.3.1943 KZ Natzweiler

Wilhelm Ernst Steiger: 12.5.1906 Rastatt, † 29.10.1942 KZ Groß-Rosen

Hilarius Stengele: * 21.10.1902 Tuttlingen / Kolbingen, † 4.6.1944 KZ Natzweiler

Wilhelm Thiele: * 27.1.1902 Mannheim, † 6.2.1943 KZ Natzweiler

Alois Thieme: * 30.1.1911 Mannheim, † 15.11.1941 KZ Buchenwald

Karl Walter: * 16.11.1896 Mühlacker, † 16.5.1943 KZ Natzweiler

Friedrich von Wangenheim-Brunner: * 8.1.1885 Wolfenbüttel, † 17.8.1942 KZ Dachau

Adolf Wilhelmi: * 15.4.1874 Freiburg, † 26.8.1942 KZ Dachau

Hans Winterhalter: * 16.7.1907 Hinterzarten, † 2.12.1942 KZ Sachsenhausen




Januar 2023: Verfolgt und immer noch unsichtbar – Vom Schicksal queerer NS-Opfer

Im SWR 2 wurde am 25. Januar 2023 der Beitrag „Verfolgt und immer noch unsichtbar – Vom Schicksal queerer NS-Opfer“ von Silke Arning gesendet. Auf der Webseite des SWR2 heißt es hierzu:

„Über 50.000 homosexuelle Männer wurden von der NS-Justiz verurteilt, Tausende von ihnen überlebten die Konzentrationslager nicht. Wegen ihrer sexuellen Orientierung und ihrer geschlechtlichen Identität wurden auch Lesben und Transmenschen von den Nazis verfolgt und terrorisiert. Die Erforschung ihrer Schicksale steckt noch in den Anfängen.

Verfolgt und immer noch unsichtbar – Vom Schicksal queerer NS-Opfer

Sichtbarmachen von Schicksalen

Seit Jahren engagiert sich Ralf Bogen vom Onlineprojekt „Der Liebe wegen“ ehrenamtlich in der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber, der ehemaligen Gestapo-Zentrale in Stuttgart. Und so war es ihm ein Anliegen, dass das Schicksal homosexueller, von den Nazis verfolgter Männer dort in der Dauerausstellung des Hauses sichtbar wird.

Eine Onlineseite dokumentiert Schicksale

Das von Friedrich Enchelmayer zum Beispiel. Der Stuttgarter Eisendreher kam aufgrund polizeilicher Sicherheitsverwahrung im Juni 1940 ins KZ Dachau, nachdem er zuvor wegen „Verbrechen gegen die Sittlichkeit“ verurteilt worden war. Nur wenige Monate später erhielten die Angehörigen die Nachricht von seinem Tod. Auf der Online-Seite „Der Liebe wegen“ sind auf einer Gedenktafel viele ähnliche Schicksale dokumentiert.

Studien zur Situation von lesbischen Frauen gibt es wenig

Für frauenliebende Frauen gilt das nicht, berichtet die studierte Historikerin Ute Reisner von der Themengruppe Geschichte im Landesnetzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg: „Deswegen, weil es offiziell keine Verfolgung von Lesben gab in der NS-Zeit. Der Paragraf 175 galt nur für Homosexuelle Männer. Zumindest im Deutschen Reich.“ Dass die Studien zur Situation lesbischer Frauen in der NS-Zeit inzwischen in Gang gekommen sind, ist ein wesentlicher Verdienst der Basisgruppen. Mit beharrlichem Einsatz konnte 2021 ein entsprechendes Forschungsprojekt der Universitäten Heidelberg und Freiburg auf den Weg gebracht werden.

Das Wort „lesbisch“ taucht selten auf

Denn die konkrete Situation der betroffenen Frauen ist schwer zu identifizieren. In den Augen der braunen Machthaber stellten lesbische Frauen zwar keine ernsthafte Gefahr für die „Volksgemeinschaft“ dar, standen aber dennoch unter Beobachtung: „Sie konnten einfach auf vielfältige Weise sozial auffallen. Sie konnten dann in einem anderen Kontext ins Visier der Polizei geraten, sobald das Verhalten eben nicht der Norm entsprach. Und die Norm für weibliches Verhalten war gerade im Nationalsozialismus sehr eng.“ Das Wort „lesbisch“ tauche in den offiziellen Polizeiakten kaum auf, sagt Ute Reisner. Meistens seien die Frauen wegen sog. asozialen, unanständigen Verhaltens oder wegen Kuppelei angeklagt, verurteilt und verhaftet worden.

Keine Unterstützung aus Landesmitteln für Forschungsprojekte

[Anmerkung von „Der-Liebe-wegen“-Redaktion: Von Seiten des Landes Baden-Württemberg wird sowohl eine Studie „LSBTTIQ in Baden und Württemberg. Lebenswelten, Repression und Verfolgung im Nationalsozialismus und in der Bundesrepublik Deutschland“ der Universität Stuttgart gefördert, als auch ein Forschungsprojekt der Universitäten Heidelberg und Freiburg zu lesbischen Lebenswelten zwischen 1920 und 1970. Im Rahmen der Studie der Universität Stuttgart wird schon seit vielen Jahren angekündigt, dass endlich auch die Lebensituation trans- und intersexueller Menschen erforscht werden soll. Bislang ist nicht bekannt, wann die Umsetzung erfolgt.]

Ist die Situation frauenliebender Frauen schon schwer zu dokumentieren, so gilt dies umso mehr für die Menschen, die wegen ihrer geschlechtlichen Identität ins Visier der Behörden gerieten. Janka Kluge vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität: „Das ist leider so gut wie noch gar nicht erforscht. Von daher wissen wir so gut wie nichts über die Situation von Transmenschen während des NS“. Ein von der Community angeregtes Forschungsprojekt für Baden-Württemberg wartet auf seine Umsetzung, eine Unterstützung aus Landesmitteln gebe es bislang nicht. 

Bis zum Ende der 60er Jahre fand der „Schwulenparagraph“ Anwendung

Es gibt viele Lücken in der Forschung und noch größere im Gedenken an die queeren Opfer des NS-Regimes. Am Freitag wird Ralf Bogen vom Online-Projekt „Der Liebe wegen“ bei der Gedenkfeier im Bundestag sitzen. Was ihn aufregt: noch immer sei viel zu wenig bekannt, dass homosexuelle Männer auch noch in der Bundesrepublik bis Ende der 1960er Jahre nach Paragraf 175 belangt wurden.

Verbotene Liebe unter Männern – Der Paragraf 175 und seine Folgen

Und erst im letzten Jahr fand eine Gedenkkugel für die lesbischen Frauen und Mädchen im KZ Ravensbrück einen offiziellen Platz in der Gedenkstätte. Für Transmenschen bleibt eine klaffende Wunde: sie sind in der öffentlichen Erinnerung weiterhin unsichtbar.

Die offizielle Gedenkstunde im Bundestag am 27. Januar 2023 stellt erstmals die queeren NS-Opfer in den Mittelpunkt.

dgti – Die Deutsche gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V.

27.1.2023: Gedenkstunde im Bundestag erstmals mit queeren NS-Opfer im Focus

Viele Jahre nach 1945 musste um die Anerkennung des Leids queerer NS-Opfer gekämpft werden. Diesem Kampf widmen wir eine extra Veranstaltung im „Hotel Silber“, dem ehemaligen Sitz der Gestapo von Württemberg und Hohenzollern in der Dorotheenstraße 10 in Stuttgart am 22. Januar 2023 – siehe https://der-liebe-wegen.org/der-lange-kampf-um-anerkennung-als-ns-opfer/. 78 Jahre nach der Befreiung vom deutschen Faschismus wird der Bundestag in seiner Gedenkstunde an die Opfer der NS-Diktatur am 27. Januar 2023 erstmals queere NS-Opfer im Mittelpunkt stellen. Wir veröffentlichen hier die vom Deutschen Bundestag dazu herausgegebene Pressemitteilung:

Bundestag gedenkt am 27. Januar der Opfer des Nationalsozialismus: Verfolgte sexuelle Minderheiten im Mittelpunkt der Gedenkstunde

Am Freitag, 27. Januar 2023, gedenkt der Deutsche Bundestag der Opfer des Nationalsozialismus. Die Gedenkstunde im Plenarsaal beginnt um 10 Uhr mit einer Ansprache der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Im Mittelpunkt stehen in diesem Jahr Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bzw. geschlechtlichen Identität im Nationalsozialismus verfolgt wurden. Dazu werden mehrere Rednerinnen und Redner das Wort ergreifen. 

Als erste wird die Holocaust-Überlebende Rozette Kats sprechen. 1942 in einer jüdischen Familie geboren, überlebte sie bei einem Ehepaar in Amsterdam, das sie als ihr eigenes Kind ausgab. Ihre leiblichen Eltern wurden in Auschwitz ermordet. Erst später im Leben nahm sie ihre wahre jüdische Identität an. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Biographie setzt sie sich auch für sexuelle Minderheiten ein.

Im weiteren Verlauf der Gedenkstunde wird die nationalsozialistische Verfolgung sexueller  Minderheiten anhand zweier Lebensgeschichten vorgestellt.

Der Schauspieler Jannik Schümann wird einen Text über Karl Gorath (1912-2003) lesen. Karl Gorath wurde erstmals 1934 mit 22 Jahren nach §175 verurteilt. Nach erneuter Anzeige 1938 erfolgte eine Verurteilung zu drei Jahren Zuchthaus. Nach deren Verbüßung wurde er 1943 ins Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg in „polizeiliche Vorbeugungshaft“ genommen und von dort im Juni 1943 in das KZ Auschwitz (Stammlager) deportiert. Nach seiner Befreiung im KZ Mauthausen wurde er 1946 in  Bremen von demselben Richter verurteilt, der ihn bereits 1938 bestraft hatte. Als Vorbestrafter fand er nur schwer Arbeit und geriet in Armut. Er verstarb 2003 in Bremerhaven.

Die Schauspielerin Maren Kroymann wird einen biographischen Text zu Mary Pünjer (1904-1942) vortragen. Mary Pünjer wurde 1904 in einer jüdischen Hamburger Kaufmannsfamilie geboren. 1940 wurde sie als verheiratete Frau unter dem Vorwand der „Asozialität“ als „Lesbierin“ verhaftet. Nach ihrer Verurteilung wird sie im KZ Ravensbrück interniert. Dort wurde sie Anfang 1942 offenkundig aufgrund der ihr unterstellten lesbischen Neigung und ihrer jüdischen Herkunft für die Mordaktion „Aktion 14f13“ selektiert. Im Frühjahr 1942 wurde Mary Punjer in der als Gasmordanstalt genutzten „Landes-Heil- und Pflegeanstalt“ Bernburg (Saale) ermordet.

Im letzten Teil der Gedenkstunde wird Klaus Schirdewahn als Vertreter der queeren Community das Wort ergreifen. Er wird – vor dem Hintergrund seiner Verhaftung 1964 nach dem §175 – über die Bedeutung des Gedenkens an die im Nationalsozialismus verfolgten sexuellen Minderheiten sprechen. 

Die Sängerin Georgette Dee und der Pianist Tobias Bartholmeß werden die Gedenkstunde musikalisch begleiten.

An der Gedenkstunde nehmen neben den Bundestagsabgeordneten auch Vertreterinnen und Vertreter der Verfassungsorgane sowie junge Menschen teil, die sich an der diesjährigen Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages beteiligen. 

Nach der Gedenkstunde findet zudem im Rahmen der Jugendbegegnung eine Podiumsdiskussion mit Bundestagspräsidentin Bas, Rozette Kats und Klaus Schirdewahn statt (Beginn 12 Uhr, Jakob-Kaiser-Haus, Saal 1.302).

Neben Workshops und Diskussionen besichtigen die Jugendlichen die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück sowie das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen im Tiergarten. Zudem stehen Workshops zur Nutzung sozialer Medien zum Lernen und Gedenken auf dem Programm der diesjährigen Jugendbegegnung.

Hinweis:
Medienvertreter benötigen zur Berichterstattung eine gültige Akkreditierung des Bundestages. Informationen dazu finden Sie unter www.bundestag.de/akkreditierung.

 

22.1.2023: Vom langen Kampf um Anerkennung des Leids queerer NS-Opfer – Rück- und Ausblicke

Bei einem Podiumsgespräch am Sonntag, 22. Januar 2023, um 11 Uhr im „Hotel Silber“ geht es um Menschen, die in der NS-Diktatur aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und/oder ihres geschlechtlichen Seins im NS-Staat entwürdigt, verfolgt und terrorisiert wurden. Anlass hierfür ist, dass der Deutsche Bundestag am 27. Januar 2023 bei der jährlichen Gedenkstunde für die Opfer der NS-Diktatur erstmals diese Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Es sprechen:

  • Albert Knoll (München), Archivar der KZ-Gedenkstätte Dachau, Autor von „Der Rosa-Winkel-Gedenkstein – Die Erinnerung an die Homosexuellen im KZ Dachau“ berichtet über den seit 1985 geführten Kampf um ein Gedenkzeichen für homososexuelle Häftlinge in der Gedenkstätte des KZ Dachau.
  • Wiebke Haß (Hamburg) und Irmes Schwager (Kassel) von der „Initiative Autonome feministische Frauen und Lesben aus Deutschland und Österreich, informieren über den langen Weg für eine Gedenkkugel zur Erinnerung an lesbische Häftlinge in der Gedenkstätte des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück, die dort am 30. Oktober 2022 ihren Platz gefunden hat.
  • Janka Kluge (Stuttgart), Vorstand der dgti e. V. (Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e. V) stellt Bestrebungen vor für ein Gedenkzeichen zur Sichtbarmachung des Leids, welches die NS-Diktatur Menschen mit einer geschlechtlichen Thematik zugefügt hat.

Die Diskussion moderieren Brigitte Lösch (Vorsitzende der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber) und Ralf Bogen (Projekt www.der-liebe-wegen.org).

Wann? 22. Januar 2023 von 11 bis 13 Uhr
Wo? Hotel Silber, Dorotheenstraße 10, Stuttgart – Eintritt frei. Um Anmeldung wird bis zum 19. Januar unter veranstaltungen-hs@hdgbw.de gebeten.
Wer? Initiative Lern- und Gedenkort  Hotel Silber und Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Kooperation mit Projekt „Der Liebe wegen“ und der Themengruppe Geschichte des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg

Siehe hierzu auch die Beiträge „Rückblick 1985 bis 1995: Wie es zum Rosa-Winkel-Gedenkstein in der Gedenkstätte des KZ Dachau kam“ sowie „2022: Gedenkkugel für die lesbischen Häftlinge im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück“ auf unserer Webseite.

2022/2023: Frauen – Leben – Freiheit: Rettet das Leben von Sareh und Elham im Iran!

Aktualisierung vom 20. März 2023: Auf der Webseite der internationalen Online-Solidaritäts- und Unterschriftenkampagne „Iran: Rettet das Leben von Sareh und Elham“ von 6Rang und ILGA Asia heißt es: „Sareh und Elham sind gegen eine Kaution aus dem Gefängnis entlassen worden. Am 12. April soll für beide Frauen eine gerichtliche Anhörung stattfinden. Deshalb müssen wir den Druck aufrechterhalten. Unterschreibe jetzt, um die Freilassung von Elham und Sareh zu fordern.“

Aktualisierung vom 8.1.2023: Auf der Webseite der internationalen Online-Solidaritäts- und Unterschriftenkampagne „Iran: Rettet das Leben von Sareh und Elham“ von 6Rang und ILGA Asia heißt es: „Update – 29. Dezember 2022: Die Todesurteile gegen Sareh und Elhman wurden offiziell aufgehoben. Jetzt ist es an der Zeit, den Druck zu erhöhen, um sicherzustellen, dass alle Anklagen gegen Sareh und Elham fallen gelassen und sie freigelassen werden“.

Dezember 2022: Der-Liebe-wegen unterstützt den mutigen Kampf im Iran für Geschlechtergerechtigkeit, Menschenrechte und Demokratie. „Say her Name: Mahsa Amini“ ist neben „Zan Zendegi Azadi“ („Frauen, Leben, Freiheit“) eine der am meisten gerufenen Parolen dieser mutigen Bewegung. „Und sag auch die Namen der LGBT*-Aktivistinnen Sareh und Elhalm, die von einem Todesurteil im Iran aktuell bedroht werden!“ ergänzt die iranische Selbstorganisation 6rang (Iranien Lesbian and Transgender Network).

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Der-Liebe-wegen ruft dazu auf, die internationale Online-Unterschriftenkampagne „Rettet das Leben von Sareh und Elham“ zu unterstützen, die mittlerweile über 110.000 Unterschriften hat. Wir begrüßen die am 26. Dezember gestartete Kampagne #FreeSareh, #FreeElham (siehe Video oben) vom Iranian Lesbian and Transgender Network (6Rang) und dem PEN Berlin sehr, bei der über 150 internationale Prominente auf das Schicksal der beiden Frauen aufmerksam machen. „Sareh und Elham befinden sich in einer gefährlichen Situation. Die Tötungsmaschinerie des Regimes ist derzeit damit beschäftigt, Demonstranten zu exekutieren und das Todesurteil hängt um die Köpfe von Sareh und Elham. Hier sind die Stimmen von Schriftstellern, Künstlern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sehr wichtig und können ihr Schicksal verändern“ – so Shadi Amin, Geschäftsführerin von 6Rang.

Auf der Webseite von 6rang wird sie weiter wie folgt zitiert: „Wir fordern jetzt Druck von Deutschland (…) auf den Iran für die Freilassung der beiden Frauen“.

In den letzten zwei Jahrzehnten sollen im Iran Tausende homosexuelle Menschen hingerichtet worden sein. In Stuttgart hatten am 11. Februar 2022 verschiedene Organisationen eine Gedenkkundgebung für Mehrdad Karimpou und Farid Mohammadi durchgeführt, die wegen ihrer Homosexualität vom iranischen Staat am 30. Januar 2022 gehängt worden waren. Die Weltöffentlichkeit, die Bundesregierung und westliche Staaten dürfen nicht mehr länger zu den Hinrichtungen schweigen!

Ralf Bogen

Videoausschnitt einer Stuttgarter Solidaritätskundgebung im September 2022
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Ich träume: Ben Salomo – Ich träume (Baraye Cover Version)🕊️
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Afsaneh Ali Yazdani: Für Frauen, Leben, Freiheit; eine deutsche Übersetzung des Liedes „Baraye برای“ in Gedichtform.

Shervin Hajipour شروین حاجی پور, ist ein iranischer Musiker, und Komponist. Sein Lied „Baraye“, das von verschiedenen Journalisten als „Hymne der Protestwelle“ angesehen wird, wurde auf Instagram mehr als 40 Millionen Mal aufgerufen und verbreitete sich auch auf anderen Social-Media-Plattformen, bevor es im Rahmen seiner Festnahme entfernt wurde. Am 4. Oktober 2022 wurde Hajipour gegen Kaution aus der Haft entlassen

Den Text seines Liedes habe ich in Gedichtform auf Deutsch übersetzt:

Für Frauen, Leben, Freiheit
Wir wollen tanzen in den Gassen, ohne Angst und unbeschwert, küssen
woll’n wir frei von Furcht, noch bleibt das ganz unerhört.
Wir wollen Seit‘ an Seite mit unser aller Schwestern den Stillstand überwinden, das Denken von vorgestern.

Arm zu sein ist keine Schande, dass es Armut gibt, sehr wohl.
Reich auf Kosten Armer werden, das ist schändlich.
Und obwohl wir nur einfach leben wollen, ganz bescheiden und normal, gönnt ihr uns dies Leben nicht,
lasst uns keine Wahl.
Wir wollen nicht, dass Kinder auf Müllhalden versauern. Sie soll‘n Träume leben, nicht nur darum trauern.
Sie soll‘n Kind sein dürfen. Zumindest ab und zu soll’n sie sich erinnern: Wunsch heißt „Arezu“.

Brot verdienen ist so schwer mit Regeln ohne Ende
Da, wo wir voran komm‘n woll‘n, baut ihr nichts als Wände.
Die Luft voll Dreck raubt uns den Atem, egal wohin wir blicken.
Ob Bäume, Tiere, Menschen: niemand will ersticken. W
ir wolln‘ Respekt für Mensch und Tier, für jede Kreatur.
Auch Hund‘ und Gepard sind wie wir Kinder der Natur.
Hat unser Weinen denn kein Ende? Leid und Plagen ohne Zahl?

Wir woll’n Gesichter lachen sehn, und kein Tränental.
Lasst die Bilder dieser Tage uns im Herzen ewig sehn.
Haltet fest, was uns verbindet, lasst es nicht mehr untergehn.
Raubt der Jugend nicht die Hoffnung, schenkt ein Stück Vertrauen.
Ohne Hoffnung können wir keine Zukunft bauen. Ein Paradies nach eurem Plan habt ihr uns befohlen.
Gedankenfreiheit gibt’s dort nicht, die habt ihr gestohlen.

Wer selber denkt und wagt, die Wahrheit auszusprechen den steckt ihr ins Gefängnis für dieses Schwerverbrechen.
Die Kinder aus Afghanistan schuften ohne Lohn, und eure hohlen Phrasen sind nichts als blanker Hohn.
Ihr lockt die Menschen skrupellos in baufällige Baracken. Für euch geht es dabei nur drum, Bakschisch einzusacken.

Wir wollen das Gefühl von Ruhe wieder spüren.
Doch werden wir’s nie haben, wenn wir uns jetzt nicht rühren.
Gibt es für uns noch Hoffnung nach diesem finst‘ren Gang? Erwartet uns ein Morgen?
Die Nacht währt schon so lang.

Wenn Menschen sich betäuben mit Pillen und Arzneien, kann unser Land nicht blühen, die Heimat nicht gedeihen.
Wir wollen gleiche Rechte, für Mädchen und für Jungen.
Nur wenn wir das erreichen, ist unser Kampf gelungen.

Für Frauen, Leben, Freiheit steh‘n wir heut‘ vereint und hoffen für die Zukunft, dass uns nichts entzweit.

چندیست که ترانه‌ای در سراسر جهان جنجال برانگیز شده است. منظور بنده ترانه „برای …“ از آقای „شروین حاجی پور“است. این ترانه اکنون به سرودی نمادگونه برایٔ جنبش مقاومت ایران مبدّل گشته است. بنده با اجازه شما این ترانه را به زبان آلمانی ترجمه نموده و آنرا به شکل یک شعر با قافیه در‌آورده‌ام. این ترانه در اصل زنجیره‌ایست از عباراتی اعتراض آمیز که به زبان فارسی از جانب مردم توییت شده‌اند که اینک توسط بنده به صورت جملاتی کامل در‌آمده‌ا‌ند. بدینوسیله مراتب احترام و سپاسگزاری خود را نسبت به آقای حاجی‌پور ابراز مینمایم.

Dr. Wolfgang Backes
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We send our support‘: Coldplay perform Iranian protest song Baraye in Buenos Aires
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IRAN-PROTESTE: Weltweite Solidarität mit den mutigen Frauen des Mullah-Regimes
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Internationale Solidarität mit Demonstrierenden im Iran
https://www.youtube.com/watch?v=uGYwOZlMNAw
Gefahr auf Demo in Berlin: Iran setzt Geheimdienst auf Aktivisten an | WDR Aktuelle Stunde

2022/2023: Inter- und transsexuelle Menschen schreiben auch im deutschen Südwesten Geschichte

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Seit 2019 Trans*Pride in Stuttgart! Angesichts des Erstarkens von rechtspopulistischen und neofaschistischer Organisationen in Europa ist es dringend erforderlich, dass wir uns nicht auseinander dividieren lassen. Die Überwindung von Trans-, Inter-, Homo- und Frauenfeindlichkeit gehört unzertrennbar zusammen, wenn wir für eine Gesellschaft eintreten wollen, in der die menschliche Vielfalt in Bezug auf Lieben, Begehren und geschlechtlichem Sein endlich als Bereicherung anerkannt und wertgeschätzt wird.

Spätestens seit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist mittlerweile breiter Konsens, dass nicht alle Menschen heterosexuell sind und es eine Vielfalt von sexuellen Orientierungen gibt. Demgegenüber fehlt es noch in weiten Teilen der Gesellschaft an vergleichbarer Akzeptanz sowie an Verständnis gegenüber Menschen, die geschlechtlichen Minderheiten zugehören. Erst in den letzten Jahren konnten vereinzelt Fortschritte erzielt werden. Dafür sei als Beispiel der „Geschlechtseintrag divers“ genannt, der eine dritte rechtliche Option neben weiblich und männlich in Deutschland seit 2018 ermöglicht.

Nichtwissen und massive Diskriminierungen 
Dass Menschen weder Mann noch Frau sind (intersexuell bzw. intergeschlechtlich oder nichtbinär) und/oder sich nicht oder nicht nur dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zugehörig wissen (transsexuell bzw. transgeschlechtlich), stößt noch auf viel Nichtwissen: „Beide Personengruppen erleben nach aktuellen Studien massive Diskriminierungen bis hin zu Gewalt in allen Lebensphasen (Kindheit bis fortgeschrittenem Lebensalter) und Lebensbereichen (Schule, Arbeitsmarkt, Gesundheitswesen, Pflege etc.), die primär darauf zurückgeführt werden, dass ihre Existenz nicht bekannt ist, nicht anerkannt wird oder sie abwertend als psychisch oder physisch krank bzw. minderwertig bezeichnet und behandelt werden“ – heißt es in der 2016 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegebenen Broschüre „Situation von trans- und intersexuellen Menschen im Focus“ (siehe S. 10).

Das Leben von inter- und transsexuellen Menschen verbessern
Am 30. Juni 2022 veröffentlichte die Bundesregierung Eckpunkte eines neuen Gesetzes zur geschlechtlichen Selbstbestimmung von trans- und intersexuellen Menschen. Es soll das von vielen als pathologisierend und entwürdigend empfundene Transsexuellengesetz (TSG) ablösen. Die Änderung von Vornamen und Personenstand von trans und nichtbinären Menschen soll künftig als einfacher Verwaltungsakt möglich sein. Zwei psychologische Zwangsbegutachtungen im Rahmen eines zeit- und kostenintensiven Gerichtsverfahrens sollen entfallen. Bei diesen Zwangsbegutachtungen treffen bislang trans und nichtbinäre Personen zum einen auf Gutachter:innen, die wissen, dass diese Befragungen überflüssig sind und die Gutachten in mehr als 99% der Fälle der Selbstauskunft entsprechen. Zum anderen sitzen trans- und intersexuelle Personen auch immer wieder „Sachverständigen“ gegenüber, die meinen, die geschlechtliche Identität ließe sich mithilfe von intimen Fragen zu sexuellen Fantasien, Unterwäsche, Masturbationsverhalten und sonstigen sexuellen Praktiken klären. (1)

Frauen- und Transfeindlichkeit gleichermaßen überwinden!
In der aktuellen Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz wird leider von einer kleinen Gruppe ein Gegensatz zwischen Frauenrechten einerseits und den Rechten trans- und intersexueller Menschen andererseits konstruiert, statt gemeinsam danach zu schauen, beiden Anliegen gleichermaßen gerecht zu werden. Laut 25 Fraueninitiativen des FrauenAktionsBündnisses (FAB), darunter die Feministische Partei und mehrere Städtegruppen von Terre des Femmes, würde die Überprüfung von Gleichstellungspolitik, Quoten und Zielgrößen in Politik, Wirtschaft und Kultur durch das Selbstbestimmungsgesetz erschwert werden, da die zu fördernde Gruppe der Frauen nicht mehr eindeutig bestimmbar wäre. Hier wird ignoriert, dass dies nur gilt, wenn transsexuelle Frauen nicht als Frauen anerkannt werden.
Weiter behauptet das FrauenAktionsBündnis, dass jeder Mann, der angibt, sich als Frau zu identifizieren, durch dieses Gesetz legal Zutritt zu Frauenräumen und Frauentoiletten bekommen würde. Hier spielt die Vorstellung eine Rolle, dass die sexualisierte Gewalt, die von CIS-Männern ausgehen kann (CIS-Männer = Männer, die sich dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zugehörig wissen), gleichermaßen von transsexuellen Frauen ausgehen würde. Deren ebenfalls erhöhtes Risiko, Gewalt durch CIS-Männer zu erfahren, wird durch das FrauenAktionsBündnis ignoriert. Und darüber hinaus: welcher männliche (Sexual-)Straftäter würde extra seinen Geschlechtseintrag ändern, um eine Toilette oder Umkleide von Frauen zu betreten?

Missbrauch vorbeugen!
Was ich eher nachvollziehen kann, sind Sorgen darüber, dass das Selbstbestimmungsgesetz von Sexualstraftäter missbraucht werden könnte, indem sich diese unter dem Vorwand, sich als Frau zu identifizieren, in Frauengefängnisse verlegen lassen könnten, um dort erneut Sexualstraftaten zu begehen. Wie solch ein Missbrauch verhindert werden kann, dafür müssen Lösungen gefunden werden. 

Geschlechtseintrag „aus einer Laune heraus“ ändern?
Länder mit einem Selbstbestimmungsgesetz berichten von keinem steilen Anstieg willkürlicher mehrmaliger Änderungen des Geschlechtseintrags. So gibt es in Argentinien, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Norwegen, Uruguay und der Schweiz eine Gesetzgebung, die die Grundrechte und Selbstbestimmung von transsexuellen Personen bei der Änderung des Geschlechtseintrags bereits respektiert. Das große „Geschlechterchaos“ ist dort nicht eingetreten. Mehrmalige Änderungen gehen gegen Null, selbst in Ländern, die bereits vor 10 Jahren ein Selbstbestimmungsgesetz eingeführt haben. Das zeigt: Transsexuelle Personen ändern den Geschlechtseintrag nicht „aus einer Laune heraus“. (1)

Transsexualität ist keine freie Entscheidung – Geschlecht ist nicht beliebig
Die Ursache, welches geschlechtliche Selbsterleben ein Mensch entwickelt, ob es den äußeren Geschlechtsmerkmalen entspricht oder nicht, ist bislang genauso wenig wissenschaftlich geklärt wie die Ursache, warum ein Mensch eine hetero-, bi- oder homosexuelle Orientierung entwickelt. Als wissenschaftlich geklärt gilt allerdings, dass es keine freie Entscheidung weder zur Transsexualität (geschlechtliches Selbsterleben bildet sich in der Regel weit vor der Pubertät im Kindesalter heraus) noch zur Homosexualität gibt (sexuelle Orientierung wird einem in der Regel erst in der Pubertät bewusst). Es gibt nur eine freie Entscheidung, wie Transsexualität (und eben auch Homosexualität) gelebt wird und wie wir mit der Jahrtausend alten Abwertung und Stigmatisierung von Menschen umgehen, die geschlechtlichen Minderheiten zugehören. Es gibt eine freie Entscheidung aller Menschen, damit aufzuhören, andere Menschen aufgrund ihres geschlechtlichen Seins auszugrenzen, abzuwerten und zu entwürdigen.

Selbstvertretung und Sichtbarkeit inter- und transsexueller Menschen
Es ist von enormer Bedeutung, wenn Geschichte und Geschichten von inter- und transsexuellen Menschen bei regionalen (Geschichts-)Projekten wie „Queer durch Tübingen“, „Queer im Leben – Geschichte und Gegenwart der Rhein-Neckar-Region„, „Sissy That Talk: Queer Life in the City  – Frauen aus der Transcommunity“ oder auch beim Fotobuch „Charakterköpfe – Buntes Stuttgart“ sichtbar gemacht werden. Dies ist mit ein Grund dafür, dass wir vom „Der-Liebe-wegen“-Team zusammen mit der Themengruppe Geschichte vom Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg hohen Wert darauf legen, dass endlich die Universität Stuttgart mit der angekündigten und zugesagten Erforschung der Lebenssituation von Menschen, die geschlechtlichen Minderheiten zugehören, beginnt (siehe hierzu Pressemitteilung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 18. März 2021).
Wir vom „Der-Liebe-wegen“-Team freuen uns, dass Janka Kluge ab nächstem Jahr Beiträge zum Thema für unsere Webseite zur Verfügung stellen möchte. Wir wünschen uns Beiträge weiterer inter- und/oder transsexueller Menschen aus unserer Region, die ihre Geschichte und Geschichten sichtbar machen wollen. Nehmt bitte gegebenenfalls Kontakt zu uns auf: kontakt@der-liebe-wegen.org.

Ralf Bogen

(1) Broschüre „Soll Geschlecht jetzt abgeschafft werden?“ Herausgeber:in: Bundesverband Trans* und LSVD Bundesverband, Berlin März 2022

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Wie viele Geschlechter gibt es laut Wissenschaft? Was sagen biologische Definitionen oder Studien zu Transitionen? Und in welchen Diskussionen ist Wissenschaft hilfreich – und in welchen eben nicht? Holt euch einen Tee, Freunde der Sonne, wir steigen mal ganz unaufgeregt durch.
maiLab wird produziert von Mai Thi Nguyen-Kim für funk (ARD & ZDF) ►funk Web-App: https://go.funk.nethttps://go.funk.net/impressum TEAM Jens Foell – Wissenschaftsredaktion Lars Dittrich – Wissenschaftsredaktion Mai Thi Nguyen-Kim – Buch, Redaktionsleitung & Produktion Melanie Gath – Abnehmende Redaktion & Grafik
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Intersexualität: Alle Fragen erlaubt! | Quarks
Lisa und Lynn sind „intersexuell“ bzw. „intergeschlechtlich“ – oder „inter*“, wie sie sich selbst nennen. Sie können also weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht eindeutig zugeordnet werden: sie sind zwischengeschlechtlich. Etwa 160.000 intersexuelle Menschen gibt es schätzungsweise in Deutschland. Viele von ihnen wurden in ihrer Kindheit operiert, um ihren Körper in Richtung männlich oder weiblich zu verändern. Quarks fragt: Wie geht es ihnen damit? Wie beschreiben sie ihre Intersexualität und wie gehen sie mit den Reaktionen anderer Menschen um? Wie erleben sie ihre Sexualität? Lisa und Lynn beantworten Fragen rund um Intersexualität, die ihr wissen wollt. Denn hier sind ALLE Fragen erlaubt!

1985-1995: Wie es zum Rosa-Winkel-Gedenkstein in der Gedenkstätte des KZ Dachau kam

Viele Jahre wurden homosexuelle NS-Opfer nicht als Opfer der NS-Diktatur anerkannt. Anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2023, welchen der Bundestag in einer Gedenkstunde erstmals den queeren NS-Opfern widmet, wollen wir hier in diesem Beitrag uns der Frage widmen, wie es zum Rosa-Winkel-Gedenkstein in der Gedenkstätte des KZ Dachau kam:

Die ehemaligen politisch verfolgten Häftlinge des KZ Dachau, die sich im Comité International de Dachau (CID) zusammengeschlossen haben, lehnten bis 1995 Initiativen für einen Rosa-Winkel-Gedenkstein im Museum der KZ Gedenkstätte ab. In einer von über 1300 Personen unterzeichneten Petition vom 10. Oktober 1985 richteten Münchner Schwulengruppen folgende Frage an das Komitee: „Die jüdische Synagoge, der Gedenkstein der Sinti und Roma und die Darstellung der politischen, rassischen und religiösen Verfolgung im Museum bringen zum Ausdruck, dass dem berechtigten Interesse anderer Häftlingsgruppen an der Dokumentation ihrer Leiden entsprochen wurde. Soll dies für Homosexuelle nicht gelten dürfen?“

Die Münchner Schwulengruppen riefen zur Beteili-gung an der Gedenkfeier zum 42. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau 1987 auf. Sie protestierten, dass der Rosa-Winkel-Gedenkstein damals nicht in der Gedenkstätte angebracht werden durfte.


Max Mannheimer, der Vorsitzende der Lagergemeinschaft Dachau, schrieb rückblickend im November 2015:

„‘Totgeschlagen – Totgeschwiegen‘ – so lautet die Inschrift auf dem Marmordreieck im Gedenkraum des Museums, ‚den homosexuellen Opfern des KZ Dachau‘. Der Stein symbolisiert den rosa Winkel der homosexuellen Häftlinge des Konzentrationslagers […] Während die meisten Überlebenden nach 1945 – zwar schwer traumatisiert von den furchtbaren Erfahrungen im KZ – ein neues Leben in Freiheit beginnen konnten, waren die Befreiten mit dem rosa Winkel immer noch derselben Strafverfolgung ausgesetzt wie
vor 1945. Keine andere Opfergruppe wurde nahtlos so verfolgt wie die Homosexuellen. […]
Seit zwanzig Jahren steht der Stein nun unter dem Dach des Museums der KZ-Gedenkstätte, und es war ein langer, fast zehn Jahre dauernder Weg, bis er dorthin fand. Dieser Weg war gepflastert von einem langen und unwürdigen Streit. Die Homosexuellenverbände wollten ein Ende der Ausgrenzung, wollten, dass bei den Feiern auch die Homosexuellen als ehemalige Opfer genannt werden, dass auch sie Entschädigung erhalten sollten. Denn gelitten und mit dem Tode bezahlt haben alle Verfolgten-Gruppen, gleich welcher Couleur. Die Gegenseite, das CID als Sprachrohr der aus politischen Gründen Verfolgten, legte weiterhin großen Wert darauf, dass ihr Vermächtnis nicht verwässert wird und die herausragende Rolle des Widerstands ungeschmälert bleibt – und es mögen auch viele alte Vorurteile mit eine Rolle gespielt haben.

Im Jahr 1995 ist mir als Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau die Rolle zugefallen, den Streit zu einem friedvollen Ende zu führen. Meine Überzeugung ist es immer gewesen, dass wir alle Opfer waren, die wir wegen der Nazi-Ideologie in das KZ gebracht worden waren. Und ein jeder – gleich welcher Winkelfarbe – hat das Recht, gehört und gewürdigt zu werden. Der Schwur der Überlebenden, „Nie wieder“ solle ein solches Unrecht und eine solche Unmenschlichkeit wieder entstehen, gilt selbstverständlich auch für die Homosexuellen. So sah ich mich verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass der Rosa-Winkel-Stein endlich aus seinem Exil vom Vorhof der Evangelischen Versöhnungskirche unter das Dach des Museums kommen und sich gleichberechtigt unter all die anderen Verfolgten-Gruppen einreihen soll. Mit Freude konnte ich dann am 18. Juni 1995 in meiner Rede zur Feierstunde der Überführung des Steins zum Ausdruck bringen, dass nun endlich die lange Geschichte der Ausgrenzung ein Ende gefunden hat.“

Quellen (inklusiv der oben dargestellten Abbildungen):
Albert Knoll: Der Rosa-Winkel-Gedenkstein. Die Erinnerung an die Homosexuellen im KZ Dachau. München 2015
Albert Knoll: Das Gedenken an die homosexuellen Opfer – Ein Kampf um die Sichtbarkeit der „stummen Sünde“, https://forummuenchen.org/blog/2020/07/30/kz-dachau-homosexuelle-opfer-kampf-gedenken/, zuletzt gesehen am 10.1.2023.


2022: Gedenkkugel für die lesbischen Häftlinge im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück

Der-Liebe-wegen dankt der Initiative „Autonome feministische Frauen und Lesben aus Deutschland und Österreich“, die sich beharrlich gegen viele Widerstände für ein würdiges Gedenkzeichen und die Erinnerung an lesbische Häftlinge im Frauenkonzentrationlager Ravensbrück eingesetzt hat. Ebenso danken wir ihren Vorkämpferinnen in der ehemaligen DDR, insbesondere Bettina Dziggel, die sich bereits 1984 dafür eingesetzt hatten und dafür auch staatliche Repressionen in Kauf nahmen. Bettina Dziggel ist leider viel zu früh im Alter von 62 Jahren am 5. Juli 2022 verstorben.

Am 30. Oktober 2022 fand die Gedenkkugel für die lesbischen Häftlinge im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück am neuen Gedenkort der Mahn- und Gedenkstätte in Ravensbrück endlich ihren Platz mit folgender Inschrift: „In Gedenken aller lesbischen Frauen und Mädchen im Frauen-KZ Ravensbrück und Uckermark. Sie wurden verfolgt, inhaftiert, auch ermordet. Ihr seid nicht vergessen.“

Während der 77. Befreiungsfeier des KZ-Ravensbrück am 1. Mai 2022 konnte bereits das erste offizielle Gedenken an die lesbischen Opfer der NS-Diktatur in Ravensbrück stattfinden, damals mit einer gläsernen Gedenkscheibe.

Ein dauerhaftes Zeichen des würdigen Gedenkens an die lesbischen Frauen ist ein wichtiger Beginn einer notwendigen und grundlegenden Aufarbeitung der Unsichtbarmachung und Verfolgungsgeschichte lesbischer Frauen. Der-Liebe-wegen schließt sich dem LSVD an, der in einer Online-Veröffentlichung dazu schreibt: „Es gibt großen Forschungsbedarf. Wir ermutigen und unterstützten Forscher*innen, sich verstärkt diesen Themen zuzuwenden und miteinander in den wissenschaftlichen Austausch zu treten. Dabei gilt es, die wichtigen Arbeiten lesbischer Historikerinnen wie zum Beispiel Claudia Schoppmann, Kirsten Plötz, Anna Hájková, Ingeborg Boxhammer oder Christiane Leidinger zu würdigen. Bund, Länder und Kommunen sollten dafür ausreichend Mittel für die Erforschung und Vermittlung der Geschichte zur Verfügung zu stellen.“

Ralf Bogen


31.10.2022: Wieso Alexander Zinns Definition von „Verfolgung“ für Lesben* zu kurz greift – eine Erörterung am Beispiel der im KZ-Ravensbrück inhaftierten Maragarete Rosenberg von Alexa Korossy-Juliuns, veröffentlicht auf der Webseite zum Projekt Lesbische* Lebenswelten im deutschen Südwesten an der Universität Heidelberg
2021: Wissenschaftliches Gutachten von Prof. Martin Lücke, Freie Universität Berlin: Die Verfolgung lesbischer Frauen im Nationalsozialismus
14.07.2021: Pressemitteilung vom 14. Juli 2021 der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück: Gedenkzeichen für die lesbischen Häftlinge im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück
2018: Maria Bühner: Die Kontinuität des Schweigens. Das Gedenken der Ost-Berliner Gruppe Lesben in der Kirche in Ravensbrück, in Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 2018, 29/2, S. 111-131
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Lesbische Geschichte wird sichtbar
– in der Gedenkstätte Ravensbrück wird jetzt auch offiziell an die lesbischen Opfer des Konzentrationslagers erinnert. Es war ein harter Kampf.
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MAHN- U. GEDENKSTÄTTE RAVENSBRÜCK | STIFTUNG BRANDENBURGISCHE GEDENKSTÄTTEN
Dr. Anna Hájková beim ersten offiziellen Gedenken an lesbische Häftlinge in Ravensbrück.
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Bettina Dziggel, * 25. Januar 1960; † 5. Juli 2022, lesbische Aktivistin und Mitbegründerin der ersten ostdeutschen Lesbengruppe Arbeitskreises Homosexuelle Selbsthilfe – Lesben in der Kirche , die sich für ein würdiges Erinneren im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück einsetzte

2022: „Queer im Leben!“ – Geschichte und Gegenwart der Rhein-Neckar-Region

Über geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in Geschichte und Gegenwart der Rhein-Neckar-Region und ihren Zentren Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen ist in 2022 ein 344-seitiges Buch mit dem Titel „Queer im Leben!“ erschienen. Es enthält Beiträge von Dana-Livia Cohen, Wolfgang Knapp und Christian Könne. Alle drei Autor:innen waren 2015/16 im Auftrag des Stadtmuseums Ludwigshafen am Forschungs- und Ausstellungsprojekt „Vom anderen Ufer – lesbisch und schwul, BTTIQ* in Ludwigshaften am Rhein und anderswo“ beteiligt. Das Buch umfasst auch eine DVD-Filmdokumentation, in der Ausschnitte aus Fernsehsendungen und Reportagen sowie aktuelle Zeitzeug:nnenberichte und Statements gezeigt werden.

Eine große Stärke des Buches ist es, dass es neben den negativen Themen wie Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung, auch die regionale Emanzipationsbewegung von ihren Anfängen bis heute darstellt, die gerade in den letzten Jahrzehnten deutliche Fortschritte erzielen konnte. Im Kapitel zur Weimarer Republik finden sich weitere interessante Details über die frühen queeren Selbstorganisationen, wie wir diese bereits für Heidelberg und Mannheim auf unserer Webseite www.der-liebe-wegen.org 2017 dargestellt hatten.

Die abwechselnden, insgesamt 36 Kapitel, in denen einmal das Leben von Einzelpersonen und einmal thematische Sachverhalte im Vordergrund stehen, sowie das ansprechend bunte Layout mit 140 Farb- und Schwarz-/Weiß-Abbildungen tragen zur Lebendigkeit des Buches bei. Positiv hervorzuheben ist auch, dass neben der Vielfalt der sexuellen Orientierungen die Autoren sich bei den verschiedenen Kapiteln immer wieder bemühen, dem Thema geschlechtliche Vielfalt einen angemessenen Raum zu geben.

Im Kapitel „Verfolgung in der NS-Zeit“ werden die Verbrechen der NS-Diktatur anhand einer Übersicht jener Männer mit Bezug zur Rhein-Neckar Region sichtbar gemacht, die wegen angeblicher Homosexualität verfolgt wurden und im KZ verstorben sind. Schade finde ich, dass hier nicht deutlich gemacht wird, auf welchen Recherchearbeiten diese Übersicht überwiegend basiert. Lediglich in einer Fußnote werden neben einzelnen Publikationen auf die Liste von homosexuellen NS-Opfern aus Baden-Württemberg in der vom Sozialministerium Baden-Württemberg geförderten Wanderausstellung „Sie machen Geschichte“ hingewiesen, die auf den Recherchen unseres Projekt „Der Liebe wegen“ herrührt, wobei hier insbesondere Rainer Hoffschildt genannt werden soll, der schon seit über 30 Jahren außerinstitutionelle Recherchearbeit leistet.
Weiter wird im Kapitel „Verfolgung in der NS-Zeit“ ausgeführt: „Viele Männer aus Baden, die wegen angeblicher Homosexualität verfolgt wurden, wurden in die Emslandlager nach Rodgau oder nach Natzweiler deportiert.“ Hier wird Julia Noah Muniers Arbeit „Lebenswelten und Verfolgungsschicksale homosexueller Männer in Baden und Württemberg im 20. Jahrhundert“ als Quelle in einer Fußnote genannt, wobei Munier selbst in ihrem Buch dazu auf der angegeben Seite 271 schreibt: „Im Zuge der Recherchen des Projekts ‚Der Liebe wegen. Von Menschen, die wegen ihrer Liebe und Sexualität ausgegrenzt und verfolgt wurden“ (…) wurde die NS-Verfolgung homosexueller Männer und deren Verschleppung in Arbeits-, Konzentrations- und Vernichtungslager umfangreich dokumentiert und eine interaktive Gedenkkarte mit zahlreichen biografischen Darstellungen erstellt. Es konnte von den beteiligten Geschichtsforscher_innen und Historiker_innen in diesem Zusammenhang nachgewiesen werden, dass nach §175, §175a RStGB verfolgte Männer mit einem biografischen und/oder verfolgungsbezogenen Bezug zur Region des heutigen Baden-Württembergs u. a. verstärkt in die sogenannten Emslandlager sowie in das Strafgefangenenlager Rodgau-Dieburg (Hessen) verbracht wurden. Die Forschungen zeigen, das mehr als ein Fünftel der von den Forscher_innen berücksichtigten Männer, das sind rund 60 Personen, zeitweilig in einem der Emslandlager und ein Drittel dieser Gruppe zeitweilig im Strafgefangenenlager Rodgau-Dieburg in Hessen inhaftiert waren.“  
Dass auch die Bedeutung der Geschichtsarbeit außerinstitutioneller Akteur:innen und Initiativen wertschätzend genannt werden können, zeigt gerade Munier, wenn sie in der Einleitung ihrer Veröffentlichung schreibt: „Die vorliegende Untersuchung profitiert erheblich davon, dass zivilgesellschaftliche Akteure in Baden-Württemberg seit den 1980er Jahren in Eigeninitiative Material zusammentrugen und für die Verfolgung Homosexueller im NS-Regime gesellschaftlich sensibilisierten. (…) Zugleich knüpft diese Studie an wichtige regionale und lokale außerinstitutionelle Arbeiten zur Verfolgung homosexueller Männer nach §175 (R)StGB in Baden und Württemberg an ((S. 11ff„. Als „besonders hervorzuheben“ nennt Munier das „Bildungs- und Aufklärungsprojekt ‚Der Liebe wegen‘“.

Trotz dieser Mängel in der Quellennennung und Darstellung jener Akteur:innen, die als Teil der Emanzipationsbewegung Geschichtsarbeit geleistet haben, ist das Buch eine wichtige Bereicherung zur Sichtbarmachung queeren Lebens in der Rhein-Neckar-Region.

Ralf Bogen

2022 Verschiedenes

18. September 2022: 16. Stuttgarter LebenSlauf sensiblisiert für LGBT-Geflüchtete
Der 16. Stuttgarter LebenSlauf vom Sportverein Abseitz Stuttgart am Sonntag, den 18. September 2022 (Treffen Eingang Park Berg/Johann-Friedrich-von-Cotta-Schule, Sickstraße 165, 70190 Stuttgart – siehe (www.stuttgarter-lebenslauf.de)) zugunsten der LGBT-Geflüchtetenarbeit von just human und Regenbogenrefugium der Weissenburg sensibilisiert für die Situation von LGBT-Geflüchteten.
In vielen Ländern dieser Erde erfahren LSBTTIQ-Menschen noch immer Gewalt, Unterdrückung und Verfolgung. Zum Beispiel im Iran: Tausende homosexuelle Männer sind in den vergangenen Jahrzehnten dort vom Staat hingerichtet worden. Jetzt verhängte ein Gericht erstmals die Todesstrafe gegen zwei lesbische Frauen – siehe https://www.rnd.de/…/todesstrafe-im-iran-erstmals-zwei… – Unterschriftensammlung: „Save Sareh and Eliham’s live“ hier: https://action.allout.org/en/m/66561cda/

2. September 2022: Malte C. stirbt nach queerfeindlichen Angriff beim CSD in Münster
Keine Verharmlosung mehr von homo- und transphober Gewalt in Deutschland – Stoppt Hasskriminalität, Rechtspopulismus und Gewalt!

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26. Juni 2022: Istanbul Pride trotz brutalem Polizeiterror
Es kam zu zahlreichen Festnahmen von Pride-Aktivist:innen, die sich auch in 2022 nicht einschüchtern haben lassen.

https://www.youtube.com/watch?v=2AeBJ9wHFAM

25. April 2022 Ehrung im Hotel Silber
Am 25. April 2022 wurde Ralf Bogen unter anderem wegen seiner Arbeit für das Internetprojekt „Der Liebe wegen“ mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. „Besonders hervorzuheben ist die Realisierung des Projekts ‚Der Liebe wegen, … von Menschen im deutschen Südwesten, die wegen ihrer Liebe und Sexualität ausgegrenzt und verfolgt wurden‘“ heißt es in der Pressemitteilung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Auch im Beitrag „Ehrung für Ralf Bogen“ der Stuttgarter Nachrichten vom 26. April 2022 wird das Internetprojekt „Der Liebe wegen“ hervorgehoben: „Schicksale von Opfern der Nazis haben er und seine Mitstreiter mit ihrem Projekt „der Liebe wegen“ recherchiert und dokumentiert. Von den 251 Männern mit Bezug zu Baden und Württemberg haben 75 ihre KZ-Haft nicht überlebt.“

11. Februar 2022: Gedenken für Farid und Mehrdad – wegen Homosexualität vom iranischen Staat am 30.1.22 gehängt.
Seid dabei beim Totengedenken für Mehrhard Karimpou und Farid Mohammadi, die am 30.01.2022 aufgrund ihrer Homosexualität vom iranischen Staat gehängt wurden.
Lasst uns die Hinrichtung von Sareh, einer 28-jährigen lesbischen Frau durch internationalen Protest verhindern – https://mannschaft.com/iran-lesbische-frau-sendet-kurz…/ – beteiligt Euch an der Eilaktion/Urgent Action von amnesty: https://www.queeramnesty.de/…/iran-lgbti-aktivistin…
SCHWEIGEN = TOD – stoppt die Todestrafe im Iran!

24. Januar 2022: taz Queer Talk „Kein Platz für Queers in der Gedenkstunde des Bundestags am 27. Januar an die Opfer des Nationalsozialismus?“
mit Henny Engels (Bundesvorstand vom LSVD) und Dr. Lutz van Dijk (Historiker und Autor):
https://taz.de/taz-Queer-Talk-ueber…/!5821539/
https://www.tagesspiegel.de/…/neues…/27920808.html

2021/2022: Forschungsprojekt der Universitäten Heidelberg und Freiburg zu lesbischen Lebenswelten zwischen 1920 und 1970

Erst seit 2021 arbeiten Wissenschaftlerinnen der Universitäten Heidelberg und Freiburg an einem interdisziplinären Forschungsprojekt zu lesbischen Lebenswelten zwischen 1920 und 1970 im deutschen Südwesten, geleitet von Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern, Frau Prof. Dr. Karen Nolte sowie Prof. Dr. Sylvia Paletschek. „Lange Zeit sind Forschungsarbeiten mit Fokus zur Geschichte weiblicher Homosexualität außerhalb der Universitäten und Akademien entstanden und waren Ergebnisse von Privatinitiativen innerhalb der autonomen Frauenforschung“, so Ute Reisner von der Themengruppe Geschichte des Landesnetzwerk LSBTTIQ Baden -Württemberg in einem Beitrag „Wissenschaftlerinnen erforschen Geschichte lesbischer Frauen in Baden-Württemberg“ der badischen Neuesten Nachrichten. Insbesondere das Netzwerk setzte sich erfolgreich dafür ein, dass nun endlich finanzielle Mittel zur Erforschung des Lebens lesbischer Frauen zur Verfügung gestellt wurden.

Beklagenswerter Quellenmangel kein Zufall
Ressentiments und Repressionen gegenüber weiblicher Homosexualität, als auch Verschweigen und Verdrängen lesbischen Lebens aus der Öffentlichkeit werden im Forschungsprojekt als Ursachen genannt, die im Vergleich zur Aufarbeitung der Verfolgung schwuler Männer unter dem Paragraphen175, zur mangelnden und offiziell spät startenden Aufarbeitung lesbischer Geschichte führten. Einhergehend mit der Verbannung lesbischer Frauen aus dem öffentlichen Raum ist ein beklagenswerter Quellenmangel zu verzeichnen. Dennoch so das erklärte Ziel der am Projekt beteiligten Forscherinnen, soll dieser Mangel nicht länger den immer noch herrschenden Status Quo rechtfertigen, diesem Forschungsbereich die notwendigen finanziellen Mittel weiter zu entsagen.

Fragen des Forschungsprojekts
So gehen nun Wissenschaftlerinnen der Universitäten Heidelberg und Freiburg folgenden Fragen nach:

  • Wie lebten Frauen, die Frauen begehrten, in den Jahren zwischen 1920 und 1970?
  • Auf welche Hindernisse und Diskriminierungen stießen sie insbesondere während der Zeit des Nationalsozialismus und welche Nachwirkungen hatten diese Verfolgungen und Ausgrenzungen in der Zeit nach 1945?
  • Konnte es gelingen, innerhalb der von Politik, Recht, Gesellschaft und Wissenschaft gesetzten Normen nicht-normative Lebensentwürfe zu realisieren?

Erste Befunde
Aufgrund des Verschweigens und der Unsichtbarmachung lesbischen Lebens in der Geschichte, so ein erster Befund, muss in einer intersektionalen Herangehensweise die Geschichte lesbischen Lebens aufgespürt und erforscht werden. Frau Prof. Sylvia Palatschek verdeutlicht dies am Beispiel der Verfolgung lesbischer Frauen in der NS-Zeit. Frauen wurde nicht aufgrund ihrer Homosexualität verfolgt und in Konzentrationslagern interniert, sondern wurden des unzüchtigen Verhaltens oder fehlender Sittlichkeit bezichtigt und als asozial oder kriminell betitelt und strafrechtlich verfolgt. Sie unterlagen vielfältigen Diskriminierungsformen. Lesbisch-Sein verschränkte sich mit NS-typischen Verfolgungskategorien, so Frau Prof. Palatschek weiter. Daher waren Lesben von rassehygienischen, poilitischen, antisemitischen und gegen nonkonforme Lebensweisen ausgerichteten Repressionen betroffen. Frau Prof. Karen Nolte verweist darauf, dass in den Quellen das Wort lesbisch, oder zeitgenössisch die Begriffe „invertiert“ und „konträrsexuell“ in der Regel nicht explizit zu finden sind. Bei der Untersuchung muss daher genauer hingesehen werden, um dort lesbisches Leben ausfindig zu machen. Mit diesem auf Intersektionalität ausgerichteten Blick beschäftigen sich die Forscherinnen des Projekts mit Quellen der sogenannten Kameradschaftsehe, mit Strafprozessakten, mit KZ-Akten und den darin enthaltenen, unterschiedlichsten Verfolgungstatbeständen, sowie mit Psychatrie-, Fürsorge- und auch Scheidungsprozessakten.

Ankündigung:Der Liebe wegen“ wird nachfragen, welche weitere Erkenntnisse im Rahmen des Forschungsprojekts gewonnen werden konnten und wie es mit dem Projekt und dessen Finanzierung in 2023 weitergeht.

Kerstin Bosse und Christel Stroh

Quellen / Zum Weiterlesen:

Das Blog-Portal-Hypothestes
Folgende aktuelle Texte zum Forschungsprojekt „Lesbische* Lebenswelten im deutschen Südwesten (ca. 1920er-1970er Jahre)“ sind bislang beim Blog-Portal Hypotheses unter https://lesbenwelt.hypotheses.org/ veröffentlicht:



2021/2022: Queer durch Tübingen

Udo Rauch vom Stadtarchiv und der Berliner Historiker Karl-Heinz Steinle führten in der Reihe „Kennen Sie Tübingen?“ am 4. September 2017 fast 250 Interessierte durch die Tübinger Altstadt. Sie berichteten von Menschen, deren Lebensgeschichten bislang verschwiegen, verdrängt und vergessen waren. Es ging um queere Menschen, welche die Geschichte der Stadt aktiv mitgestaltet hatten oder Opfer von Verfolgung und Repression waren. Nach dieser Führung „Queer durch Tübingen“ stand im Stadtarchiv das Telefon nicht mehr still. Bestärkt durch das große Interesse, beschloss der Stadtarchivar und der Historiker Karl-Heinz Steinle sich mit diesem bislang noch nicht erzählten Teil der Tübinger Geschichte eingehender zu befassen. Das Forschungsprojekt „Queer durch Tübingen“ war geboren.

Vier Jahre des Sammeln, Forschen und Zusammentragen haben sich gelohnt: vom 25. September 2021 bis 13. März 2022 wurden in einer Ausstellung im Stadtmuseium 24 Biografien aus Tübingen aus 200 Jahren präsentiert. Darunter nicht nur schwule Männer oder lesbische Frauen, sondern auch trans- und interesexueller Menschen. Repression, Verfolgung, Lebenslust, Emanzipation, jurstische Lockerungen und medizinische Möglichkeiten der queeren Community und ihre Entwicklung werden lebendig. Das zeigen auch die nachfolgend dargestellten Videos zur und über die Ausstellung.

Ralf Bogen

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2021: Ergebnisse im Rahmen des Forschungsprojekts der Universität Stuttgart von Julia Noah Munier

Anfang 2021 ist Julia Noah Muniers Arbeit „Lebenswelten und Verfolgungsschicksale homosexueller Männer in Baden und Württemberg im 20. Jahrhundert“ als Buch erschienen. Diese Studie ist, wie es im Geleitwort heißt, die erste von drei Teilen des Forschungsprojekts des Instituts für Neuere Geschichte der Universität Stuttgart.

In drei übergeordnete Kapitel gegliedert, enthält die Arbeit von Munier viele Details zu den Schicksalen und Lebenswelten von homosexuellen Männern aus Baden und Württemberg während der Weimarer Republik (S. 43-135), während der NS-Diktatur (S. 136-290) und während der bundesrepublikanischen Nachkriegszeit (S. 291-399). Dabei sind insbesondere dargestellte Zeugnisse brisant, welche die homosexuellen Männer nicht nur als Opfer von Diskriminierung und Verfolgung, sondern auch als sich selbst behauptende Akteure beschreiben. Als Beispiel hierfür seien die Besuche von Silvester- und Karnevalfeiern in der Schweiz genannt, wo unter anderem Alfred Jenny, der Protokollant des „Schweizerischen Freundschafts-Verbandes“ wie folgt zitiert wird (S. 286): „Es möchte uns ja wohl schon bekannt sein, dass denselben Artgenossen speziell in Deutschland alles unterbunden ist, sie freuten sich deshalb zehnfach, unter uns Schweizern wenn auch nur kurze Zeit ein paar frohe und angstfreie Stunden geniessen zu können“ (es ging hier um die Silvesterfeier 1933/34). Weiter wird beschrieben, wie homosexuellen Männern von ihren „Artgenossen“ zur Flucht in die Schweiz geholfen wurde. Aus dem Kapitel zur Nachkriegszeit geht die wichtige Rolle von Aktivist:innen aus unserer Region für die Liberalisierung des §175 StGb hervor (siehe hierzu auch den Bericht über die Fachtagung zur LSBTTIQ-Geschichte „Zukunft braucht Erinnerung“ im Hotel Silber).

Wir freuen uns darüber, dass Munier zur Rolle außerinstitutioneller Initiativen und zu unserer Webseite „Der Liebe wegen“ in der Einleitung schreibt: „Die vorliegende Untersuchung profitiert erheblich davon, dass zivilgesellschaftliche Akteure in Baden-Württemberg seit den 1980er Jahren in Eigeninitiative Material zusammentrugen und für die Verfolgung Homosexueller im NS-Regime gesellschaftlich sensibilisierten. (…) Zugleich knüpft diese Studie an wichtige regionale und lokale außerinstitutionelle Arbeiten zur Verfolgung homosexueller Männer nach §175 (R)StGB in Baden und Württemberg an (…) Besonders hervorzuheben ist das (…) Bildungs- und Aufklärungsprojekt ‚Der Liebe wegen‘.“ (S. 11ff)

Konkret heißt es beispielsweise zum quantitativen Ausmaß der Verfolgung während der NS-Zeit in Muniers Arbeit: „Schätzungen Rainer Hoffschildts zufolge wurden in den Jahren 1933 bis 1939 in den OLG-Bezirken Stuttgart und Karlsruhe über 900 Personen nach §175, §175a RStGB verurteilt. (…) Reichsweit wurden ca. 5-10% der nach §175, §175a RStGB verurteilten Männer in Konzentrationslager verbracht. 90-95% der homosexuellen Männer wurden zur Strafverbüßung in Justizanstalten untergebracht. Diese Zahlen sind auch für Baden und Württemberg anzunehmen. Gestützt auf neuere Forschungen des Geschichtsprojektes „Der-Liebe-wegen“ konnte hier gezeigt werden, dass homosexuelle Männer mit Bezug zur Region des heutigen Baden-Württemberg u. a. vermehrt in die Emslandlager, in das Lager Rodgau Dieburg, in das KZ Natzweiler und das KZ Dachau deportiert wurden.“ (S. 406/407)

Muniers umfassende Darstellung stellt einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag zur Aufarbeitung staatlicher Verfolgung homosexueller Menschen dar und leistet durch den Einbezug von Selbstzeugnissen und von Lebenswelten in ländlichen Räumen wertvolle Impulse für die weitere Forschung.

Ralf Bogen


2021: Das Projekt „Der Liebe Wege – Stuttgart (neu) entdecken“

DER LIEBE WEGE ist ein Projekt des Weissenburg e.V. – Zentrum LSBTTIQ Stuttgart in Kooperation mit der Initiativgruppe Homosexualität Stuttgart e.V. sowie dem Künstler_innenkollektiv polychrom, dessen Konzept, Recherche und Umsetzung laut Impressum durch Philine Pastenaci und Lena Fritschle erfolgte und 2021 durch anARTis | Thomas Leuthold umgestaltet wurde. Die Webseite www.derliebewege.de hat eine fünfteilige Navigation bestehenden aus folgenden fünf Rubriken, die im folgenden genauer vorgestellt werden sollen:

Zur ersten Rubrik „KARTE“
Diese Rubrik ist identisch mit der Startseite und stellt das Stadtgebiet Stuttgarts dar. Es zeigt Orte auf, „an welchen im Lauf der Jahrzehnte LSBTTIQ-Geschichte geschrieben wurde und lädt dazu ein, neue Wege zu entdecken“. Und weiter heißt es hier: „Vorkämpfer_innen gegen Diskriminierung, Intoleranz und Ausgrenzung sollen im Rahmen des digitalen Stadtspaziergangs ebenso zu Wort kommen, wie solche, die seit Jahren unermüdlich für Frauenrechte, Aufarbeitung nationalsozialistischer Verfolgung und ein freies Miteinander eintreten.“

Zur zweiten Rubrik „#DIGITALESSTOLPERN“
Diese Rubrik hat eine Sonderstellung im Vergleich zu den anderen vier Rubriken. Denn es führt zu einem weiteren von Stolperkunst e. V. geförderten Projekt mit dem Titel  „#DIGITALESSTOLPERN – #derliebewegen„. Hierzu heißt es auf dieser Seite unter der Überschrift „Von Sonder- und Schmetterlingen“: „Das Projekt #DIGITALESSTOLPERN – #derliebewegen will erinnern und gedenken, an jene Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität unter Repressionen gelitten haben. Bis heute leiden Menschen unter Diskriminierung, weil sie der heteronormativen und cisnormativen Gesellschaft nicht entsprechen. Zeigt Gesicht, wenn ihr könnt, nutzt eure Stimme, wenn ihr könnt. Sichtbarkeit schafft Akzeptanz. Die Aktion startete am 14.02.2021 auf der Plattform Instagram und läuft ohne Begrenzung fort. Zur Inspiration haben wir einen Linktree mit diversen Texten und Einzelschicksalen sowie 7 kurze Infotexte erstellt. Du möchtest mitmachen? Gerne! Schick uns einfach eine Mail mit deinem Beitrag an derliebewege@gmail.com oder poste ihn auf Instagram und verlinke uns mit #digitalesstolpern, @polychrom.kollektiv@weissenburgstuttgart und @ihs_ev.“

Zur dritten Rubrik „LISTENANSICHT A-Z“
Auf dieser Seite werden in alphabetischer Reihenfolge Vereine und Personen gelistet, die auf der Stuttgarter Karte bzw. in Stuttgart ihren Platz an einzelnen Orten haben. Beim Buchstaben A finden wir zum Beispiel den Sitz der AIDS-Hilfe Stuttgart, bei B der Buchladen Erlkönig, bei C das Cafe Weiss usw. usf. Das geht dann weiter über den Buchstaben K wie Kings Club oder dem Karl-Heinrich-Ulrich-Platz bis zum Buchstaben W wie Weissenburg, das LSBTTIQ-Zentrum Stuttgart.

Zur vierten Rubrik „DAS PROJEKT“
Auf dieser Seite wird deutlich, warum das Projekt so ähnlich, aber doch anders heißt wie unser Projekt „Der Liebe wegen“: „Inspiriert durch / angelehnt an das Projekt DER LIEBE WEGEN, verwebt die entstehende Karte des Stadtgebietes Stuttgart dessen Recherchen zu Menschen im deutschen Südwesten, die wegen ihrer Liebe und Sexualität ausgegrenzt und verfolgt wurden mit Erfahrungen und Erlebnisberichten engagierter Stuttgarter_innen. Auf Basis von Zeitdokumenten aus dem Verlauf der letzten 70 Jahre und Interviews mit Zeitzeug_innen verschiedener Jahrzehnte weist DER LIEBE WEGE Örtlichkeiten aus, welchen eine Bedeutung für die Entwicklung der hiesigen Szene zukommt oder einst zukam. Angelegt als Work-in-Progress entsteht im Laufe der Zeit so eine sinnlich „erlaufbare“ Übersicht, über gut ein Jahrhundert städtischer LSBTTIQ-Geschichte.“

Zur fünften Rubrik „MITMACHEN“
Auf dieser Seite heißt es: „Für den Moment fiel aus verschiedenen Gründen die Entscheidung, den vorläufigen Fokus zum Start des Work-in-Progress-Projektes auf die Stuttgarter Innenstadt zu legen, dieser wird im Laufe der nächsten Wochen und Monate jedoch über die Hänge des Talkessels hinaus wachsen – doch unabhängig davon: Es fehlt ein Ort, eine markante Anekdote – ein wichtiger Baustein? Wir freuen uns über Hinweise, Zeitdokumente, Tipps und ganz besonders: Interviewpartner_innen, die ihr Wissen, ihre Erlebnisse und Perspektiven mit und teilen möchten. Dementsprechend darf gerne Kontakt aufgenommen werden, die Karte befindet sich im stetigen Erweiterungsprozess. derliebewegeATgmail.com“


29.03.2021: NS-Kriterien der Verfolgung beim Gedenken überwinden

In der Berliner Zeitung online ist am 29. März 2021 und in der Printausgabe am 7. April 2021 ein Beitrag von Hanno Hauenstein „Von Schwulen und Nazis zwischen Opfermythos und historischer Präzision“ erschienen, der ein Streitgespräch zwischen Dr. Lutz van Dijk und Dr. Alexander Zinn wiedergibt. Alexander Zinn sieht als Hauptproblem, dass „die Aufarbeitung der Verfolgung Homosexueller zur NS-Zeit für die queere Community ‚identitätsbildend'“ sei – „teils jedoch gegen die historische Faktenlage“. Eine positive Verklärung der Rosa-Winkel-Häftlinge will er festgestellt haben, die Kindesmißbrauch und Jugendverführung nicht angemessen berücksichtigt. Lesbische Frauen seien nicht wegen ihrer Homosexualität verfolgt worden. Demgegenüber warnt Lutz van Dijk in der Bewertung der Faktenlage allein mit NS-Kriterien zu operieren. Er ist ein Befürworter des Mahmals für lesbische Frauen in der Gedenkstätte Ravensbrück, die dort gelitten haben – „nicht, weil sie als lesbische Frauen verurteilt wurden, sondern weil ihr Leid unsichtbar gemacht wurde.“

Zu dieser Kontroverse bringen wir im Folgenden ungekürzt einen Leserbrief, der am 12. April 2021 in der Berliner Zeitung leicht gekürzt veröffentlicht wurde:

29. März 2021: Was für eine historische Forschung und Gedenkkultur wollen und brauchen wir?

Die historische Forschung hat jahrzehntelang sexuelle und geschlechtliche Minderheiten nicht als Opfer des NS- und Nachkriegsunrechts angemessen anerkannt und konkret erforscht. Sie hat sich stattdessen von patriarchalischen Vorurteilen gegenüber Homo-, Trans- und Intersexualität leiten lassen, die der NS-Staat zwar nicht erfunden, aber wesentlich verstärkt hat und die bis heute subtil weiterwirken. Leider trägt Zinn im Streitgespräch teilweise zur Bestärkung dieser Vorurteile bei:

Bezogen auf seine Leipziger Studie sagt Zinn, „dass ungefähr drei Viertel derjenigen, die im KZ mit einem rosa Winkel als Homosexuelle gekennzeichnet wurden, wegen Jugendverführung oder Kindesmissbrauch vorbestraft waren.“ Daraus können wir lernen, dass Rosa-Winkel-Häftlinge nicht per se gedenkwürdig sind und dass wir sehr genau hinschauen müssen. Vor dem Hintergrund, dass der NS-Staat homosexuelle Männer per se als „Kinderschänder“ stigmatisierte und bekämpfte, sehe ich das Hauptproblem bei Zinn darin, dass er mit dieser Aussage jegliche Differenzierung zwischen heute wie damals strafbaren Kindesmissbrauch einerseits und heute nicht strafbarer „Jugendverführung“ (im Grundsatz ist das Schutzalter heute 14 Jahre – unabhängig von der sexuellen Orientierung – bei wenigen Ausnahmen in Sonderfällen) andererseits vermissen lässt. Damit ersetzt Zinn eine von ihm kritisierte positive Verklärung in der Erinnerung an die homosexuellen NS-Opfer durch eine negative Verklärung, womit er seinem hohen Anspruch auf historische Präzision selbst nicht gerecht wird. Hingegen nennen wir in unserer, im Internet unter www.der-liebe-wegen.org veröffentlichten Studie zur heutigen Region Baden-Württemberg folgende Kriterien für die Anerkennung als homosexuelle NS-Opfer: „Insofern uns Informationen vorliegen oder noch zugänglich werden, wonach Personen auch Vergehen gemäß 174 Ziffer 1 (sexuelle Handlungen mit Minderjährigen unter Missbrauch von Abhängigkeitsverhältnissen), gemäß 175 a Ziffer 1 (Gewalt und Nötigung) und gemäß § 176 (sexuelle Handlungen mit Kindern) begangen haben, haben wir diese nicht in unsere Gedenkkarte aufgenommen bzw. werden wir diese herausnehmen.“ Letzteres war bei einer von 251 Personen der Fall.

Mit dem Hinweis, dass KZ-Einweisungen nicht primär oder gar nicht aufgrund weiblicher Homosexualität erfolgten, wird seit Jahrzehnten das durch die NS-Diktatur verursachte spezifische Leid lesbischer Frauen übersehen oder gar wie mit dem von Zinn selbst als polemisch überspitzt bezeichneten Vergleich der Situation von Raucherinnen mit der von lesbischen Frauen im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück bagatellisiert. Auch hier stimme ich van Dijk zu, der die historische Forschung und die Gedenkkultur dazu anregen möchte, das NS-spezifische Unrecht gegenüber lesbischen Frauen stärker als bislang in den Blick zu nehmen. Das ist in dem von van Dijk mit herausgegebenen Sammelband „Erinnern in Auschwitz – auch an sexuelle Minderheiten“ mit wertvollen neuen Forschungsergebnissen beispielhaft gelungen.

Mit der Erstarkung rechtspopulistischer Kräfte in Deutschland geht die Zunahme von Hass und Hetze in verschiedenen Internetforen einher. Homo- und Transsexualität ist nach wie vor ein wichtiger Fluchtgrund angesichts von Gewalt und Verfolgung in vielen Ländern. Daher ist Zinn entschieden zu widersprechen, wenn er die Aufgabe, auf eine bessere Gesellschaft hinzuwirken, nur bei der Gedenkarbeit und nicht auch bei der historischen Forschung sieht. Das von van Dijk vertretene Anliegen eines angemessenen Erinnerns an das Leid sexueller und geschlechtlicher Minderheiten während der NS-Diktatur im Deutschen Bundestag am Auschwitzgedenktag ist wichtiger denn je.

Ralf Bogen, Stuttgart


2021 Verschiedenes

30. November 2021: Erinnerung an queere Minderheiten aus der Zeit des Nationalsozialismus
Mitschnitt der Online-Veranstaltung mit Dr. Andrea Genest, Leiterin der Gedenkstätte Ravensbrück, stellv. Leiterin der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten; Ina Rosenthal, Vorstand, Lesbenring e. V. und Leiterin von RUT e. V. der Beratung für lesbische Mädchen und Frauen, Berlin und Jenny Engels, Vorstandsmitglied im Lesben und Schwulenverband (LSVD) Bundesverband. Moderation: Uwe Fröhlich, Diplom-Kulturarbeiter (FH), Mitglied von QueerGrün Brandenburg.

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12-19. September 2021: 15. Stuttgarter LebenSLauf zugunsten von LGBT-Geflüchteten
Abseitz Stuttgart e.V., der Sportverein für Schwule, Lesben und Freund*innen, richtet seinen 15. Stuttgarter LebenSLauf zu Gunsten von Menschen aus, die wegen ihrer sexuellen Orientierung und/oder geschlechtlichen Identität aus ihren Heimatländern fliehen mussten. (…) Lange Zeit galt auch in Deutschland: es gibt nur Mann und Frau, zwei Geschlechter, und alle Menschen sind heterosexuell. Menschen, die nicht in diese Norm passen, wurden bei uns insbesondere in der NS-Zeit terrorisiert und entwürdigt. In vielen Ländern der Erde wie z. B. Syrien, Uganda, Iran oder Afghanistan erfahren sie bis heute Verfolgung und Gewalt. In Deutschland angekommen, ist für viele von ihnen ein Leben in Sicherheit noch nicht erreicht. (Auszüge aus einer Pressemitteilung des Sportvereins Abseitz vom 1.9.2021)
Siehe hierzu auch „Afghanistan steht im Focus einer sportlichen Hilfe“ – Artikel in den Stuttgarter Nachrichten vom 19.8.22 sowie Geoutet, Geflüchtet, Geheiratet – WDR-Dokumentation von 2020 zur Situation von LGBT-Geflüchteten.

27. Juli 2021: CSD Stuttgart beklagt Hasskriminalität
Sondersendung „CSD Stuttgart erschüttert – Regenbogen-Fahne in der Stuttgarter Altstadt verbrannt“

14. Juli 2021 Gedenkkugel für die ermordeten lesbischen Frauen im Frauen-KZ Ravensbrück
Fachkommission der Stiftung Brandenburgischer Gedenkstätten empfiehlt Gedenkzeichen für die lesbischen Häftlinge im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück:
„Eine Initiative engagierter Frauen hatte sich bereits vor fünf Jahren das erste Mal an die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten gewandt. Dem Anliegen schloss sich nach und nach ein ganzes Bündnis an Unterstützerinnen und Unterstützern an. In den Gremien der Stiftung wurden vor allem die Haftgründe und der Verfolgungsbegriff in Bezug auf lesbische Frauen im NS-Regime kritisch diskutiert. Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten hat daraufhin im Frühjahr 2021 gemeinsam mit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld ein Gutachten bei Prof. Martin Lücke von der Freien Universität Berlin in Auftrag gegeben, das sich mit dem Schicksal lesbischer Frauen in Ravensbrück auseinandersetzt und den Begriff der Verfolgung einer kritischen Analyse unterzieht. Auf Grundlage dieses Gutachtens und nach intensiver Beratung sah die Fachkommission der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten den Nachweis der Verfolgung lesbischer Frauen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Konzentrationslagers als erbracht an. Einstimmig erfolgte die Empfehlung an die Gedenkstätte und die Stiftung, das Gedenkzeichen vor Ort zu ermöglichen.“ (Quelle: Webseite der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück)
1984 hat zum ersten Mal eine Gruppe Frauen „Lesben in der Kirche“ im KZ Ravensbrück an die lesbischen inhaftierten Frauen erinnert. Sie legten einen Kranz nieder, welcher kurz darauf entfernt wurde. Fortan wurde diese Gruppe von der Stasi beobachtet und am Gedenken gehindert. Die Frauen wurden verhaftet und waren staatlicher Gewalt ausgesetzt. Hier ein kurzer Bericht von Bettina Dziggel, welche damals der Gruppe angehörte:

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Siehe hierzu auch: Maria Bühner: Die Kontinuität des Schweigens. Das Gedenken der Ost-Berliner Gruppe Lesben in der Kirche in Ravensbrück, in Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 2018, 29/2, S. 111-131.

4. Juli 2021 Solidarität mit Istanbul Pride „Die Straße gehört uns“
Einem Demonstrationsverbot zum Trotz sind in der türkischen Millionenmetropole Istanbul Hunderte Menschen durch die Straßen gezogen, um mehr Rechte für die LGBTQ-Menschen einzufordern. Die Polizei setzte Tränengas gegen Teilnehmer ein. Auch Plastikgeschosse seien in die Menge gefeuert worden. Mehrere Menschen wurden festgenommen, darunter ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP.
Die Parade „Istanbul Pride“ stand unter dem Motto „Die Straße gehört uns“. Die Teilnehmer kritisierten unter anderem ein zunehmend LGBTQ-feindliches Klima in der Türkei.

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25. Juli 2021: Online-Lesung und -Diskussion während der CSD Kulturwoche: „Kampala – Hamburg. Roman einer Flucht“
Van Dijk liest aus seinem, auf wahren Begebenheiten basierenden, Roman „Kampala – Hamburg“.
Der 16-jährige David aus Ugandas Hauptstadt Kampala lernt im Internet den 18-jährigen David aus Hamburg kennen. Im Profil des Deutschen steht, was in Uganda zu einer Gefängnisstrafe führen kann: „Ich unterstütze Rechte sexueller Minderheiten in Afrika!“. Der Ugander weiß, dass ihm Gewalt und Gefängnis drohen, wenn er sein Heimatland nicht bald verlässt. Er hat keine Zeit zu verlieren. Wird David aus Hamburg am Ende Wort halten?
Verfolgung wegen gleichgeschlechtlicher Liebe und Sexualität war auch in Deutschland viele Jahre Wirklichkeit – das „Hotel Silber“ in Stuttgart, in der NS-Zeit Zentrale der Gestapo für Württemberg und Hohenzollern und bis in die 1980er Jahre Sitz der städtischen Kriminalpolizei, steht für diese Verfolgung. Im Anschluss an die Lesung wird mit LSBTTIQ-Geflüchteten des Regenbogen Refugiums der Weissenburg e.V. über die aktuelle Situation in Deutschland und in ihren Heimatländern gesprochen. Außerdem stellt der Verein just human e.V. seine Arbeit vor.
Veranstaltende / Unterstützer*innen: Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V., Weissenburg LSBTTIQ-Zentrum Stuttgart, just human e.V., Abteilung für individuelle Chancengleichheit der Landeshauptstadt Stuttgart, Buchladen Erlkönig, Haus der Geschichte Baden-Württemberg.

8. Mai 2021 Auftakt am 8. Mai vor dem Landgericht Stuttgart (Urbanstraße 20)
Kaum ist der NSU-Prozess in München vorbei, werden neue rechte Terrornetzwerke wie z. B. die Gruppe S bekannt. Diese hatte Waffen gesammelt sowie weitere Terroranschläge auf fünf bis sechs Moscheen zum Zeitpunkt der Freitagsgebete und auf die Grünen-Politiker Robert Habeck und Anton Hofreiter geplant und die Zeit für gekommen gesehen, „die Antifa zu beseitigen“.
Immer wieder kommt ans Tageslicht, dass auch Polizisten und Bundeswehrangehörige in rechte Strukturen verwickelt sind und dass das staatliche V-Mann-System von der Unterstützenden-Szene der Rechtsterroristen zur Stärkung ihrer Netzwerke und zum Schutz vor Strafverfolgung genützt wird.
Wie lange wollen staatliche Stellen hier noch immer von „Einzeltätern“ sprechen?

29. März 2021: Was für eine historische Forschung und Gedenkkultur wollen und brauchen wir?
In der Berliner Zeitung online ist am 29. März 2021 und in der Printausgabe am 7. April 2021 ein Beitrag von Hanno Hauenstein „Von Schwulen und Nazis zwischen Opfermythos und historischer Präzision“ erschienen (siehe https://www.berliner-zeitung.de/…/von-schwulen-und…), der ein Streitgespräch zwischen Lutz van Dijk und Alexander Zinn wiedergibt. Dazu veröffentlichen wir im Folgenden ungekürzt einen Leserbrief, der am 12. April 2021 in der Berliner Zeitung leicht gekürzt veröffentlicht wurde:
Die historische Forschung hat jahrzehntelang sexuelle und geschlechtliche Minderheiten nicht als Opfer des NS- und Nachkriegsunrechts angemessen anerkannt und konkret erforscht. Sie hat sich stattdessen von patriarchalischen Vorurteilen gegenüber Homo-, Trans- und Intersexualität leiten lassen, die der NS-Staat zwar nicht erfunden, aber wesentlich verstärkt hat und die bis heute subtil weiterwirken. Leider trägt Zinn im Streitgespräch teilweise zur Bestärkung dieser Vorurteile bei:
Bezogen auf seine Leipziger Studie sagt Zinn, „dass ungefähr drei Viertel derjenigen, die im KZ mit einem rosa Winkel als Homosexuelle gekennzeichnet wurden, wegen Jugendverführung oder Kindesmissbrauch vorbestraft waren.“ Daraus können wir lernen, dass Rosa-Winkel-Häftlinge nicht per se gedenkwürdig sind und dass wir sehr genau hinschauen müssen. Vor dem Hintergrund, dass der NS-Staat homosexuelle Männer per se als „Kinderschänder“ stigmatisierte und bekämpfte, sehe ich das Hauptproblem bei Zinn darin, dass er mit dieser Aussage jegliche Differenzierung zwischen heute wie damals strafbaren Kindesmissbrauch einerseits und heute nicht strafbarer „Jugendverführung“ (im Grundsatz ist das Schutzalter heute 14 Jahre – unabhängig von der sexuellen Orientierung – bei wenigen Ausnahmen in Sonderfällen) andererseits vermissen lässt. Damit ersetzt Zinn eine von ihm kritisierte positive Verklärung in der Erinnerung an die homosexuellen NS-Opfer durch eine negative Verklärung, womit er seinem hohen Anspruch auf historische Präzision selbst nicht gerecht wird. Hingegen nennen wir in unserer, im Internet unter www.der-liebe-wegen.org veröffentlichten Studie zur heutigen Region Baden-Württemberg folgende Kriterien für die Anerkennung als homosexuelle NS-Opfer: „Insofern uns Informationen vorliegen oder noch zugänglich werden, wonach Personen auch Vergehen gemäß 174 Ziffer 1 (sexuelle Handlungen mit Minderjährigen unter Missbrauch von Abhängigkeitsverhältnissen), gemäß 175 a Ziffer 1 (Gewalt und Nötigung) und gemäß § 176 (sexuelle Handlungen mit Kindern) begangen haben, haben wir diese nicht in unsere Gedenkkarte aufgenommen bzw. werden wir diese herausnehmen.“ Letzteres war bei einer von 251 Personen der Fall.
Mit dem Hinweis, dass KZ-Einweisungen nicht primär oder gar nicht aufgrund weiblicher Homosexualität erfolgten, wird seit Jahrzehnten das durch die NS-Diktatur verursachte spezifische Leid lesbischer Frauen übersehen oder gar wie mit dem von Zinn selbst als polemisch überspitzt bezeichneten Vergleich der Situation von Raucherinnen mit der von lesbischen Frauen im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück bagatellisiert. Auch hier stimme ich van Dijk zu, der die historische Forschung und die Gedenkkultur dazu anregen möchte, das NS-spezifische Unrecht gegenüber lesbischen Frauen stärker als bislang in den Blick zu nehmen. Das ist in dem von van Dijk mit herausgegebenen Sammelband „Erinnern in Auschwitz – auch an sexuelle Minderheiten“ mit wertvollen neuen Forschungsergebnissen beispielhaft gelungen.
Mit der Erstarkung rechtspopulistischer Kräfte in Deutschland geht die Zunahme von Hass und Hetze in verschiedenen Internetforen einher. Homo- und Transsexualität ist nach wie vor ein wichtiger Fluchtgrund angesichts von Gewalt und Verfolgung in vielen Ländern. Daher ist Zinn entschieden zu widersprechen, wenn er die Aufgabe, auf eine bessere Gesellschaft hinzuwirken, nur bei der Gedenkarbeit und nicht auch bei der historischen Forschung sieht. Das von van Dijk vertretene Anliegen eines angemessenen Erinnerns an das Leid sexueller und geschlechtlicher Minderheiten während der NS-Diktatur im Deutschen Bundestag am Auschwitzgedenktag ist wichtiger denn je.

24. Januar 2021: Online-Veranstaltung „Erinnern in Auschwitz – auch an sexuelle Minderheiten“
„Jeder Mensch zählt!“ – entsprechend diesem Leitgedanken werden am 24. Januar 2021 um 16 Uhr, die Autorin Dr. Anna Hájková und der Herausgeber Dr. Lutz van Dijk das Buch „Erinnern in Auschwitz – auch an sexuelle Minderheiten“ bei einer Online-Veranstaltung vorstellen.
Bis heute gehören ausgrenzende Sexual- und Geschlechterrollen neben Antisemitismus und Rassismus zum Kern des faschistischen Weltbilds. Sie sind wesentlicher Bestandteil demokratiefeindlicher Aktivitäten und Propaganda rechtspopulistischer Kräfte, die uns nicht nur am Auschwitz-Gedenktag zum aktiven Entgegentreten herausfordern.
(Eine interessante Buchrezension kann hier im Gedenkstättenforum – Rundbrief gelesen werden: https://www.gedenkstaettenforum.de/…/news/buchrezension-1/
Die ebenso interessante Geschichte einer heute 92-Jährigen lesbischen Überlebenden des KZ Auschwitz, Margot Heumann, von Dr. Anna Hájková kann hier gelesen werden: https://www.tagesspiegel.de/…/eine…/26751656.html)

12.7.2020: Virtuelle Führung durch das Hotel Silber

12. Juli 2020, 16 h: Virtuelle Führung „Vielfalt braucht Erinnerung“
Zum CSD 2020 in Stuttgart bieten die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V. und das Haus der Geschichte Baden-Württemberg eine ca. 30-minütige digitale Live-Stream-Führung durch die Duerausstellung im „Hotel Silber“ an.
Viele Jahrzehnte fehlte es in Baden-Württemberg an einer „Vielfalt in der Erinnerung“, bei der auch das begangene Unrecht an sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten dargestellt wird. Entsprechend dem diesjährigen CSD-Motto „Vielfalt braucht Verstärkung“ gehen Kurator Friedemann Rincke vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg und Ralf Bogen, Mitarbeiter der AG Dauerausstellung für die Initiative. Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V., auf die verschiedenen Verfolgungsbereiche der Polizei ein und zeigen schwerpunktmäßig die „Bekämpfung der Homosexualität“ auf.

2020 Verschiedenes

2. Oktober 2020: Neuer Vorstoß zum Erinnern an lesbische NS-Opfer
Es ist eine Leerstelle der Erinnerungskultur in Deutschland: Noch wird nirgends ausdrücklich und allein der lesbischen Verfolgten des NS-Regimes gedacht. Nun gibt es einen neuen Anlauf, an sie im ehemaligen Frauen-KZ Ravensbrück zu erinnern. Ein breites Bündnis von queeren Gruppen und Initiativen hat einen weiteren Antrag auf eine Gedenkkugel für die dort inhaftierten lesbischen Frauen eingereicht und sich auf eine Inschrift dafür geeinigt. „Wir erwarten nun, dass es jetzt – nach mehr als fünf Jahren – keine weiteren Verzögerungen mehr gibt“, erklärt Wiebke Haß von der Initiative „Autonome feministische Frauen und Lesben aus Deutschland und Österreich“ gegenüber dem Tagesspiegel. Die Initiative hatte das Gedenken vor Jahren angestoßen und hat auch den neuen Antrag gestellt. Zu dem Bündnis, das diesen Antrag unterstützt, gehören unter anderem der Lesbenring, die lesbische Initiative „Rad und Tat“, die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, der Bundesverband des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) und der Fachverband Homosexualität und Geschichte. Von Anfang an unterstützten das Internationale Ravensbrück-Komitee und die deutsche und österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück die Initiative.

10. September 2020: Polen „LGBT-frei“?! Wie queere Menschen gegen den Hass kämpfen
Ein Drittel der polnischen Regionen bezeichnet sich als „LGBT-freie Zone“. Homosexualität gilt dort als feindliche „Ideologie“, die man nicht haben will. Heißt: Queere Menschen sind dort offiziell und ausdrücklich nicht erwünscht. Vor allem im katholischen geprägten Südosten des Landes verabschieden immer mehr Städte und Gemeinden solche Resolutionen. Für queere Menschen ist das Leben in diesen Gebieten zunehmend geprägt von Homophobie, Gewalt und Ausgrenzung.
(Quelle youtube-Beitrag von reporter)

8. September 2020: Ukrainischer Bischof macht Homo-Ehe für Corona verantwortlich und infiziert sich selbst
Filaret Denyssenko, Bischof und Ehrenpatriarch der Orthodoxen Kirche der Ukraine, ist an Covid-19 erkrankt. Noch im März hatte der 91-Jährige die Homo-Ehe für das Coronavirus verantwortlich gemacht. In einem TV-Interview mit dem Sender “4. Kanal“ sagte der Bischof: “Die Ursache des Coronavirus ist die Sündhaftigkeit der Menschheit. Die Menschen verteidigen nicht das Gute, sondern das Böse. Das Böse breitet sich aus. Ich meine vor allem die Homo-Ehe. Sie ist die Ursache des Coronavirus und nicht nur sie. Den Kindern wird nahegelegt, ihr Geschlecht auszusuchen. Ist das das Gute? Das ist das Böse.” (Quelle: Beitrag auf rnd)

5. September 2020 Wien: Regenbogenflagge bei „Quer-Denken“-Protest zerissen
Auf offener Bühne wird eine Regenbogenfahne zerrissen und Personen der LGBTIQ-Community werden als Kinderschänder bezeichnet (siehe Video von Presse Service Wien und Beitrag hierzu auf queer.de).

5. September 2020: „Jedes Geschlecht verdient Respekt“ – 2. Trans* Pride Day (TPD) in Stuttgart
Mit einer großen Transflagge, bestehend aus rund 800 farbigen Luftballons mitten auf dem Stuttgarter Schlossplatz machten mehrere Aktivist*innen in sympathischer Art und Weise die menschliche Vielfalt in puncto Geschlecht und Anliegen geschlechtlicher Minderheiten sichtbar. Zur Situation und zu den Anliegen geschlechtlicher Minderheiten siehe https://www.der-liebe-wegen.org/wer_definiert_geschlecht/; https://transpride.de/ und http://mission-trans.de/.

27. Juli  2020: CSD-Online-Pride – Vielfalt verstärken in der Erinnerungskultur
Letzten Sonntag ging die CSD-Kulturwoche zu Ende. Es war ein komischer, virtueller CSD, dem verfluchten Coronavirus geschuldet. Die IG CSD hat hier Großartiges geleistet und dem Virus Einiges abgerungen. Auch an dieser Stelle nochmals vielen Dank an die vielen Aktivist:innen. Um Vielfaltverstärkung in der Erinnerungskultur und angesichts von Verfolgung heute wegen Liebe, Sexualität und Geschlecht in Ländern wie z. B. dem Iran geht es im Video ab 2:56.

14. Juli 2020: Neonazi-Opfer Noel Martin gestorben
Mit 60 Jahren ist Martin, der seit dem Attentat 1996 im Rollstuhl saß, gestorben. Nachdem Neonazis ihn angriffen, war er querschnittsgelähmt. In einem Interview des Tagesspiegels sprach er 2017 über sein Leben danach und Versöhnungsarbeit.

29. Juni 2020: Artikel „Verbotene Liebe – Verfolgte Homosexuelle in der NS-Zeit“
in der Stuttgarter Zeitung

13. Juni 2020: Zu Ehren der ägyptischen LGBT-Aktivistin Sarah Hegazi
Die ägyptischen LGBT-Aktivistin Sarah Hegazi wurde 2017 für das Hochhalten einer Regenbogenfahne bei einem Konzert in Ägypten verhaftet und in der dreimonatigen Haft gefoltert. Sie flüchtete nach Toronto. Im Exil wurde sie mit den schrecklichen Erfahrungen nicht fertig, die sie in der Haft hatte machen müssen. Am 13. Juni in diesem Jahr nahm sie sich das Leben. Sie hat einen sehr berührenden Abschiedsbrief hinterlassen. Die letzten Zeilen lauten darin: „An meine Brüder und Schwestern: Ich habe versucht, Erlösung zu finden und bin gescheitert. Vergebt mir. An meine Freunde: Die Reise war grausam und ich bin zu schwach, um zu widerstehen. Vergebt mir. An die Welt: Du warst grausam, aber ich vergebe dir.“ (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Sarah_Hegazi und das Video über sie.
Ihr Schicksal hat weltweit Tausende berührt, das Internet ist voll von Youtube-Filmen, Internetbeiträgen, Artikel und Fotos von Gedenkveranstaltungen rund um die Erdkugel, z. B. in Toronto, Beirut, New York, London, Wien, Berlin, Leipzig….
Sorgen wir gemeinsam dafür, dass Sarah Hegazi nicht umsonst gestorben ist, dass noch viel mehr Menschen von Ihrem Leben erfahren und Verständnis entwickeln für traumatisierte LSBTTIQ-Geflüchtete und für die Situation von LSBTTIQ in Ländern wie Ägypten.
Weitere Links zu Sarah Hegazi – Lesenswerte Beiträge:
https://www.l-mag.de/news-1010/sie-wollte-sich-nicht-verstecken-trauer-um-die-aegyptische-lgbt-aktivistin-sarah-hegazi.html
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/trauer-um-die-aegyptische-lgbt-aktivistin-sarah-hegazi-wurde-verhaftet-und-gefoltert-weil-sie-eine-regenbogenfahne-schwenkte/25920494.html
https://taz.de/Zum-Tod-von-Sarah-Hegazi/!5689789/
https://queerswhocantgriefinpublic.wordpress.com/
Videos:
https://www.youtube.com/watch?v=tWZot1smSrY
https://www.youtube.com/watch?v=wQ46P4h4fwo
https://www.youtube.com/watch?v=ZGmgvEbEtyk
https://www.youtube.com/watch?v=3z-o8Ii-cVg

2. Juni 2020: Wir werden nicht aufgeben!
Betr.: Ihre Absage an ein eigenes Gedenken für homosexuelle Opfer im Bundestag am 27. Januar 202
Wie mutig wäre ein Zeichen von Ihnen hier gewesen!
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident Dr. Schäuble,
sehr geehrte Bundestags-Vizepräsidentinnen und -Vizepräsidenten Frau Pau, Frau Roth, Herr Dr. Friedrich, Herr Kubicki und Herr Oppermann!
Sie haben uns durch den Protokollchef des Bundestags, Herrn Dr. Brissa, heute in drei Zeilen mitteilen lassen, dass es bei der seit 1996 bestehenden Gedenkstunde im Bundestag an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2021 auch weiterhin kein eigenes Gedenken an die homosexuellen Opfer geben wird, sondern Sie sich für das Thema „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ entschieden haben.
Sie wissen aus unserer ausführlichen Korrespondenz seit Januar 2018, wie viele Vertreter*innen des jüdischen Lebens in Deutschland heute auch unsere Petition unterschrieben haben und wie sehr auch alle 170 prominenten Erstunterzeichner*innen gegen jede Form des Antisemitismus sind (siehe Anlage 1). Es gibt daher von uns keine „Konkurrenz der Erinnerung“.
Gleichwohl bedauern wir sehr, dass Sie sich (wie Herr Dr. Brissa formuliert) als „Präsidium des Deutschen Bundestages nach reiflicher Abwägung“ dafür entschieden haben „ein Jubiläumsjahr… ins Licht zu stellen“, das das ganze Jahr Aufmerksamkeit erhalten sollte – und damit gegen die anerkennende Wahrnehmung einer Verfolgtengruppe, die immer wieder Diskrimierungen auch bei uns in Europa ausgesetzt ist und in den meisten Teilen der Welt selbst Folter, Haft und Todesstrafe erleiden müssen.
Wie mutig wäre ein Zeichen von Ihnen hier gewesen!
Wir werden nicht aufgeben, so u.a. auch gemeinsam mit unseren polnischen Nachbarn, wo erst vor kurzem ein Drittel des Landes zu LGBT-freien Zonen erklärt wurde, so selbst auch im Staatlichen Museum Auschwitz, unser Bemühen um aufrichtige Erinnerung fortzusetzen.
Mit freundlichem Gruß, Lutz van Dijk und Friedhelm Krey

31. Mai 2020 Antifaschismus, nicht gemeinnützig?
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat kritisiert, dass das Berliner Finanzamt für Körperschaften der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten, kurz: VVN-BdA) die Gemeinnützigkeit aberkannt hat.“ – siehe Tagesspiegel vom 20.5.2020.
Esther Bejarano, KZ-Überlebende, schreibt in einem offenen Brief an den Bundesminister der Finanzen, Herrn Olaf Scholz: „Für uns Überlebende ist es unerträglich, wenn heute wieder Naziparolen gebrüllt, wenn jüdische Menschen und Synagogen angegriffen werden, wenn Menschen durch die Straßen gejagt und bedroht werden, wenn Todeslisten kursieren (…) Nie habe ich mir vorstellen können, dass die Gemeinnützigkeit unserer Arbeit angezweifelt oder uns abgesprochen werden könnte! (…) Haben diejenigen schon gewonnen, die die Geschichte unseres Landes verfälschen wollen, die sie umschreiben und überschreiben wollen? Die von Gedenkstätten ‚als Denkmal der Schande‘ sprechen und den NS-Staat und seine Mordmaschine als ‚Vogelschiss in deutscher Geschichte‘ bezeichnen?“ Quelle: https://vvn-bda.de/offener-brief-von-esther-bejarano-an…/. Weitere Infos hierzu siehe auch:

8. Mai 2020: Bündnis Vielfalt für Alle beteiligt sich an Gedenkaktion zum 8. Mai 2020,
dem 75. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg
– siehe Video hierzu:
Das Bündnis Vielfalt für Alle unterstützt die Aktivitäten zur Erinnerung an die Befreiung Deutschlands und Europas von Faschismus und Krieg am 8. Mai 1945. In 2020 jährt sich dieser Tag zum 75. Mal. Für diesen Tag haben Millionen alliierte Soldat*innen, Menschen aus dem Widerstand, Partisan*innen und Kriegsdienstverweiger*innen ihr Leben riskiert und geopfert. Ihrer sowie aller Opfer der NS-Diktatur werden am 8. Mai 2020 verschiedene Organisationen sowie Einzelpersonen mit Blumen am antifaschistischen Mahnmal in Stuttgart (Karlsplatz) zwischen 17 und 19 Uhr unter Einhaltung der Coronavirus-Schutzregeln (Abstand/erwünschter Mundschutz)gedenken. Dabei wird das Bündnis Vielfalt für Alle auch auf jene Schicksale von Menschen hinweisen, die aufgrund Ihrer Sexualität und ihres Geschlechts im Nationalsozialismus ausgegrenzt, entwürdigt und verfolgt wurden – siehe Flyer.
Weitere Informationen: www.vielfaltfueralle.info, https://www.facebook.com/buendnis.vielfalt.fuer.alle/

5.10.2019: „Zukunft braucht Erinnerung“ – Öffentliche Fachtagung zur vielfältigen LSBTTIQ-Geschichte – ein Rückblick

Mehr als 50 Interessierte an der vielfältigen Geschichte sexueller und geschlechtlicher Minderheiten kamen am 5. Oktober 2019 in das Gebäude der ehemaligen Gestapozentrale von Württemberg und Hohenzollern „Hotel Silber“, um die Ergebnisse aktueller Arbeiten kennenzulernen, zu diskutieren und um sich über zukünftige Richtungen von historischer Forschung und Vermittlung auszutauschen. Eingeladen hatten der Fachverband Homosexualität und Geschichte sowie die Initiative Lern– und Gedenkort Hotel Silber und ihre AG Vielfalt. Der Fachverband war mit mehreren Historiker*innen sowie Geschichtsaktivist*innen aus verschiedenen Städten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz vertreten. Unterstützt wurde die Tagung durch die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, das Haus der Geschichte Baden-Württemberg und nicht zuletzt durch das Netzwerk LSBTTIQ[1] Baden-Württemberg.

Prof. Dr. Paula Lutum-Lenger, Direktorin des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg und Ralf Bogen, Mitarbeiter der AG Dauerausstellung für die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber, führten Tagungsteilnehmende am Vortag durch die Dauerausstellung des neuen Lern- und Erinnerungsortes zum Thema „Die Polizei im Hotel Silber und die Bekämpfung von Homosexualität“.[2]

In der Begrüßung von Ralf Bogen (Stuttgart, Vorstand der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber) und Karl-Heinz Steinle (Berlin, Vorstand des Fachverbands Homosexualität und Geschichte) im Namen der Veranstaltenden wurde an die Geschichte des Hauses Hotel Silber erinnert, in der die ehemalige Gestapozentrale von Württemberg und Hohenzollern und nach 1945 die städtische Kriminalpolizei ihren Sitz hatte. Es sei kein Zufall gewesen, dass sich vier LSBTTIQ-Vereine (IG CSD Stuttgart, KC Stuttgart, LSVD Baden-Württemberg und Weissenburg) als Mitglied in der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber erfolgreich am Kampf um den Erhalt des Gebäudes als Lern- und Erinnerungsort beteiligt hätten.[3] Bis dahin habe es in Baden-Württemberg keinen Ort gegeben, an dem angemessen über das NS- und Nachkriegs-Unrecht an LSBTTIQ-Menschen erinnert werde. Die Tagung passe gut zum Ziel des neuen Lern- und Erinnerungsortes, „diesen Ort des Terrors in einen Ort des Bekenntnisses zu demokratischen Grundrechten und zu gelebter Akzeptanz menschlicher Vielfalt zu wandeln“ (aus der Präambel zu den Hotel Silber Verträgen). Im Anschluss wurde der Fachverband Homosexualität und Geschichte vorgestellt. Seit 1992 fördere dieser u. a. durch jährlich stattfindende Fachtagungen wie diese den Erfahrungsaustausch seiner Mitglieder und aller an LSBTTIQ-Geschichte Interessierten.[4] Nach einer Danksagung an einer Reihe von Organisationen und Menschen, die die Tagung möglich gemacht haben[5], moderierte Steinle vormittags die Vorstellung der ersten drei Vortragenden inklusiv der jeweils anschließenden Diskussionen.

Dr. des. Sabrina Mittermeier (Augsburg) erklärte in ihrem Vortrag „LSBTTIQ Public History in der Bundesrepublik Deutschland und den USA, 1969-2016“ zunächst den von ihr verwendeten Begriff „Public History“ mit einer Definition von Martin Lücke und Irmgard Zindorf (2018): „Public History wird sowohl als jede Form der öffentlichen Geschichtsdarstellung verstanden, die sich an eine breite, nicht geschichtswissenschaftliche Öffentlichkeit richtet, als auch als eine Teildisziplin der Geschichtswissenschaft, die sich der Erforschung von Geschichtspräsentationen widmet.“ Sie warf die brisante Frage auf, wer bestimme, an wen, was, wie erinnert werde. LSBTTIQ-Geschichte habe in Deutschland nach wie vor fast nirgendwo Einzug in Schul- und Universitätslehrpläne gehalten. Das außeruniversitäre und unbezahlte Archivieren und Sammeln durch Geschichtsaktivist*Innen sei daher auch heute noch eine wichtige Form des Aktivismus der LSBTTIQ-Emanzipationsbewegung. Ihr geplantes, jedoch noch nicht finanziertes Projekt solle Einrichtungen analysieren, die es sich zum Ziel gesetzt hätten, LSBTTIQ Geschichte in die Öffentlichkeit zu tragen. Für die USA gehörten hierzu die ONE National Gay and Lesbian Archives (Los Angeles), das Stonewall National Museum and Archives (Fort Lauderdale), das GLTB Museum and Historical Society (San Francisco), das Lesbian Herstory Archives (New York) und verschiedene AIDS-Memorial‘s (Key West, New Orleans und weitere). Für die BRD nannte sie u. a. das Schwule Museum* (Berlin), der Spinnboden – Lesbisches Archiv und Bibliothek e.V. (Berlin), das Forum Homosexualität e.V. (München), das Centrum Schwule Geschichte (Köln) oder das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen (Berlin).
In der Diskussion ging es um verschiedene Fragestellungen, z. B. wie das Projekt berücksichtigen wird, dass sich Dokumente zu lesbischen Frauen in Frauenarchiven wiederfinden und dass es große Unterschiede gibt zwischen der Forschung und Vermittlung der Geschichte von weißen schwulen CIS[6]-Männern im Verhältnis zu anderen Gruppen der LSBTTIQ-Community. Ebenso thematisierten Diskussionsbeiträge das Verhältnis von akademisch-institutionalisierten Forschungen und (Geschichts-)Projekten zu Forschungen und Erinnerungsprojekten der LSBTTIQ-Emanzipationsbewegung. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Situation in den USA und in Deutschland sollen im Projekt genauer untersucht werden. Eine wichtige Gemeinsamkeit sei laut Mittermeier heute, dass sich in beiden Ländern LSBTTIQ-Geschichtsaktivist*innen mit Rollback-Kräften konfrontiert sehen, in den USA mit Trump und in Deutschland mit der AfD.

Im zweiten Vortrag referierte Janka Kluge zur Geschichte der Emanzipationsbewegung transsexueller Menschen unter dem Titel „Von der Sichtbarkeit zur Unsichtbarkeit und wieder zurück“. Die Bewegung habe mit dem Inkrafttreten des Transsexuellengesetzes 1981 aus damaliger Sicht ein wichtiges Ziel erreicht. Nun seien für transsexuelle Menschen eine Namensänderung und eine geschlechtsanpassende Operation möglich gewesen. Dies habe „von der Sichtbarkeit zur Unsichtbarkeit“ geführt, da sich transsexuelle Menschen in den Folgejahren aus der politischen Öffentlichkeitsarbeit für transsexuelle Anliegen für mehrere Jahre weitgehend zurückgezogen hätten. Über drei Jahrzehnte später habe das Bundesverfassungsgericht auf Klagen von einzelnen Betroffenen das Transsexuellengesetz in mindestens 10 Punkten als rechtswidrig eingestuft. Insbesondere die nach wie vor erforderliche Zwangsbegutachtungen für Namensänderungen und geschlechtsanpassende Operationen hätten dazu geführt, dass in den letzten Jahren mehrere transsexuelle Menschen wieder „aus der Unsichtbarkeit zur Sichtbarkeit“ hervorgetreten seien und sich verstärkt für ihre Anliegen in der Öffentlichkeit engagieren würden. In Stuttgart sei es in diesem Jahr zum ersten Trans*Pride mit über 400 Teilnehmenden gekommen. Auf Bundesebene hätten sich 40 verschiedene Trans*Gruppen zum Bundesverband Trans* zusammengeschlossen, der die Kampagne gestartet habe „Sagt es laut! – Selbstbestimmung! TSG (Transsexuellengesetz) abschaffen!“ (www.bundesverband-trans.de/sagt-es-laut/). Ein wichtiges Thema der weltweiten Trans*Bewegung sei die Psychopathologisierung sowie Hass, Gewalt und Ermordung von Trans*Menschen. Die meisten Morde seien in den USA zu verzeichnen und zwar an schwarzen Frauen aus armen Verhältnissen, die um überleben zu können oftmals der Prostitution nachgingen.
In der Diskussion wurden die Fragen nach der Bedeutung der Begriffe von Transsexualität in Abgrenzung von Transgender für die Emanzipationsbewegung geschlechtlicher Minderheiten und nach dem Verhältnis lesbischer Einrichtungen zu transsexuellen Frauen gestellt. Radikalfeministinnen würden nach wie vor transsexuelle Frauen nicht als Frauen anerkennen. In vergangenen Jahren habe das Frauenkulturzentrum und Café Sarah in Stuttgart transsexuellen Frauen keinen Eintritt in ihre Räume gewährt. Zu den Morden an Trans*Menschen wurde angemerkt, dass es Morde an Transmänner durch CIS-Frauen so gut wie keine gäbe, dass bei diesen Geschlecht, Hautfarbe sowie prekäre ökonomische Verhältnisse eine zentrale Rolle spielten.

Ilona Scheidle (Mannheim) berichtete in ihrem Vortrag „Bekämpftes / umkämpftes Gedenken – eine Geschichte zur ‚Lesbengedenkkugel‘ in der Mahn- und Gedenkstätte Frauenkonzentrationslager Ravensbrück“ wie autonome Frauengruppen zum 70. Jahrestag der Befreiung in Ravensbrück in einer von der Gedenkstättenleitung nicht genehmigten Aktion eine Gedenkkugel mit folgender Inschrift niederlegten: “In Gedenken an die lesbischen Frauen und Mädchen im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück und Uckermark, die als Widerständige, Ver-rückte, „Asoziale“ und aus anderen Gründen verfolgt und ermordet wurden.“ Die Leitung der Gedenkstätte ließ die Gedenkkugel wieder entfernen. Seitdem gibt es eine Auseinandersetzung um das Gedenken an die lesbischen Frauen in der dortigen KZ-Gedenkstätte. Scheidle führte aus, dass sie bei den „W-Fragen: Wer, was, wann, wie, warum“ beim „warum“ „hängen geblieben“ sei mit der Konsequenz, dass sie nicht konkreter auf den Streit und auf neue Entwicklungen in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück eingegangen ist. Sie hält den Androzentrismus, welcher Männer als Zentrum, Maßstab und Norm in allen gesellschaftlichen Bereichen versteht, für den zentralen Grund, warum in der Gedenkstätte bislang an lesbische Frauen nicht als Opfer erinnert wird. Für die Marginalisierung von Lesbengeschichte führte sie weitere Beispiele an, u. a. die Förderung von „100 Jahre Homosexuellengeschichte“, ein Projekt, bei dem später „100 Jahre Schwulengeschichte“ herausgekommen sei. Gedenkpolitik und Geschichtswissenschaft seien von patriarchalischen Strukturen geprägt, so dass lesbische Frauen im Unterschied zu schwulen Männern einer doppelte Diskriminierung ausgesetzt seien: als Lesben und als Frauen. Als ein positives „Gegen“-Beispiel stellte sie den ersten Gedenkort für eine im Nationalsozialismus verfolgte lesbisch lebende Frau vor, den Hilde Radusch GEDENK-Ort in Berlin.
In der Diskussion wurde nach den konkreten Akteur*innen der Verhinderung der Gedenkkugel in Ravensbrück gefragt. Weitere Diskussionsbeiträge hoben hervor, dass die Unterschiede des Umgangs des NS-Staates zwischen homosexuellen Frauen und Männern nicht nivelliert werden und lesbische NS-Opfer durch biographische Forschung ein Gesicht und einen Namen erhalten sollten. Der Vorwurf des Lesbisch-Seins sollte für biographische Forschung ausreichen. Zwischen lesbischen und schwulen NS-Opfern solle keine Konkurrenz „aufgemacht“ werden. Schwule Männer sollten Verständnis haben für die Empörung lesbischer Frauen, wenn diese mit ihren Anliegen in der Erinnerungsarbeit und bei der Forschungsförderung übergangen würden. Bei verschiedenen Projekten und in manchen Regionen wie z. B. in Rheinland-Pfalz gelänge zunehmend ein solidarischer schwul-lesbischer Austausch und gegenseitige Unterstützung.

Nach der Mittagspause begrüßte Angela Jäger (Mannheim) für das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg die Gäste. Das Netzwerk unterstütze diese Fachtagung und möchte von der Geschichtsarbeit zugleich profitieren, indem – so Jäger – „Ihr uns unsere Geschichte gebt“. Das Netzwerk begrüße es, dass das Land Baden-Württemberg an der Universität Stuttgart die Erforschung der Verfolgungsgeschichte homosexueller Männer in den letzten Jahren fördere und es setze sich darüber hinaus für eine bessere Finanzierung der Forschung zu lesbischen und bisexuellen Frauen sowie transsexuellen Menschen ein. Jäger moderierte die weiteren Vorträge und Diskussionen.

Der Vortrag „Die Homophilenbewegung im deutschen Südwesten als Akteur der Anerkennung“ von Dr. Julia Noah Munier (München) bezog sich überwiegend auf die Adenauer-Ära (1949 bis 1963). Trotz und aufgrund der Verfolgung nach §175 StGB bildeten sich im Verborgenen homosexuelle Freundeskreise und eine international vernetzte homophile Bewegung, die erfolgreich zur Liberalisierung des §175 beigetragen hätten. Dabei hätten die beteiligten Männer auch herrschenden Vorstellungen wie die Ablehnung der Promiskuität und der Prostitution vertreten, wenn beispielsweise „MM aus Stuttgart“ in der Züricher Zeitschrift „Der Kreis“ 1952 geschrieben habe: „Es ist nicht wahr, daß der Homosexuelle notwendig das Opfer der Justiz werden müsste. Er wird es immer wieder, weil er eine inhumane Form der Beziehung pflegt. Weil er auf die Straße geht, sich mit Prostituierten abgibt, weil er überhaupt nicht nach den sittlichen Qualitäten eines Menschen fragt, sondern nur dessen Leib will.“ Munier arbeitete die Bedeutung der Gemeinschaft für die eigene Anerkennung als homophiler Mensch heraus. Sie hob Erinnerungen an Tanzveranstaltungen in Stuttgart und Freiburg sowie an die Feste des Züricher „Der Kreis“ mit zeitweise über 600 Personen als etwas „Ersehntes und Außergewöhnliches“ hervor. Sie erwähnte verschiedene Einzelpersonen und Gruppen in Baden-Württemberg, die sowohl gemeinsame Freizeitaktivitäten organisierten als auch vorsichtige politische Aktivitäten zur Entkriminalisierung der Homosexualität entwickelten. Beispielhaft seien hier genannt: Toni Simon, der/die ab 1950 eine Eingabe zur Abschaffung des § 175 StGB an Bundesjustizminister Dehler initiierte; der Autor Harry Wilde, der in seinem Buch „Das Schicksal der Verfemten“ 1969 an den Gesetzgeber appellierte, „jeder Diskriminierung von Minderheiten ein Ende zu setzen und damit einem neuen Verständnis des »homosexuellen« Nächsten den Weg zu ebnen.“ Die Finanzierung des Versands des Buches an alle Abgeordneten des Deutschen Bundestags wurde von der Reutlinger Kameradschaft „Die Runde“ unterstützt. Für das erhaltene Exemplar bedankte sich Bundesjustizminister Heinemann persönlich beim Tübinger Verleger.
In der Diskussion wurde hervorgehoben, dass wir auch im Südwesten stolz sein können auf mehrere Einzelpersonen und Gruppen, die sich erfolgreich am Kampf zur 1969 erzielten Reform des §175 StGB beteiligt hatten. Mit Bezugnahme auf Menschenrechte und Minderheitenrechte ist ihnen eine überzeugende und nachhaltige Argumentation für die Anerkennung homosexueller Menschen gelungen. Weitere Forschungen bei damals beteiligten Personen wären wünschenswert, wie z. B. zu Ernst-Walter Hanack (damals Heidelberg) und in den Nachlässen der Stuttgarter FDP-Rechtspolitikerin Emmy Diemer-Nicolaus oder des Tübinger Strafrechtsprofessors Jürgen Baumann.

Die Historikerin Cynthia Sadler (Mannheim) zeigte in ihrem Vortrag „Eine Annäherung an Formen weiblichen gleichgeschlechtlichen Begehrens: Paris – Wien im 18. Jahrhundert“ anhand von zwei Beispielen auf, dass einzelnen Frauen liebenden Frauen trotz Jahrtausend alter patriarchalischer Strukturen und Gewohnheiten schon damals eine eigene Sexualität möglich war. Zunächst befasste sich Sadler mit Briefen einer Hochadligen an ihre Schwägerin. Darin habe es sowohl die zeitüblich romantischen, als auch sexualisierte „Briefküsse“ gegeben wie z. B.: „Ich küsse dein ertzenglisches Arscherl“ „Ich küsse Ihren verehrungswürdigen Arsch in meinem Anbieten“. Als zweites Beispiel ging sie auf die in Paris offen homosexuell lebende Schauspielerin Françoise Marie Antoinette Saucerotte (1756-1815) ein. Die erstmals 1784 erschienene Schmähschrift „Apologie de la secte Anandryne habe vorgeblich den Abdruck einer von Saucerotte gehaltenen Rede über einen lesbisch-erotischen Geheimbund dargestellt. Ausgeführt werde darin, dass das wahre Glück die Liebe zwischen Frauen sei. Masturbation werde als etwas Gutes bezeichnet. Bemerkenswerterweise werde Frauen liebenden Frauen in dieser Schmähschrift bei den geschilderten Orgien eine eigene natürliche Lust und Sexualität zugeschrieben. Jedoch würden weibliche, gleichgeschlechtliche Vergnügungen letztlich dann doch nur als Vorgeschmack dargestellt, um Frauen auf das angeblich größere Vergnügen der heterosexuellen Penetration vorzubereiten. Es zeige sich hier der bis heute immer noch tradierte Diskurs, dass Sex zwischen Frauen kein „richtiger Sex“ sei. Lesbischer Sex werde als erotisches Moment für den Mann dargestellt, was auch in der heutigen Massenpornographie des Internets ein gängiges Schema sei.
In der Diskussion wurde auf die Problematik der Benennung von Frauenfreundschaften als lesbisch eingegangen. Zum einen habe es im 18. Jahrhundert den Begriff „lesbisch“ als Identität noch gar nicht gegeben. Zum anderen gebe es auch im 20. Jahrhundert noch viele Frauen, die sich selbst nicht als lesbisch bezeichneten, was ein Problem für die heutige Geschichtsschreibung darstelle. Es wurde auf die Besonderheit des österreichischen Strafrechts eingegangen, welches bis 1971 geschlechtsneutral gewesen sei. Trotzdem sei die Verfolgungsintensität bei gleichgeschlechtlichen Handlungen von Frauen in Österreich wesentlich geringer gewesen als die bei Männern.

Artur Reinhard (Tübingen) zeigte in seinem Vortrag „Der Fall eines Tübinger Studenten, der in den 1950er Jahren wegen zwei §175-StGB-Verstößen von der Universität verwiesen wurde“ an einem konkreten Beispiel der Nachkriegszeit die verhängnisvolle Rolle der Universität Tübingen auf. Unabhängig von der Justiz waren akademische Strafen bei Verstößen gegen die akademische Ordnung möglich, welche vom einfachen Verweis bis zur Wegweisung von der Universität reichten (zeitlich begrenzt oder für immer; ggf. mit Ausschluss vom Hochschulstudium in Deutschland generell bei nicht näher definierten „ehrlosen Handlungen“). Im Beispiel ging es um einen Mann, der nach mehrmaligen Versuchen, heterosexuell zu leben, körperliche Beschwerden entwickelt und sich nach Krankenhausaufenthalten in psychotherapeutische Behandlung in Tübingen begeben habe. Die homosexuelle Veranlagung treibe ihn unweigerlich dem Suizid zu, so ein ihn behandelnder Arzt. Trotzdem habe der Ende 20-Jährige das Studium der Volkswirtschaft beginnen können. Obwohl er den Eindruck gehabt habe, dass infolge der Psychotherapie seine homosexuellen Neigungen beseitigt seien, sei es erneut zu homosexuellen Handlungen gekommen. Diese hätten zu zwei Verurteilungen geführt, letztere zu einer zweimonatigen Gefängnisstrafe. Das Amtsgericht habe die Universität Tübingen informiert und der Universitätsrat habe die Strafakten mit einem 38-seitigen psychotherapeutischen Bericht erhalten. Ohne den Studenten anzuhören, werde in der Beschlussvorlage ausgeführt: die strafbaren Handlungen „sind zweifellos ein sehr schwerer Verstoß gegen die akademische Sitte. Eine disziplinarische Ahndung ist erforderlich. Die Strafmilderungsgründe sind gering, die Strafschärfungsgründe überwiegen.“ Es sei die Wegweisung von der Universität, ggf. beschränkt auf ein Jahr, empfohlen worden. Der Rektor habe den Studenten sofort einstweilig von der Universität ausgeschlossen.
In der Diskussion wurde betont, dass während der NS-Diktatur mehrere Universitäten die Aberkennung von Titeln als akademische Strafe bei homosexuellen Fällen angewandt hätten. Entsprechend den nach 1945 weitergeltenden NS-Verfahrensregeln seien Strafverfahrensinformationen von der Justiz direkt an den Arbeitgeber bzw. an die Universität weitergeleitet worden. Bis 1970 seien zur Universität Tübingen sieben §175-Fälle gegen Studierende bekannt, fünf Fälle hätten sich hier zwischen 1949 und 1962 ereignet.

Bei der Abschlussdiskussion „Erfolge – Defizite – Perspektiven in der Aufarbeitung und Darstellung der vielfältigen LSBTTIQ-Geschichte. Resümee und Erfahrungsaustausch aller Tagungsteilnehmenden“ ging es vorrangig um die Problematik eines angemessenen Umgangs mit den heutigen Begriffen LSBTTIQ bei der Geschichtsforschung und um das Verhältnis der Bewegungsforschung zur institutionalisierten Forschung sowie um ihre schulische sowie außerschulische Vermittlung. Die große heteronormative Erzählung mit Regenbogenfarben zu „bequeeren“ erfordere, dass die Wissensbestände sowie die Ergebnisse historischer Forschung von Bewegungsaktivist*innen ohne hierarchisches Gefälle in universitäre Forschung einflößen. Zu Anfang des Stuttgarter Universitätsprojektes zur LSBTTIQ-Geschichte[7] habe es eine besondere Situation gegeben. Es sei der Eindruck entstanden, dass die Universität durchaus Interesse an der bisher geleisteten historischen Forschung und an einer Zusammenarbeit habe. Die Kommunikation sei jedoch abgebrochen und es bestehe keine angemessene Transparenz über die weitere Entwicklung des Universitätsprojekts. Insbesondere sei unklar, wie die institutionalisierte Forschung den Anspruch realisieren möchte, neben schwuler auch die Geschichte lesbischer und bisexueller Frauen und geschlechtlicher Minderheiten aufzuarbeiten. Die Bekämpfung der Homosexualität und der Abtreibung sei aus Täterperspektive in der NS-Zeit ein Verfolgungsbereich gewesen, was eine gemeinsame Aufarbeitung nahelege. Die wegen Abtreibung ins KZ verbrachten Frauen seien bislang nicht rehabilitiert worden. Es wurde die Frage gestellt, ob und wo es eine gemeinsame Aufarbeitung gebe und falls dies noch nicht der Fall sei, wie diese gegebenenfalls entwickelt werden könne. Es wurde von verschiedenen außeruniversitären Projekten der Vermittlung von LSBTTIQ-Geschichte berichtet, wie z. B. das Internetprojekt „Der Liebe wegen“ (www.der-liebe-wegen.org), das aktuell ergänzt werde durch das Projekt „Der Liebe Wege“ (www.derliebewege.de); die Wanderausstellung „Sie machen Geschichte – lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, queere Menschen in Baden-Württemberg“; das Projekt des Stadtarchivs Tübingen „Queer durch Tübingen – LSBTTIQ in Tübingen und Region vom Mittelalter bis heute“, das 2021 in einer Ausstellung im Stadtmuseum mit großem Katalog münden werde. Es sollten weitere Möglichkeiten der Finanzierung im lokalen Bereich gefunden und realisiert werden. LSBTTIQ-Geschichte sei bislang eine wenig konkret-verbindliche Leitperspektive im Bildungsplan für Baden-Württemberg. In den Schulen gebe es neue Fragestellungen, beispielsweise nach dem Umgang mit Trans-Kindern. Die LSBTTIQ-Emanzipation erfordere weitere Aktivitäten bis die Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in den Schulen eine Selbstverständlichkeit sei, wobei die Geschichtsarbeit eine nach wie vor wichtige Rolle spiele.

Ralf Bogen (AG Vielfalt der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber) und Eckhard Prinz (lesbisch-schwule Geschichtswerkstatt Rhein-Neckar)
Die AG Vielfalt der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber sowie die lesbisch-schwule Geschichtswerkstatt Rhein-Neckar sind Mitglied im überparteilichen und weltanschaulich nicht gebundenen Zusammenschluss von lesbischen-schwulen-bisexuellen-transsexuellen-transgender-intersexuellen und queeren Gruppen, Vereinen und Initiativen, dem Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg (www.netzwerk-lsbttiq.net).

[1] LSBTTIQ steht für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle und queere Menschen.

[2] Alle hier verwendeten Fotos wurden uns von Dietmar Wagner zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt, wofür sich die Autoren herzlich bei ihm bedanken.

[3] Weitere Informationen zur Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber siehe www.hotel-silber.de, zum Erinnerungsort Hotel Silber siehe www.geschichtsort-hotel-silber.de sowie zur §175-Verfolgung ausgehend vom „Hotel Silber“ siehe www.der-liebe-wegen.org. Erstmals wird in Baden-Württemberg in einem Erinnerungsort in der Dauerausstellung im Hotel Silber das §175-Unrecht sowohl während der NS-Zeit als auch in der Nachkriegszeit angemessen dargestellt und – wenn auch nur kurz – das Leid lesbischer Frauen und geschlechtlicher Minderheiten thematisiert und damit sichtbar.

[4] Website des Fachverband Homosexualität und Geschichte siehe www.invertito.de.

[5] Hier sei insbesondere die Weissenburg, LSBTTIQ-Zentrum Stuttgart, erwähnt. Vereinsmitarbeitende halfen nicht nur beim Catering, sondern boten auch Abendessen für die Tagungsteilnehmenden an und richteten die Abendveranstaltung zum Thema „Neue Wege zur Sichtbarkeit der vielfältigen LSBTTIQ-Geschichte“ mit Philine Pastenaci, Sissy that Talk und Sven Tröndle in der Weissenburg aus.

[6] CIS-Männer sind Männer, deren augenscheinliches Geschlecht aufgrund ihrer äußeren Genitalien zum Zeitpunkt ihrer Geburt und eines entsprechenden Geschlechtseintrags im Geburtsregister mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmt.

[7] Informationen zum universitären Projekt siehe www.lsbttiq-bw.de.

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4./5. Oktober 2019: Programm der öffentliche Fachtagung zur vielfältigen LSBTTIQ-Geschichte im Hotel Silber in Stuttgart: „Zukunft braucht  Erinnerung“

Eine Veranstaltung  des Fachverbands Homosexualität und Geschichte und der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber unterstützt von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg durch Mittel des Landes Baden-Württemberg, vom Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg und vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg Eintritt frei. Anmeldung über: fhg@invertito.de Bei der Fachtagung sind Historiker*innen wie auch Nicht-Historiker*innen herzlich Willkommen :-).

Freitag, 4. Oktober 2019  – 16 Uhr und evtl. 17 Uhr Themenführung „Die Polizei im Hotel Silber  und die Bekämpfung von Homosexualität“
Prof. Dr. Paula Lutum-Lenger, Direktorin des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg, und Ralf Bogen, Mitarbeiter der AG Dauerausstellung für die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V., führen die Tagungsteilnehmende durch die Dauerausstellung. Treffpunkt: Besucherinformation im Hotel Silber,  Dorotheenstraße 10, Stuttgart. Begrenzung auf maximal 30 Tagungsteilnehmende je Führung. Zusatzanmeldung über fhg@invertito.de bis spätestens 27.09.2019 erforderlich.

Vorträge am Samstag, den 5. Oktober 2019
10.00 Uhr: Ankunft im Hotel Silber Dorotheenstraße 10, Stuttgart
10.15 Uhr:  Begrüßung und (Selbst-)Vorstellung  der Moderierenden Ralf Bogen, AG Vielfalt der Initiative  Lern- und Gedenkort Hotel Silber, Stuttgart Karl-Heinz Steinle, Vorstand des Fachverbands  Homosexualität und Geschichte, Berlin Angela Jäger, Sprechendenrat des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg, Mannheim An die jeweiligen 20 Min. Vorträge schließen sich Diskussionen an:
10.30 Uhr: Dr. des. Sabrina Mittermeier, Augsburg: LSBTTIQ Public History in der Bundesrepublik  Deutschland und in den USA 1969-2016
11.15 Uhr: Janka Kluge, Stuttgart: Von der Sichtbarkeit zur Unsichtbarkeit und wieder zurück – zur Geschichte der Emanzipationsbewegung transsexueller Menschen
12.00 Uhr: Ilona Scheidle, Mannheim: Bekämpftes / umkämpftes Gedenken – eine Geschichte zur „Lesbengedenkkugel“ in der Mahn- und Gedenkstätte Frauenkonzentrationslager Ravensbrück
12.45 Uhr Mittagspause

14.10 Uhr: Begrüßung nach der Mittagspause
14.15 Uhr: Dr. Julia Noah Munier, München: Die Homophilenbewegung im deutschen Südwesten  als Akteur der Anerkennung
15.00 Uhr: Cynthia Sadler, Mannheim: Eine Annäherung an Formen  weiblichen gleichgeschlechtlichen Begehrens:  Paris – Wien im 18. Jahrhundert
15.45 Uhr: Kurze Pause
16.00 Uhr: Artur Reinhard, Tübingen: Fall eines Tübinger Studenten, der in den  1950er Jahren wegen zwei §175-StGB-Verstößen  von der Universität verwiesen wurde
16.45 Uhr: Erfolge, Defizite und Perspektiven  in der Aufarbeitung und Darstellung  der vielfältigen LSBTTIQ-Geschichte Resümee  und Erfahrungsaustausch  aller Tagungsteilnehmenden
ca. 17.30 Uhr: ENDE im Hotel Silber

Abendveranstaltung in der Weissenburg  Weißenburgstraße 28a in Stuttgart Ab 18.00 Uhr geöffnet. Abendessen wird angeboten.
20 Uhr: Neue Wege zur Sichtbarkeit  der vielfältigen LSBTTIQ-Geschichte  Filmausschnitte und Gespräch mit Philine Pastenaci und Sissy that Talk.  Moderation: Sven Tröndle, Weissenburg/Schwulst

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Aufruf zur Einreichung von Beiträgen (Call for Papers) für die Öffentliche Fachtagung zur vielfältigen LSBTTIQ*-Geschichte im HOTEL SILBER in Stuttgart am 5. Oktober 2019 Deadline: 30. März 2019

Februar 2019: In Kooperation mit dem Fachverband Homosexualität und Geschichte (http://www.invertito.de/deu/d_start.html) veranstaltet die AG Vielfalt der Initiative Lern- und Gedenkort HOTEL SILBER (www.hotel-silber.de) am 5. Oktober 2019 eine öffentliche Fachtagung zur vielfältigen LSBTTIQ-Geschichte im Lern- und Gedenkort HOTEL SILBER in Stuttgart.
Referent_innen aller akademischen Qualifikationsstufen (BA, MA, Magister, Promovierende…) und auch nichtakademischer Initiativen, Geschichtswerkstätten, Vereine sowie unabhängige Forschende soll dabei Gelegenheit gegeben werden, ihre aktuellen (Abschluss)Arbeiten und Projekte zu präsentieren und zu diskutieren. Gesucht werden Referent_innen, die ihre historischen Forschungsergebnisse zu folgenden aktuellen Themenschwerpunkte bieten:

  • Erfolge, Defizite und Perspektiven der Aufarbeitung und Darstellung der LSBTTIQ-Geschichte Besonders willkommen sind hier Vorträge von Referent_innen, die dem Defizit in der Erforschung der Situation lesbischer Frauen und geschlechtlicher Minderheiten im NS-Staat zu mindestens ein Stück weit entgegenwirken können.
  • Geschlechtliche Minderheiten auf dem Weg ihrer Anerkennung Vorträge werden gesucht, die folgende Fragestellungen haben können: Wie haben sich Selbstorganisationen von geschlechtlichen Minderheiten seit Ihren Anfängen entwickelt? Welche Rolle spielen in der Geschichte ihrer Emanzipationsbewegung Erinnerungsarbeit und Selbstbezeichnungen? Welche Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Spannungen und Lösungsansätze gab es in der Zusammenarbeit für die Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt in der Weimarer Republik und in der Nachkriegszeit?
  • LSBTTIQ-Feindlichkeit als Fluchtursache und Demokratiegefahr Willkommen sind Vorträge beispielsweise zu folgenden Fragen: Wie gelang es demokratiefeindlichen Kräften, ausgrenzende und diskriminierende Geschlechter-, Sexualitäts- und Familienbilder für ihre demokratiefeindlichen Ziele zu nützen? Welche Rolle spielte LSBTTIQ*-Feindlichkeit bei Fluchtbewegungen aus Diktaturen?

Themenvorschläge (maximal 1 Seite DIN A 4; zusätzlich kurze biographische Angaben) können bis zum 30. März.2019 an folgende Mailadresse gerichtet werden: fhg@invertito.de Die Fachtagung wird vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg und der Landeszentrale für politischen Bildung Baden-Württemberg unterstützt. Für sechs Vortragende sind Honorarzahlungen (inklusiv Fahrt- und Unterkunftskosten) möglich. Kontakt: Für den Fachverband Homosexualität und Geschichte, Postfach 270308, 50509 Köln: Karl Heinz Steinle, Email: fhg@invertito.deFür die AG Vielfalt der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber, Else-Josenhans-Straße 3, 70173 Stuttgart: Ralf Bogen, Email: Ag-vielfalt@hotel-silber.de

2019 Verschiedenes

22. Oktober 2019: Im Gedenken an Manfred Bruns
Wir veröffentlichen an dieser Stelle zwei Nachrufe:
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/volker-beck-ueber-seinen-freund-manfred-bruns-sein-lebensweg-war-krumm-gradlinig-war-nur-er/25145650.html
https://www.sueddeutsche.de/panorama/manfred-bruns-tod-nachruf-1.4653155

22. September 2019: „Der Attentäter“   – die Geschichte  des Herschel Grynszpan
Lesung, Filmausschnitte und Diskussion mit dem Autor und Historiker Dr. Lutz van Dijk  zu den Hintergründen der Pogromnacht 1938

Eine Veranstaltung für die Akzeptanz menschlicher Vielfalt und gegen Antisemitismus, Homophobie sowie alle weiteren Formen von menschenverachtenden Haltungen
Herschel Grynszpan flüchtet vor den Nazis nach Paris, wo er sich wie viele jüdische Emigrant*innen in einer rechtlich ausweglosen Situation befindet. Im Alter von 17 Jahren erfährt er, dass seine Familie ohne Hab und Gut aus Hannover an die polnische Grenze abgeschoben wurde. In der deutschen Botschaft verletzt er den Beamten Ernst vom Rath so schwer, dass dieser seinen Verwundungen erliegt. Kannten sie sich aus der Schwulenszene? Hatte er gehofft, über den Beamten an Ausreisepapiere zu gelangen?
Hitler missbraucht diese Verzweiflungstat, um zur „Rache für die Mordtat von Paris“ aufzurufen. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 kommt es beinahe überall in Deutschland – auch in Stuttgart – zu einem Pogrom: jüdische Menschen werden geschlagen, verhaftet und auch ermordet, jüdische Geschäfte geplündert und Synagogen in Brand gesteckt.
Van Dijks Buch ist hochaktuell: Mangelnde Hilfe für Geflüchtete, Aufhetzung von Menschen zu „Vergeltungsaktionen“ und „Deutschland den Deutschen“-Sprüche werfen die Frage auf: Wie können wir rechter Propaganda und Demagogie am besten entgegentreten?
Moderation: Janka Kluge (VVN / BdA), Musik: Chor „Avanti Comuna Kanti“, Ort: Hotel Silber, Dorotheenstraße 10, Stuttgart, Veranstalterin: AG Vielfalt der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V., Eintritt frei, unterstützt von: Projekt 100% Mensch

Februar 2019: Aufruf zur Einreichung von Beiträgen (Call for Papers) für die Öffentliche Fachtagung zur vielfältigen LSBTTIQ*-Geschichte im HOTEL SILBER in Stuttgart am 5. Oktober 2019 – Deadline: 30. März 2019
In Kooperation mit dem Fachverband Homosexualität und Geschichte (http://www.invertito.de/deu/d_start.html) veranstaltet die AG Vielfalt der Initiative Lern- und Gedenkort HOTEL SILBER (www.hotel-silber.de) am 5. Oktober 2019 eine öffentliche Fachtagung zur vielfältigen LSBTTIQ-Geschichte im Lern- und Gedenkort HOTEL SILBER in Stuttgart.
Referent_innen aller akademischen Qualifikationsstufen (BA, MA, Magister, Promovierende…) und auch nichtakademischer Initiativen, Geschichtswerkstätten, Vereine sowie unabhängige Forschende soll dabei Gelegenheit gegeben werden, ihre aktuellen (Abschluss)Arbeiten und Projekte zu präsentieren und zu diskutieren. Gesucht werden Referent_innen, die ihre historischen Forschungsergebnisse zu folgenden aktuellen Themenschwerpunkte bieten:

  • Erfolge, Defizite und Perspektiven
    der Aufarbeitung und Darstellung der LSBTTIQ-Geschichte

    Besonders willkommen sind hier Vorträge von Referent_innen, die dem Defizit in der Erforschung der Situation lesbischer Frauen und geschlechtlicher Minderheiten im NS-Staat zu mindestens ein Stück weit entgegenwirken können.
  • Geschlechtliche Minderheiten auf dem Weg ihrer Anerkennung
    Vorträge werden gesucht, die folgende Fragestellungen haben können: Wie haben sich Selbstorganisationen von geschlechtlichen Minderheiten seit Ihren Anfängen entwickelt? Welche Rolle spielen in der Geschichte ihrer Emanzipationsbewegung Erinnerungsarbeit und Selbstbezeichnungen? Welche Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Spannungen und Lösungsansätze gab es in der Zusammenarbeit für die Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt in der Weimarer Republik und in der Nachkriegszeit?
  • LSBTTIQ-Feindlichkeit als Fluchtursache und Demokratiegefahr
    Willkommen sind Vorträge beispielsweise zu folgenden Fragen: Wie gelang es demokratiefeindlichen Kräften, ausgrenzende und diskriminierende Geschlechter-, Sexualitäts- und Familienbilder für ihre demokratiefeindlichen Ziele zu nützen? Welche Rolle spielte LSBTTIQ*-Feindlichkeit bei Fluchtbewegungen aus Diktaturen?

Themenvorschläge (maximal 1 Seite DIN A 4; zusätzlich kurze biographische Angaben) können bis zum 30. März.2019 an folgende Mailadresse gerichtet werden: fhg@invertito.de
Die Fachtagung wird vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg und der Landeszentrale für politischen Bildung Baden-Württemberg unterstützt. Für sechs Vortragende sind Honorarzahlungen (inklusiv Fahrt- und Unterkunftskosten) möglich.
Kontakt:
Für den Fachverband Homosexualität und Geschichte,
Postfach 270308, 50509 Köln: Karl Heinz Steinle, Email: fhg@invertito.deFür die AG Vielfalt der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber,
Else-Josenhans-Straße 3, 70173 Stuttgart: Ralf Bogen, Email: Ag-vielfalt@hotel-silber.de

27. Januar 2019: Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus:
Vorbildliche Gedenkstunde für sexuelle Minderheiten im Landtag Baden-Württembergs – wann auch in Berliner Bundestag ?
Aus dem Schreiben des deutsch-niederländischen Autors, Historikers und Pädagogen Dr. Lutz van Dijk an den Bundestagspräsidenten Dr. Schäuble und an die Bundestagsvize-präsidenten_innen Frau Roth, Frau Pau, Herr Dr. Friederich, Herr Kubicki und Herr Oppermann:
„Am vergangenen Freitag, dem 25. Januar, erinnerte der Landtag in Baden-Württemberg in einer offiziellen Gedenkstunde im Plenarsaal zum ersten Mal in der Geschichte Deutschlands seit 1945 als ein Landesparlament ausdrücklich an die sexuellen Opfer der NS-Zeit und danach. Eröffnet wurde die Feierstunde von Ihrer Kollegin, der Landtagspräsidentin von Baden Württemberg, Frau Muhterem Aras, durch eine gleichermaßen alle Parteigrenzen überschreitenden  als auch ausdrücklich alle sexuellen Minderheiten thematisierenden sowie keine andere Opfergruppe  ausschließende Rede. Diese Gedenkstunde hat national und international Vorbildcharakter. Bitte überzeugen Sie sich selbst von der ausgezeichneten Qualität dieser Gedenkstunde in dem Bundesland, das ihre Heimat ist, sehr geehrter Herr Bundestagspräsident. Hier der Link, um die Gedenkstunde anzuschauen: https://www.landtag-bw.de/home/mediathek/videos/2019/20190125gedenkstundeopferns1.html?t=0
Können Sie auch nur einen Grund benennen, sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, warum das, was in Stuttgart erfolgreich war, nicht auch in Berlin stattfinden sollte ?
Mit freundlichem Gruß, im Auftrag von inzwischen über 130 Unterzeichner*innen unserer Petition, Lutz van Dijk“ – Anschreiben zur aktualisierten Petition zum Erinnern an homosexuelle Opfer am 27. Januar 2021

27. Januar 2019: Tag des Gedenkens an die NS-Opfer
In 2019 ist der Gedenktag in Baden-Württemberg erstmals den Menschen gewidmet, die wegen ihrer gleichgeschlechtlichen Liebe und Sexualität ausgegrenzt und verfolgt wurden. Am 27.1. finden im Hotel Silber in der Dorotheenstraße 10 Aktionen in diesem Kontext statt:
Themenführungen zur Verfolgung Homosexueller
15:00 Uhr: Führung durch die Dauerausstellung mit Ausstellungskurator Friedemann Rincke, M.A, vom Haus der Geschichte und Ralf Bogen, Mitarbeiter der AG Dauerausstellung für die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V.
16:00 Uhr: Führung durch die Sonderausstellung „Und trotzdem… – Lesben im Nationalsozialismus“ durch Janka Kluge (VVN Ba-Wü). Treffpunkt: Besucherinformation. Kosten: 4 EUR
Performance „Wider das Vergessen“
17:30 Uhr: Wie kann es gelingen, Gedenken mit Leben zu füllen? Wie lässt sich vermeiden, dass Gedenken zu leeren Ritualen werden? Schülerinnen und Schüler der Altenburgschule haben gemeinsam mit einem Theaterpädagogen und einem Tanzpädagogen des Theaterhaus Stuttgart ein eigenes Stück entwickelt. Ein StolperKunst-Projekt
Foyer, Eintritt frei
Veranstalter: Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V. und Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Kooperation mit Abseitz – der Sportverein für Schwule, Lesben & Freund*innen, Buchladen Erlkönig, dgti AK Ba-Wü (Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität), Gay and Gray Stgt. (LSVD), IG CSD Stuttgart, Kings Club, Projekt 100% Mensch, Stadtjugendring Stuttgart, Stolperstein-Initiative Stuttgart, Theaterhaus Stuttgart, VelsPolBW (das Mitarbeiternetzwerk für LSBT in Polizei, Justiz und Zoll Ba-Wü), Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten Ba-Wü, Weissenburg (LSBTTIQ-Zentrum Stgt.).

23. Januar 2019: Eröffnung der Sonderausstellung „Und trotzdem – Lesben im Nationalsozialismus
23. Januar 2019, 18.30 Uhr: Vernissage im Hotel Silber in der Dorotheenstraße 10 in Stuttgart.
Janka Kluge (VVN-BdA Baden-Württemberg) wird in einem Impulsvortrag die Frage „Wie sah die Verfolgung lesbischer Frauen aus und warum blieb sie so lange unsichtbar?“ beleuchten. Bis 21 Uhr kann die Ausstellung an diesem Abend besichtigt werden. Der Eintritt ist frei.
Die Sonderausstellung über Lesben im Nationalsozialismus wurde 2005 vom Frauenarchiv ausZeiten e.V. und der Rosa Strippe e.VBochum konzipiert. Mehr Informationne über die Ausstellung finden Sie hier.
Artikel in der Südwestpresse dazu: https://www.swp.de/suedwesten/staedte/stuttgart/lesben-in-der-ns-zeit_-_wir-waren-der-feind_-29277401.html

2018 Erster Preis für Heimatforschung Baden-Württemberg

22. November 2018:  In diesem Jahr ging der vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für Heimatpflege verliehene erste Preis für Heimatforschung Baden-Württemberg an die Rechercheure des Projekts „Der Liebe wegen“: Werner Biggel, Ralf Bogen, Rainer Hoffschildt, William Schaefer und Claudia Weinschenk (Kurzfilm hierzu: bitte hier klicken).

Die Badische Zeitung schrieb hierzu: „Sie haben sich in einem mehrjährigen, ehrenamtlichen Forschungsprojekt mit den Biografien von Menschen im deutschen Südwesten beschäftigt, die wegen ihrer Liebe und Sexualität in der NS-Zeit ausgegrenzt und verfolgt wurden. Sie haben dazu Akten von Gerichten, Gefängnissen und KZ’ studiert und Zeitzeugeninterviews geführt. Die Biografien sind jetzt auf einer interaktiven Landkarte auf www.der-liebe-wegen.de nachzulesen.“
(Siehe Pressemitteilung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, Beiträge der Badischen Zeitung (1 und 2), der Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung, der Websites der Stadt Waldkirch„LSBTTIQ in Baden und Württemberg“ der Universität Stuttgart, HI, Abt. Neuere Geschichte, der Weissenburg e.V. und Pressemitteilung von MdL Brigitte Lösch, MdL Aras Muhtarem und MdL Franz Untersteller).

2018 Verschiedenes

Buchpräsentation und Gespräch:
Späte Aufarbeitung – LSBTTIQ-Lebenswelten im deutschen Südwesten
16. November 2018 um 19 Uhr im Hospitalhofs (Büchsenstrasse 33, Stuttgart) im Elisabeth-und-Albrecht-Goes-Saal: Das Buch präsentiert erste Ergebnisse wissenschaftlicher Projekte zu Lebenswelten von LSBTTIQ Menschen im Südwesten im 20. Jahrhundert. In der moderierten Gesprächsrunde aus Politik und Forschung soll es um die aufgeworfenen historischen Fragestellungen gehen aber auch um aktuelle Aspekte. Sicher bietet diese  Veranstaltung interessante Informationen und Gelegenheit zum Austausch aber auch zum Netzwerken wird diese Veranstaltung eine gute Plattform sein. Der Eintritt ist frei. Bei Interesse bittet die Landeszentrale um eine Anmeldung per Email an: reinhold.weber@lpb.bwl.de

„Verschwiegen und vergessen – Das Leid lesbischer Frauen im Nationalsozialismus“
18. Oktober 2018: Anlässlich erneuter Auseinandersetzungen um das Gedenken an das Leid lesbischer Frauen im KZ Ravensbrück hat https://krawalllesben.wordpress.com/ an drei Reden von Prof. Dr. Corinna Tomberger, Dr. Claudia Schoppmann und Sigrid Grajek (CS/SG) und von Dr. Günter Grau erinnert, die 2013 bei einer Gedenkveranstaltung in Berlin gehalten wurden. Sie sind hier veröffentlicht: http://www.spinnboden.de/onlinearchiv/lesbische-frauen-im-ns.html. Wir veröffentlichen Auszüge aus der Rede von Dr. Günter Grau „Wider das Verschweigen“:
„Der Ort, an dem wir uns versammelt haben, soll „die verfolgten und ermordeten Opfer ehren, die Erinnerung an das Unrecht wach halten und ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen“. So steht es im Beschluss des Deutschen Bundestages von 2003 und so steht es auch auf der Widmungstafel wenige Meter von hier entfernt.
Und seit der Einweihung des Denkmals im Jahr 2008 wird hier erinnert an Unrecht. Allerdings nur an all das Unrecht, das Männer erlitten haben, die unter dem Nazi-Regime wegen homosexueller Handlungen strafrechtlich verfolgt und verurteilt wurden bis hin zur Ermordung Tausender in den Konzentrationslagern. Nicht eine Veranstaltung hat es in den zurückliegenden sechs Jahren gegeben, die dem Gedenken an das Leid lesbischer Frauen gewidmet war – ihrer Ausgrenzung, ihrer Unterdrückung und ihrer Entwürdigung im so genannten Dritten Reich. Bei der Unterlassung handelt es sich nicht etwa um ein Versehen. Nein, es war Absicht. Diese ist durchaus belegbar, belegbar durch einen erbittert geführten Streit. Er dauert bis heute an und sein erklärtes Ziel ist, diesen Ort exklusiv zur Erinnerung an das Leid einschlägig verurteilter Männern zu reservieren. Die Rechtfertigung dafür wird gleich mitgeliefert. Sie lautet: Nur sie seien – im Unterschied zu lesbischen Frauen – strafrechtlich verfolgt worden, ihre Situation dadurch – und ebenfalls im Unterschied zu der der Lesben – zweifelsfrei zu dokumentieren.
Die Betonung der Unterschiede in der strafrechtlichen Situation ist richtig. Falsch jedoch ist die daraus gezogene Schlussfolgerung, lesbische Frauen hätten unter dem NS-System nicht gelitten. Oder anders ausgedrückt: Die Fixierung auf die strafrechtliche Verfolgung und auf das Dokumentierte greift zu kurz, weil sie dazu führt, andere Formen von Unrecht zu ignorieren. Corinna Tomberger hat die wichtigsten genannt, Claudia Schoppmann und Sigrid Grajek haben uns exemplarisch an Einzelschicksalen die Auswirkungen vor Augen geführt. Summarisch zusammen gefasst, lautet die Schlussfolgerung: Lesbische Frauen haben unter dem NS-Regime, unter seiner antihomosexuellen Propaganda und der Drohung mit dem KZ gelitten, nur – so hat es einmal Rüdiger Lautmann formuliert – „anders als die homosexuellen Männer und in weniger hervorstechender Weise“.
In der Erinnerungskultur sollten wir uns vor einer Hierarchisierung der Opfer, vor dem Gegeneinander-Aufrechnen von Leid hüten, um eine Instrumentalisierung von Erinnerungs- und Gedenkpolitik zu vermeiden. Mit dem Ausschluss von Opfergruppen aus der Gedenkarbeit an diesem Ort – und das betrifft nicht nur die Opfergruppe der lesbischen Frauen, sondern auch das Schicksal transsexueller und transidenter Menschen im Nationalsozialismus – würde dieses Mahnmal, das dem Gedenken an Unrecht dienen soll, zu einem Ort von Unrecht.“

Neu in der Buchreihe „Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württemberg“: Späte Aufarbeitung – LSBTTIQ-Lebenswelten im deutschen Südwesten
17. Juli 2018: Die Lebens- und Verfolgungsgeschichten von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender und intersexuellen sowie queeren Menschen (LSBTTIQ) nimmt ein neues Buch in den Blick (zum Inhaltsverzeichnis hier anklicken). Bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB) ist es jetzt erhältlich. Das von Martin Cüppers und Norman Domeier herausgegebene Buch erscheint in der LpB-Reihe „Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs“, die wissenschaftliche Erkenntnisse an ein breites Publikum vermitteln möchte.
Der Band geht auf eine Tagung am 27./28. Juni 2016 in Bad Urach zurück. Gemeinsame Veranstalter waren dabei die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, die Universität Stuttgart, das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg und die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg.
Bestellung ausschließlich im Webshop der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB) zum Preis von 6,50 EUR zzgl. 3,- EUR Versand (www.lpb-bw.de/shop).  (Quelle: Auszüge einer Pressemitteilung der Landeszentrale für politische Bildung)

Bürgermeister Dr. Mayer hat Gedenktafel für Karl Heinrich Ulrichs enthüllt
11. Juli 2018: Der Bürgermeister für Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht, Dr. Fabian Mayer, hat am Mittwoch, 11. Juli, auf dem Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz, Ecke Filder-/Lehenstraße, Stuttgart-Süd, die Gedenktafel für Karl Heinrich Ulrichs enthüllt. Das Grußwort sprach Christoph Michl, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Christopher Street Day (CSD).
Der Arbeitskreis Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle und Queer (LSBTTIQ) hatte den Wunsch, eine Gedenktafel in Form einer Stele für Karl Heinrich Ulrichs auf dem Platz zu errichten. Der Arbeitskreis will damit das besondere Wirken dieses Mannes hervorheben und die Menschen, die sich für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender, Intersexuellen und Queer einsetzen, öffentlich und sichtbar würdigen. Die Stadt Stuttgart ist eine Stadt der Vielfalt.
(Quelle: https://www.stuttgart.de/item/show/273273/1/9/655671?)

Erneut Polizeigewalt gegen Istanbul Pride
03.07.2018: Trotz erneutem Verbot des Istanbul Pride, Polizeigewalt und Verhaftungen, demonstrierten Hunderte eine Woche nach der Wiederwahl des türkischen Präsidenten Erdoğan in Seitenstraßen nahe des Taksim-Platzes. Die Pride-Bewegung lässt sich nicht kleinkriegen und verdient unsere Unterstützung – siehe die Stuttgarter Solidaritäs- und Spendenkampagne mit Istanbul Pride: https://www.betterplace.org/de/projects/62106.

Weltgesundheitsorganisation will Transsexualität aus dem Krankheitskatalog streichen
20.06.2018: Die Weltgesundheitsorganisation hat bekannt gegeben, dass sie Transsexualität nicht länger als psychische Krankheit einstufen will. Die entsprechende Überarbeitung des Krankheitenkatalogs ICD wird der Versammlung der Mitgliedsstaaten im Mai 2019 vorgelegt und soll ab dem 1. Januar 2022 gelten. Gabriela Lünsmann, Bundesvorständnis im Lesben und Schwulenverband (LSVD) erklärte dazu: „Das ist ein wichtiger Schritt hin zu Akzeptanz und Selbstverständlichkeit geschlechtlicher Vielfalt. Auch transgeschlechtliche Menschen müssen das Recht haben, über ihren Körper selbst zu bestimmen. Dabei muss die Leistungspflicht gesetzlicher Krankenkassen zu bedarfsgerechten geschlechtsangleichenden Maßnahmen gewährleistet bleiben. […] Ziel sollte eine bestmögliche Gesundheitsversorgung auch für transgeschlechtliche Menschen sein.

10 Jahre Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen: Bundespräsident Steinmeier bittet Homosexuelle um Vergebung
03.06.2018: „Der deutsche Staat hat all diesen Menschen schweres Leid zugefügt“: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Homosexuellen in Deutschland um Verzeihung für frühere Verfolgung und Diskriminierung gebeten. Beim Festakt zum zehnjährigen Jubiläum des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen in Berlin sagte er am Sonntag, er bitte um Vergebung „für all das geschehene Leid und Unrecht und für das lange Schweigen, das darauf folgte“.
In der Zeit des Nationalsozialismus seien Privatheit, Leben, Liebe und Würde Zehntausender Homosexueller „auf niederträchtigste Weise angetastet, geleugnet und verletzt“ worden, sagte Steinmeier. Über 50.000 Männer seien nach dem durch die Nationalsozialisten verschärften Paragrafen 175 des Strafgesetzbuches verfolgt worden. „Sie wurden eingesperrt. Sie wurden vorgeführt. Ihre Existenzen wurden vernichtet. Man hat sie gefoltert, in Zuchthäuser und in Konzentrationslager geschickt.“
Aber auch nach dem Ende des Nationalsozialismus sei Homosexuellen in Deutschland Unrecht zugefügt worden, sagte Steinmeier – in der DDR und in der BRD. In der Bundesrepublik seien mehr als 20 Jahre lang Zehntausende Männer auf Grundlage des Paragraphen 175, der homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte, „verhaftet, verurteilt und eingesperrt“ worden. „Sie mussten sich weiter verstecken, wurden weiterhin bloßgestellt, haben weiterhin ihre wirtschaftliche Existenz riskiert.“ (Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-06/festakt-berlin-verfolgung-homosexuelle-nationalsozialismus-frank-walter-steinmeier)

Diskussionsveranstaltung: „Vergessene Opfer“ – Was kann historisch-politische Bildung „wiedergutmachen“?
06.06.2018, 19:00 Uhr, Volkshochschule Tübingen, Katharinenstraße 18: Als Marginalisierte werden Menschen oder Gruppen bezeichnet, die ausgegrenzt wurden. Es soll konkreter um die Ausgrenzung von Minderheiten durch die Nationalsozialisten gehen – und v.a. darum, wie sich diese Ausgrenzung auch nach 1945 in der so häufig gelobten Erinnerungskultur der BRD fortsetzte. Beispielsweise Sinti und Roma, Homosexuellen oder als „asozial“ oder „kriminell“ stigmatisierte Menschen mussten lange um Anerkennung als Opfer des NS kämpfen bzw. tun dies noch heute.
Wie sieht der heutige Umgang mit diesen „Vergessenen“ aus? Wie ist der Stand der Forschung und welche Schwierigkeiten gibt es? Diese Fragen und weitere sollen im Podiumsgespräch mit Vertreter_innen der historisch-politischen Bildungsarbeit gestellt werden.
Gäste:

  • Ilona Lagrene, ehemalige Vorsitzende des Landesverbandes der Sinti und Roma Baden-Württemberg und Aktivistin, Heidelberg
  • Katharina Ruhland, Max Mannheimer Studienzentrum Dachau
  • Ralf Bogen, Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber, Stuttgart
  • Jens Kolata, Geschichtswerkstatt Tübingen
    Moderation: Jugendguides der Geschichtswerkstatt Tübingen

Eine Veranstaltung der Jugendguides der Geschichtswerkstatt Tübingen e.V.; In Kooperation mit dem Max Mannheimer Studienzentrum Dachau und der Volkshochschule Tübingen. Eintritt: frei.

Spenden- und Solidaritätskampagne mit dem Pride Istanbul gestartet: www.betterplace.org/p62106
17.05.2018: Heute am internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie starteten die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber und ihre Mitgliedsorganisationen IG CSD Stuttgart e.V., LSBTTIQ-Zentrum Weissenburg e.V., LSVD Baden-Württemberg e.V., Kings Club sowie der Sportverein Abseitz e.V. eine Solidaritäts- und Spendenkampagne mit dem Istanbul Pride: www.betterplace.org/p62106.
Ausführliche Infos finden Sie dazu auf der Website der IG CSD Stuttgart:  http://www.csd-stuttgart.de/istanbul. Hier ist der Aufruf zur Kampagne auch auf türkisch übersetzt veröffentlicht.
Der erste „Pride March“ in der türkischen Stadt Istanbul fand 2003 statt. Unterstützt von den Gezi-Park-Demonstrant_innen und einer erstaunlich wohlwollenden Berichterstattung in den Medien, lockte er zehn Jahre später fast 100.000 Menschen auf die Straßen. Die Demonstration wurde zu einem wichtigen Symbol der Sichtbarkeit und Wertschätzung der LSBTTIQ-Community in der Türkei. Zugleich setzte der Istanbul Pride ein leuchtendes Zeichen der Vielfalt, das weit in den Nahen und Mittleren Osten wirkte.
Viele Jahre verlief der Marsch friedlich. Doch die politische und gesellschaftliche Situation in der Türkei ist im Umbruch. Das bekommen auch lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle und queere Menschen (LSBTTIQ) zu spüren. Seit 2015 wird der „Pride March“ immer wieder von der Polizei brutal mit Tränengas, Gummigeschossen und Verhaftungen zerschlagen.
Gleichwohl planen Aktivist_innen auch 2018 ihren Protest auf die Straßen Istanbuls zu bringen. Für die „Expedition WIR“ am Bosporus sollen finanzielle Mittel gesammelt werden, um die Öffentlichkeitsarbeit des Pride Istanbul Komitees und der Aktivist_innen von SPoD zu unterstützen. SPoD steht für Sosyal Politikalar, Cinsiyet Kimliği ve Cinsel Yönelim Çalışmaları Derneği“ (Sozialpolitik, Geschlechtsidentität & Vereinigung für sexuelle Orientierung). Als Teil der Pride-Bewegung setzt sich SPoD vor Ort für Gleichberechtigung sowie Menschenrechte ein und führt seit Dezember 2015 wöchentliche Treffen in Arabisch für syrische LSBTTIQ-Flüchtlinge in Istanbul durch: www.spod.org.tr. Spenden können online auf www.betterplace.org/p62106 oder mit dem Stichwort „Pride Istanbul“ auf das Konto des Weissenburg e.V. (IBAN: DE71 6005 0101 0002 4552 06) getätigt werden. Die Spendenaktion läuft bis 31.07.2018.

Hirschfeld & Heidelberg: Queere Geschichte in der öffentlichen Erinnerung
29.05.18: Veranstaltung im Kulturhaus Karlstorbahnhof, Am Karlstor 1 in Heidelberg. Mit seinem Studium der Medizin und Engagement in der jüdischen Studentenvereinigung Badenia, die mit dem Ziel gegründet wurde, dem zunehmenden Antisemitismus im Deutschen Reich zu begegnen, legte Magnus Hirschfeld während seiner Studienzeit in Heidelberg auf verschiedene Weise Grundlagen für sein späteres Schaffen im Wissenschaftlich-humanitären Komitee und dem Institut für Sexualwissenschaft. Anlässlich seines 150. Geburtstages möchte der Diskussionsabend Magnus Hirschfeld würdigen – als Sexualwissenschaftler, dessen Pionierforschung die Komplexität von Sexualität und Geschlecht in den Blick nahm, sowie als Sexualreformer, der Zeit seines Lebens für die Entkriminalisierung von Homosexualität stritt und sich für Trans*menschen einsetzte.
Bisher taucht queere Geschichte kaum in der historischen Erinnerung Heidelbergs auf. Ausgehend von der Person Magnus Hirschfelds beleuchtet die Veranstaltung die Rolle von LSBTTIQ-Geschichte, Körper- und Geschlechtergeschichte sowie jüdischer Geschichte für das historische Bewusstsein Heidelbergs – und ein lebendiges demokratisches Miteinander.
Prof. Dr. Karen Nolte (Medizinhistorikerin, Universität Heidelberg) diskutiert mit Patsy L’Amour LaLove (Geschlechterforscherin, u.a. Schwules Museum Berlin), Ralf Dose (Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V.), Dr. Christian Könne (Historiker) sowie Dr. Esther Graf und Manja Altenburg (Agentur für Jüdische Kultur).
Veranstaltung im Rahmen der Reihe 150 Jahre Magnus Hirschfeld in Kooperation mit dem Amt für Chancengleichheit der Stadt Heidelberg und der Bundesstiftung Magnus Hirschfel (siehe: http://www.karlstorbahnhof.de/content/gesamtprogramm/2018_05/hirschfeld__heidelberg_queere_geschichte_in_der_oeffentlichen_erinnerung_290518/?c=Literatur&l=Saal.).

Frühlingsparty „Vielfalt für Alle“ im Kings Club am 18. März 2018 von 18 bis 22.30 Uhr
18.03.2018: Am Sonntag, den 18. März 2018, findet die Frühlingsparty „Vielfalt für Alle“ im Stuttgarter Kings Club statt. Das Bündnis Vielfalt für Alle lädt tanz- und musikfreudige Menschen ein, gemeinsam mit der LSBTTIQA-Community Vielfalt zu feiern: Queers und Straights, Butches und Femmes, Elfen, Einhörner und Bären, Bauarbeiterinnen und Prinzen, Youngsters, Mid-Agers, Silverstars, Rockstars, Eingeborene, Reingeschmeckte und Geflüchtete sind herzlich willkommen! Auch bei der dritten Party „Vielfalt für Alle“ wird wieder für ein kulturelles Highlight und für Gute-Laune-Musik gesorgt. Die Party findet in Kooperation mit „Heimat – Internationale Wochen gegen Rassismus“ statt (www.heimat-wochen.de). Der Eintritt ist frei. Die Spenden an diesem Abend sollen LSBTTIQ-Geflüchteten zugutekommen. Kurzbeiträge informieren über ihre Situation und über die Flüchtlingsarbeit der Weissenburg e. V., dem Zentrum LSBTTIQ in Stuttgart. Ort und Veranstalter: KINGS CLUB | Calwer Str. 21 | 70173 Stuttgart. Weitere Informationen: www.vielfaltfueralle.infohttps://www.facebook.com/buendnis.vielfalt.fuer.alle/  Zum „Appetitmachen“ ein Video der vorletzten Party Vielfalt für Alle: https://www.facebook.com/buendnis.vielfalt.fuer.alle/videos/vb.1092209827476973/1665163900181560/?type=2&theater

Ali Erol wieder auf freiem Fuß
06.02.2018: Nach mehreren Tagen hinter Gittern hat die Türkei den LGBTI-Aktivisten unter Auflagen wieder freigelassen. Erols Vergehen war offenbar, dass er das Schreiben „Nein zum Krieg, Frieden jetzt“ des türkischen Ärzteverbandes auf Twitter erwähnt hatte. Kurz vor Erols Freilassung wurde bekannt, dass die Behörden auch elf Mitglieder des Ärzteverbandes nach sieben Tagen in Haft wieder freigelassen haben (siehe www.queer.dehttps://www.nzz.ch/international/die-tuerkische-polizei-nimmt-kritiker-der-offensive-in-afrin-fest-ld.1353833 und http://www.schwulissimo.de/politik/242087/AliErolwiederfrei.htm).

Offener Brief an die Botschaft der Republik Türkei: Sofortige Freilassung von Ali Erol
05.02.2018: Auszüge aus dem Offenen Brief: Am 2. Februar wurde Ali Erol in seiner Wohnung in Ankara wohl wegen Beiträgen in den Sozialen Medien festgenommen und befindet sich seitdem in Haft. Über die genauen Hintergründe seiner Verhaftung liegen seinen Anwält*innen noch immer keine Informationen vor. Ali Erol ist der Mitbegründer des ersten offiziellen LGBTI*-Vereins in der Türkei/Ankara, Kaos GL, der sich seit 1994 für die Rechte von u.a. LGBTI* einsetzt. (…) Die Festnahme von Ali Erol zeigt auf besorgniserregende Weise, wie sehr die Rechte der LGBTI* in der Türkei gerade beschnitten werden. Sie steht zweifellos in einem Zusammenhang mit dem kritikwürdigen Verbot sämtlicher LGBTI*-Aktivitäten, das seit November 2017 für Ankara gilt. Die Verhaftung Ali Erols ist ein weiterer massiver Angriff auf die Meinungsfreiheit sowie auf die gesamte Zivilgesellschaft in der Türkei. Wir fordern daher die sofortige Freilassung Ali Erols und aller anderen LGBTI*-Aktivist*innen und das Ende der Repression gegen Menschen, die sich für gleiche Rechte und Meinungsfreiheit engagieren.“ (siehe Offener Brief – Sofortige Freilassung von Ali Erol und http://www.queer.de/detail.php?article_id=30588)

2017 Verschiedenes

„Späte Aufarbeitung – LSBTTIQ-Lebenswelten im deutschen Südwesten
In der Landeskundlichen Reihe der Landeszentrale für politischen Bildung Baden-Württemberg Nr. 50 Späte Aufarbeitung – LSBTTIQ-Lebenswelten im deutschen Südwesten“ (Inhaltsverzeichnis siehe hier) erscheint u. a. der Beitrag „Der Liebe wegen ausgegrenzt und verfolgt: das Internetprojekt www.der-liebe-wegen.org“.

Queer Life in the City – Teil 1: §175, Coming-Out in den 70ern & Rosi
Dezember 2017: Wie sah queeres Leben in den deutschen Großstädten der 70er, 80er, 90er aus? Was war anders – und was ist gleich geblieben?  Die Doku-Reihe des queeren Social-Media-Kanals SISSY THAT TALK startet in Stuttgart: Laura Halding-Hoppenheit, Hannes Steinert und Ralf Bogen erzählen in emotionalen Interviews wie früher gefeiert und geliebt wurde, aber auch von Protest, AIDS-Krise und Ausgrenzung. Im Teil 1 geht es u. a. um die Folgen des §175, u. a. auch um das Internetprojekt „Der Liebe wegen“.

Wiedergutmachungsbemühungen von Transvestiten und Damenimitatoren nach 1945
Dezember 2017: Julia Noah Munier und Karl-Heinz Steinle berichten in einem Blog-Beitrag über Wiedergutmachungsbemühungen von Transvestiten und Damenimitatoren nach 1945 auf der Grundlage eines spannenden Quellenfund im Staatsarchiv Ludwigsburg. Es wird u. a. detailliert über Toni Simon berichtet, der nach 1945 „als Original der Stuttgarter Homosexuellenszene“ galt und bereits 1950 eine Eingabe an den FDP-Politiker und Bundesminister der Justiz Thomas Dehler zur „Liberalisierung der Paragraphen 175 und 175a“ iniierte: siehe Lambda- Nachrichten Nr. 1 / 2010, S. 36-39.

„TTIQ – wo bist du?“ und „Der Liebe wegen engagiert“
Dezember 2017: Das Vereinsblätte von Abseitz Stuttgart – der Sportverein für Schwule, Lesben & Freund*Innen Nr. 51 / 2017 mit dem Schwerpunktthema: „TTIQ – wo bist du?“. geht in einem Beitrag auf S. 38 bis 41 auch auf unser Internetprojekt „Der Liebe wegen“ ein: http://www.abseitz.de/files/abseitz/media/abseitz/vereinsblaettle/pdf/AVB51-2017-11.pdf

Grußwort zur Matinee anlässlich des 70. Geburtstags der VVN Württemberg
Dezember 2017: In der Dezember-Sonderausgabe der Antifa der VVN Baden-Württemberg sind auch Auszüge des Grußwortes von Ralf Bogen vom Internetprojekt „Der Liebe wegen“ anlässlich des 70. Geburtstags der VVN Württemberg veröffentlicht, welches wir hier ungekürzt dokumentieren: Grußwort 70 Jahre VVN-am-3-September-2017

Für einen Ort in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, an dem die Verfolgung und Ermordung von lesbischen Frauen und jenen, denen es nachgesagt wurde, sichtbar wird
22.11.2017: In einer Stellungsnahme des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg heißt es: „(…) wir fordern Sie als Beirat sowie als Vertretung der weiblichen und männlichen Homosexuellen sowie der bisexuellen Frauen und Männer auf, die Lebensrealitäten von lesbischen Frauen und Mädchen, patriarchale Machtverhältnisse und Verfolgungsstrukturen gegen lesbische Lebensweisen während des Nationalsozialismus bei Ihrer Entscheidung mit zu berücksichtigen. Es ist im Sinne einer wissenschaftlichen und politischen Auseinandersetzung notwendig, eine Definition von Verfolgung, die sich ausschließlich an den von den Nationalsozialisten geschaffenen Häftlingskategorien orientiert, zu hinterfragen und intersektional zu erweitern. Wir setzen uns dafür ein, dass mit der „Gedenkkugel“ endlich ein sichtbares Zeichen und ein Ort in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück geschaffen wird, an dem die Verfolgung und Ermordung von lesbischen Frauen und jenen, denen es nachgesagt wurde, sichtbar wird und ihnen gedacht werden kann. Deshalb unterstützen wir die Idee einer Gedenkkugel mit Nachdruck!“

Historischer Beschluss zur Anerkennung der Intersexualität
08.11.2017: In einer Pressemitteilung des Lesben- und Schwulenverband heißt es: „Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat heute bekanntgegeben, dass die Regelungen des Personenstandsrechts nicht mit den Anforderungen des Grundgesetzes vereinbar sind, soweit sie neben den Einträgen „männlich“ und „weiblich“ keine dritte positive Option zulassen. […] In Deutschland leben schätzungsweise 100.000 Intersexuelle, die mit unterschiedlichen Geschlechtermerkmalen ausgestattet sind und sich einer traditionellen Geschlechtszuordnung entziehen. Während sich viele von ihnen klar als Mann oder als Frau fühlen, lehnen andere eine solche Zuordnung ab oder empfinden sich als einem dritten Geschlecht zugehörig. […] Trotzdem keine medizinische Notwendigkeit besteht wurden und werden durch die medizinische Kategorisierung als Störung oder Krankheit Intersexuelle in Deutschland bis heute gravierenden und irreversiblen chirurgischen und verstümmelnden Eingriffen und hormonellen Behandlungen unterzogen – oftmals bereits im Säuglingsalter. Es handelt sich um schwere Menschenrechtsverstöße.“
(Quelle: https://www.lsvd.de/newsletters/newsletter-2017/intersexuelle-respektieren-biologistische-zweigeschlechtlichkeit-ueberwinden.html;
siehe hierzu auch:
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts,
http://video.tagesspiegel.de/drittes-geschlecht-eine-historische-entscheidung.html
http://www.spiegel.de/gesundheit/schwangerschaft/das-dritte-geschlecht-was-bedeutet-intersexualitaet-a-1177033.html;
https://www.tagesschau.de/inland/intersexuelle-geschlecht-105.html).

Festakt zum 150. Jahrestag der Rede Karl Heinrich Ulrichs
26.8.2017: Zum 150. Mal jährte sich der Auftritt von Karl Heinrich Ulrichs am 29. August 1867 vor mehr als 500 deutschen Rechtsgelehrten auf dem Münchner Juristentag, bei dem er sich mutig als Urning bekannte. Das Forum Homosexualität München organisierte hierfür einen beeindruckenden Festakt, zu der auch drei §175-Zeitzeugen eingeladen waren. Ulrichs (1825- 1895), Gerichtsassessor im Königreich Hannover, wurde mit Berufsverbot belegt, als seine Homosexualität bekannt wurde. Er gilt als der Urvater der Homosexuellenbewegung und war Vorbild für Magnus Hirschfeld, der mit der Gründung des Wissenschaftlich Humanitären Komitees eine verstetigte emanzipatorische Homosexuellenvertretung schuf. Vier Jahre nach Ulrichs Rede wurde 1871 der verhängnisvolle § 175 im Strafgesetzbuch verankert (siehe https://www.der-liebe-wegen.org/1400-1900_eine_kurze_chronologie/#kapitel3).

Das Webprojekt „Vom anderen Ufer?“ ist online – siehe http://www.vom-anderen-ufer.de/
August 2017:Das Stadtmuseum Ludwigshafen hatte eine Ausstellung zur schwul-lesbischen und queeren Vielfalt im Raum Ludwigshafen/Mannheim initiiert, entwickelt und von November 2015 bis Mai 2016 gezeigt. Daraus entstand die vorliegende Internetseite „Vom anderen Ufer?“, die seit August 2017 online ist (Quelle: http://www.vom-anderen-ufer.de/).

„Wo bist Du mein Schatz?“ – eine Solidaritätsaktion mit den mutigen LSBTTIQ-AktivistInnen der Türkei beim CSD in Stuttgart
29.7.2017: Mit einer „Wo bist Du, mein Schatz“-Solidaritätsaktion bei der CSD Parade in Stuttgart erklären sich die Türkische Gemeinde Baden-Württemberg e. V. und die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V. solidarisch mit den mutigen LSBTTIQ-AktivistInnen in der Türkei. Zwei Wochen nach der Räumung des Gezi-Parks erlebte Istanbul im Jahr 2014 eine der größten Trans und Gay Pride Paraden ihrer Geschichte. Ca. 80.000 bis 100.000 Menschen kamen und riefen Parolen wie: “Wo bist Du, mein Schatz?”,  wobei es zurückschallte: “Hier bin ich, mein Schatz”. Oder: “ich bin schwul, ich bin lesbisch. Ich bin hier. Wir sind hier”. Auch Hunderte von Heteros sollen dies aus Solidarität mitgerufen haben (siehe hierzu Deniz Yücel in seinem Buch “Taksim ist überall”, der ausführlich über den Gay Pride Istanbul berichtete, S. 47ff, Hamburg 2015). In den Jahren 2015, 2016 und 2017 wurden die Pride-Demos mit Polizeigewalt zerschlagen. Dennoch haben sich immer wieder mutige LSBTTIQ-AktivistInnen und ihre FreundInnen in Seitenstraßen neu formiert und ihre Verhaftung und Verletzungen riskiert (siehe http://hotel-silber.de/?p=1850).

Behörden verhindern Gay Pride Marsch in Istanbul 2017
25.6.2017 (EuroNews): „Die türkischen Behörden haben die 15. Schwulen- und Lesbenparade in der Metropole Istanbul mit einem hohen Polizeiaufgebot verhindert. Nach einem Verbot der Demonstration am Vortag hielten Sicherheitskräfte die Aktivisten am Sonntag davon ab, sich auf der zentralen Einkaufsstraße Istiklal zu versammeln. Istanbuler Gouverneur hatte die Demonstration für die Gleichberechtigung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen (LGBTI) am Vortag das dritte Jahr in Folge verboten. Die Behörden erklärten, die Maßnahme gefährde die Sicherheit von Bürgern und Touristen sowie die öffentliche Ordnung. Die Aktivisten hatten dennoch angekündigt, sich gegen Abend im Zentrum Istanbuls zu versammeln. Die Polizei sperrte die zentrale Einkaufsstraße Istiklal jedoch großräumig ab und blockierte auch die Seitenstraßen. (…) Die Verhinderung des Gay-Pride-Marsches stieß auf scharfe Kritik. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck erklärte, das Verbot sei ein klarer Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Er forderte die Bundesregierung zum Handeln auf. (…) Die mehrheitlich muslimischen Türkei gehört zu den wenigen Ländern in der Region, in denen Homosexualität nicht verboten ist. Allerdings kommt es immer wieder zu Übergriffen auf Schwule, Lesben, Bi- oder Transsexuelle.
(siehe http://de.euronews.com/2017/06/25/behorden-verhindern-gay-pride-marsch-in-istanbul
sowie: https://www.youtube.com/watch?v=_DbV2ipCN_Q
und https://www.youtube.com/watch?v=UOF78_T-7y4)

Historischer erster Schritt zur Rehabilitierung der Opfer von § 175
22.6.2017 – Auszüge einer Pressemitteilung des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) zur heute anstehenden Beschlussfassung des Bundestages zur Rehabilitierung und Entschädigung der nach § 175 StGB und weiterer Bestimmungen verurteilten Homosexuellen:
„Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) begrüßt, dass erste rechtspolitische Konsequenzen aus den schweren und massenhaften Menschenrechtsverletzungen gezogen werden, die auch vom demokratischen Staat an homosexuellen Menschen begangen wurden.
Das ist ein historischer Schritt. Es gibt aber bittere Wermutstropfen. Das Gesetz hat gravierende Lücken.
Erstens: Die vorgesehene Entschädigung für die Opfer, die durch eine menschenrechtswidrige Gesetzgebung verfolgt, inhaftiert und ihrer gesellschaftlichen Existenz beraubt wurden, ist viel zu gering. Schon die strafrechtliche Ermittlung nach § 175 StGB bewirkte gesellschaftliche Ächtung, bedeutete oft den Verlust des Arbeitsplatzes und der gesamten beruflichen Karriere. Die Auswirkungen sind bis heute spürbar, zum Beispiel bei der Höhe der Rente. Das muss ausgeglichen werden.
Zweitens: Die CDU/CSU hat in letzter Minute eine Einschränkung bei der Aufhebung der Urteile durchgeboxt, die angeblich dem Jugendschutz dienen soll, in Wahrheit aber neue Ungerechtigkeiten schafft. Selbstverständlich dürfen keine Urteile zu sexuellem Missbrauch aufgehoben werden. Das Gesetz führt aber rückwirkend erneut unterschiedliche Schutzaltersgrenzen zwischen Homo- und Heterosexualität ein. Es bleiben Bereiche von der Rehabilitierung ausgeschlossen, die bei Heterosexualität nie strafbar waren.  […] Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat unterschiedliche Altersgrenzen bei Homo- und Heterosexualität längst als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention eingestuft.“

Unterstützung für LSBTTIQ Geflüchtete!
20.6.2017, Auszüge aus der Pressemitteilung des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg zum Weltflüchtlingstag 2017: „Am Weltflüchtlingstag […] erinnert das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg an die besondere Situation von LSBTTIQ Geflüchteten. Wir brauchen endlich die Anerkennung der besonderen Schutzbedürftigkeit von LSBTTIQ Geflüchteten und Unterstützung für deren spezifischen Bedarfe.
LSBTTIQ Geflüchtete verlassen aus sehr verschiedenen Gründen ihr Herkunftsland. Manche versuchen einem Krieg zu entkommen, andere werden als politische Aktivist_innen verfolgt. Nicht immer ist ihre sexuelle Orientierung, ihre nicht-heterosexuelle Lebensweise, ihre Transsexualität, Intergeschlechtlichkeit oder das Leben zwischen den Geschlechtern der zentrale Grund für die Flucht. Dennoch gilt für sie alle, dass sie aus Gesellschaften fliehen, in denen ihnen Ausgrenzung, Zwangsverheiratung, Gefängnisstrafen, Folter oder gar die Todesstrafe drohen. „Hier ist es Aufgabe von Erstaufnahmestellen, Behörden und Mitarbeiter_innen in der Geflüchtetenarbeit in Baden-Württemberg, besonderen Schutz zu leisten, angemessene Begleitung zu bieten und eine faire Chance im Asylverfahren zu gewähren“, fordert Ulrike Goth vom Sprechendenrat des Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg. […] Informationen zu den Angeboten des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg für Geflüchtete und Kontakt zu unterstützenden Gruppen sind auf folgender Webseite zu finden: http://netzwerk-lsbttiq.net/refugee.“

175: Manfred Lucha fordert umfassende Rehabilitierung
17.5.2017: Zum Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie drängt Sozialminister Manne Lucha (Grüne) auf eine umfassende Rehabilitierung verfolgter Homosexueller. Zwar sollen nun Menschen entschädigt werden, die auf der Grundlage des 1994 abgeschafften „Schwulen-Paragrafen“ 175 verurteilt wurden. „Der Bundestag sollte aber prüfen, ob auch von Ermittlungen Betroffene in die Entschädigung einbezogen werden können“, sagte Lucha in Stuttgart. Nicht nur Verurteilungen, auch bereits Ermittlungen führten „nicht selten zum sozialen Tod“. (Quelle: Stuttgarter-Nachrichten, 17.05.2017)

Kunstausstellung: WE ARE PART OF CULTURE
13.5.2017: Das Projekt 100% MENSCH eröffnete am 13. Mai 2017 seine Geschäftsstelle in Stuttgart Bad Cannstatt in der Bochumer Straße 2. Das gemeinnützige Projekt 100% MENSCH plant für das Jahr 2017/18 eine Diversity-Kunstausstellung zum prägenden Beitrag von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern, Transsexuellen, Intersexuellen und queeren Menschen an der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung Europas. (…) Ziel der Ausstellung ist es, die sonst häufig thematisierte „Opferrolle“ aufzubrechen und die teilweise bahnbrechenden Leistungen zu präsentieren. Die Begleittexte zu den Kunstwerken, der Ausstellungskatalog sowie die Informationsmaterialien werden auf deutsch, englisch und arabisch erstellt. […] Die offizielle Vernissage erfolgt am 27. September im Berliner Hauptbahnhof (Quelle: http://www.wearepartofculture.de/wp-konzept.html)

„Gegen alle Widerstände“ – Talksendung Nachtcafè u. a. mit Heinz Schmitz
5.5.2017: Um 22 h wird im SWR Fernsehen die nächste Ausgabe der Talksendung Nachtcafé gesendet. Sie hat das Motto „Gegen alle Widerstände“. Zu Gast sein wird auch Heinz Schmitz (*1943 in Freiburg), der über seine Verurteilung nach § 175, seine Ehe und spätes Coming-out wie auch über die Auswirkungen seines „zweiten Coming-outs“ als Verurteilter berichten wird (Quelle: Email von Karl-Heinz Steinle vom 2. Mai 2017).

Universität Stuttgart entschuldigt sich für Nazi-Unrecht an 440 Menschen – unter ihnen auch § 175-Opfer
19.4.2017: Die Universität Stuttgart ermittelt zur Zeit alle ihre Mitglieder, die während der NS-Zeit durch die Hochschule selbst entrechtet und verfolgt wurden (entlassene Professoren, Assistenten, Dozenten und Mitarbeiter/innen, zwangsexmatrikulierte Studierende, Zwangsarbeiter u.a.). Anfang Februar 2017 hat die Universität Stuttgart schon eine Gedenkfeier zur Ehrung der Verfolgten durchgeführt:
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.universitaet-stuttgart-arbeitet-nazi-vergangenheit-auf-440-opfer-von-unrecht-und-verfolgung-ermittelt.4737d708-7f7c-4ff2-b822-17b61fe8514f.html
http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/uni-entschuldigt-sich-fuer-nazi-unrecht-an-440-menschen–133257225.html
Zu den Verfolgten gehören auch zwei Studenten die von der Hochschule verwiesen, weil sie aufgrund eines Vergehens nach dem damaligen §175 Strafgesetzbuch gerichtlich verurteilt worden waren. Die Rechercheergebnisse werden in einem Buch veröffentlichen, dessen Schwerpunkt in den Biographien der Betroffenen liegt. Die Pressemeldung, dass das Buch schon erschienen sei, ist falsch (Quelle: Email vom 19.4.2017 von Herrn Dr. Beckers von der Universität Stuttgart).

Strafrechtliche Reha­bilitierung homosexueller Männer
28.4.2017: Am Freitag, den 28. April 2017 fand im Deutschen Bundestag die erste Lesung des Gesetzes zur Rehabilitierung und Entschädigung der in der Bundesrepublik wegen § 175 verurteilten Männer statt: siehe https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw17-de-rehabilitierung/501820. Zu diesem Anlass hatte Justizminister Maas fünf betroffene Zeitzeugen als Ehrengäste eingeladen, die der Lesung auf der Ehrentribüne des Bundestages beiwohnten. Unter ihnen waren Helmut Kress aus Tübingen und Heinz Schmitz aus Freiburg, deren Interviews auf dem Internet-Portal zu Lebensgeschichten, Repression und Verfolgung von LSBTTIQ in Baden und Württemberg, www.lsbttiq-bw.de zu sehen sind (Quelle: Email von Karl-Heinz Steinle vom 25.04.2017).

Verfolgten aus Tschetschenien Aufnahme anbieten
26.4.2017: Anfang April berichtete die russische Zeitung Nowaja Gaseta erstmalig von einer brutalen Verfolgungswelle durch staatliche Milizen gegen schwule und bisexuelle Männer in Tschetschenien. Mehr als 100 Männer wurden in Geheimgefängnisse verschleppt und gefoltert. Bislang weiß man von drei namentlich bekannten ermordeten Männern. (…) In der Fragestunde bei der heutigen Bundestagssitzung hat der Staatsminister im Auswärtigen Amt Michael Roth bestätigt, dass die Bundesregierung die Berichte über brutale staatliche Verfolgung von Homosexuellen in Tschetschenien als glaubwürdig einstuft, ihnen nachgeht und die Deutsche Botschaft in Kontakt mit Betroffenen steht. Dazu erklärt Uta Schwenke, Sprecherin des Lesben- und Schwulenverband (LSVD): „Die russische Organisation LGBT Network hofft […], Flüchtlinge ins Ausland vermitteln zu können, gerade weil diese auch in Russland nicht sicher vor weiterer Verfolgung seien. Deutschland muss gefährdeten Personen aus Tschetschenien schützen, ihnen die Aufnahme anbieten und die Visa-Vergabe für Betroffene lockern. […] Merkel muss auf die sofortige Freilassung aller verschwundenen Männer, das Ende der brutalen Verfolgung, die lückenlose Aufklärung der Vorkommnisse sowie die Strafverfolgung für Täter*innen bestehen.“ (Quelle: Email vom LSVD vom 26.4.2017)

Das Onlineprojekt Lesbengeschichte: „http://www.lesbengeschichte.org/
27.3.2017: Heute sind wir per Mail auf das Onlineprojekt Lesbengeschichte aufmerksam gemacht worden, worin es u. a. heißt:
„Jeder sozialen Gruppe muß ihre eigene Geschichte zugänglich sein. Das Wissen über unsere Vergangenheit gibt uns kulturelle Wurzeln und ein Erbe von Vorbildern und Erfahrungen, von denen wir lernen und denen wir nacheifern oder denen nicht zu folgen wir uns entscheiden können. Uns lesbischen Frauen ist grundsätzlich alles Wissen über unsere Vergangenheit vorenthalten worden. Dies ist vorsätzlich geschehen, denn es hält uns unsichtbar, isoliert und machtlos. (…) Die Unterdrückung der lesbischen Lebensform erstreckt sich über die Kontrolle zeitgenössischer Vorstellungen und Informationen hinaus auch auf die Kontrolle historischen Wissens.“1
Derzeit suggerieren gerade großstädtische lesbische, lesbisch-schwule, queere und transgender subkulturelle Szenen vorschnell Sichtbarkeit und Selbstverständlichkeit lesbischer Lebensweisen. Aber auch heute noch leben viele Lesben versteckt, sind unsichtbar und isoliert […].
Mit diesem online-Projekt wollen wir lesbische Frauen […] in ‚der‘ Geschichte sichtbar machen – mit ihren individuellen Lebensgeschichten wie auch bezogen auf etwaige ‚kollektive‘ Zusammenhänge frauenliebender Frauen. Das online-Projekt Lesbengeschichte zielt auf historische und aktuelle Sichtbarkeit und versteht sich als Teil des Widerstands gegen Enthistorisierung lesbischer Existenzen und Aktivitäten. Die De/Konstruktion von Geschichte steht für uns nach wie vor im Zeichen von Erinnerungskultur, historischem Lernen und für die Möglichkeit – nicht zwingende Notwendigkeit – historisch positiver Identifikation/en wie auch Abgrenzung/en.

Bundesregierung will verurteilte homosexuelle Männer rehabilitieren
22.3.2017: Die Bundesregierung hat heute den vom BMJV (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz) vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen und zur Änderung des Einkommensteuergesetzes beschlossen:
„Die Rehabilitierung der Männer, die allein wegen ihrer Homosexualität vor Gericht standen, ist überfällig. Nur wegen ihrer Liebe zu Männern, wegen ihrer sexuellen Identität, wurden sie vom deutschen Staat verfolgt, bestraft und geächtet. Die alten Urteile sind aus heutiger Sicht eklatantes Unrecht. Sie verletzen jeden Verurteilten zutiefst in seiner Menschenwürde. […]
Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld arbeitet bereits an einer Aufarbeitung und Dokumentation der einzelnen Schicksale. Wir werden die wichtige Aufgabenerfüllung der Bundesstiftung ab 2017 allgemein über eine institutionelle Förderung in Höhe von jährlich 500.000 Euro aus dem Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz stärken und sichern. Denn: Es ist nicht allein damit getan, dass wir die Urteile aufheben, in der Öffentlichkeit aber kaum bekannt ist, worum es überhaupt geht.“
(Weitere Hintergrundinformationen unter http://www.bmjv.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/03222017_Paragraph_175.html). Siehe hierzu auch folgende Videos/Filme:

Gedenken an lesbische Frauen und Mädchen im KZ Ravensbrück
10.3.2017: Aus einem Email von „Autonome feministische FrauenLesben aus Deutschland und Österreich“ geht hervor, dass es mittlerweile mit den Gremien der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätte einen Konsens darüber gibt, dass es ein dauerhaftes Gedenken an lesbischen Frauen im ehemaligen Frauenkonzentrationslager Ravensbrück geben soll. „Nur“ noch bei der Frage des „wie“ gibt es nach wie vor unterschiedliche Standpunkte und Vorschläge. Die „Autonome feministische FrauenLesben aus Deutschland und Österreich“ hatte beantragt: „Entsprechend der Leitlinien der Mahn- und Gedenkstätten Ravensbrück/Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten … beantragen wir wie folgt eine Gedenktafel bzw. ein Erinnerungszeichen mit der Inschrift: In Gedenken aller lesbischen Frauen und Mädchen im Frauen-KZ Ravensbrück und Uckermark. Lesbische Frauen galten als „entartet“ und wurden als „asozial“, als widerständig und ver-rückt und aus anderen Gründen verfolgt und ermordet. Ihr seid nicht vergessen!
Sowohl in der Sitzung des Internationalen Beirats am 14. November 2016 als auch in der Fachkommission am 6.12. 2016 hätte es zu dieser Inschrift kontroverse Diskussionen gegeben. Der Beschluss der Beiratssitzung wird wie folgt zitiert: „Nach intensiver und kontroverser Diskussion kann derzeit kein Beschluss für oder gegen den Antrag gefasst werden. Kompromisse wären der frühere Konsensvorschlag oder die Nennung konkreter Namen.“ Der frühere Formulierungsvorschlag aus dem Jahr 2011 lautete: „Im Gedenken an lesbische Frauen, die aus politischen, religiösen, rassistischen oder sozialen Gründen im KZ Ravensbrück in den Jahren 1939-1945 inhaftiert waren.“
Eine endgültige Entscheidung sei auf den 5. Mai 2017 verschoben worden (siehe hierzu auch: http://www.konnys-lesbenseiten.de/ und die Auseinandersetzung um das „Berliner Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen“ in 2010: http://www.homo-denkmal.de/index.php?view=article&id=84 und http://www.homo-denkmal.de/files/Offener%20Brief%20-%20Staatsminister%20Neumann%20100318.pdf)

Maghreb-Staaten sind nicht sicher
10.3.2017: Der Bundesrat hat der Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als „sichere Herkunftsstaaten“ nicht zugestimmt. Dazu erklärt Stefanie Schmidt, Sprecherin des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD): „Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) begrüßt die heutige Entscheidung des Bundesrates, einer Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als „sichere Herkunftsstaaten“ nicht zuzustimmen.
In allen drei Staaten werden Menschenrechte verletzt, Homosexuelle als soziale Gruppe verfolgt und einvernehmliche Sexualität unter Erwachsenen gleichen Geschlechts mit hohen Gefängnisstrafen bedroht. Menschen werden eingesperrt und misshandelt, nur weil sie anders lieben. Die letzte bekannt gewordene Verurteilung zweier Männer wegen gleichgeschlechtlichen Handlungen in Marokko liegt gerade einmal zwei Wochen zurück.
Staaten als „sicher“ zu deklarieren, die Homosexualität kriminalisieren, stellt Menschenrechtsverfolgungen einen Persilschein aus. Das wäre ein schwerer Schlag für einen glaubwürdigen Kampf zur weltweiten Entkriminalisierung von Homosexualität. Der LSVD ist froh, dass der Bundesrat diesen menschenrechtlich fatalen Weg nicht mitgeht. Wir danken allen Landespolitikerinnen und Landespolitikern, die hier standhaft geblieben sind und die Verharmlosung der Menschenrechtslage in den Maghreb-Staaten nicht mitmachen.“

Hörtipp: Der Paragraf 175 – Langes Warten auf Gerechtigkeit
28.2.2017 – Deutschlandfunk:  http:/www.deutschlandfunk.de/der-paragraf-175-langes-warten-auf-gerechtigkeit-fuer.724.de.html?dram:article_id=380137